14,99 €
Dieser alltagstaugliche Sprachführer Kauderwelsch Tigrinya ermöglicht einen einfachen Einstieg in die von rund 9 Millionen Menschen gesprochene Sprache. Tigrinisch, wie sie auch bezeichnet wird, ist die Sprache, die die Schwesternationen Eritrea und Äthiopien, insbesondere die Verwaltungsregion Tigray, trotz aller Differenzen miteinander verbindet. Dabei ist diese einzigartige Sprache definitiv eine Herausforderung: So zeichnet sich Tigrinya nicht nur durch ihr umfangreiches Schriftsystem mit etwa 200 Schriftzeichen, sondern auch ihre fehlende Standardisierung aus, sodass keine offizielle Rechtschreibung existiert. Die Sprache hält jedoch neben einigen Herausforderungen auch viele Möglichkeiten bereit. Vor Ort dient sie als Schlüssel zur großen Gruppe der Muttersprachler, doch auch in Europa ist sie aufgrund der kritischen Lage in Eritrea und der damit einhergehenden wachsenden Community an Eritreer:innen in europäischen Ländern ein wertvolles Mittel zur Verständigung. Der seit 1980 in Deutschland lebende Autor Salomon Ykealo kommt aus Eritrea und ist Muttersprachler. Er beschäftigt sich schon lange mit der tigrinischen Sprache und Literatur, aber auch mit anderen semitischen Sprachen wie Amharisch und Hebräisch. Auf Basis seines seltenen sprachlichen Hintergrunds ist es ihm mit diesem Buch gelungen, einen Sprachführer für eine Sprache zu schreiben, für die es bisher auf Deutsch weder Lehrwerke noch Grammatiken gibt. Auch eine offizielle Umschrift existierte bislang nicht, sodass eigens für diesen Sprachführer in enger redaktioneller Abstimmung eine Lautschrift entwickelt wurde, die Lernende beim Sprechen dieser so fremden, aber einzigartigen Sprache unterstützen soll. All das macht den Kauderwelsch Tigrinya zu einem einzigartigen Pionierwerk unter den Sprachführern.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 151
1.
Die zusätzliche Wort-für-Wort-Übersetzung verdeutlicht die fremde Satzstruktur. Grüne Hinterlegungen zeigen Lücken zum Einsetzen von Wörtern bzw. Alternativen zum Auswählen an.
Tigrinya
ሰብ ኣበይ እዩ … ዝገዝእ፧
Lautschrift
ßäb abäj ǝju … sǝgäsǝ’ǝ?
Wort-für-Wort
Mensch wo er-ist … der-er-kauft
Übersetzung
Wo kann man … kaufen?
2.
Dies erleichtert anschließend das Einfügen der gewünschten Wörter in die Sätze.
ፍረ ተኽሊ
frä tächli
Obst, Früchte
ሓምሊ፣ ኣሕምልቲ
hamli, ahmlti
Gemüse
ዓሳ፣ ዓሳታት
°aßa, °aßatat
Fisch
ስጋ፣ ስጋታት
ßga, ßgatat
Fleisch
ክዳን፣ ክዳዉንቲ
kdan, kdaʷǝnti
Kleidung
ቆብዕ
qobu°ǝ
Hut
ክርቢት
krbit
Streichhölzer
ሳምና
ßamna
Seife
መጽረይ ስኒ
mäzräj ßni
Zahnbürste
Im Wörterbuch am Ende des Buches gibt es noch mehr Wörter, die man sinnvoll einsetzen kann.
Vorwort
Typisch Tigrinya
Land und Sprache
Hinweise zur Benutzung
Tigrinya lernen
Aussprache und Umschrift
Über die Schrift
Wortbildung
Nomen
Dieses und Jenes
Adjektive
Steigern und Vergleichen
Personalpronomen
Possessivpronomen
Adverbien
Fragen
Verben und Zeiten
Auffordern und Befehlen
Präpositionen
Konjunktionen
Zahlen und Zählen
Zeit, Datum, Mengen und Maße
Tigrinya sprechen
Wörter, die weiterhelfen
Nichts verstanden?
Kurz-Knigge
Religionen
Begrüßen und Verabschieden
Das erste Gespräch
Floskeln und Redewendungen
Unterwegs
Übernachten
Essen und Trinken
Kaufen und Handeln
Fotografieren
Kommunikation
Post, Bank, Behörden
Krank sein
Dringende Hilferufe
Wörterbuch
Wörterbuch
Deutsch – Tigrinya
Tigrinya – Deutsch
Der Autor
Tigrinya gehört zu den semitischen Sprachen und wird in Eritrea und im Norden Äthiopiens gesprochen. In beiden Ländern zählt es zu den Amtssprachen.
9
MillionenMenschen
sprechen Tigrinya als Muttersprache.
182
Schriftzeichen
Es gibt 26 Konsonanten, die in 7 verschiedenen „Ordnungen“ (Vokalen) geschrieben werden.
ca. 90
Tausend
Eritreer*innen leben in Deutschland.
Ob als Zugang zur reichen Geschichte Äthiopiens oder zur Verständigung in Nordäthiopien und Eritrea: Mit Grundkenntnissen der Sprache Tigrinya eröffnen sich Ihnen ganz neue Möglichkeiten – vor Ort, aber auch in Europa.
Zugegeben: Einfach ist die Sprache Tigrinya nicht. Weder ist das einzigartige, alt-äthiopische Schriftsystem „Geez“ mit ca. 200 Schriftzeichen besonders übersichtlich, noch existiert für Tigrinya eine offizielle Rechtschreibung, sodass Schreibweisen selbst in öffentlichen Medien oft variieren. Wer sich trotz dieser vermeintlichen Schwierigkeiten die Zeit nimmt, sich auf diese spannende Sprache einzulassen, wird schnell merken: Hinter diesen Besonderheiten verbergen sich für Lernende auch Vorteile. Das umfangreiche Schriftsystem etwa erlaubt es, die gesprochene Sprache sehr genau abzubilden, sodass die Aussprache um einiges leichter fällt. Und die fehlende Standardisierung der Rechtschreibung bedeutet im Umkehrschluss, dass viele Schreibweisen „richtig“ sind, was Ihnen im Vergleich zu anderen Sprachen einen gewissen Spielraum eröffnet.
Aufgrund der zurzeit kritischen Lage in Eritrea, das von politischen Konflikten geprägt ist, wächst die Community der Eritreer:innen, die in Deutschland und Europa Zuflucht finden, stetig. Um auf Augenhöhe miteinander in Kontakt zu kommen und ihre Kultur zu verstehen, wird Tigrinya Ihnen eine große Hilfe sein. Allen, die gern Kaffee trinken, ergibt sich vielleicht sogar die Chance, an einer Kaffeezeremonie teilzunehmen und damit den Ursprüngen ihres Lieblingsgetränks näherzukommen.
Sollte sich jedoch die Lage vor Ort in naher Zukunft verbessern, böte Eritrea mit seinen traumhaften Stränden, zahlreichen Kulturdenkmälern und seiner reichhaltigen Küche ein vielseitiges Urlaubsziel, auf das sie dank dieses Buchs perfekt vorbereitet sind. Viel Spaß und Erfolg beim Lernen!
Salomon Ykealo
Die Deutschen kommen bekanntlich direkt zur Sache. Das ist in der tigrinischen Kultur völlig entgegengesetzt. Also lieber erst einmal „um den heißen Brei herum reden“, das gehört sich so!
Die altäthiopische Schrift Geez, die in diesem Buch vorgestellt wird, ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Sie bildet die gesprochene Sprache sehr exakt ab. Gleichzeitig ist die Rechtschreibung viel weniger standardisiert, als wir es aus europäischen Sprachen kennen. Das bedeutet, regionale Unterschiede in der Aussprache spiegeln sich auch in geschriebenen Texten wider.
Das Kaiserreich Abessinien existierte (laut der mündlichen Überlieferung) von 980 v. Chr. bis 1974 und ist damit die älteste Monarchie der Welt. Darauf kann man schon stolz sein – und ist es auch. Die Kolonialbestrebungen der Europäer waren in Äthiopien als einzigem afrikanischen Land erfolglos. Lediglich Eritrea, damals noch Teil Äthopiens, war von 1889 bis 1941 eine italienische Kolonie. Aus dieser Zeit stammen die italienischen Lehnwörter im Tigrinya.
Das Lieblingsgetränk (fast) der ganzen Welt heißt in vielen Sprachen „Kaffee“ oder ähnlich. Der Legende nach haben Hirten in der äthiopischen Provinz Kaffa zufällig die belebende Wirkung der Kaffeebeere entdeckt und die Methode des Röstens erfunden. Das Getränk selbst heißt auf Tigrinya aber, wie im Amharischen und Arabischen auch, bun (wörtlich „Kaffeebohne“). Das Wort bun bezeichnet übrigens auch die Farbe Braun („kaffeefarben“).
Die Religion ist vielen Menschen im Alltag sehr wichtig. Religiöse Themen werden ernster genommen als in Mitteleuropa. An gar keinen Gott zu glauben, kann auf Unverständnis stoßen. Auch wenn Sie selbst nicht gläubig sind, sollten Sie die Gefühle der Menschen respektieren.
Tigrinya gehört zum nordäthiosemitischen Zweig der semitischen Sprachfamilie und wird von etwa 9 Millionen Menschen gesprochen, vorrangig in Eritrea und in der äthiopischen Region Tigray. Sein nächster Verwandter ist Tigre, das ebenfalls in Eritrea und Teilen Sudans beheimatet ist. Tigrinya ist eng verwandt mit den südäthiosemitischen Sprachen, unter denen Amharisch mit über 25 Millionen Sprechern bei weitem die wichtigste darstellt. Entferntere Verwandtschaftsbeziehungen bestehen zu Hebräisch und Arabisch. Mit diesen Sprachen teilt Tigrinya viele grammatikalische Strukturen, und zahlreiche Wörter dieser drei Sprachen gehen auf Wörter der altsemitischen Ursprache zurück.
In Eritrea ist Tigrinya – zusammen mit Arabisch – Amtssprache, und in den Schulen für die tigrinyasprachige Bevölkerung Unterrichtssprache. In der Region Tigray ist es regionale Amtssprache und Unterrichtssprache in der Grundschule.
Nach heutigem Wissensstand leiten sich Tigrinya und Tigre von der altäthiopischen Sprache Geez ab. Diese war zwischen dem 1. und 9. Jahrhundert n. Chr. die Hauptsprache und vor allem die Schriftsprache des Aksumitischen Reiches. Geez ist bis heute die Liturgiesprache der äthiopischen und eritreischen orthodoxen Kirche sowie der äthiopischen Juden.
Die Entstehung der Sprache Tigrinya war spätestens seit dem 9. Jahrhundert vollzogen, und der erste überlieferte Text darin datiert aus dem 14. Jahrhundert. Die regelmäßige Verwendung von Tigrinya als Schriftsprache begann Ende des 19. Jahrhunderts. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist durch die Bibelübersetzung die Schreibweise in der Geez-Schrift für Tigrinya, aber auch für Tigre und Amharisch in gewissem Maße standardisiert – wenn auch längst nicht in dem Maße, das wir in europäischen Sprachen kennen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Geez-Schrift aus dem südarabischen Konsonantenalphabet ableitet und durch die Hinzufügung von Vokalmarkierungen modifiziert wurde. Die Ausbildung der Geez-Schrift war bereits im 4. und 5. Jahrhundert abgeschlossen.
Mit dem Aufkommen des Islam ab dem 7. Jahrhundert wurde Tigrinya, im Unterschied zum Amharischen, im großen Stil durch arabische Lehnwörter bereichert, und durch den Einfluss der Osmanen vom 16. bis 19. Jahrhundert kamen sogar vereinzelt türkische Begriffe hinzu.
1889 wurde Eritrea zur italienischen Kolonie. Die italienische Kolonialzeit von 50 Jahren in Eritrea hatte auch sprachliche Konsequenzen für Tigrinya. So finden sich bis heute zahlreiche italienische Begriffe wie ታሴራtaßera („Ausweis“ – von tessera), ኮሚደረkomidärä („Tomate“ – von pomodoro) oder መኪናmäkkina („Auto“ – von macchina) im Wortschatz des Tigrinya. Auch gegenwärtig findet ein Sprachwandel statt, denn bei fast 1,5 Millionen Auslandseritreern ist es klar, dass sich die Umgangssprache verändert und durch diverse andere Idiome – allen voran das Englische – weiterentwickelt.
Der Name „Eritrea“ kommt aus dem Altgriechischen, wo ἐρυθρὰ Θάλασσαerythra thalassa „rotes Meer“ heißt, abgeleitet von ἐρυθρόςerythros „rot“.
Der erste Teil zeigt, wie Tigrinya „funktioniert“ und liefert das Handwerkszeug, um eigene tigrinische Sätze zu sprechen.
Sollten Sie zu den Menschen gehören, die lieber einen Bogen um das Thema Grammatik machen: Keine Sorge! Die wichtigsten Regeln werden auch für Laien verständlich erklärt und mit praktischen Beispielen veranschaulicht. Die Wort-für-Wort-Über- setzung (Seite 1) hilft dabei, den Satzbau nachzuvollziehen und selbst anzuwenden.
Im zweiten Teil dreht sich alles ums Sprechen. Für alle möglichen Lebenslagen auf Reisen gibt es Beispiele, in die man nur noch das passende Wort einsetzen muss. Praktische Tipps und Infos zum Reiseland erleichtern das Ankommen.
Trauen Sie sich und versuchen Sie Ihre ersten Schritte in der Fremdsprache! Sie zeigen damit Interesse und Respekt – und schon ist das Eis gebrochen, auch wenn man mal einen Fehler macht. Sie werden völlig andere Dinge erleben als „sprachlose“ Reisende, und Sie werden feststellen: Sprache öffnet Türen und Herzen.
Am Ende des Buches finden Sie ein Wörterbuch zum Nachschlagen in beiden Richtungen. Die Umschlagklappen geben einen Überblick der wichtigsten Sätze.
Aussprache und Umschrift
Über die Schrift
Wortbildung
Nomen
Dieses und Jenes
Adjektive
Steigern und Vergleichen
Personalpronomen
Possessivpronomen
Adverbien
Fragen
Verben und Zeiten
Auffordern und Befehlen
Präpositionen
Konjunktionen
Zahlen und Zählen
Zeit, Datum, Mengen und Maße
Das altäthiopische Geez-Schriftsystem hat zwei Besonderheiten, die es weltweit einzigartig machen: Es wird, anders als in anderen semitischen Sprachen, von links nach rechts geschrieben. Ein weiterer Unterschied: Auch Vokale werden geschrieben. Mehr dazu ab Seite 18.
Grammatische Geschlechtsbezeichnungen sind vor allem für Menschen wichtig. Bei Gegenständen hingegen ist manchmal das grammatische Geschlecht nicht eindeutig festgelegt, so dass das Wort mal mit männlicher und mal mit weiblicher Form vorkommt. Mehr dazu ab Seite 23.
Das mit Abstand umfangreichste Kapitel in diesem Abschnitt befasst sich mit den Verben. Wichtig zu wissen ist, dass sich der Begriff „Imperfekt“ hier keineswegs auf die Vergangenheit bezieht, sondern nur darauf, ob eine Handlung bereits abgeschlossen ist (= perfektiv) oder noch andauert (= imperfektiv). Mehr dazu ab Seite 47.
Um dem Lernenden die Aussprache zu erleichtern, verwendet der Kauderwelsch-Band „Tigrinya“ seine eigene Umschrift, denn es gibt keine offizielle lateinische Umschrift für Tigrinya.
Die tigrinische Sprache legt auf die richtige Aussprache der Konsonanten (Mitlaute) großen Wert, da diese automatisch die Grundbedeutung eines Wortes ausmachen. Viele der Laute sind mit dem Deutschen deckungsgleich, jedoch gibt es eine Reihe anderer Laute, die ungewohnt klingen und geübt werden müssen.
Zuerst werden die Konsonanten vorgestellt, die unkompliziert sind. Manche Buchstaben sind doppelt vertreten, d. h. sie waren ursprünglich unterschiedliche Buchstaben, haben sich aber im Laufe der Zeit aneinander angeglichen und werden identisch ausgesprochen. Für ß werden die Buchstaben ሰ und ሠ, für z die Buchstaben ጸ und ፀ, für hሀ und ኀ verwendet. Die Häufigkeit der Verwendung dieser Buchstaben ist sehr verschieden. In Eritrea wird ጸ verwendet, aber nur sehr selten ፀ. In Tigray ist es umgekehrt, was diesen Buchstaben angeht. Die Buchstaben ሠ und ኀ kommen insgesamt sehr selten vor.
Laute, die einer Erklärung bedürfen, sind:
Da die Sprachen so unterschiedlich sind, sind manche Laute nur schwer zu beschreiben. Manchmal hören Deutsche anfangs gar keinen Unterschied zwischen zwei Lauten, die im Tigrinya bedeutungsunterscheidend sind. Da hilft nur Ausdauer. Lassen Sie sich die ungewohnten Laute immer wieder vorsprechen. Mit etwas Übung werden Sie sie unterscheiden lernen und sich der richtigen Aussprache annähern. Nur Mut!
Die Geez-Schrift ist ein so genanntes Abugida-Schriftsystem. Vereinfacht gesagt bedeutet das, dass Vokale nicht als eigenständige Zeichen stehen, sondern an dem die Silbe bestimmenden Konsonanten markiert werden. Es gibt also kein eigenständiges Vokalzeichen wie im lateinischen Alphabet. Um Vokale anzuzeigen, wird die konsonantische Grundform entsprechend variiert. Die Vokale werden in der Geez-Schrift traditionell in sieben Reihenfolgen (hier Ordnungen) unterschieden. Je nachdem, mit welchem Vokal die Silbe gebildet wird, steht der Konsonant (Radikal) in der entsprechenden Ordnung. Die Tabelle im nächsten Kapitel veranschaulicht das System.
Einige Laute des Tigrinya, wie ዐ°,ቀq,ቐqh,ጠt’,ጨtsch’,ሐh,ዠsch oder ጰp’ sind für deutschsprachige Lernende sicherlich eine echte Herausforderung. Man sollte nicht aufgeben, sie zu üben.
Die Geez-Schrift kennt keine Groß- und Kleinschreibung und wird im Gegensatz zu Arabisch und Hebräisch von links nach rechts geschrieben. Die Buchstaben werden nicht verbunden, wenn auch in handschriftlichen Texten die unverbunden bleibenden Zeichen oft verschliffen geschrieben werden. Es handelt sich bei der Geez-Schrift nicht um ein Alphabet im strikten Sinne des Wortes, sondern um eine Silbenschrift, in der ein Zeichen eine Silbe, bestehend aus einem Konsonanten und einem Vokal, repräsentiert.
Es gibt Sonderbuchstaben, die nicht sehr oft verwendet werden, jedoch bei einigen Begriffen auftreten. Sie sind u-haltig. Davon sind in Tigrinya die Konsonanten q bzw. qh, k bzw. ch und g betroffen. Von den 7 Vokal-Ordnungen entfallen die 2. und die 7. Ordnung (o und u).
Die tigrinische Silbenschrift unterscheidet sich deutlich von den anderen semitischen Sprachen, da diese reine Konsonantenschriften verwenden. Wenn man zum Beispiel das Wort „HND“ schreibt, kann man nach dem hebräischen oder arabischen unvokalisierten Schriftsystem „Hund“ oder „Hand“ lesen. Dagegen ist im Tigrinya der Vokal in der Silbenschrift festgelegt. Es gibt also keine Verwechslungen, da durch die Silbe die Eindeutigkeit der Aussprache gegeben ist.
Die Schwierigkeit der Geez-Silbenschrift ist in erster Linie, dass man alle 182 Silbenzeichen lernen muss, um schreiben und lesen zu können. Allerdings werden in der Geez-Silbenschrift Doppelkonsonanten nicht geschrieben. Wo ein Doppelkonsonant gesprochen wird, muss für jedes Wort gelernt werden (siehe Seite 57). Ebenso ist die sechste Ordnung mehrdeutig, da die Silbe entweder ohne Vokal oder mit einem dumpfen „e“ gesprochen wird. Auch hier muss die korrekte Aussprache für jedes Wort gelernt werden. Die Lautschrift hilft dabei.
Dazu ist wichtig zu wissen: Die Rechtschreibung ist nicht standardisiert, und die Aussprache kann regional variieren. Da die Vokale oft, aber nicht immer bedeutungsunterscheidend sind, kann es für ein Wort regional auch verschiedene Schreibweisen geben. Man kann sich das so vorstellen, als wäre in München eine andere Rechtschreibung üblich als in Hamburg. Da es ebenfalls keine offizielle lateinische Transkription gibt, habe ich die Lautschrift für Deutschsprachige selbst entwickelt und dabei versucht, die tigrinische Aussprache so genau wie möglich abzubilden. Ganz ohne Kompromisse geht das nicht, und so kann es passieren, dass Sie auch einmal ein Wort in zwei Schreibweisen entdecken, ohne dass man mit Bestimmtheit sagen könnte, welche Variante nun die „richtigere“ ist. Die Schrift verwendet auch andere Satzzeichen als die lateinische:
፡
Komma
፡፡
Punkt
:-
Doppelpunkt
፤
Semikolon
፧
Fragezeichen (selten in Gebrauch)
Die Buchstaben der ersten tigrinischen Vokalordnung (1. Ordnung) wurden traditionell ä ausgesprochen, mit Ausnahme der Buchstaben ሀh,ሐh,ዐ° und አ. Diese vier Buchstaben wurden wie der vierte Vokal (4. Ordnung) a ausgesprochen. Im heutigen Eritrea werden ሀ, ሐ und አ jedoch nicht mehr mit dem vierten, sondern mit dem ersten Vokal gesprochen, also mit ä. Dementsprechend hat sich auch die Schreibweise angepasst: Wenn ich zum Beispiel auf Tigrinya „Löwe“ (anbäßa) schreiben will, schreibe ich nicht mehr, wie früher üblich, አንበሳ, sondern ኣንበሳ.
Wie in allen semitischen Sprachen lässt sich auch im Tigrinya beinahe jedes Wort auf seine konsonantische Wurzel zurückführen. Um sich dies bildlich vorzustellen, könnte man (sehr vereinfacht) sagen, dass der Wortkörper aus „Skelett“ und „Fleisch“ besteht. Die Konsonanten stellen das „Skelett“ und die Vokale das „Fleisch“ dar. Man sollte noch bedenken, dass ኸch,ሸsch und ቸtsch im Tigrinischen jeweis als ein einziger Buchstabe gelten und nicht wie im Deutschen als zwei, drei oder vier.
Am Beispiel des Wortes ጸሓፈzähafä (er schrieb) kann man sehen, dass die Wurzel des Wortes aus den Konsonanten z-h-f besteht. Das Skelett z-h-f kann in Kombination mit Vokalen die Eigenschaften von Adjektiven, Nomen oder Verben annehmen. Darin liegt die Flexibilität einer semitischen Sprache wie Tigrinya.
ጽሕፈት
zǝhfät
die Schrift
መጽሓፍ
mäzǝhaf
das Buch
ጸሓፊ
zähafi
der Schreiber / der Schriftsteller
ጸሓፈ
zähafä
er schrieb
ጽሑፍ
zǝhuf
etwas Geschriebenes
ኣጸሓሕፋ
azähahǝfa
die Art und Weise des Schreibens
In der 2. und 3. Person wird das Verb im Tigrinya nach Geschlecht und Zahl gebeugt. Als Beispiel: Wenn „du“ bzw. „ihr“ das Subjekt ist, dann haben wir vier verschiedene Verbformen – abhängig davon, ob das „du“ bzw. „ihr“ männlich oder weiblich ist. Ich verwende das oben genannte Verb ጸሓፈzähafä, um das zu verdeutlichen:
Singular
ጸሓፍካ zähaf-ka
schriebst-du(m)
du hast geschrieben
ጸሓፍኪ zähaf-ki
schriebst-du(w)
du hast geschrieben
Plural
ጸሓፍኩም zähaf-kum
schriebt-ihr(m)
ihr habt geschrieben
ጸሓፍክን zähaf-kǝn
schriebt-ihr(w)
ihr habt geschrieben
Im Tigrinya unterscheidet man nur zwischen zwei grammatischen Geschlechtern: männlich und weiblich (die im Weiteren mit „w“ und „m“ abgekürzt werden). Ein Neutrum gibt es nicht. Die meisten Nomen haben im Singular keine besondere Kennzeichnung des Geschlechts. Sie sind weiblich oder männlich – je nach den natürlichen Gegebenheiten.
Wörter, die spezifisch Männer meinen
ወዲ
wädi
Sohn
ሰብኣይ
ßäb’aj
Mann
ኣቦ
abbo
Vater
ሓው
haw
Bruder
ኣባሓጎ
abba-hago
Großvater
Wörter, die spezifisch Frauen meinen
ጓል
gʷal
Mädchen
ሰበይቲ
ßäbäjǝti
Frau
ኣደ
addä
Mutter
ሓብቲ
habti
Schwester
ዓባይ
°abaj
Großmutter
Städte- und Ländernamen sind weiblich:
ኣስመራ
aßmära
Asmara
ኣዲስ ኣበባ
addiß abäba
Addis Abeba
ኢትዮጵያ
itjop’ja
Äthiopien
ካርቱም
kartum
Khartoum
ሱዳን
ßudan
Sudan
ካይሮ
kajro
Kairo
ግብጺ
gbzi
Ägypten
ሱዕዲ ዓረብ
ßu°ǝdi °aräb
Saudi-Arabien
ጀርመን
dschärmän
Deutschland
ስዊዝ
ßwiz
Schweiz
ኣውስትርያ
außtrja
Österreich
ኣመሪካ
amärika
Amerika
Einige Wörter, die gewohnheitsmäßig weiblich sind:
ጸሓይ
zähaj
(die) Sonne
ወርሒ
wärhi
(der) Mond
ቤት ትምህርቲ
bet tmhǝrti
(die) Schule
ከተማ
kätäma
(die) Stadt
ሽምዓ
schǝm°a
(die) Kerze
ኵዕሶ
kʷǝ°ǝßo
(der) Ball
Einige Wörter, die gewohnheitsmäßig männlich sind:
ንፋስ
nfaß
(der) Wind
ኵናት
kʷänat
(der) Krieg / der Speer
ሓዊ
hawi
(das) Feuer
ኮኾብ
kochob
(der) Stern
ወረቐት
wäräqhät
(das) Papier
ማዕጾ
ma°ǝzo
(die) Tür
ዘርኢ
sär’i
(der) Samen