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Viele Deutsche und Deutschschweizer gehen den Sommer über in Graubünden zur Alp und begegnen dort dieser ganz eigenen und eigenständigen, mit dem Italienischen verwandten Sprache: Dem Rätoromanischen, der vierten Sprache der Schweiz. Wer nicht nur die Natur genießen, sondern auch in Kontakt zu Einheimischen kommen möchte, kann bereits mit ein paar Brocken Rätoromanisch Türen öffnen und die Verschlossenheit auflösen, die man den Schweizern gerne nachsagt – Die Sprache als Schlüssel zu den Herzen der Muttersprachler, die stolz sind auf ihre schöne Sprache ("nies bi lungatg"). Dieser Sprachführer stellt den wichtigsten der vier Dialekte ("Idiome") des Rätoromanischen dar: das Surselvische. Er zeigt die wichtigsten Sätze und Redewendungen auf und bietet den dazu passenden Grundwortschatz, um mithilfe des Wort-für-Wort-Prinzips schnell eigene Sätze zu bilden. Er gibt aber auch einen Einblick ins Bündner Leben, erläutert die Bedeutung von geografischen Beschreibungen wie etwa "Surcasti" oder "Piz Buin" und bereitet darauf vor, im Postamt mit "bien di" oder "buna sera" begrüßt zu werden. Wer sich schließlich mit "engraziel" bedankt, macht seinem Gegenüber ganz bestimmt eine Freude.
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Seitenzahl: 222
1.
Die zusätzliche Wort-für-Wort-Übersetzung verdeutlicht die fremde Satzstruktur. Grüne Hinterlegungen zeigen Lücken zum Einsetzen von Wörtern bzw. Alternativen zum Auswählen an.
Fremdsprache
Nua anflel jeu … ?
Lautschrift
nu-a anflël jäu …
Wort-für-Wort
wo finde ich …
Übersetzung
Wo finde ich … ?
2.
Dies erleichtert anschließend das Einfügen der gewünschten Wörter in die Sätze.
la plazza fiera
la plaza fiera
den Marktplatz
in’apoteca
in’apoteka
eine Apotheke
in miedi
in miedi
einen Arzt
in caffè
in kafä
ein Café
in restaurant
in räschtaurant
ein Restaurant
la staziun
la schtaziun
den Bahnhof
in taxi
in taxi
ein Taxi
*Unterstrichene Vokale zeigen die betonte Silbe an.
Im Wörterbuch am Ende des Buches gibt es noch mehr Wörter, die man sinnvoll einsetzen kann.
Vorwort
Typisch Rätoromanisch
Das Rätoromanische Graubündens
Rätoromanisch lernen
Aussprache und Betonung
Nomen
Dieses und Jenes, Hier und Dort
Adjektive
Steigern und Vergleichen
Ich und Du
Wem? oder Wen?
Mein und Dein
Sein und Haben
Verben in der Gegenwart
Verben in der Vergangenheit
Zukunft
Adverbien
Modalverben
Verneinen
Präpositionen
Konjunktionen
Fragen
Auffordern und Befehlen
Zahlen und Zählen
Zeit und Datum
Maße und Mengen
Rätoromanisch sprechen
Wörter, die weiterhelfen
Nichts verstanden?
Kurz-Knigge
Namen und Anrede
Begrüßen und Verabschieden
Bitten, Danken, Sich entschuldigen
Floskeln und Redewendungen
Das erste Gespräch
Zu Gast sein
Flirt und Liebe
Unterwegs
Über Stock und Stein
Landwirtschaft und Alp
Jagd und Fischerei
Übernachten
Essen und Trinken
Einkaufen und Verkaufen
Fotografieren
Telefon, Post, Bank und Geld
Bei der Polizei
Krank sein
Schimpfen und Fluchen
Wörterbuch
Deutsch – Rätoromanisch
Rätoromanisch – Deutsch
Die rätoromanischen Dialekte
Literaturhinweise
Der Autor
Rätoromanisch ist neben Französisch, Italienisch und Schweizerdeutsch die vierte Sprache der Schweiz. Sie gehört zu den romanischen Sprachen und teilt sich in vier Dialekte („Idiome“), von denen der wichtigste, das Surselvische, in diesem Buch vorgestellt wird.
1611
1938
13.879
Jahr der Ersterwähnung des Sursilvan
Aufnahme des Rätoromanischen in die Schweizer Verfassung
Personen sprechen Sursilvan als Erstsprache (laut Zensus vom Jahr 2000)
Rätoromanisch sprechen? Wenn Sie nach Graubünden fahren, können Sie sich dort in der Regel problemlos auf Deutsch verständigen. Wozu also Rätoromanisch sprechen? – Wenn Sie nicht nur die Natur genießen möchten, sondern auch Kontakt zu den Einheimischen haben möchten, dann können ein paar Brocken Rätoromanisch schon hilfreich sein, um die Menschen aus ihrer Verschlossenheit zu bekommen, die man den Schweizern gerne nachsagt. Die Sprache ist dabei der Schlüssel zum Herzen. Zudem vermittelt dieser Sprachführer auch einen gewissen Einblick ins Bündner Leben. Er ersetzt keinen Reiseführer, aber ergänzt einen solchen. Und vielleicht sind Sie neugierig, was die geografischen Bezeichnungen, wie etwa Surcasti oder Piz Buin, übersetzt bedeuten. Viele Deutsche und Deutschschweizer gehen heutzutage den Sommer über in Graubünden zur Alp, oft im rätoromanischen Sprachgebiet, und begegnen so dieser Sprache, auf die die Muttersprachler stolz sind. Auch bei der Post kann es Ihnen passieren, dass Sie mit bien di oder buna sera begrüßt werden. Wenn Sie sich schließlich mit engraziel bedanken, dann machen Sie Ihrem Gegenüber ganz bestimmt schon eine Freude. Und man wird Ihnen gern behilflich sein, wenn Sie sich bemühen, sich auf Rätoromanisch auszudrücken.
Gereon Janzing
Die erste Stadt am Rhein: Ilanz (rätoroman. Glion) liegt am Vorderrhein und wirbt damit, „die erste Stadt am Rhein“ zu sein. In der Schweiz gibt es heute kein Stadtrecht mehr, aber Ilanz betont sein historisches Stadtrecht. In der Schweizer Statistik gelten Gemeinden mit mindestens 10.000 Einwohnern als Städte, wovon Ilanz nur die Hälfte hat.
Dieser Autor und Illustrator aus dem Bündner Oberland ist bekannt für sein Bilderbuch „Zottel, Zick und Zwerg“, in dem er sehr einfühlsam einen Tag im Leben eines Geißenhirten beschreibt. Illustriert hat er auch den berühmten „Schellen-Ursli“ von der Engadinerin Selina Chönz. Der Kinofilm von 2014/2015 mit dem Käsediebstahl, dem märchenhaft verklärten Wolf und anderen Effektheischereien hat nur wenig Bezug zum liebevollen Buch.
Dieser Nachname kommt nicht nur in China vor, sondern ist auch ein rätoromanischer Nachname in der Surselva. Wenn man berücksichtigt, dass das französische Wort für Brot, „pain“, in südfranzösischen Dialekten wie „peng“ ausgesprochen wird, passt der Name gut zur gleichnamigen Bäckerei in Vals.
Diese Torte dürfte die bekannteste Spezialität aus dem Kanton sein. Sie enthält eine Füllung aus karamellisiertem Zucker und Walnüssen (oder Baumnüssen, wie man in der Schweiz bevorzugt sagt, rätoromanisch: nuschs). Ihr Ursprung liegt im Engadin, aber auch aus den Bäckereien der Surselva ist sie heute kaum noch wegzudenken. Und der engadinromanische Name tuorta da nuschs entspricht genau dem surselvischen Namen.
Als Strahler bezeichnet man in der Schweiz Kristallsucher. Die etymologische Deutung dieses Wortes ist umstritten. In der Surselva begegnen einem manchmal Strahler. Und wer Glück hat, findet auch mal selber einen Bergkristall. Als Bergkristall bezeichnet man farblosen, kristallinen Quarz, also Siliziumdioxid.
Wenn wir von Rätoromanisch sprechen, ist meistens das Rätoromanische Graubündens, das Bündnerromanische, gemeint. Und um dieses geht es in diesem Sprachführer. Falls Sie Französisch oder Italienisch können, werden Sie im Bündnerromanischen einiges Bekannte wiederfinden, so dass Ihnen die Sprache schon nach kurzer Zeit nicht mehr allzu fremd anmuten wird. In der Schweiz wird die Sprache üblicherweise einfach als „Romanisch“ bezeichnet, im Bündnerromanischen als romontsch oder rumantsch. Früher wurde diese Sprache auch „Churwelsch“ genannt, nach Chur, der Hauptstadt Graubündens. Da diese Sprache für die Mehrheit der Schweizer unverständlich war, wurde der Name volksetymologisch zu „Kauderwelsch“ im Sinne einer unverständlichen Sprache. Das Bündnerromanische war also letzten Endes namensgebend für diese Buchreihe!
Im weiteren Sinn umfasst der Begriff „Rätoromanisch“ auch das Ladinische der Dolomiten und das Friaulische im Nordosten Italiens. Diese beiden Sprachen sind die nächsten Verwandten des Bündnerromanischen. Ansonsten hat das Bündnerromanische enge Beziehungen zum Französischen und zum Italienischen. Daneben hat es durch jahrhundertelange Beeinflussung auch einige Beziehungen zum Deutschen.
Beim Satzbau und bei der Schreibung ist einiges deutsch beeinflusst und deshalb für uns Deutschsprachige leichter nachvollziehbar als für Französisch- oder Italienischsprecher. Zudem werden in der Umgangssprache viele deutsche Wörter verwendet. Einige deutsche Wörter sind auch in die Schriftsprache vorgedrungen. Viele deutsche Wörter, die Sie hören, werden Sie jedoch in einem bündnerromanischen Wörterbuch vergeblich suchen, aber ohnehin auf Anhieb verstehen. Seltenheitswert haben dagegen die Wörter, die die umgekehrte Richtung genommen haben: Das deutsche Wort „Gletscher“ stammt vom gleichbedeutenden bündnerromanischen glatscher, abgeleitet von glatsch „Eis“.
Das Bundesamt für Statistik der Schweiz ermittelte im Jahr 2019 eine Sprecherzahl des Bündnerromanischen von rund 36.000. Etwa die Hälfte davon spricht Surselvisch. Entgegen verbreiteter Meinung ist die Sprache zwar im Rückgang begriffen, aber keineswegs am Aussterben, insbesondere nicht in der Surselva.
Die fünf Großdialekte werden im bündnerromanischen Kontext üblicherweise als „Idiome“ bezeichnet.
Gesprochen wird Bündnerromanisch nicht in ganz Graubünden. Der Norden ist deutschsprachig (großenteils alemannisch) und im Süden gibt es drei italienischsprachige Gebiete. Aber auch wenn Sie in einem anderen Teil Graubündens einen Ausländerausweis bekommen, wird er die Aufschrift legitimaziun d’esters haben (Surselvisch wäre das legitimaziun d’jasters).
Das Bündnerromanische besteht aus fünf großen Dialekten: dem Surselvischen (sursilvan), dem Sutselvischen (sutsilvan), dem Surmeirischen (surmiran), dem Unterengadinischen (vallader, betont: Valláder) und dem Oberengadinischen (putér). Jeder dieser Dialekte hat seine eigene Schriftsprache. Die beiden engadinischen Dialekte unterscheiden sich allerdings nur mäßig. Sie werden auch als „Ladinisch“ zusammengefasst, sollten aber nicht mit dem Ladinischen der Dolomiten verwechselt werden.
Neben diesen fünf Dialekten gibt es seit den 1980er Jahren eine übergeordnete Schriftsprache, das rumantsch grischun, das Amtssprache ist und somit in offiziellen Verlautbarungen verwendet wird. Dies wird allerdings nirgends wirklich gesprochen. Seine Einführung ist unter den Bündnerromanen umstritten.
Im vorliegenden Sprachführer wird nur das Surselvische behandelt. Wenn Sie dieses einigermaßen verstehen, werden Sie auch im geschriebenen rumantsch grischun vieles recht problemlos verstehen. Einen kurzen Überblick über die verschiedenen Dialekte finden Sie im Anhang, damit Sie eine Vorstellung davon bekommen, was Sie außerhalb der Surselva erwartet. Auch regionale Unterschiede innerhalb der Surselva werden dort angesprochen.
Die Romanische Liga oder Lia Rumantscha (surselvisch: Ligia Romontscha) in Chur bemüht sich um den Erhalt der rätoromanischen Sprache. Sie publiziert Bücher in Rätoromanisch und über Rätoromanisch.
Während viele Deutschschweizer es nicht mögen, wenn Deutsche versuchen, Schweizerdeutsch zu radebrechen, stehen die Rätoromanen Versuchen, ihre Sprache zu sprechen, mehrheitlich offen gegenüber. Und wenn Sie ein Wort nicht auf Rätoromanisch wissen, sagen Sie es einfach auf Deutsch. Das tun die Rätoromanisch-Muttersprachler auch, wenn sie über etwas sprechen, das in Graubünden wenig bekannt ist und das sie deshalb eher in Deutsch kennen.
Die Literatur über das Rätoromanische ist in der Regel nicht so sehr an der Umgangssprache ausgerichtet. Sie erfahren beispielsweise in Wörterbüchern das Wort Germania für „Deutschland“, während es in der gesprochenen Sprache fast durchgängig dem Wort Tiaratudestga gewichen ist. Hier führe ich Sie in die gesprochene Alltagssprache ein!
Häufig werden Sie in Graubünden den Slogan lesen: Tgi che sa rumantsch, sa dapli. „Wer Rätoromanisch kann, kann (weiß) mehr.“ (Auf Surselvisch wäre es romontsch statt rumantsch.)
Graubünden ist der einzige offiziell dreisprachige Kanton der Schweiz. Neben dem in diesem Buch behandelten Bündnerromanischen werden Deutsch und Italienisch gesprochen.
In einem großen Teil Graubündens wird heute Deutsch gesprochen. Dabei handelt es sich teilweise um höchstalemannische Dialekte, die mit den Walsern aus dem Wallis eingewandert sind. Man spricht also Walserdeutsch. Wenn Sie ein Buch anschauen, das Ihnen das Schweizerdeutsche vermittelt, dann ist das meistens das Zürichdeutsche. Von diesem unterscheidet sich das Walserdeutsche Graubündens zum Teil beträchtlich. Lautliche Unterschiede sind unter anderem die folgenden: Während man in Zürich myn Brueder für „mein Bruder“, Wy (mit langem i) für „Wein“, und ghaa für „gehabt“ sagt, heißt es in Graubünden miner Brüeder, Wie (mit Doppelvokal) und gchaa (mit ch wie in ach). In Zürich und dem größten Teil des alemannischen Sprachgebietes heißt das Pronomen „sie“ sy oder si, in Graubünden aber schi oder unbetont auch nur sch. Auch im Wortschatz gibt es Unterschiede: So heißt „Schwein“ in Zürich Sou, ähnlich auch in den meisten anderen Teilen des alemannischen Sprachgebietes, in Graubünden dagegen Schwie.
Im Süden Graubündens gibt es drei Gebiete, in denen Italienisch gesprochen wird: das Misox (Mesocco) an der Grenze zum Tessin mit Mesolcinatal und Calancatal, das Bergell (Bregaglia) und das Puschlav (Valposchiavo). Wie im Tessin und den angrenzenden Gebieten Norditaliens handelt es sich hier um lombardische Dialekte. Auffällig im Lombardischen ist das Auftreten der Laute ö und ü wie im Engadinischen: crös „Kreuz“. Entsprechende Ortsnamen in Norditalien verleiten manchmal zur irrtümlichen Annahme, dort würde Rätoromanisch gesprochen. Auch sonst sind einige Parallelen zum Bündnerromanischen zu finden. So heißt „Ziege“ auf Lombardisch caura oder ciauratschaura ähnlich wie im Surselvischen, „Milch“ heißt lombardisch lačlatsch, surselvisch latglatj. In der Stadt Poschiavo können Sie lombardische Straßenschilder finden, und die erinnern Sie möglicherweise an das Rätoromanische.
Wie weit die aus dem Deutschen übernommenen Wörter dem Schriftdeutschen entsprechen oder aber schweizerdeutsch eingefärbt sind, ist unterschiedlich.
Es kann nicht verwundern, dass der jahrhundertealte deutsche Einfluss seine Spuren in der rätoromanischen Sprache hinterlassen hat. Heute spricht praktisch jeder Rätoromanischsprecher zumindest einigermaßen Deutsch, oft sowohl Schriftdeutsch als auch Schweizerdeutsch.
Einige deutsche Wörter haben es bis in die gewöhnliche Schriftsprache geschafft. Dazu gehören il tieril tier „das Tier“, il buobil buop „der Bub, der Knabe“. Andere Wörter werden in der Umgangssprache allgemein gebraucht, sind aber in der Schriftsprache unüblich. In wörtlicher Rede, etwa in Comics, werden sie aber doch manchmal geschrieben. Solche Wörter sind schonschån und aberabër.
Manche deutschen Wörter werden nur regional benutzt. Ihr Gebrauch ist der Mode und damit einem starken Wandel unterworfen. Wo man heute noch küelschrankküelschrangk sagt (vielleicht auch mal im Brief schreibt), heißt es morgen vielleicht schon wieder frestgerafräschtjera. Wohl jeder Rätoromanischsprecher, der il schlauchil schlauch oder il rucksackil ruxak sagt, weiß, dass es eigentlich igl uderilj ùdër und il sacadosil ßakadåß heißt. Diese deutschen Wörter werden Sie in der rätoromanischen Literatur vergeblich suchen. Das Wort igl envidaderilj ënwidadër für „das Feuerzeug“ ist allerdings bei manchen Sprechern in Vergessenheit geraten zugunsten von il zünderil zündër.
Wenn ein Rätoromane deutsche Fachausdrücke lernt, kennt er nicht notwendigerweise die rätoromanischen Bezeichnungen, da er mit dem Thema möglicherweise nie zu tun gehabt hatte. Und so verwendet er auch innerhalb des rätoromanischen Satzes die deutschen Wörter.
Weiterhin gibt es deutsche Wörter, deren rätoromanische Entsprechungen kaum bekannt sind oder vielleicht gar nicht existieren, da die so bezeichneten Objekte in Graubünden wenig bekannt sind. Wenn Sie Jäger sind und einem Graubündner Jäger über Damhirsche erzählen wollen, bleibt Ihnen wahrscheinlich nichts anderes übrig, als das deutsche Wort zu benutzen; das rätoromanische Wort wird Ihnen kaum jemand sagen können, da es in Graubünden keine Damhirsche gibt.
Ich persönlich glaube nicht, dass die deutschen Elemente im Rätoromanischen eine Bedrohung für die Sprache sind. Jede Sprache ist zu einem gewissen Grad gemischt. Sprachen und Kulturen, die sich offen und anpassungsfähig zeigen, haben in der Regel bessere Überlebenschancen. Zur Offenheit gehört sicherlich auch, dass jeder Sprecher selber entscheiden kann, wie weit er oder sie deutsche Wörter benutzt. Ihnen als Sprachfremden empfehle ich, sich in dieser Hinsicht weitgehend nach Ihren Gesprächspartnern zu richten.
Der erste Teil zeigt, wie Rätoromanisch, genauer Surselvisch, „funktioniert” und liefert das Handwerkszeug, um eigene surselvische Sätze zu sprechen.
Sollten Sie zu den Menschen gehören, die lieber einen Bogen um das Thema Grammatik machen: Keine Sorge! Die wichtigsten Regeln werden auch für Laien verständlich erklärt und mit praktischen Beispielen veranschaulicht. Die Wort-für-Wort-Übersetzung (Seite 1) hilft dabei, den Satzbau nachzuvollziehen und selbst anzuwenden.
Im zweiten Teil dreht sich alles ums Sprechen. Für alle möglichen Lebenslagen auf Reisen gibt es Beispiele, in die man nur noch das passende Wort einsetzen muss. Praktische Tipps und Infos zum Reiseland erleichtern das Ankommen. Trauen Sie sich und versuchen Sie Ihre ersten Schritte in der Fremdsprache! Sie zeigen damit Interesse und Respekt – und schon ist das Eis gebrochen, auch wenn man mal einen Fehler macht. Sie werden völlig andere Dinge erleben als „sprachlose” Reisende und Sie werden feststellen: Sprache öffnet Türen und Herzen.
Am Ende des Buches finden Sie ein Wörterbuch zum Nachschlagen in beiden Richtungen. Die Umschlagklappen geben einen Überblick der wichtigsten Sätze.
Wie aus anderen romanischen Sprachen bekannt, wird ein Adjektiv auch dann in Geschlecht und Zahl an das zugehörige Subjekt angeglichen, wenn es nicht attributiv (d. h. als unmittelbarer Begleiter), sondern prädikativ (also als Ergänzung zur Satzaussage mit dem Hilfsverb „sein“) verwendet wird. Dann wird hier das Adjektiv jeweils in der männlichen und weiblichen Form aufgeführt.
Wenn jemand von sich selber spricht, wählt ein Mann die männliche Form, eine Frau hingegen die weibliche Form. Wird ein Mann angesprochen, wählt man die männliche Form usw.
Sg / Pl
Singular / Plural
Koll
Kollektiv (Sammelform)
m / w / s
männlich / weiblich / sächlich
Aussprache und Betonung
Nomen
Dieses und Jenes, Hier und Dort
Adjektive
Steigern und Vergleichen
Ich und Du
Wem? oder Wen?
Mein und Dein
Sein und Haben
Verben in der Gegenwart
Verben in der Vergangenheit
Zukunft
Adverbien
Modalverben
Verneinen
Präpositionen
Konjunktionen
Fragen
Auffordern und Befehlen
Zahlen und Zählen
Zeit und Datum
Maße und Mengen
Die Rechtschreibung des Rätoromanischen orientiert sich zwar an der Ausspache, lässt sie aber nicht immer zweifelsfrei erkennen. Deshalb wurde hier eine Lautschrift eingeführt, um Ihnen die richtige Aussprache zu erleichtern.
Das Alphabet besteht aus folgenden 24 Buchstaben: a, b, c, d, e, f, g, h, i, j, k, l, m, n, o, p, q, r, s, t, u, v, x und z. Der Buchstabe k kommt nur in Fremdwörtern vor. Gelegentlich kommen die Akzentbuchstaben é und è vor, um ansonsten gleich geschriebene Wörter zu unterscheiden. Sonst sind Akzentbuchstaben selten; sie bezeichnen immer die Betonungsstelle, z. B. vallàwala „Tälchen, Mulde“.
Deutsche Wörter, die in der Schriftsprache nicht gebraucht werden, für die es daher keine Rechtschreibregeln gibt, werden in diesem Buch in Anlehnung an die deutsche Schreibung geschrieben. Dadurch kommen noch die Buchstaben ü und w hinzu, die dem Surselvischen an sich fremd sind.
Ähnlich wie im Deutschen werden die Buchstaben b, d, g, s, sch und v im Auslaut stimmlos gesprochen, also z. B. b wie p, v wie f: novnåf „neun“. Bei Bindung ans nächste Wort können die Laute jedoch wieder stimmhaft werden: dus onnsdus’ånß „zwei Jahre“, nov ovsnåw’åfß „neun Eier“. Um diese Bindung zu kennzeichnen, wird hier in der Lautschrift ein Auslassungszeichen gesetzt.
Auch eine Angleichung an einen folgenden stimmhaften Konsonanten kommt vor: quendisch diskuendisch’diß „zwei Wochen“ (wörtlich „fünfzehn Tage“), miezdimiedsdi „Mittag“. Die beim flüssigen Sprechen erfolgende Angleichung wird hier nicht konsequent bezeichnet; beim langsamen Sprechen, wie Sie es anfangs tun, würde sie in vielen Fällen wohl eher gekünstelt wirken.
Das Zungenspitzen-R gilt als gepflegte Aussprache, das Zäpfchen-R eher als nachlässig. Wenn Sie das Wort „tuochta“ hören, schauen Sie im Wörterbuch unter tuorta (Standardaussprache „tuorta“), dann finden Sie „Kuchen“. Der ach-Laut kommt sonst nur in deutschen Wörtern vor.
Die Buchstaben c, d, g und t sind nach n im Auslaut in der Regel stumm: grondgrån „groß“.
Das r können Sie als deutsches Zäpfchen-R oder als italienisches Zungenspitzen-R hören (aber nie als a-Laut wie insbesondere in Norddeutschland und Bayern!). Seien Sie darauf gefasst, dass das Zäpfchen-R vor stimmlosen Konsonanten bisweilen wie „ch“ in „ach“ gesprochen wird.
Seien Sie außerdem darauf gefasst, dass in schneller oder nachlässiger Sprache dj und lj zu j werden können: gieje statt standardsprachlichem dje „ja“, magliarmija statt milja oder malja „essen“. Das c in buc „nicht“ wird manchmal verschluckt: bù. Sie können derartige Aussprachen gern von ihren Gesprächspartnern übernehmen, sie werden hier in der Lautschrift jedoch nicht berücksichtigt.
Die Betonung wird im Rätoromanischen nur in Ausnahmefällen durch einen Akzent gekennzeichnet. Sie ist oft nicht an der Schreibung zu erkennen: vadiwadi „Kalb“, aber selvadißëlwadi „wild“. Die betonten Vokale sind in der Lautschrift unterstrichen.
Der Unterschied zwischen langen und kurzen Vokalen ist kleiner als im Deutschen. Er spielt im Surselvischen keine große Rolle. Am besten sprechen Sie die betonten Vokale halblang. Sprechen Sie sisßiß „sechs“ nicht so kurz wie das gleichbedeutende französische Wort. Die unbetonten Vokale sind sehr kurz. e und a in unbetonten Silben klingen ähnlich.
Das offene u klingt für deutsche Ohren etwa wie ein o, ist aber im Bewusstsein der Rätoromanen ein u und kein o. Wenn Sie nach der Aussprache von dudisch fragen, wird man Ihnen das u wahrscheinlich geschlossener sprechen als in der flüssigen Sprache. Man wird auch Sie problemlos verstehen, wenn Sie das offene u als u sprechen. Der Laut wurde hier nicht mit o wiedergegeben, da das eventuell dazu verleiten könnte, ein offenes å zu sprechen. Wenn Sie boka hören, dann ist es das Wort bùka (buca „nicht“)
Diphthonge sind meistens betont. In den meisten Fällen liegt der Hauptton auf dem ersten Vokal, bei ia und ausnahmsweise bei iu auf dem zweiten. Eine Silbengrenze zwischen zwei Vokalen wird in der Lautschrift durch einen Bindestrich gekennzeichnet: miami-a „meine“, di da naschientschadi da naschi-äntscha „Geburtstag“.
Die Aussprache von ei ist regional unterschiedlich, teilweise spricht man es wie „ay“ in „Spray“ (äi), teilweise wie „ei“ in „mein“ (ai), auch wie „eu“ in „neu“ (åi). Lassen Sie sich also nicht verwirren, wenn Sie fain oder fåin hören, das ist fein „Heu“. Wenn Sie mei „geht“ und mai „niemals“ gleich aussprechen, dann tun Sie das, was manche Muttersprachler auch tun.
Auch andere Folgen von Vokalen werden gern zu Doppellauten zusammengezogen, z. B. suenterßuäntër „nach, nachher“. u nach q bildet immer den unbetonten Teil eines Doppellautes: quendischkuendisch „fünfzehn“, quintkuint „fünfter“.
Für deutsche Ohren klingen die weiblichen Vornamen Dianadiana und Giannadjana zunächst kaum unterschiedlich. Aber Sie werden sich im Laufe der Zeit an den Unterschied gewöhnen.
Deutsche Wörter der gesprochenen Sprache werden mehr oder weniger wie im Deutschen ausgesprochen, teilweise mit schweizerdeutschem Einschlag, eine feste Regel für die genaue Aussprache lässt sich aber nicht angeben: sowiesosåwiso,irgendirgën.
In der Umgangssprache hat es sich eingebürgert, zum Buchstabieren die deutschen Buchstabennamen zu verwenden. Oft aber wird das v gemäß seiner Aussprache we genannt.
Falls Sie Französisch sprechen, lassen Sie sich nicht vom bisweilen französisch anmutenden Schriftbild irritieren: temps „Zeit“ wird tämpß oder tämß gesprochen (da temps en tempsdatämß ëntämß „von Zeit zu Zeit“), d’accord „einverstanden“ heißt richtig dakårt.
Im Rätoromanischen sind alle Nomen (Substantive) entweder weiblich oder männlich. Die Wörter auf -a sind fast immer weiblich, die meisten anderen sind männlich. Aber es gibt auch Wörter auf Konsonanten, die weiblich sind, und die Sie nicht immer vom Französischen oder Italienischen ableiten können. So ist etwa puntpùn „Brücke“ weiblich.
Die Artikel werden mit den Nomen als eine Einheit gesprochen. Es wäre also richtiger, in der Lautschrift nicht il mäun, sondern ilmäun zu schreiben.
Singular
Plural
m
il / (vor Vokal und j) igl, gl’
ils
w
la / (vor Vokal) l’
las
Die Form des Artikels vor h ist von der Aussprache abhängig: Ist es stumm, so sagt man igl hotelilj’åtäl,l’historial’ischtåria. Da es heutzutage üblicherweise mitgesprochen wird (zweifellos durch deutschen Einfluss bedingt), sagt man il hotelil håtäl, la historiala hischtåria.
Der Artikel steht gewöhnlich auch vor Vornamen. Also la Giudittala djudita „(die) Judith“, il Giusepil djusäp „(der) Josef“.
Den unbestimmten Artikel gibt es wie im Deutschen nur im Singular. Er heißt männlich in, weiblich ina (vor Vokal wird er meist verkürzt zu in’).
Die Pluralform (Mehrzahl) der Nomen endet auf -s.
il maun
il mäun
die Hand
ils mauns
ilß mäunß
die Hände
igl aviul
ilj awiul
die Biene
ils aviuls
ils’awiulß
die Bienen
la vacca
la waka
die Kuh
las vaccas
laß wakaß
die Kühe
l’aua
l’au-a
das Wasser
las auas
las’au-aß
die Gewässer
ina casa
ina kasa
ein Haus
casas
kasaß
Häuser
il schlauch
il schlauch
der Schlauch
ils schlauchs
ilß schlauchß
die Schläuche
Auch deutsche Wörter, die in der Umgangssprache vorkommen, werden auf diese Art in den Plural gesetzt (hier z. B. schlauch). Es gibt bei männlichen (sehr selten bei weiblichen) Wörtern einige Unregelmäßigkeiten:
il cunti
il kunti
das Messer
ils cuntials
ilß kuntialß
die Messer
igl jester
ilj ieschtër
der Fremde
ils jasters
ils’jaschtërß
die Fremden
igl iev
ilj ief
das Ei
ils ovs
ils’åfß
die Eier
il tgiet
il tjiet
der Hahn
ils cots
ilß kåz
die Hähne
igl um
ilj ùm
der Mann
ils umens
ils’ùmënß
die Männer
Und eine Spezialität des Bündnerromanischen: Neben dem Plural haben manche männlichen Wörter eine zusätzliche Sammelform (Kollektivform, hier abgekürzt mit Koll), die die Objekte als Gesamtheit beschreibt. Diese Form endet auf -a und wird als weiblicher Singular behandelt:
Singular
il fegl
il felj
das Blatt
il tgiern
il tjiern
das Horn
il meil
il meil
der Apfel
Plural
ils fegls
ilß feljß
die Blätter
ils corns
ilß kårnß
die Hörner
ils meils
ilß meilß
die Äpfel
Kollektiv
la feglia
la felja
das Laub
la corna
la kårna
das Gehörn
la meila
la meila
die Äpfel
Eine Beugung wie im Deutschen gibt es nicht, stattdessen werden dem Nomen Präpositionen vorangestellt (siehe auch: Kapitel „Fragen“). Deutsche Wörter, die fast nur im Plural vorkommen, werden bisweilen im Rätoromanischen als Kollektivform ausgedrückt: la haferflockala hafërflåka „die Haferflocken“. Beachten Sie außerdem: la glieudla ljäut „die Leute“ ist im Rätoromanischen immer Singular.
Einfach und kennenswert sind die Verkleinerungsformen, männlich auf -et, weiblich auf -etta, wobei das grammatische Geschlecht – anders als im Deutschen! – erhalten bleibt:
il buob
il buop
der Bub
il buobet
il buobät
das Bübchen
la buoba
la buoba
das Mädchen
la buobetta
la buobäta
das kleine Mädchen
il truc
il trùk
der Kasten
il truchet
il trukät
die Schublade
Zusammensetzungen werden durch da „von“ gebildet, wenn damit ein Zweck oder ein Material ausgedrückt wird:
il barschun da dents
la casa da crap
il barschun da dänß
la kasa da krap
der Bürste von Zähnen
die Haus von Stein
die Zahnbürste
das Steinhaus
In den meisten Fällen bildet man eine Zusammensetzung durch bloße Aneinanderreihung (auch mit Bindestrich oder zusammengeschrieben).
il latg caura
il det-pei
la viafier
il latj kaura
il dät pei
la wi-afier
der Milch Ziege
der Finger-Fuß
die Weg-Eisen
die Ziegenmilch
die Zehe
die Eisenbahn
Nur der erste Teil der Zusammensetzung wird in den Plural gesetzt.
ils dets-pei
las viasfier
ils däz pei
laß wi-aßfier
die Finger(Pl)-Fuß
die Wege-Eisen
die Zehen
die Eisenbahnen
Manches, was im Deutschen eine Zusammensetzung ist, wird umschrieben und in Zusammensetzungen mit mal im Sinne von „Schmerz“ erhält der zweite Teil den Artikel:
caffè cun latg
mal il tgau
kafä kun latj
mal il tjau
Kaffee mit Milch
Schmerz der Kopf
Milchkaffee
Kopfschmerz
Beachten Sie den Unterschied bei Zusammensetzung mit und ohne Präposition:
in migiel da vin
in migiel vin
in midjiel da win
in midjiel win
ein Glas von Wein
ein Glas Wein
ein Weinglas
ein Glas Wein
ina scadiola da caffè
ina scadiola caffè
ina schkadiåla da kafä
ina schkadiåla kafä
eine Tasse von Kaffee
eine Tasse Kaffee
eine Kaffeetasse
eine Tasse Kaffee
Einige Zusammensetzungen stellen einen verkürzten Satz dar. Diese Wörter sind männlich und im Plural unverändert: ils tschetschapuorla „die Staubsauger“, ils schigentamauns „die Handtücher“.
il tschetschapuorla
il schigentamauns
il tschetschapuorla
il schidjäntamäunß
der Saugt-Staub
der Trocknet-Hände
der Staubsauger
das Handtuch
„Staubsauger“ und „Handtuch“ sind zu verstehen als che tschetscha la puorla „der den Staub saugt“ und che schigenta ils mauns „das die Hände trocknet“.
Die Demonstrativpronomen (hinweisende Fürwörter) für „jener, jene, jenes“, oft auch im Sinn von „dieser, diese, dieses“, stehen vor dem Nomen, auf das sie sich beziehen (männlich als Begleiter auf -ei, aber wenn alleinstehend auf -el). Tschel, tschella, tschei werden v. a. bei Gegenüberstellungen oft mit „der, die, das andere“ übersetzt. Questkuescht (dieser), questakueschta (diese) werden heute hauptsächlich in Wendungen wie questa stad „diesen Sommer“, questa jamna „diese Woche“, quest onn „dieses Jahr, heuer“ verwendet. Von quest gibt es keine sächliche Form.
m
quelkuel/ tscheltschel
jener
w
quellakuela/ tschellatschela
jene (Sg)
s/m
queikuei/ tscheitschei
jenes / -er
m
questkuescht
dieser
w
questakueschta
diese
Für „jener, jene“, auch „dieser, diese“, insbesondere, wenn etwas vorher Genanntes wieder aufgegriffen wird, verwendet man lez /lezza.
Tgei fa tiu frar?
Lez va a spass.
tje