Riskantes Erbe - Katja Kleiber - E-Book
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Katja Kleiber

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Beschreibung

Ein Unglück. Ein Liebesnest am Mittelmeer. Und bedrohliche Geheimnisse. Die heile Welt der Hamburger Hotelinhaberin Irene bricht zusammen, als ihr Mann plötzlich verunglückt. Er hinterlässt ein überraschendes Erbe: Ein Apartment in Spanien, von dem Irene nichts wusste. Und sein angeblicher Unfall entpuppt sich als Attentat. Nach und nach entdeckt Irene, dass ihre Ehe auf Lügen gebaut war. Irene will die Geheimnisse ihres Mannes aufdecken. Koste es, was es wolle. Sie stößt auf eine Welt des Verbrechens … und lernt den attraktiven Anwalt Pep kennen. Bald weiß sie nicht mehr, wem sie vertrauen soll, denn alle scheinen etwas zu verbergen. Auch Pep. Was riskiert Irene, um die Wahrheit zu erfahren?

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INHALT

Disclaimer

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

Kapitel 71

Kapitel 72

Epilog

Danksagung

Über die Autorin

Bücher von Katja Kleiber

Copyright © 2022 by Katja Kleiber

1. durchgesehene Ausgabe

c/o easy-shop

Kathrin Mothes

Schloßstraße 20

06869 Coswig (Anhalt)

www.katja-kleiber.de

Coverdesign: bookbrush

Dieses Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

DISCLAIMER

Es handelt sich um ein fiktives Werk. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Institutionen sind rein zufällig.

Für den Mann aus den Bergen.

* * *

KAPITEL1

Uwe sah sie schon vor sich. Die süße Maus hatte er vor zwei Wochen kennengelernt bei seinem letzten Besuch im Viertel St. Georg.

Bald würde er da sein. Nur noch fünfundsiebzig Kilometer bis Hamburg, ein Katzensprung verglichen mit der Strecke, die er seit dem Start in Spanien zurückgelegt hatte.

Er blickte auf das Display, das die Uhrzeit in grünen Ziffern zeigte. Der Countdown bis zur nächsten Ruhepause lief unerbittlich. Wenn er nicht schnell genug bei seiner Maus war, müsste er auf eine Raststätte fahren und auf dem Bock schlafen. Diese modernen Fahrtenschreiber waren nicht auszutricksen. Sein Chef erst recht nicht.

Zum Glück war die Autobahn um diese Zeit leer. Die Fahrbahn trocken. Er gab Gas, um etwas schneller als erlaubt voranzukommen. Nur ein paar Kilometer pro Stunde, das wurde hingenommen. Langsam beschleunigte der Vierzigtonner.

Seine Scheinwerfer frästen Lichttunnel in die Dunkelheit.

Im Radio spielten sie einen Country-Song.

Uwe drehte lauter. Er trommelte den Rhythmus mit dem rechten Daumen auf dem Lenkrad mit. Die Musik hielt ihn wach, und natürlich das Amphetamin. Die Pille hatte er kurz hinter Karlsruhe eingeworfen. Beruhigend, die kleinen Helferlein dabei zu haben. Meistens blieben sie im Handschuhfach, aber jetzt sehnte er sich nach dieser süßen Kleinen mit den Mausaugen.

Hoffentlich verliebte er sich nicht. War bei seinem Job nicht drin.

Ein Lichtschein am rechten Straßenrand.

Er kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können.

Feuer. Kein Waldbrand, dafür war er zu weit im Norden. Ein Unfall. Ein Wagen hing in der rechten Leitplanke und brannte lichterloh.

Uwe ging in die Eisen. Gleichzeitig betätigte er die Taste der Freisprechanlage und sprach »eins eins zwei« ins Mikro. Eine ruhige Stimme aus der Notrufzentrale meldete sich. Fragte nach Fakten. Während der Sattelschlepper langsam an Tempo verlor, gab Uwe den Unfall durch.

Schließlich stand der Truck. Er blickte zurück. Die Autobahn war immer noch wie leergefegt. Er sprang aus der Kabine und lief über die leere Spur zurück.

Das Feuer hatte den Wagen voll erfasst. Flammen schossen meterhoch empor. Die Umrisse der Karosserie waren nur noch als schwarzes Gerippe zu erkennen.

Hitze schlug ihm ins Gesicht. Ascheflocken wirbelten durch die Luft und landeten auf seinem Hemd.

Uwe stoppte. Da war nichts mehr zu retten.

Er starrte auf das Wrack. Wenn der Tank hochging, wollte er nicht in der Nähe sein.

Er drehte sich um und eilte zu seinem Laster zurück.

Da sah er sie.

Eine Frau rannte auf das Feld, das sich neben der Autobahn erstreckte. Weg von dem brennenden Wagen. Ihr helles Haar leuchtete im Schein der Flammen.

Dann verschluckte sie die Dunkelheit.

Aus der Ferne näherte sich das Heulen von Sirenen.

Als Uwe das Führerhaus seines Trucks erreicht hatte, zerriss eine Explosion die Nacht.

KAPITEL2

Irene räkelte sich gemütlich, die Augen noch geschlossen. Dann tastete sie nach dem warmen Körper neben sich, um noch etwas zu kuscheln. Da war nur das kalte Laken. Sie öffnete die Augen. Sie lag allein im Bett.

Mühsam versuchte sie, sich zu erinnern, warum. Hubert hatte am Donnerstag angerufen, als er in Spanien losgefahren war. Er würde Samstag in aller Frühe bei ihr sein, hatte er versprochen. Jetzt war er nicht hier.

Irene schloss die Augen wieder und drehte sich auf die linke Seite. Entlastete die rechte Schulter, die wieder mal ziepte.

Hubert hatte bestimmt auf dem Sofa geschlafen, um sie nicht zu stören. Wie er immer behauptete. In Wahrheit ... in Wahrheit, was? Sie wollte nicht darüber nachdenken. Sie massierte ihre Schulter. Die Haut fühlte sich trocken an. Sie musste sich mal wieder mit Bodyöl einreiben. War lange her, dass ihre Haut ohne Pflege klarkam.

Sie war zu träge, ins Wohnzimmer zu gehen und ihn zu begrüßen. Es würde nicht stören, wenn sie noch ein Weilchen döste. Lange war es her, dass Hubert sie morgens mit Zärtlichkeiten geweckt hatte. Sie zog die Decke bis zur Nase hoch.

Im Flur war ein kratzendes Geräusch zu hören. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss. Kam Hubert jetzt erst?

»Du liegst ja noch im Bett«, trompetete Jasmin. »Guten Morgen, Frau Langschläferin!«

Wie konnte eine Nachteule wie sie einen Morgenmensch als Tochter haben, fragte sich Irene. Sie wälzte sich aus den Federn und ging ins Bad. Im Spiegel zeigte sich ihr ein zerknittertes Gesicht, die schulterlangen, braunen Haare waren zerstrubbelt. Am Scheitel zeigten sich weiße Ansätze, sie musste bald wieder zum Friseur. Mit einundfünfzig brauchte man eben ein paar Tricks, um einigermaßen ansehnlich zu wirken. Der Duft von Kaffee brachte sie dazu, sich mit dem Morgenritual zu beeilen.

Als sie aus der Dusche kam, reichte ein Blick ins Wohnzimmer, um zu sehen, dass das Sofa leer war. Hatte Hubert wenigstens angerufen mit dem Hinweis, dass er sich verspäten würde? Sie schaute zum Telefon. Kein Blinken des Anrufbeantworters. Auch auf dem Handy keine Nachricht.

Irene tappte in die Küche.

Auch dort fand sie Hubert nicht vor, aber ihre Tochter war zu Besuch gekommen.

Der Tisch war gedeckt. Im Brotkorb türmten sich Brötchen und Croissants. Jasmin stand am Herd, legte vorsichtig Eier in einen Kochtopf.

»Hey, Mama.« Sie wandte sich um und warf ihr die Arme um den Hals.

Wie immer wunderte sich Irene, wie schnell aus ihrem Baby eine erwachsene Frau geworden war. Im Sommer würde sie dreißig Kerzen für die Geburtstagstorte kaufen müssen.

Auf dem Balkon maunzte eine graugetigerte Katze. Sie gab Futter in ein Schüsselchen, öffnete die Tür und stellte die Schale der Katze hin. Die hatte sie aufmerksam beobachtet. Maunzte kurz und stürzte sich auf das Fressen.

Irene sah zu, wie das Tier die Brocken vertilgte. Der Streuner war eines Tages aufgetaucht, über das Garagendach auf ihren Balkon gesprungen. Struppig, mit stumpfem Fell. Beim nächsten Einkauf war Katzenfutter in ihrem Korb gelandet. Sie wandte sich ab und ging ins Wohnzimmer.

»Seit wann magst du Katzen?«, fragte Jasmin. Als sie klein war, hatte sie sich immer ein Haustier gewünscht. Irene war es zu viel Aufwand gewesen. Sie hatte gewusst, dass die Arbeit an ihr hängen bleiben würde. Dabei war im Hotel genug los, sodass sie abends erschöpft ins Bett sank. Schließlich musste die Hypothek abbezahlt werden, mit der sie das Hotel gekauft hatte. Was wie ein Schnäppchen gewirkt hatte, entpuppte sich als baufällig. Katzen waren ihr allerletztes Problem gewesen.

Irene war noch zu muffelig, um zu antworten.

»Wo steckt Paps?«

Irene zuckte die Schultern. Auch das war keine echte Frage. Zu oft hatte Hubert sein Kommen angekündigt, war dann viel später erschienen oder hatte angerufen, dass sich sein Projekt verzögere und er noch ein paar Tage brauche. Aber er war immer ehrlich gewesen. Vorgestern hatte er klipp und klar gesagt, dass er Samstag Nacht hier sein würde.

Die Eieruhr klingelte. Jasmin nahm drei Eier aus dem Topf, schreckte sie unter kaltem Wasser ab und setzte sie in bunt bemalte Keramikbecher.

Die stammten noch aus ihrer Zeit als Praktikantin in dem Fünf-Sterne-Hotel auf Mallorca, erinnerte sich Irene. Das war auch schon ewig her. Zwang sich, präzise zu sein. Mehr als dreißig Jahre hatte sie die bunten Eierbecher mitgeschleppt, vom winzigen Apartment unterm Dach in ihre erste gemeinsame Wohnung mit Hubert in Sankt Pauli bis hierher in den lang ersehnten Altbau in Harvestehude.

Es duftete nach Waffeln. Jasmin türmte das heiße Gebäck auf eine Platte und stellte ein Fläschchen Ahornsirup dazu. Dann legte sie drei rote Papierservietten auf die Teller und setzte sich an den Tisch.

»Lass uns anfangen.«

Sie sagte nicht, dass es keinen Sinn hatte, auf Hubert zu warten.

Irene nahm ihren gewohnten Platz mit Blick auf den Balkon ein und griff nach dem Brötchenmesser.

Das Telefon klingelte. Wieso rief Hubert nicht das Handy an? Irene erhob sich.

»Guten Morgen, spreche ich mit Frau Hansen?«

»Ja, Hansen am Apparat. Ich sage Ihnen gleich, ich bestelle nichts am Telefon. Sparen Sie sich die Mühe!«

Irene wollte auflegen, doch eine ernste Stimme hielt sie davon ab.

»Kriminalpolizei Hamburg, Mo Davidoglu mein Name. Ich muss Ihnen leider eine traurige Nachricht überbringen.«

KAPITEL3

Irene klammerte sich an Jasmins Hand. Die war genauso kalt wie ihre eigene.

Jasmin trug eine Sonnenbrille, obwohl es ein bewölkter Tag war. Man sah ihre Augen nicht. Irene wusste, dass sie rot geschwollen waren.

Ihre Freundin Suzie hielt sie auf der anderen Seite untergehakt. Ihr leuchtend rot gefärbter Haarschopf hob sich grell von der schwarzen Trauerkleidung ab.

Der Pfarrer trug diesen immens großen, weißen Kragen der nordischen Protestantenkirche.

Seine Worte gingen an ihr vorbei. Seit Tagen hing dieser dünne Schleier zwischen ihr und der Welt. Das Einzige, was sie sich wünschte, war: zu schlafen und von Zeiten zu träumen, in der ihre kleine Welt noch intakt gewesen war.

»Asche zu Asche, Staub zu Staub.«

Jemand drückte ihr ein Schippchen in die Hand. Was erwarteten die. Sollte sie jetzt kalte Erde auf diese Urne schaufeln? Eine Urne, die Hubert verkörperte? Anstelle eines lebendigen, warmen Körpers war dort ein Behältnis voller kalter Asche. Ihre Hand bewegte sich wie von selbst, ohne ihr Zutun. Mit einem dumpfen Klang trafen Erdklumpen auf die Urne.

Die rote Rose entglitt ihren Fingern.

Sie schluchzte auf und wandte sich ab. Ihre Tochter entwand ihr sanft die Schaufel.

Irene wankte zu einem der hohen Bäume, die die Gräberreihe säumten. Wenigstens die uralten Riesen würden ihr Leid verstehen in ihrer jahrhundertelangen Erfahrung. Es roch aufdringlich nach feuchter Erde und Rasenschnitt.

Suzie war ihr gefolgt, schloss sie in die Arme.

Sie verharrten eine Weile. Irene schluchzte, bis ihre Kehle trocken wurde. Dann kam sie sich albern vor, eine solche Show auf der Beerdigung zu bieten. Immerhin war Huberts Unfall schon drei Wochen her, sie sollte sich gefasst haben. Der Staatsanwalt hatte eine Obduktion angeordnet, das hatte gedauert. Wie gut, dass die sterblichen Reste danach eingeäschert worden waren. Sie hätte es nicht ertragen, den sezierten Leichnam zu sehen. Oder auch nur den Anblick eines Sargs mit dem toten Körper. Die Vorstellung einer reinigenden Flamme war immerhin ein wenig tröstlich. Sie wischte sich über die Augen und richtete sich auf.

Suzie hielt ihr einen Schokoriegel hin. Als ob Essen alles richten würde.

Sie schob ihre Hand weg und trat wieder zu den anderen.

Die Verwandten reihten sich auf, um ihr Beileid auszusprechen.

Mechanisch schüttelte sie Hände. Eine Tante, ein Cousin, den sie ewig nicht gesehen hatte. Kollegen ihres Mannes. Die verlegen vorgetragenen Worte des Mitgefühls hörte sie kaum, sie war wie weggetreten.

Gleichzeitig war sie irgendwie sauer auf Hubert. All die Pläne, die sie noch gehabt hatten. Reisen, neue Hobbys. Für die Rente. Und jetzt war er weg, für immer aus ihrem Leben verschwunden. Sie schluchzte auf.

Eine Frau trat an sie heran, ergriff ihre Hand.

Sie schaute hoch.

Die Frau hatte sehr helle Haare, einzelne Strähnen waren hellblau und rosa gefärbt. Sie war jung, etwa im Alter von Jasmin, schätzte Irene. Ein Piercing verunstaltete eine Augenbraue, ein weiteres durchbohrte ihre Unterlippe.

Die Frau beugte sich vor, flüsterte ihr ins Ohr: »Auch du hast ihn verloren.« Hielt dabei noch immer ihre Hand fest umklammert.

Irene wich unwillkürlich einen Schritt zurück.

In dem Moment griff Suzie ein. Sie nahm die junge Frau bei den Schultern und schob sie beiseite.

Daraufhin ließ die Frau Irenes Hand los.

Suzie drehte die Frau resolut um und führte sie weg, den Weg herunter, der zurück zur Kapelle führte.

Irene blickte ihnen nach.

Da trat Manfred van Vreeden auf sie zu. Sie hatte den Partner ihres Mannes zuletzt bei einer Ausstellung gesehen, die die Architekten in ihrem Büro organisiert hatten. Förderung junger Künstler oder so. Das war ein Jahr her, überlegte sie. Damals war sie glücklich.

Der schlanke weißhaarige Mann ergriff ihre Hand. »Was für ein furchtbares Unglück. Hubert war viel zu jung. Mein tief empfundenes Beileid.« Er drehte sich herum, hielt dabei ihre Hand fest, sodass sie seiner Bewegung folgen musste.

Täuschte sie sich, oder wollte er sie ablenken von der Begegnung mit der verwirrten jungen Frau?

»Komm doch bitte in den nächsten Tagen bei uns vorbei, damit wir einige Fragen zu Huberts aktuellen Projekten regeln können«, bat Manfred.

Sie nickte abwesend.

»Natürlich erst, sobald du dich dazu in der Lage fühlst.« Er schien bemerkt zu haben, was er ihr zumutete.

Sie wollte nichts weiter, als sich auf dem Sofa zusammenzukrümmen und möglichst zu schlafen. In ihren Träumen war Hubert immer bei ihr.

»Du weißt doch, er leitete diesen Hotelbau in Spanien. Das übernehme ich jetzt, aber einiges ist mir unklar.«

»Ich kenne mich mit seiner Arbeit nicht aus.«

»Trotzdem, wir versuchen es.«

»Er hat wenig darüber gesprochen, was er im Büro macht«, wandte sie ein.

»Das sehen wir dann. Du als seine Erbin musst ohnehin einige Papiere unterzeichnen, damit es weitergehen kann.«

»Das tue ich gerne.« Sie hörte sich zustimmen, obwohl sie jetzt nichts weniger im Sinn hatte, als irgendwelche Vollmachten für Architekten zu unterschreiben. Eine Floskel. Wonach sie sich eigentlich sehnte, war Ruhe.

Eine unendliche Ruhe, wie Hubert sie jetzt genoss.

KAPITEL4

Die Auslagen leuchteten bunt. Orangen, Kaki, Tomaten, sattgrüne Gurken. Irene sah die Schönheit nicht.

Sie hatte sich zum Türken an der Ecke geschleppt. Den Weg zum Supermarkt schaffte sie nicht, da war sie sich sicher.

Noch immer verschwommen Tag und Nacht. Sie döste im Bett vor sich hin. Appetit hatte sie auch nicht. Heute hatte sie sich ins Bad geschleppt und ihr eingefallenes Gesicht im Spiegel gesehen. Daraufhin hatte sie sich gezwungen, einkaufen zu gehen.

Mechanisch legte sie einige Orangen in ihren Korb, Tomaten und Salat. Der kleine Laden an der Ecke hatte zwar keine Auswahl wie der Discounter, aber es gab das Nötigste und dazu noch allerhand exotische Dinge wie Okraschoten, gefüllte Weinblätter und andere Delikatessen. Sie griff nach Lebensmitteln, die sie kalt essen konnte. Irene hatte keine Lust zu kochen, selbst zum Backen, ihrem Hobby, konnte sie sich nicht aufraffen.

Schon seit Tagen überließ sie Jasmin das Hotel. Die würde das schon schaffen, wenigstens für einige Tage oder Wochen. Jedenfalls besser, als es ihr selbst in diesem Zustand gelingen würde.

Sie war froh, als sie ihren Korb gefüllt hatte und an der Kasse stand.

Der türkische Händler rundete die Summe ab, schenkte ihr ein paar Cent.

»Danke«, murmelte sie.

Als sie den Laden verließ, hörte sie eine helle Stimme hinter sich: »Hallo.«

Sie drehte sich um.

Eine junge Frau, gepierct und tätowiert, die hellen Haare zu einem wirren Vogelnest frisiert.

Irene hatte die Frau schon einmal gesehen, aber wo? Sie grüßte mit einem Kopfnicken und ging weiter.

»Bilde dir nur nicht ein, dass du alles allein erbst.«

Die Gestörte vom Friedhof! Die ihre Hand umklammert und wirres Zeug geredet hatte.

Irene ging schneller.

Die junge Frau hielt mühelos Schritt. »Ich habe ihn geliebt!«

Irene stellte ihre Tasche ab und wandte sich der aufdringlichen Frau zu. Sie holte tief Luft. »Lassen Sie mich in Ruhe!« Ungewollt überschlug sich ihre Stimme.

»Tu doch nicht so, als wüsstest du von nichts!«

Irene schnaubte. »Sie verwechseln mich. Wir kennen uns nicht.«

»Ich war Huberts wahre Liebe!«

Irene zuckte zusammen, als sie den Namen ihres Mannes hörte.

»Und die Wohnung in Spanien, ich sag es gleich, die gehört mir. Schließlich habe ich die Schlüssel!« Bei diesen Worten deutete die Frau mit dem Daumen auf ihre eigene Brust. »Die kriegst du nicht.«

Sie wandte sich abrupt um und ging.

Irene brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Dann nahm sie ihre Tasche hoch und schleppte die Einkäufe nach Hause.

Während sie die Lebensmittel in den Kühlschrank räumte, hallten die Worte der Frau in ihr nach. ›Huberts wahre Liebe‹.

Irenes Gedanken überschlugen sich. Die Dienstreisen nach Spanien, um das Hotelprojekt zu überwachen. Die vielen Überstunden. War da was, was sie nicht mitgekriegt hatte?

Sie griff zum Handy, wählte im Gehen Suzies Nummer und verließ die Küche, um sich auf dem Sofa in eine Decke zu kuscheln. Bei Suzie sprang die Mailbox an: »Sie haben das Yogastudio Sunshine erreicht. Wenn ich mich nicht persönlich melde, unterrichte ich gerade.

---ENDE DER LESEPROBE---