Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die Flucht ist gelungen, Vic und ihre Mutter sind in Sicherheit und genießen das ruhige Alltagsleben. Abgesehen von Josephs nächtlichen Besuchen ist Vics Leben somit weitaus unspektakulärer als vor einem Jahr. Aber Vic wäre kein Halbvampir, wenn es so ruhig bleiben würde. Erst verschwindet ihre Mutter spurlos, dann müssen Vic und Joseph vor der grausamen Cecile aus der Stadt fliehen. Schließlich muss Vic erkennen, dass es bei Ceciles Jagd auf sie um weitaus mehr geht als um Rache und sie wird in ihre Familiengeschichte hinein gezogen, die sehr viel weiter zurück geht, als Vic es sich hätte vorstellen können.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 219
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Die Flucht ist gelungen, Vic und ihre Mutter sind in Sicherheit und genießen das ruhige Alltagsleben. Abgesehen von Josephs nächtlichen Besuchen ist Vics Leben somit weitaus unspektakulärer als vor einem Jahr. Aber Vic wäre kein Halbvampir, wenn es so ruhig bleiben würde. Erst verschwindet ihre Mutter spurlos, dann müssen Vic und Joseph vor der grausamen Cecile aus der Stadt fliehen. Schließlich muss Vic erkennen, dass es bei Ceciles Jagd auf sie um weitaus mehr geht als um Rache und sie wird in ihre Familiengeschichte hinein gezogen, die sehr viel weiter zurück geht, als Vic es sich hätte vorstellen können.
Für Min und Domino.
Freunde sind die Familie, die man sich aussuchen kann.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
»Vic« Sanft streichelten Finger über meine Wange und weckten mich damit auf. Grummelnd vergrub ich das Gesicht ins Kissen.
»Süße, wach auf«
»Lass mich in Ruhe«, knurrte ich und drehte mich auf die andere Seite.
»Soll ich gehen?« Die Stimme klang irritiert. Ich riss die Augen auf.
»Nein!« Ich drehte mich zum ihm und lächelte selig, als ich im Dunklen das Funkeln seiner hellgrünen Augen erkannte. Ein Grinsen huschte über sein Gesicht, als er bemerkte, wie ich seine Lippen suchte.
»Bist du jetzt wach?«, wollte er wissen. Ich seufzte.
»Wohl oder übel«, knurrte ich und zuckte zusammen, als ich seine warmen Lippen an meinem Hals spürte.
»Wie war dein Tag?«, fragte er beiläufig, während seine Hände das Top hochschoben, das ich zum Schlafen trug und mir damit eine angenehme Gänsehaut bescherten.
»Anstrengend. Ich hatte den ganzen Tag mit Hausaufgaben…« Abrupt brach ich ab und holte zischend Luft, als er leicht an meiner Halsbeuge saugte.
»Aber Zeit für den Strand hattest du anscheinend noch. Du schmeckst salzig«
Ich spürte, wie er lächelte und mein Gehirn geriet durcheinander. Mit beiden Händen griff ich in sein Haar und zog seinen Kopf zu mir runter, um ihn in einen leidenschaftlichen Kuss zu verwickeln. Sanft biss ich in seine Unterlippe und kicherte, als ihm ein leises Stöhnen entwich und er meine Hüfte enger an seine presste. Dann fiel mein Blick auf meinen Wecker und ich ächzte auf.
»Es ist schon drei Uhr nachts«, stieß ich hervor.
»Und wenn schon« Joseph beugte sich über mich, um mich erneut zu küssen, doch diesmal schob ich ihn energisch weg.
»Ich bin schon die letzten zwei Nächte für dich wach geblieben. So langsam brauch ich auch mal meinen Schlaf«, erklärte ich entschuldigend, als ich sein enttäuschtes Gesicht sah. Mit einem Seufzer rollte er sich von mir runter und zog dafür meinen Kopf an seine Brust. Genüsslich schmiegte ich mich an ihn.
Seit einem halben Jahr ging das nun schon so. Meistens sagte er mir nicht mal mehr Bescheid, ob er noch vorbei kommen würde, sondern stand dann einfach in meinem Zimmer und weckte mich mit wilden Küssen oder sanften Berührungen. Ich hatte es aufgegeben, ihm was von wegen Hausfriedensbruch zu erzählen, da winkte er immer nur lässig ab und sagte: »Hausfriedensbruch ist es nur, wenn ich gegen den Willen der Bewohner reinkommen würde« Und dagegen konnte ich schlecht was sagen. Außerdem schlief ich wesentlich besser, wenn er bei mir war.
Ich gähnte leise und drückte den Kopf noch etwas enger an ihm, während er meine noch nassen Haare entwirrte.
»Cedric hat nach dir gefragt«, sagte Joseph irgendwann, als ich schon im Halbschlaf war.
»Grüß ihn von mir«, murmelte ich. Dafür schnippte er mir leicht gegen die Nase und ich kicherte. Natürlich wusste ich sehr gut, dass er Cedric, einem jungen Vampir, den ich eigentlich recht gern hatte, die Grüße nicht ausrichten würde. Denn erstens wusste Ced nichts davon, dass Joseph wusste, wie ich mich befand und außerdem äußerte mein Herzallerliebster den Verdacht, dass der blonde Vampir mehr als freundschaftliches Interesse an mir hatte. Auf meine neckische Frage, ob er denn eifersüchtig wäre, hatte er nur mit den Schultern gezuckt und so etwas wie „Mit recht“ gemurmelt.
»Wolltest du nicht schlafen?«, fragte Joseph nach einer Weile.
»Tu ich ja«, knurrte ich und kniff zum Beweis die Augen fest zusammen.
»Tust du nicht«, erwiderte er und schob seine Hand von oben in mein Oberteil, bis ich spielerisch nach ihm schnappte. Dann richtete ich mich seufzend auf. Morgen in der Schule würde ich zwar total kaputt sein, aber schlafen würde ich jetzt nicht mehr können. Also rollte ich mich auf Joseph rauf und drückte einen Kuss auf das Stück freie Haut, das sein Hemd frei ließ. Er schlang seine Arme um mich.
»Und was gibt es neues an Ceciles Front?«, fragte ich und versuchte, dabei möglichst lässig zu klingen.
»Nicht viel. Zurzeit sind sie in Florida unterwegs. War wirklich eine gute Idee von euch, direkt vor ihrer Nase zu bleiben«
»Ohne deine Hilfe hätten wir das nicht geschafft«, murmelte ich und spielte damit auf das Geld an, das er uns vermittelt hatte. Dieses Geld hatte uns quasi erst das sorglose Leben in Los Angeles ermöglicht. Aber Joseph stritt weiterhin ab, damit etwas zu tun zu haben. Auch diesmal runzelte er nur die Stirn, sagte aber nichts, was wahrscheinlich auch ganz gut war, denn sonst hätte das nur wieder in einer Diskussion geendet.
Stattdessen sagte er: »Um Cecile musst du dir erst mal keine Sorgen machen. Allerdings…«, er machte eine Pause und seufzte, »…allerdings haben wir letztens Besuch von deinem kleinen Freund Noah Silva bekommen«
Abrupt saß ich aufrecht und starrte ihn mit großen Augen an.
»Noah?! Aber…« Weiter kam ich nicht, denn Joseph zog mich wieder zurück und gab mir einen kurzen Kuss.
»Keine Sorge, wir sind mit ihm fertig geworden«
Doch diese Worte beruhigten mich nicht, im Gegenteil, für einen Moment wurde mir schlecht vor Angst.
»War sie auch da?«, fragte ich leise. Natürlich wusste er sofort, wen ich meinte.
»Nein. Sie war nicht dabei«
Sie, damit war meine beste Freundin Fux gemeint. Noch immer schmerzte es in meiner Brust, wenn ich daran dachte, wie sie sich gegen mich und für Noah entschieden hatte, obwohl er versucht hatte, mich zu töten und es wohl auch weiterhin vor hatte. Und obwohl ich eigentlich sauer auf sie sein sollte, vermisste ich sie einfach nur wahnsinnig.
Liebevoll streichelte Joseph über meinen Rücken und legte seine Lippen auf meinen Haarschopf.
»Du solltest jetzt schlafen«, sagte er und schob mich von sich runter.
»Als ob ich nach dieser Nachricht noch schlafen könnte«, brummte ich, schloss aber trotzdem gehorsam die Augen und kuschelte mich in seine Umarmung. Sein Atem strich über meine Nacken, als er mir einen sanften Kuss auf den Hinterkopf hauchte.
»Versuch es einfach, Baby« flüsterte er und ein Lächeln erschien auf meinen Lippen, das dort blieb, bis ich endlich eingeschlafen war.
Ich wurde von einem unangenehmen Geräusch geweckt. Stöhnend zog ich mir das Kissen über den Kopf und tastete mit einer Hand nach dem Wecker, um ihn an die Wand zu werfen. Doch noch bevor ich das Mistding erreicht hatte, verstummte das nervige Klingeln. Verwundert hob ich den Kopf.
»Foltergerät«, murmelte Joseph und zog mich auf sich.
»Was machst du denn noch hier?«, fragte ich erschrocken. Schließlich schien draußen die Sonne und ich wollte natürlich nicht riskieren, dass sich mein Liebster in Staub verwandelte.
»Bin eingeschlafen« Gähnend reckte er sich und vergrub dann das Gesicht in meinen Haaren, die wie immer nach dem Aufstehen wild in alle Richtungen standen. Dann sah er mein besorgtes Gesicht und lächelte beruhigend.
»Mach dir keine Sorgen, Prinzessin. Ich werde brav in deinem Zimmer bleiben«
»Aber…« Da war schließlich noch ein anderes Problem, »aber was, wenn Mum rein kommt?«, flüsterte ich.
Meine Mutter Cathlin war eigentlich relativ cool, was Josephs nächtliche Besuche betraf. Allerdings hatte sie verlangt, Bescheid zu wissen, wenn er auftauchte, aber da das inzwischen so regelmäßig vorkam, dass ich teilweise mehrere Nächte wach blieb, vergas ich das öfter mal. Mit siebzehn konnte man schließlich ein bisschen Privatsphäre in der Beziehung verlangen.
»Dann schließ doch ab«, schlug Joseph vor.
»Aha. Und was erzähl ich ihr, warum ich das tue?« Ärgerlich runzelte ich die Stirn. Natürlich war es schön gewesen, neben ihm aufzuwachen, aber mit meiner Mum wollte ich es mir in der Beziehung auf gar keinen Fall verscherzen. Es wunderte mich sowieso, dass sie da so tolerant war…
»Sag ihr, du bereitest ihr Geburtstagsgeschenk darin vor und willst nicht riskieren, dass sie es entdeckt« Zufrieden streckte Joseph sich wieder auf meinem Bett aus und verschränkte die Arme hinter den Kopf. Ein Hauch von Neid kam in mir auf. Schließlich musste ich jetzt in die Schule…
»Bleibst du hier, bis ich wieder da bin?«, fragte ich sehnsüchtig.
»Klar. Aber wehe, du weckst mich dann auf«, murmelte er mit geschlossenen Augen. Für einen Moment überlegte ich, das Kissen nach ihm zu werfen, doch dann hauchte ich ihm nur einen Kuss auf die Wange und kletterte aus dem Bett. Schnell suchte ich mir meine Sachen zusammen, sprang unter die Dusche und saß nicht viel später am Frühstückstisch. Cathlin war auch schon wach und sah mir lächelnd entgegen.
»Gut geschlafen?«, wollte sie wissen.
»Wie ein Baby«, erwiderte ich und erwiderte das Lächeln. Dann sah ich auf die Uhr und schnappte erschrocken nach Luft.
»Mist, ich komm zu spät!« Rasch griff ich mir eine Waffel, die auf meinem Teller lag und sprintete die Treppen hoch, um meine Schultasche zu holen und die Gelegenheit zu nutzen, um Joseph noch einmal kurz zu sehen.
Er schlief schon tief und fest, als ich eintrat. Mit dem Anflug eines schlechten Gewissens musterte ich sein friedliches Gesicht. Schließlich war es eigentlich meine Schuld, dass er so müde war. Die Nächte, die er mit mir verbrachte, sollte er normalerweise dazu nutzen, mich aufzuspüren und zu vernichten. Klar, dass es der ebenso schönen wie grausamen Cecile nicht gefiel, das ihr Spürhund so lange brauchte, um den verhassten Halbvampir aufzuspüren.
Sanft strich ich ihm durch das blonde Haar.
Da war sie wieder, die Frage, was ich an mir hatte, dass er so verrückt nach mir war. Ich hatte ihn mal danach gefragt. Die Antwort war ein so atemberaubender Kuss gewesen, dass ich für einen Moment wirklich die Kontrolle über mich verloren hatte und ihn ins Bett gezerrt hatte.
»Ich liebe dich«, hauchte ich ihm ins Ohr.
»Ich dich mehr«, murmelte er zurück. Anscheinend schlief er doch nicht so fest, wie ich gedacht hatte. Noch ein letzter, liebevoller Kuss, dann sprang ich schnell die Treppe wieder runter, rief Cat einen kurzen Gruß zu und verschwand aus der Tür.
Die High School, in die ich ging, war gleich um die Ecke. Trotzdem ging mein Atem schneller, als ich ankam und mich auf meinen Platz plumpsen ließ.
»Warst du noch schnell ‘ne Runde surfen oder warum bist du so abgehetzt?«, neckte mich mein Sitznachbar Sean. Als Antwort streckte ich ihm schlicht die Zunge raus und war froh, als mein Lehrer die Klasse betrat und uns augenblicklich aufforderte, die Bücher rauszuholen und dort weiterzuarbeiten, wo wir gestern aufgehört hatten.
Gehorsam schlug ich mein Mathebuch auf und begann zu rechnen. Totenstille war in der Klasse, nur das Kratzen von Stiften auf Papier und ab und zu ein ärgerliches Gemurmel von einem meiner Mitschüler war zu hören. Auch ich starrte nur auf die Zahlen und langsam baute sich das Adrenalin, das ich durch den Sprint zur Schule aufgebaut hatte, ab. Ich wurde immer müder und blinzelte des Öfteren, damit die Zahlen endlich still hielten. Konzentration wurde unmöglich, die Schwärze, die entstand, wenn ich die Augen schloss, so einladend. Nur für ein paar Sekunden, um den Kopf zu entspannen, nur ganz kurz…
Und dann war das Schwarz weg und stattdessen stand der Raum um mich herum in Flammen. Ich hörte, wie die Balken krachten und ein Funkenregen stob hoch. Von draußen ertönte wildes, triumphierendes Geheul, eine atemberaubend schöne schlanke Gestalt brach aus der Feuerwand, im Griff ein Mädchen, mit Haaren, die sich kaum vom Feuer abhoben, wild kämpfend und schreiend…
Mein eigener Schrei war es, der mich hochfuhren ließ. Mit einem lauten Knall fiel mein Mathebuch zu Boden. Schwer atmend starrte ich auf meine Tischplatte, mir wohl bewusst, dass mich die gesamte Klasse erschrocken ansah.
»Vic?« Sean war der erste, der die Stille durchbrach.
»Ich bin eingeschlafen«, nuschelte ich und beugte mich zur Seite, um mein Buch wieder aufzuheben.
»Victoria, geht es Ihnen nicht gut?« Auch mein Lehrer löste sich nun aus seiner erschrockenen Starre.
»Hab schlecht geschlafen letzte Nacht«, erwiderte ich tonlos und versuchte, die Bilder aus meinem Kopf zu verdrängen.
»Wollen Sie nach Hause?« Die Besorgnis in seiner Stimme war nicht zu überhören. Kurz überlegte ich, das Angebot abzuschlagen, doch dann sehnte ich mich kurz so heftig nach Joseph, dass ich nur nicken konnte.
Sean half mir, meine Sachen zusammen zu packen.
»Mensch, du bist ja ganz blass«, flüsterte er mir zu und reichte mir meinen Schreibblock.
»Vielleicht hab ich mir ja was eingefangen. Bleib mir also bloß fern«, murmelte ich und versuchte, den Kloß in meinem Hals hinunter zu schlucken und nebenbei auch noch meinen Puls unter Kontrolle zu bekommen. Denn natürlich wusste ich, wer dort in meinem Traum so geschrien hatte.
Zum Glück war Mum schon bei der Arbeit und so hastete ich gleich die Treppe hoch in mein Zimmer.
Joseph lag noch so da, wie ich ihn zurück gelassen hatte. Rasch schlüpfte ich aus meiner Jeans und kuschelte mich unter die Decke an ihn ran.
»Schwänzen wir etwa die Schule?«, murmelte er und legte den Arm um mich.
»Nicht direkt«, antwortete ich und presste mein Gesicht an seine Halsbeuge. Sanft streichelte er über meinen Arm.
»Hey, du zitterst ja«, stellte er dann mit gerunzelter Stirn fest. Ich zuckte mit den Schultern.
»Ich bin in der Schule eingeschlafen und hab was ziemlich Bescheuertes geträumt«, erklärte ich mit leiser Stimme und stellte fest, dass er Recht hatte. Ich zitterte tatsächlich.
»Oh« Seine Stimme klang schuldbewusst, »Dann sollte ich dich vielleicht wirklich die Nächte mal durchschlafen lassen« Er gab mir einen Kuss auf die Stirn.
»Das hat damit nichts zu tun«, sagte ich verärgert. Dann atmete ich tief durch.
»Ich hab von Fux geträumt. Dass Cecile sie gefunden und gefangen genommen hat. Da war alles voller Feuer…« Ich erschauderte und Joseph zog mich näher an sich.
»Cecile würde bestimmt nicht selber nach Fux suchen. Dafür ist sie nicht wichtig genug«, versuchte er mich zu beruhigen.
»Ich weiß. Ich hab trotzdem Angst«
Es war schön, Joseph einmal den ganzen Tag lang für mich zu haben. Wir lagen einfach nur im Bett und guckten uns DVDs an. Ich genoss es, in seinen Armen zu liegen.
»Was sagst du Cecile, warum du den ganzen Tag über weg warst?«, wollte ich irgendwann wissen, während auf dem Bildschirm gerade ein Lastwagen explodierte.
»Würde mich wundern, wenn sie es überhaupt bemerkt hat. Und falls doch behaupte ich einfach, ich bin einer ganz heißen Spur zu dir gefolgt« Er grinste frech und ich biss leicht in seinen Oberarm.
»Spinner«, murmelte ich lächelnd und schmiegte mich wieder in seine Umarmung. Dann fuhr ich plötzlich hoch.
»Mist«, fluchte ich leise und lauschte. Unten fiel die Haustür ins Schloss. Das konnte nur Cat sein. Was machte die denn schon hier?
»Anscheinend bist du nicht die Einzige, die früher nach Hause kommt«, flüsterte Joseph mir zu und griff nach seiner Jeans. Ich sah auf die Uhr. Vier Uhr nachmittags, die Sonne stand also noch hoch am Himmel. Ich hätte heulen können und biss mir auf die Lippen, um es nicht zu tun.
»Sie wird dir schon nicht den Kopf abreißen, Prinzessin«, versuchte Joseph mich zu beruhigen und zog mich an sich, so dass ich den Kopf in seinem Hemd verstecken konnte.
»Schlimmer. Sie wird dir den Kopf abreißen«, nuschelte ich und löste mich seufzend von ihm.
»Am besten bringen wir es schnell hinter uns« Ich griff nach seiner Hand und lächelte selig, als er mit dem Daumen über meinen Handrücken strich.
»Wird schon nicht so schlimm werden. Sie mag mich«, grinste er und ich hob die Augenbraue.
»Achja?«, fragte ich schmunzelnd.
»Ja«
»Du bist sehr von dir überzeugt«
»Ich weiß«
Und damit zog er mich an sich und ich spürte seine Lippen auf meinen, ungewöhnlich sanft und unfassbar zärtlich. Für einen Moment setzte mein Herzschlag aus, um gleich darauf doppelt so schnell loszurasen. Mit einem leisen Wimmern griff ich in sein Haar und wollte ihn näher ziehen, doch sanft löste er meine Hände und lehnte seine Stirn an meine, dann küsste er mich erneut.
»Danke«, hauchte ich. Er lachte leise.
»Nicht der Rede wert« Kurz vergrub er das Gesicht in meinen Haaren, drückte mir einen Kuss auf den Scheitel und zog mich dann mit sich zur Tür. Ich seufzte und machte mich auf das Schlimmste gefasst.
Wir standen oben am Treppenansatz, als wir beide fast gleichzeitig merkten, dass etwas nicht stimmte. Unten im Wohnzimmer klirrte etwas und ein höhnisches Gelächter ertönte. Abrupt blieben wir stehen. Das war definitiv nicht Cat.
Ich weiß, eigentlich hätte ich Angst bekommen sollen. Aber in mir brodelte etwas anderes: Wut.
»Die demolieren mein Haus«, zischte ich wütend und wollte die Treppen hinunter springen, doch Joseph erwischte mich gerade noch am Arm.
»Nicht. Komm«, sagte er leise und zog mich zurück in mein Zimmer. Erst sträubte ich mich, doch dann verstand ich. Er würde mir da unten nicht helfen können. Da die Sonne schien war es sehr unwahrscheinlich, dass gerade eine Herde Vampire mein Haus auseinander nahmen. Mit allen anderen würden wir zu zweit fertig werden, solange wir uns nur nicht dem Sonnenlicht aussetzten.
Ich bebte vor Wut. Meiner Kehle entwich ein wildes tierähnliches Knurren, welches mich selber erschreckte. Sanft drückte Joseph meine Hand.
»Beruhige dich, Babe. Verlier jetzt bloß nicht die Kontrolle«, flüsterte er sanft und ich schloss gehorsam die Augen, atmete tief durch.
Mir war sehr bewusst, was er damit meinte. Als ich gerade mal elf Jahre alt war, hatte ich in der Schule den Schläger zwei Klassen über mir verprügelt. Auch damals hatte ich die Kontrolle über meine Stärke verloren, als er meine beste Freundin höhnisch lachend durch die Gegend geschubst hatte und sie angefangen hatte zu weinen. Nur damals war mir nicht bewusst gewesen, was ich war. Und er versprach uns unter Tränen stammelnd versprochen, niemals wieder jemand zu schikanieren, solange wir nicht verraten würden, dass er sich einem elfjährigen Fliegengewicht geschlagen geben musste.
Langsam öffnete ich wieder die Augen, lauschte. Es war ruhig.
»Sind sie weg?«, fragte ich leise. Joseph legte den Kopf schief, horchte angestrengt.
»Ich denke schon«, erwiderte er. Und trotzdem hielt er weiter meinen Arm fest, als hätte er Angst, ich würde sofort losstürmen. Was ich auch am liebsten getan hätte. Aber ich fügte mich ihm. Er hatte gerade einen deutlich kühleren Kopf als ich.
Dann rümpfte ich leicht die Nase.
»Riechst du das auch?«, murmelte ich und jetzt machte ich mich doch los. Bildete ich mir diesen leichten Rauchgeruch nur ein?
Vorsichtig öffnete ich meine Zimmertür – und wich erschrocken zurück, als mir eine Rauchwolke entgegen schlug.
Das Untergeschoss stand in Flammen.
Joseph zog mich rasch zurück ins Zimmer. Sein Gesicht war noch blasser als sonst und für einen Moment wirkte er heillos überfordert. Hilfesuchend starrte ich ihn an, während der Rauchgeruch immer beißender wurde.
»Wir müssen löschen!«, beharrte ich und wollte wieder zur Tür, doch Joseph hielt mich fest. Er war wirklich um einiges vernünftiger.
»Was jetzt?«, fragte ich verzweifelt.
»Ich denk nach«, knurrte Joseph.
Nach draußen fliehen konnten wir nicht. Die Sonne stand immer noch strahlend am Himmel und hätte für Joseph den Tod bedeutet. Bei Regen hätten wir es riskieren können, aber so…
»Hol mein Auto«
Josephs Stimme riss mich aus meiner Verzweiflung und irritiert sah ich ihn an.
»Was?«
»Mein Auto. Steht hier um die Ecke. Eure Veranda steht gerade im Schatten. Du musst den Wagen direkt vor der Tür parken« Ohne weitere Erklärung drückte er mir einen Schlüssel in die Hand.
Jetzt verstand ich. Diese Aktion barg ein gewisses Risiko, aber was hatten wir für eine Wahl?
Rasch drückte ich mich an ihn, presste meine Lippen auf seine, nur für eine Sekunde, nur zur Sicherheit…
Mein Magen drehte sich um bei dem Gedanken, was passieren würde, wenn diese Idee von ihm schief ging. Schon zweimal hatte ich dabei zusehen müssen wie ein Vampir in Flammen aufging und der Geruch von verbranntem Fleisch war etwas, was ich nie wieder erleben wollte. Also konzentrierte ich mich auf den Plan.
Bis jetzt stand nur die Küche in Flammen, doch trotzdem wurde mir bewusst, dass meine Löschidee nach hinten losgegangen wäre. Das Feuer war nicht mehr aufzuhalten, jedenfalls nicht von ein paar Eimern Wasser. Der Rauch nahm mir die Luft und bescherte mir einen heftigen Hustenanfall. Schnell griff ich nach dem Schal, der über einem Stuhl im Wohnzimmer hing, und hielt ihn mir vor das Gesicht.
Für eine Sekunde überlegte ich, was ich aus dem Haus unbedingt retten musste, doch mir fiel nur eine Sache ein: Joseph.
Also stieß ich die Haustür auf, was zur Folge hatte, dass der Rauch noch intensiver wurde und das Feuer neuen Sauerstoff zum Fressen bekam. Rasch schlug ich die Tür hinter mir zu und dann rannte ich. Mein Nachbarn John winkte mir freundlich zu, ich würdigte ihm keines Blickes, meine Augen huschten über die Straße, suchten nach dem schwarzen Mercedes mit den getönten Scheiben, den Joseph fuhr und ich hätte heulen können vor Glück, als ich ihn schließlich entdeckte.
Mit zitternden Fingern schloss ich die Tür auf, setzte mich hinter das Lenkrad und startete den Motor. Ein lautes Röhren ertönte, als ich etwas heftiger als nötig das Gaspedal durchtrat.
»Ups«, murmelte ich, mir wohl bewusst, dass das Aufheulen einige Nachbarn an die Fenster gelockt haben würde. Doch dann konzentrierte ich mich wieder auf die Mission.
Der Wagen rumpelte viel zu schnell über den Kantstein in unseren Vorgarten und ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als ich Joseph auf der Veranda entdeckte, den Blick nervös zum Himmel gen Sonne gerichtet.
Mehr schlecht als recht manövrierte ich den Mercedes vor die Veranda, kletterte hinüber auf den Beifahrersitz. Noch ein letzter Blick zum Himmel, dann schlüpfte auch Joseph in den Wagen und zog die Tür hinter sich zu. Die Anspannung schien fast augenblicklich von ihm abzufallen.
»Gut gemacht«, murmelte er und dann zog er mich abrupt zu sich rüber, presste das Gesicht in meine Haare. Ich verharrte in der Position, merkte erst jetzt, wie sehr ich zitterte.
»Du stinkst nach Rauch«, sagte er schließlich leise und ich musste lächeln. Seine Art zu sagen, dass er sich Sorgen gemacht hatte.
Das laute Knacken von zu trockenem Holz ließ uns auseinander fahren und wir sahen zum Haus, wo inzwischen eine dichte Rauchwolke aus dem Fenster quoll.
»Verschwinden wir von hier«, brachte ich mit bebender Stimme hervor und das musste ich ihm nicht zweimal sagen. Die Reifen drehten durch, als er aufs Gas trat und in halsbrecherischer Geschwindigkeit die Straße hinunter jagte. Erschöpft ließ ich mich in den Sitz zurück sinken. Wir waren in Sicherheit.
»Du solltest deine Mutter anrufen« Dieser Satz riss mich eine gefühlte Ewigkeit später aus meiner Erschöpfung und ich brauchte eine Sekunde, um zu verstehen, was er wollte. Doch dann nickte ich gehorsam und zückte mein Handy, suchte Cats Nummer. Es tutete ein paar Mal, dann ging die Mailbox dran. Ich seufzte auf.
»Mum, ich bin’s. Mach dir keine Sorgen, uns ist nichts passiert, aber unser Haus wurde in Brand gesteckt. Keine Ahnung wer es war und was sie wollten. Aber vielleicht solltest du heute nicht nach Hause gehen. Ruf mich an, wenn du das abhörst« Damit legte ich auf, ließ mich wieder zurück sinken und sah Joseph an. Er wirkte extrem angespannt, sah stur nach vorne, während er den Wagen durch die Straßen von Los Angeles lenkte.
Vor uns sah ich Downtown und ich verrenkte mir fast den Hals, um bis zur Spitze der Wolkenkratzer hinauf zu blicken. Die Sonne war nur ein dunkelroter Fleck am Himmel durch die Scheiben. Im Wagen selber war es angenehm kühl und dunkel.
»Wo fahren wir hin?«, wollte ich wissen.
»Zu mir«
»Zu dir?!« Die Überraschung in meiner Stimme war nicht zu überhören und brachte ihn zum Grinsen.
»Wieso so überrascht?«
»Ich hab nicht gewusst, dass du eine eigene Wohnung hast«
»Jetzt weißt du es« Er bog links ab und lenkte den Wagen in einen Hinterhof, von wo aus eine Rampe hinunter unter das Haus führte. Eine Tiefgarage. Wie clever.
Geschickt parkte er den Wagen in einer Parklücke und stieg dann aus. Ich bemerkte erst jetzt, dass ich mich immer noch nicht rühren konnte. Der Schreck saß mir in den Knochen.
Erst, als meine Tür aufgemacht wurde, sah ich auf.
»Komm«, sagte Joseph sanft und hielt mir die Hand hin. Ich ergriff sie, ließ mir von ihm aus dem Wagen helfen, stolperte gegen seine Brust.
»Die haben mein Haus angezündet«, nuschelte ich und er streichelte mir sanft über meinen Rücken.
»Ich weiß, Baby. Aber dir ist nichts passiert«
»Aber die haben mein Haus angezündet« Meine Stimme klang weinerlich und Joseph drückte die Lippen auf meinen Kopf.
»Komm jetzt«, sagte er leise und legte den Arm um meine Hüfte, um mich zu führen. Ich ließ es mir gefallen, stolperte neben ihm her zum Fahrstuhl, der anscheinend nur darauf wartete, uns in höhere Stockwerke zu transportieren.
Noch überraschter war ich, als Joseph im Fahrstuhl einen Schlüssel zuckte und im Schloss drehte, welches den Fahrstuhl bis ins Penthouse schicken würde.
»Penthouse?«, fragte ich zweifelnd und er zuckte mit den Schultern.
»Problem damit?«
»Ist ziemlich sonnig da oben«
Er grinste.
»Nicht in meinem Penthouse«
Was er damit meinte wusste ich, sobald der Fahrstuhl oberste Geschoss erreichte und mit einem leisen »Pling« anhielt. Die Tür öffnete sich und ich starrte in vollkommende Dunkelheit.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich meine Augen soweit daran gewöhnt hatten, dass ich wenigstens ein paar Möbel erkennen konnte. Joseph dagegen bewegte sich sicher durch das Apartment und drückte schließlich den Lichtschalter, sodass meine Augen erneut eine Umstellung durchmachen mussten. Heftig blinzelte ich.
»Willst du ewig da stehen bleiben?«, fragte er liebevoll lächelnd und gehorsam setzte ich mich in Bewegung, betrat seine Wohnung.