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Examensarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Theologie - Religion als Schulfach, Note: 1,3, Universität Paderborn (Institut für katholische Theologie), Sprache: Deutsch, Abstract: Der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen muss oft um seine Legitimation und Existenzberechtigung kämpfen. „In Teilzeitschulen des beruflichen Schulwesens ist in der Regel in allen Schuljahren eine Wochenstunde für den katholischen Religionsunterricht vorgesehen. Dabei ist der Religionsunterricht kein Prüfungsfach.“1 Aus diesem Grund kommt es oft zum Verdrängungskampf zwischen `harten´ und `weichen´ Fächern, wie dem Religionsunterricht, obwohl dieser eigentlich durch das Grundgesetz und die Landesverfassung seine Legitimation findet.2 Wie in keinem anderen Schulsystem unterliegen die Bildungsprozesse an berufsbildenden Schulen ökonomischen und damit auch konjunkturellen Kalkülen. „Die große Nähe dieser Schulform zum Wirtschafts- und Beschäftigungssystem schlägt sich in einer umstandslosen Gebrauchwertsorientierung von (Aus-) Bildung nieder.“3 Denn an diesem Lernort geht es doch vorrangig um die Bereitstellung marktkonformer Qualifikationen und Kompetenzen. Bei einigen Ausbildern ist der Religionsunterricht umstritten, da die allgemeinbildenden Fächer meistens an einem weiteren Schultag in der Woche unterrichtet werden, und so ein Ausbildungshindernis darstellen.4 Der immer stärker werdende Kostendruck in den Betrieben verlangt aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine Verkürzung der wöchentlichen Berufsschulzeit.5 Dem widerspricht das Ziel einer qualitativ umfassenden Ausbildung. Die Lösung von betrieblichen Aufgaben hängt zum großen Teil von menschlichen Qualifikationen ab. Neben berufsspezifischen Kenntnissen und Fähigkeiten gewinnen Human- und Sozialkompetenzen wie Lern- und Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Kritik-, Team- sowie Konfliktfähigkeit, Toleranz und Belastbarkeit zunehmend an Bedeutung. Ob der katholische Religionsunterricht in den Fachklassen der dualen Ausbildung dazu beiträgt, soll in dieser Arbeit untersucht werden. Die Vorgehensweise dieser Ausarbeitung gliedern sich wie folgt: Im Anschluss an diese Einleitung sollen im zweiten Kapitel zunächst die Grundlagen für den Berufsschulischen Religionsunterricht (BRU)6 dargestellt werden. Wichtige Begriffe, grundlegende Basisdokumente, sowie damalige und heutige Rahmenbedingungen werden zunächst im Allgemeinen für den Unterricht an Berufsschulen skizziert, und danach im Speziellen für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen näher erläutert.
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Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
AO Ausbildungsordnung APO-BK Verordnung über die Ausbildung und Prüfung in den Bildungs-
BBiG Berufsbildungsgesetz Bd. Band BDA Bund deutscher Arbeitgeberverbände BiB Bundesinstitut für Berufsbildung BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung BRU Beruflicher Religionsunterricht bspw. beispielsweise DBK Deutsche Bischofskonferenz DGB Deutscher Gewerkschaftsbund ebd. ebenda EDK Evangelische Kirche in Deutschland et al. und andere f. folgende ff. fortfolgende GG Grundgesetz Hrsg. Herausgeber i.d.F. in der Fassung kath. katholisch/-e/ -er KMK Kultusministerkonferenz MSJK (NRW) Ministerium für Schule, Jugend und Kinder des Landes Nordrhein-Westfalen MSWF (NRW) Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen MSW Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW Nordrhein-Westfalen o.A. ohne Angabe o.V. ohne Verfasser RLP Rahmenlehrplan RU Religionsunterricht
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Abkürzungsverzeichnis
SchOG Erstes Gesetz zur Ordnung des Schulwesens im Lande NRW (Schulordnungsgesetz) u.a. unter anderem usw. und so weiter vgl. vergleiche z.T. zum Teil
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Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Vom Handlungsfeld zur Lernsituation....................................................... 15 Abbildung 2: Verzahnung von religiöser Kompetenz und beruflicher
Handlungskompetenz.................................................................................................... 44
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Kategoriales Kompetenzmodell des beruflichen Handelns. ......................... 33
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Einleitung
Der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen muss oft um seine Legitimation und Existenzberechtigung kämpfen. „In Teilzeitschulen des beruflichen Schulwesens ist in der Regel in allen Schuljahren eine Wochenstunde für den katholischen Religionsunterricht vorgesehen. Dabei ist der Religionsunterricht kein Prüfungsfach.“1Aus diesem Grund kommt es oft zum Verdrängungskampf zwischen `harten´ und `weichen´ Fächern, wie dem Religionsunterricht, obwohl dieser eigentlich durch das Grundgesetz und die Landesverfassung seine Legitimation findet.2Wie in keinem anderen Schulsystem unterliegen die Bildungsprozesse an berufsbildenden Schulen ökonomischen und damit auch konjunkturellen Kalkülen. „Die große Nähe dieser Schulform zum Wirtschafts- und Beschäftigungssystem schlägt sich in einer umstandslosen Gebrauchwertsorientierung von (Aus-) Bildung nieder.“3Denn an diesem Lernort geht es doch vorrangig um die Bereitstellung marktkon-former Qualifikationen und Kompetenzen. Bei einigen Ausbildern ist der Religionsunterricht umstritten, da die allgemeinbildenden Fächer meistens an einem weiteren Schultag in der Woche unterrichtet werden, und so ein Ausbildungshindernis darstellen.4Der immer stärker werdende Kostendruck in den Betrieben verlangt aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine Verkürzung der wöchentlichen Berufsschulzeit.5Dem widerspricht das Ziel einer qualitativ umfassenden Ausbildung. Die Lösung von betrieblichen Aufgaben hängt zum großen Teil von menschlichen Qualifikationen ab. Neben berufsspezifischen Kenntnissen und Fähigkeiten gewinnen Human- und Sozialkompetenzen wie Lern- und Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Kritik-, Team- sowie Konfliktfähigkeit, Toleranz und Belastbarkeit zunehmend an Bedeutung. Ob der katholische Religionsunterricht in den Fachklassen der dualen Ausbildung dazu beiträgt, soll in dieser Arbeit untersucht werden.
Die Vorgehensweise dieser Ausarbeitung gliedern sich wie folgt: Im Anschluss an diese Einleitung sollen im zweiten Kapitel zunächst die Grundlagen für den Berufsschulischen Religionsunterricht (BRU)6dargestellt werden. Wichtige Begriffe, grundlegende Basisdokumente, sowie damalige und heutige Rahmenbedingungen werden zunächst im Allgemeinen für den Unterricht an Berufsschulen skizziert, und danach im Speziellen für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen näher erläutert. Nachdem im zweiten
1KMK (2002), S. 15.
2vgl. BUNDESZENTRALEFÜR POLITISCHEBILDUNG (1998), Art 7 Abs. 3 GG.
3KLIE (2000), S. 11
4vgl. DOHLE (2005), S. 230.
5vgl. WICHMANN (2005), S. 232.
6BRU gilt als allgemein gültige Kurzbezeichnung für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen.
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Grundlagen für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen
Kapitel anschließend auf die allgemeinbildenden Aufgaben des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen eingegangen wird, soll im dritten Kapitel der Berufsbezug im Religionsunterricht näher untersucht werden. Es wird dargestellt, wodurch sich der Berufsbezug im BRU einfordern kann, aber auch die Schwierigkeiten, die sich aus dem Berufsbezug ergeben, sollen im Besonderen betrachtet werden. Indem zwei Beispiele den Berufsbezug im BRU verdeutlichen, kommen Möglichkeiten und Grenzen zur Sprache, die mit dem Kompetenzbegriff in Beziehung gesetzt werden.
Im vierten Kapitel liegt ein Schwerpunkt dieser Arbeit: Hier wird überprüft, ob und wie das Fach kath. Religionslehre einen Beitrag zum Leitziel beruflicher Handlungskompetenz leisten kann. Indem derLehrplan zur Erprobung katholische Religionslehre in Fachklassen der dualen Ausbildunginhaltsanalytisch untersucht wird, sollen die Ergebnisse ausgewertet, kritisch betrachtet, und mit Hilfe des anschließenden Kapitels überprüft werden. Auf Kapitel fünf liegt ein weiteres Augenmerk dieser Arbeit. Durch die Darstellung unterschiedlicher Sichtweisen der verschiedenen Beteiligten am BRU kann ein Blick auf die aktuelle Diskussion um den BRU geworfen werden. Probleme des BRU, aber auch dessen Wertschätzung und Kompetenzbeitrag sollen genauso dargestellt werden, wie auch die Legitimationen, die er von den einzelnen Stellen ggf. erfährt.
Die Arbeit schließt im Kapitel sechs mit einem Fazit, in dem die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst werden und ein kurzer Ausblick gegeben wird.
Ziel dieses Kapitels ist es, die Grundlagen für das gewählte Thema darzustellen. Dazu werden im ersten Teil die allgemeinen Rahmenbedingungen für den Unterricht an der Berufsschule dargestellt und im zweiten Teil die Grundlagen des Religionsunterrichts an berufsbildenden Schulen erörtert. Besonders wichtig ist es, wesentliche Begriffe und Basisdokumente zu erläutern und thematisch abzugrenzen. Im letzten Teil dieses Kapitels wird erörtert, wie sich die allgemeinbildenden Aufgaben des BRU zum Bildungsauftrag in der Berufsschule verhalten. An dieser Stelle gilt es festzuhalten, dass der Fokus dieser Arbeit auf den dualen Ausbildungsgängen der berufsbildenden Schulen liegt und keine vollzeitschulische Ausbildung betrachtet wird. Beispiele werden im Zusammenhang mit der Ausbildung zum/r Verkäufer/-in und Kaufmann/-frau im Einzelhandel dargestellt, da ich in diesem Bereich meine Ausbildung absolviert habe.
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Grundlagen für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen
Um über den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen zu diskutieren, ist es zunächst notwendig, die Entstehung der Berufsschule, sowie im Speziellen die heutige Struktur und aktuelle Grundlagen der dualen Ausbildung zu thematisieren. Es ist wichtig zu wissen, auf welchem Bildungsgedanken der Unterricht der Berufsschule fußt.
Die Anfänge berufsbildender Schulen waren laut GLEIßNER (1983) bereits im 16. Jahrhundert zu finden. Neben den Lateinschulen waren die Sonntagsschulen sehr verbreitet, die als kirchliche Bildungsstätten vor allem religiösen, noch nicht aber berufsbezogenen Lernzielen verpflichtet waren. Im folgenden Jahrhundert wurden die Sonntagsschulen aus ihrem kirchlichen Kontext zugunsten der wachsenden Selbstständigkeit herausgelöst.7Des Weiteren wurden neben den allgemeinen Volksschulen Fortbildungsschulen eingeführt. Hier konnten Jugendliche, die in das Berufsleben überwechselten, ihre bisher erworbenen Kenntnisse festigen und ausbauen. Erst gegen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahr-hunderts wurde in der Fortbildungsschule neben der `Christenlehre´8und volksschulischen Belangen auch die berufliche Ausbildung integriert und reflektiert.9Die ersten Berufsschulen waren somit gewerbliche Sonntagsschulen, sowie an Werktagen offene gewerbliche Fortbildungsschulen und entstanden aus einer wirtschaftlichen Motivation heraus. Diese Entwicklung führte mit der Wende zum 20. Jahrhundert zur Etablierung von Berufsschulen mit einem an Werktagen erfolgenden verpflichtenden Unterrichtsangebot, wodurch die Fortbildungsschule durch die Berufsschule seit etwa 1920 verdrängt wurde.10Die Initiative KERSCHENSTEINERS (1854-1932) war bildungstheoretisch und pädagogisch für die Entstehung der heutigen Berufsschule bedeutsam, da er großen Wert darauf legte, dass Schüler nicht mehr ausschließlich mit vortragendem Frontalunterricht konfrontiert wurden, wie es in der damaligenBuchschuleder Fall war, sondern dass sie zur Eigentätigkeit angeleitet werden.11Durch PESTALOZZIS Anregung versuchte er, dieBuchschulein dieArbeitsschuleumzugestalten,
„die sich durch ein Zusammenspiel von unterrichtlichen und erzieherischen Zielen auszeichnet, also sowohl auf berufliche als auch auf charakterliche und überhaupt menschliche Bildung abzielt.“12
7vgl. GLEIßNER (1983), S. 73.
8ebenda (1983), S. 74.
9vgl. KIEßLING (2004), S. 3.
10vgl. GLEIßNER (1983), S. 74 f.
11vgl. KERSCHENSTEINER (1954), S. 158.
12KIEßLING (2004), S. 33.
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Grundlagen für den Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen
KERSCHENSTEINERS pädagogisches Anliegen betont das Prinzip der Selbsttätigkeit, die heutige Handlungsorientierung. Seine Bildungsziele sind auch im heutigen Berufsschulalltag bedeutsam, und zeigen Analogien zum Bildungsverständnis von heutigem Unterricht überhaupt, die im Kapitel 2.1.3 näher dargestellt werden. Neben dem Wirken von KER-SCHENSTEINERwaru.a. die Reichsschulkonferenz von 1920 ein wichtiger Impulsgeber für die Einrichtung der Berufsschule und für die Verankerung einer staatsbürgerlichen Bildung im berufsbildenden Bereich.13
Das gesamte Schulwesen ist nach Art. 7 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) von 1949 unter die Aufsicht des Staates gestellt. Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) unterstützt 20 Jahre später die Etablierung des so genannten dualen Ausbildungssystems.14Die Ausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf erfolgt in den beiden Lernorten Schule und Betrieb. Dabei regelt die Bundesregierung die betriebliche Ausbildung durch Ausbildungs-ordnungen (AO). Für die Berufsschule werden Rahmenlehrpläne (RLP) durch die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder - kurz Kultusministerkonferenz (KMK) - erlassen. AO und RLP bilden bundeseinheitliche Ordnungsmittel im dualen System der Berufsausbildung.15Die rechtlichen Grundlagen hierfür sind das BBiG16und die Schulgesetze17der Länder.18Die Schule erteilt Teilzeitunterricht, entweder an zwei Schultagen pro Woche oder im Blockunterricht. Der Unterricht ist in den Bildungsgängen der dualen Ausbildung in den berufsbezogenen Lernbereich (bspw. wirtschaftlicher, gewerblicher oder sozialer Bereich, je nach Ausbildungsgang), den berufsübergreifenden Bereich (Deutsch, Sozialkunde, Politik, Religionsunterricht, Ethik, Sport) und den Differenzierungsbereich gegliedert. „Die Fächer und Lernbereiche sind im Sinne der Bildungsziele des Berufskollegs aufeinander abzustimmen. Dabei tragen die Lernbereiche gemeinsam zur Entwicklung umfassender Handlungskompetenz bei.“19Die berufliche und fachliche Qualifizierung
13vgl. SLOANE/ TWARDY/ BUSCHFELD (2004), S. 53 ff.; KERSCHENSTEINER gelang es um die Jahrhundertwende, durch seine Tätigkeiten als Stadtschulrat von München und als königlicher Schulkommissar, die Institution Berufsschule und den Vorläufer des dualen Systems zu etablieren. SPRANGER (1920) betrieb die kultur- philosophische Sicherung der Möglichkeit von Bildung durch den Beruf in Fortsetzung von KERSCHENSTEINERS Wirken. FISCHER (1924) betonte den hohen Stellenwert der Verbindung von Theorie und Praxis mit dem Schwerpunkt in der beruflichen Bildung, und hob den gesellschaftlichen Stellenwert der Berufsschule hervor (vgl. GONON (1992), S. 169).
14vgl. § 1 BBiG
15vgl. KMK (2000), S. 5ff.
16Das BBiG beinhaltet alle privatrechtlichen und öffentlich rechtlichen Vorschriften zur Berufsbildung und regelt die rechtlichen Beziehungen der an der Ausbildung beteiligten Personen und Institutionen [vgl. WEIBERT (1999), S. 103]. Es wurde 1969 verabschiedet und zum 1. April 2005 reformiert.