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HERZKLOPFEN IN NIZZA von LUCY FOXGLOVE Dieses Lächeln! Amy ist wie vom Blitz getroffen, als Cyrian Moreau ihren kleinen Kosmetikladen in Nizza betritt und nach ihrer Blütencreme fragt. Ihr Herz würde Cyrian sofort alles geben, was er verlangt – doch ihr Kopf weiß, dass der attraktive Millionär ihr Feind ist … AN DER KÜSTE DES GLÜCKS von SHELLEY RIVERS Während sie zusammen ein paar vernachlässigte Hunde pflegen, kommt Kiki dem Tierarzt Alex Morsi schnell sehr nah. Obwohl es ihr schwerfällt, lernt sie, ihm zu vertrauen. Aber dann tut Alex etwas, das Kiki nie erwartet hätte. Tief enttäuscht zieht sie sich zurück … AUF DEM LANDSITZ DES STOLZEN ITALIENERS von CATHY WILLIAMS In der Glamourwelt des superreichen Italieners Alessio Baldini hat Lesley nichts verloren. Trotzdem muss die Computerexpertin zu ihm ziehen, um herauszufinden, wer Alessio erpresst. Gegen jede Vernunft knistert es bald heiß … LASS UNS NICHT AN MORGEN DENKEN von SHOMA NARAYANAN Ihr Leben war ruhig, sicher und … langweilig! Damit ist es vorbei, als Shweta Bad Boy Nikhil wiedertrifft – inzwischen ein bekannter Eventplaner. Seine Leidenschaft verzaubert Shweta. Doch Nikhils Vergangenheit macht eine gemeinsame Zukunft unmöglich …
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Seitenzahl: 702
Lucy Foxglove, Shelley Rivers, Cathy Williams, Shoma Narayanan
ROMANA EXTRA BAND 108
IMPRESSUM
ROMANA EXTRA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2021 by Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg für Lucy Foxglove: „Herzklopfen in Nizza“
© 2020 by Shelley Rivers Originaltitel: „Tempted by the Brooding Vet“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MEDICAL ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Dorothea Ghasemi
© 2013 by Shoma Narayanan Originaltitel: „The One She Was Warned About“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Susann Rauhaus
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANA EXTRA, Band 108 06/2021
© 2014 by Cathy Williams Originaltitel: „The Uncompromising Italian“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Emma Luxx Deutsche Erstausgabe 2015 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 403
Erste Neuauflage in der Reihe ROMANA EXTRA, Band 108 06/2021
Abbildungen: mauritius images / Image Source / Lena Mirisola, StockByM / Getty Images, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 06/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751500241
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, HISTORICAL, TIFFANY
Die bezaubernde Amy hat in ihrem Naturkosmetikladen genau das, was Cyrian zum Erfolg noch fehlt. Um es zu bekommen, setzt er seine ganze Verführungskunst ein – auf die Gefahr hin, Amy das Herz zu brechen.
Mit Tieren kann Alex gut umgehen, das ist schließlich sein Beruf. Aber mit Menschen? Eher nicht. Schon gar nicht mit der quirligen Kiki. Zu groß ist die Gefahr, dass sie ihm zu nahe kommt …
Alessio Baldini will nur eines von Lesley: Sie soll heraus- finden, wer ihm Erpresser-Mails schickt. Doch dazu muss er Lesley nah an sich heranlassen. Gefährlich nah – bei ihrem Sex-Appeal!
Aus der schüchternen Shweta ist eine umwerfend attraktive Frau geworden. Nikhil freut sich darauf, ihre Bekanntschaft zu erneuern. Mehr als sinnliche Nächte darf Shweta von ihm allerdings nicht erwarten …
Die Fensterläden der vierstöckigen Häuser in Nizzas Altstadt waren alle geschlossen, die Sonne brannte herunter, und das Stück Himmel, das Amy zwischen den Dächern sehen konnte, war so blau wie die allerschönsten Kornblumen.
Am Ende der Straße erhaschte sie einen Blick auf einen Streifen türkisgrünes Meer, darüber wirkte der Horizont beinahe lavendelfarben. Amy seufzte zufrieden und schirmte ihre Augen gegen die Sonne ab. Sie sah die Straße entlang und erlaubte sich kurz, die Menschen zu beobachten, die zwischen kleinen Cafés und Geschäften in Begleitung der Klänge des Sommers flanierten. Schwalben zwitscherten über ihren Köpfen, es duftete nach dem wunderbaren Mangoldkuchen, den ihre Freundin Mireille so gerne buk.
Später würde sie in dem Café vorbeischauen, wo Mireille arbeitete, und sich das Stück abholen, das diese immer für sie reservierte. Sie würde es heute Abend zu einem Wildkräutersalat mit Tomaten und gebratenem Fischfilet essen.
Erst mal musste sie sich jedoch um die Blumen kümmern, die in Terrakottatöpfen neben der Eingangstür und auf den Fensterbrettern ihres kleinen Seifenladens La Petite Fleur standen. Die Margeriten, der Lavendel und die Geranien ließen schon wieder die Köpfe hängen. Kein Wunder bei dieser Hitze. Amy goss etwas Wasser in jeden Topf und drehte sich um, um hineinzugehen. Doch dann hielt sie inne. Vor dem großen Schaufenster stand ein hochgewachsener Mann und blickte angestrengt hinein. Amy ging auf ihn zu.
„Bonjour, Monsieur!“, begrüßte sie ihn freundlich. „Haben Sie etwas Schönes entdeckt? Kommen Sie gerne herein, wir haben geöffnet. Drinnen ist es angenehm kühl.“
Der Mann wirbelte herum, und als Amy ihn anlächelte, stahl sich auch ein Lächeln auf sein Gesicht.
„Bonjour“, sagte er. „Was für ein hübsches Geschäft!“
Beherzt betrat er vor ihr den Laden, und sie folgte ihm. Amy lächelte stolz, als sie den Mann beobachtete, wie er sich ihre bunten Seifen, die Tiegel und Behälter mit Cremes und Salben, Lotionen und Erfrischungswässerchen ausgiebig ansah. Er war groß und muskulös gebaut, elegant gekleidet in einem weißen kurzärmeligen Hemd zu hellblauen Chinohosen. An den Füßen trug er Flipflops aus Leder. Amy musste schon wieder lächeln. Er hatte definitiv die schönsten Füße, die sie jemals bei einem Mann gesehen hatte. Auch ansonsten gefiel er ihr ausgesprochen gut. Seine Haut war genau im richtigen Ton gebräunt, wie helles Karamell. Seine dunkelbraunen Haare hatten ein paar hellere Strähnen von der Sonne.
Als er sich nun zu ihr umdrehte, war jedoch klar, was das Attraktivste an ihm war: seine blauen, lebendigen Augen. Amy liebte Blau. Deshalb waren auch die Wände ihres kleinen Ladens in vier unterschiedlichen Blautönen gestrichen, pastellblau, türkisblau, sommerhimmelblau und veilchenblau, das allerdings beinahe lila geworden war. Der Mann stand vor der veilchenblauen Wand, und seine Augen funkelten.
„Pardon, Madame?“, sagte er und deutete auf eins der schmiedeeisernen weißen Regale.
Amy lächelte entschuldigend. „Verzeihen Sie, ich war mit den Gedanken kurz woanders. Jetzt bin ich ganz Ohr.“ Sie ging zu ihm hinüber und blieb ein bisschen zu dicht neben ihm stehen. Er roch gut, das war ihr eben schon aufgefallen, und das, obwohl es überall in ihrem Laden ohnehin duftete. Dieser Mann duftete leicht holzig, etwas herb und nach Kräutern. Oh, und natürlich nach Sommer.
„Ich brauche eine Gesichtscreme, was würden Sie da empfehlen?“, wiederholte er seine Frage.
Amy sammelte sich kurz. „Ich habe spezielle Cremes und Lotionen für Männerhaut mit einem herben Duft. Eher nach Holz oder nach Kräutern. Bodenständig. Das würde zu Ihnen passen.“
„Bodenständig?“, fragte der Kunde.
„Ja. Und verlässlich“, ergänzte Amy.
„Sehe ich so aus?“ Er hielt den Kopf leicht schief.
„Unbedingt“, antwortete Amy. Außerdem sah er sexy und leidenschaftlich aus, aber das behielt sie lieber für sich.
„Na, dann sollte ich mich Ihnen mal vorstellen“, sagte er lächelnd und reichte ihr die Hand. „Cyrian. Freut mich, Sie kennenzulernen.“
„Amy.“ Sie nahm seine Hand. Sein Griff war fest, die Finger warm. Je länger sich ihre Hände berührten und sie einander in die Augen schauten, desto kribbeliger fühlte sie sich.
„Kommen Sie mit“, sagte sie und konnte sich gerade noch zurückhalten, seine Hand zu nehmen, um ihn durch den Laden zu ziehen. Unglaublich, seine charmante Art und der Duft, der von ihm ausging, wirkten beinahe wie ein Magnet auf sie. Wenn ihre Schwester Emma das sehen könnte! Die wartete schon seit Jahren darauf, dass Amy sich endlich mal für einen Mann interessierte.
Bisher hatte Amy dieses Thema immer so schnell wie möglich in die hinterste Ecke ihrer Gedanken und auch aus jedem Telefonat verbannt, aber nun stand Cyrian vor ihr und löste einen Tagtraum nach dem anderen aus. Sie sah sich mit ihm scherzend am Strand flanieren, mit einem Glas Rotwein bei Sonnenuntergang und Arm in Arm auf einem gemütlichen Sofa vor einem Kamin. Amy schüttelte den Kopf über diese Fantasien und konzentrierte sich auf das Regal vor ihr.
Cyrian nahm einen der dunklen Glastiegel in die Hand. „Rasiercreme mit Eukalyptus? Klingt schön frisch.“
„Schnuppern Sie ruhig mal.“
„Darf ich?“
Er sah sie so eindringlich an, dass ihr ganz warm wurde. Ein heißes Kribbeln rieselte ihre Wirbelsäule hinunter, und sie musste sich in den Text auf einem der Tiegel vertiefen, damit die Bilder in ihrem Kopf nicht zu übermächtig wurden.
„Natürlich“, sagte sie schnell. „Als Gesichtscreme die hier vielleicht?“ Sie griff nach einer Metalltube mit Zedernholzcreme.
„Riecht fantastisch“, sagte Cyrian.
„Die ideale Creme für den Sommer, sie enthält einen Lichtschutzfaktor und pflegt die strapazierte Haut mit ausreichend Feuchtigkeit.“
„Wunderbar.“ Cyrian ließ Amy nicht aus den Augen, während er ein wenig Creme auf seinem Handrücken verrieb. „Bestimmt haben Sie viele Fans.“ Er lachte leise. „Also, Ihre Cremes, meine ich.“
„Das hoffe ich doch.“
„Mich haben Sie jetzt jedenfalls. Ihr Geschäft hat etwas sehr Persönliches. Das gefällt mir gut.“
„Die Preise sind natürlich andere als bei den großen Ketten, aber die Produkte sind es wert, und die persönliche Beratung wissen die meisten Kundinnen sehr zu schätzen.“
„Kunden selbstverständlich auch“, ergänzte er. „Ich zum Beispiel.“
„So viel habe ich Sie ja noch gar nicht beraten.“ Amy lachte. Normalerweise schaffte sie es wesentlich schneller, herauszufinden, was ihre Kundinnen und Kunden suchten und was ihnen gefallen könnte. Cyrian allerdings schien sich für all ihre Produkte zu interessieren.
„Ich nehme diese hier“, sagte er und hielt den Tiegel mit der Sandelholzcreme hoch. „Haben Sie vielleicht einen Einkaufskorb?“
„Bien sûr.“ Amy holte ihm schnell einen der kleinen Henkelkörbe. Sie wählte einen mit dunkelblauem Stofffutter, das hervorragend zu seinen Augen passte.
Nach und nach nahm Cyrian Tiegel und Tuben aus dem Regal, fragte sie etwas darüber, bewunderte die Düfte und die hübschen Etiketten, ihre Dekoration im Laden und nicht zuletzt auch die Bilder an den Wänden.
„Dieses hier gefällt mir am besten“, sagte er und deutete auf eine Fotografie von Amys Lieblingsbadebucht im Nachbarort Villefranche.
„Mir auch.“ Amy lächelte.
„Aber das hier, das ist nicht hier in der Nähe, richtig?“ Cyrian betrachtete ein Foto von grünen Hügeln, wolkenverhangenem Himmel und Schafen vor einem kleinen Natursteinhaus.
„Nein, das wurde auf dem Land meiner Eltern aufgenommen. Sie wohnen in Wales, im Nationalpark Brecon Beacons.“
„Sie kommen aus Wales?“ Cyrian trat näher an das Bild heran. „Sieht sehr idyllisch aus. So still und … grün.“ Er lachte.
„Ja, genau. Dort bin ich aufgewachsen.“
„Und welche wunderbare Fügung des Schicksals hat Sie nach Nizza verschlagen?“, fragte er und zwinkerte ihr zu.
Merkwürdigerweise fand sie das Zwinkern nicht aufdringlich wie sonst. Es war eine kleine Geste, die die Stimmung zwischen ihnen vertrauter machte. Wie schaffte er das nur?
„Ich habe dieses Haus vor drei Jahren geerbt. Oben wohne ich …“ Sie deutete an die Decke. „Und hier unten verkaufe ich meine eigenen Seifen und Cremes. Ich arbeite und wohne also unter einem Dach. Das war schon immer mein Traum, fast seitdem ich die Papeterie zum ersten Mal besucht habe.“
„Welche Papeterie?“, fragte Cyrian interessiert.
Amy umfasste das Innere des Ladens mit einer weiten Armbewegung. „Meine Patentante Felicity hatte hier früher ihre Papeterie, bis …“ Sie brach ab. Eigentlich wollte sie die unbeschwerte Stimmung nicht mit alten Geschichten verderben.
„Bis …?“
„Sie musste schließen. Der kleine Laden konnte einfach nicht bestehen gegen …“ Amy schluckte und wunderte sich, dass es sie immer noch mitnahm, aber sie konnte sich genau an das Telefonat erinnern, an Tante Felicitys Verzweiflung, ihre Tränen.
„Das tut mir leid“, sagte Cyrian aufrichtig. „Es ist manchmal schwer zu bestehen, bei der großen Konkurrenz.“
„Besonders, wenn direkt gegenüber die Filiale einer großen Kette mit den gleichen Produkten eröffnet“, sagte Amy bitter.
„Oh.“
Nun wirkte Cyrian ehrlich betroffen. Vermutlich kaufte auch er manchmal bei Papiers et Livres ein, einem riesigen Geschäft mit allen möglichen Papeterieprodukten, Bürobedarf und einer kleinen Auswahl an aktuellen Taschenbuch-Bestsellern. Amy war wohl die Einzige in Nizza, die dort nie etwas kaufen würde. Sie hatte so lange gesucht, bis sie ein kleines, familiäres Geschäft fand, wo sie das verkauften, was sie brauchte.
Nie würde sie die großen Ketten unterstützen, derentwegen immer wieder hübsche kleine Läden zumachen mussten. Und sie war wohl auch die Einzige, die noch nie einen Fuß in Crèmes Célestes gesetzt hatte, ein Kosmetikgeschäft, das vorletzten Monat in ihrer Straße neu aufgemacht hatte. Dort wurde Kosmetik von namhaften Firmen verkauft. Es gab bisher zehn weitere Geschäfte der Kette in ganz Frankreich.
Amy wusste das, weil sie recherchiert hatte. Der Beginn ihrer deutlichen Gewinneinbußen in letzter Zeit traf leider ziemlich genau mit der Eröffnung der Filiale von Crèmes Célestes zusammen. Natürlich hatte sie sich den Laden angesehen, von der Straße aus. An dem Tag hatte es dort vor Leuten gewimmelt, die die Sonderangebote kauften und das Geschäft mit prall gefüllten Tüten verließen. Sie seufzte, als sie daran dachte.
Die Einnahmen heute waren jedenfalls bisher vielversprechend. Amy tippte die Preise der Cremes und Seifen ein, die Cyrian sich ausgesucht hatte, und er gab ihr das Geld.
„Ich werde auf jeden Fall wieder vorbeischauen“, sagte er zum Abschied. „So ein charmantes Geschäft und … natürlich eine charmante Verkäuferin.“ Er zwinkerte ihr zu und winkte mit der freien Hand.
Amy erwiderte den Gruß und ertappte sich dabei, dass sie sich tatsächlich wünschte, diesen gut aussehenden Mann bald wiederzusehen.
Cyrian legte die Papiertüte mit den duftenden Cremes und Seifen in den Kofferraum seines Corvette-Cabrios. Er konnte die Tüte mit dem hübschen blumenverzierten Logo von Amys Laden wohl kaum mit in sein Büro nehmen und womöglich neben die Geschäftsbücher von Crèmes Célestes legen. Es war jedenfalls ein Geschenk des Himmels, dass er diesen Laden heute entdeckt hatte. In dem großen Schaufenster von La Petite Fleur hatte sich ihm erstmals eine Lösung für ein unlösbar scheinendes Rätsel präsentiert.
Er drückte die Tür zum Foyer von Crèmes Célestes auf und atmete in der beruhigenden Kühle entspannt aus.
„Bonjour, Monsieur Moreau“, begrüßte ihn Monique, die stets freundliche Empfangsdame.
„Bonjour, Monique. Ist das nicht ein wunderbares Wetter heute?“ Cyrian lächelte, als er an den Sommerhimmel dachte, der so blau war wie die eine Wand im La Petite Fleur.
„Wirklich wunderbar“, sagte Monique und sah ihn neugierig an. „Es ist schön, Sie so gut gelaunt zu sehen.“
Sofort waren die Sorgen wieder da. Denn mittlerweile lastete nicht nur die Verantwortung für das Imperium von Moreauletics, dem bekanntesten Hersteller von Sportartikeln in Frankreich, auf seinen Schultern, sondern auch die Verantwortung für die elf Filialen von Crèmes Célestes, das Ein und Alles seiner verstorbenen Mutter. Er hörte ihre Worte noch immer so deutlich wie an dem Tag, als sie sie ausgesprochen hatte: Bitte behandle mein Geschäft, als wäre es deins, stelle meine neue Reihe fertig. Sie wird dir große Gewinne bringen, da bin ich mir sicher. Und hoffentlich auch so viel Freude wie mir.
Es war der Tag gewesen, an dem seine Mutter ihre Diagnose bekommen hatte, und sie hatte ihn gebeten, mit sofortiger Wirkung die Geschäfte zu übernehmen. Das war jetzt über ein Jahr her.
Cyrian eilte die Treppe hinauf zu seinem Büro. Monique hatte recht. Er hatte kaum noch einen Grund, gut gelaunt zu sein. Erst der Tod seines Vaters, die Trennung von Camille und dann die Krankheit und der Tod seiner Mutter. Er dachte voller Liebe an sie, ja, er vermisste sie und versuchte, alles in ihrem Sinne zu tun.
Wie von ihr gewünscht hatte er die neue Filiale in der Rue Rosetti eröffnet.
Bisher hatte er sich nichts dabei gedacht, doch nun fühlte er sich wie ein rücksichtsloser Konkurrent. Der kleine Kosmetikladen, den er heute besucht hatte, war so hübsch und einzigartig. Dennoch wusste er nicht, ob seine Besitzerin gegen die unschlagbaren Angebote und das riesige Sortiment von Crèmes Célestes ankommen würde.
Vielleicht war es nicht richtig gewesen, dass er sich nie in die Suche nach neuen Standorten eingemischt hatte. Er hätte noch einmal mit seiner Mutter reden sollen, aber auch sie hatte sich offenbar die Gegend nicht mehr genau ansehen können. Und selbst wenn … vielleicht hätte sie dennoch so entschieden. Die Zeit reichte nie, um sich um alles zu kümmern, und so nickte er die meisten Entscheidungen der Abteilungsleitungen einfach ab.
Trotzdem. Womöglich war vorher ein anderer Standort für die Filiale von Crèmes Célestes im Gespräch gewesen, einer, der genauso gut war und nicht in der Nähe von La Petite Fleur lag. Es gab schließlich viele gut besuchte Straßen in Nizza.
Er seufzte. Hoffentlich hatte Amy genug Stammkunden. Amy … Warum dachte er überhaupt die ganze Zeit an sie?
Nun ja. Weil sie die Lösung hatte, er wusste nur noch nicht genau, wie ihm das weiterhelfen sollte.
Cyrian setzte sich an seinen Schreibtisch und zog eine Schublade auf. Er holte die handgemalten und handgeschriebenen Notizen und Pläne seiner Mutter heraus und breitete alles vor sich aus. Die neue Cremereihe seiner Mutter mit Blütencremes war noch nicht vollendet. Die meisten waren zwar in der Produktion, aber zwei Rezepturen hatte er nicht finden können: die Lavendelnachtcreme und die Morgenfrischecreme mit Aprikosenblüten. Dabei waren diese beiden das Herzstück der Reihe. Seine Mutter hatte die Etiketten entworfen, die Düfte beschrieben, die Wirkungsweisen, alles. Das Einzige, was fehlte, waren die genauen Inhaltsstoffe. Doch anhand einer Zeichnung konnte kein Labor der Welt die Cremes herstellen.
Cyrian lehnte sich zurück und verschränkte die Hände im Nacken. Sein Blick fiel auf das Foto von seinen Eltern an der gegenüberliegenden Wand. Seine Mutter war darauf ein wenig älter als er jetzt, so um die vierzig vielleicht, sein Vater ein paar Jahre älter. Sie sahen so glücklich aus. Sie hatten immer ein wachsames Auge auf ihn bei der Arbeit, und Cyrian wollte, dass sie Grund dazu hatten, stolz auf ihn zu sein. Aber dafür musste er ihnen auch etwas bieten.
Moreauletics lief sehr gut, und nun sollte Crèmes Célestes nachziehen. Die Blütencreme-Reihe, die seine Mutter sich ausgedacht hatte, sollte ein Erfolg werden, sozusagen ihr Vermächtnis.
Amy hatte die beiden Cremes, die er brauchte. Lavendel und Aprikosenblüte. Da sie ihre Cremes selbst herstellte, wie er nun wusste, hatte sie mit Sicherheit auch die Rezepturen für all ihre Cremes. Das war die Lösung! Er würde sie ihr einfach abkaufen.
Cyrian sprang auf und ging mit langen Schritten zum Fenster. Wenn er sich ein wenig streckte, sah er dann nicht sogar ihren Laden? Ob sie noch geöffnet hatte? Warum hatte er nicht gleich daran gedacht? Sie war so eine tüchtige Geschäftsfrau, hatte Ideen und verstand es, ihre Produkte anzupreisen. Mit Sicherheit hatte sie auch genug kaufmännisches Interesse, um ihre beiden Rezepturen für einen großzügigen Betrag zu verkaufen.
Dennoch sollte er ihr erst die Gelegenheit geben, ihn ein bisschen besser kennenzulernen. Damit sie merkte, dass nicht jeder Geschäftsführer einer großen Kette skrupellos war und nur auf seinen eigenen Gewinn bedacht. Mit dem Geld würde er ihr auch helfen können. Etwas Zusatzgewinn konnte sie in ihrem Laden bestimmt brauchen, vor allem seit die Konkurrenz in ihrer Nachbarschaft eröffnet hatte …
Amy schreckte aus einem Traum auf. Ihr Herz hämmerte, ein unheimliches Knacken ging durchs Dach, der Wind zerrte an den Schindeln. Und was für ein Wind!
Sie schlug die Decke zurück, rannte zum Fenster und spähte zwischen den Schlitzen der hölzernen Fensterläden hinaus. Im Schein einer Straßenlaterne konnte sie erkennen, dass überall auf der Straße Mülltonnen lagen, Schilder, Kisten. Ein schmales Rinnsal Wasser floss dazwischen hindurch. Regen trommelte gegen die Holzläden. Der Wind heulte, und wieder knallte etwas draußen. Ein Gewitter. Und was für eins. Hoffentlich war unten alles okay. Hatte sie alles sicher verschlossen?
In diesem Moment zerriss ein Blitz die Schwärze der Nacht. Amy presste sich die Hände auf die Ohren bei dem Donner, der folgte. Wieder knallte irgendetwas. Das klang verdächtig nach Dachschindeln, die auf der Straße zerschellten. Hastig rannte sie zu der kleinen Kommode am Fenster und suchte mit fliegenden Fingern nach einer Taschenlampe. Endlich ertastete sie die kleine Metalllampe. Im Vorbeilaufen riss Amy ihren Morgenmantel vom Haken an der Tür und trat ins Treppenhaus.
Auch hier prasselte der Regen gegen die Scheiben, der Wind rüttelte an den Läden, an der Tür und an allem, was draußen im Garten war. Waren die Schaufenster sicher? Hatte sie die Metallgitter gut genug heruntergefahren, sodass nichts passieren konnte? Sie musste es überprüfen.
In diesem Moment folgte der nächste Blitz, dann ein ohrenbetäubender Knall in nächster Nähe. Noch bevor der Gedanke richtig in ihrem Kopf entstand, wusste Amy, was passiert war. Die alte Platane! Der Blitz schien sie getroffen zu haben. Sie stürzte an die Hintertür und bekam wegen ihrer zittrigen Finger kaum den Schlüssel ins Schloss.
Draußen toste der Wind, kleine Zweige regneten auf den Gartenweg. Als sie endlich die Tür geöffnet hatte, riss eine Böe sie ihr aus der Hand. Wieder war da dieses unheilvolle Geräusch. Amy presste sich eine Hand auf den Mund und konnte nur nach oben starren.
Ein riesiger Ast der Platane brach in diesem Moment ab und knallte aufs Dach. Dachziegel flogen durch die Luft, Zweige und Äste. Der nächste Blitz folgte. Amy schlug die Tür zu, damit sie nicht von Ziegelsplittern getroffen wurde. Verdammt, hatte der Ast wirklich das Dach eingeschlagen? Ihr Herzschlag wummerte in ihren Ohren, und dieses Mal waren ihre Schritte zögerlich, als sie zur Treppe ging. Sie blieb vor der ersten Stufe stehen und lauschte. Rauschte es lauter als eben? Pfiff der Wind anders?
Sie holte tief Luft und stieg langsam Stufe um Stufe hinauf. Der Schein der Taschenlampe zuckte über das Holz der Treppe. Da. Eine dunkle Stelle ließ sie innehalten. Wasser. Regen. Sie hörte es tropfen, hörte ein Rauschen, als wohnte sie direkt in einer Baumkrone. Kälte schlug ihr entgegen, als sie vorsichtig die Tür zu ihrem Schlafzimmer aufdrückte. Scharfer Wind und nasse Blätter wehten ihr ins Gesicht.
Amy wusste, dass es besser wäre, nicht ins Zimmer zu gehen. Sollte der Ast tatsächlich auf das Dach gestürzt sein, hatten der Regen und der Wind leichtes Spiel. Und wenn noch ein Blitz …
Aber sie musste sehen, ob alles in Ordnung war. Vorsichtig drückte sie die Tür ein weiteres Stück auf. Sie sah direkt in einen Wald aus Blättern. Regen schlug ihr ins Gesicht.
Amy konnte nur auf das riesige klaffende Loch im Dach starren. Ein Stück schwarzer Nachthimmel war zu sehen, kein einziger Stern, jedoch wild wogende Äste der Platane. Und einer von ihnen lag mitten auf ihrem Bett. Alles war nass und wurde jede Sekunde nasser. Glassplitter vom Dachfenster reflektierten einen weiteren Blitz. Draußen grollte Donner, doch das Gewitter war nicht mehr so nah. Die Sirene eines Feuerwehrautos heulte auf. Hektische Rufe hallten herüber. Ihr Haus war vermutlich nicht das einzige, das getroffen worden war. Zum Glück brannte es nicht … aber, das Dach!
Was sollte sie tun? Als es klingelte, rannte sie nach unten.
„Mireille!“, rief sie, sobald sie die schmale Gestalt ihrer Freundin durch das Gitter erkannte. Sie wohnte noch immer im gleichen Haus, in dem Amy sie zum ersten Mal vor über elf Jahren getroffen hatte. Aber das lag einige Hundert Meter von ihrem entfernt. Ihre Freundin war ganz alleine durch den Regen und das Gewitter gerannt. Und das in ihrem Zustand, schließlich war Mireille im dritten Monat schwanger.
In Windeseile zog Amy das Gitter hoch und entriegelte die Tür vom Laden. „Oh, du meine Güte, was machst du denn mitten in der Nacht hier draußen?“
„Zum Glück ist dir nichts passiert“, rief Mireille und zog sie in eine feste Umarmung.
Sie klammerten sich aneinander, der Stoff ihrer Nachthemden und Morgenmäntel regendurchweicht.
„Ich habe den Blitz gesehen“, flüsterte Mireille. „Ich war gerade wach und auf dem Weg ins Badezimmer. Es sah aus, als hätte er dein Haus getroffen.“
„Die Platane im Hinterhof“, sagte Amy leise.
Mireille drückte sie ein letztes Mal an sich, dann sah sie ihr ins Gesicht. Ihr Blick fiel auf Amys Haar, und sie zupfte ein Blatt aus einer nassen Strähne. Erschrocken sah sie das Blatt in ihrer Hand an. „Der Baum steht aber noch?“
„Der Baum schon …“ Amy brach ab.
„Ein Ast?“, fragte Mireille und sah besorgt an die Decke, als ließe sich von hier aus erkennen, was der Ast angerichtet hatte.
Amy nickte. Ihre Augen brannten, und ein Schluchzen schüttelte ihren Körper.
„Schsch“, murmelte die Französin und legte einen Arm um Amys Schulter. „Komm, ich koche uns einen Tee. Der hilft dir doch immer.“
Amy lächelte schwach und bekam Schluckauf. Sie hatte nie die Annahme von Mireille korrigiert, dass sie wie wohl alle Engländer Tee lieben musste. Sie hatte zwar Tee da, aber den trank sie nur, wenn ihr kalt war oder sie eine Erkältung ausbrütete. Kräutertee. Die vielen Dosen Darjeeling und Earl Grey waren Geschenke ihrer Mutter, die immer noch versuchte, sie auf den Geschmack zu bringen, und hoffte, sie so nach Hause zu locken. Amy musste bei diesem Gedanken trotz allem lächeln.
„So ist es recht, ich wusste, dass das hilft“, sagte Mireille, stellte den Wasserkocher an und zog den Kamillentee hervor. „Dann kannst du gleich wieder gut einschlafen.“
„Vermutlich eher nicht“, murmelte sie. „Mein Bett ist ziemlich nass.“
„Es hat reingeregnet?“ Mireille goss das heiße Wasser auf die Teebeutel.
Amy wartete, bis sie fertig war. „Ich habe ein Loch im Dach. Einer der größten Äste ist auf mein Haus gefallen. Oben ist alles nass. Ich weiß noch nicht genau … wie schlimm es ist.“
Mireille schluckte und setzte sich langsam ihr gegenüber an den Küchentisch. „Wir kriegen das wieder hin …“, flüsterte sie.
„Das wäre schön.“ Amy hoffte es wirklich. Vielleicht sah alles bei Tageslicht gar nicht so schlimm aus.
Leider sah es bei Tageslicht noch viel schlimmer aus. Der Holzboden war aufgeweicht, überall lagen Blätter und kleine Äste. Vom großen Ast ganz zu schweigen.
Ein paar Stunden nachdem Amy es selbst inspiziert hatte, standen nun zwei Feuerwehrmänner in ihrem Schlafzimmer zwischen den Trümmern und zersägten den Ast, damit man ihn aus dem Haus schaffen konnte. Amy war sich sicher, dass die beiden Männer sie unter ihren Schutzmasken und Visieren mitleidig ansahen. Sie befand sich in einer Rolle, die sie nicht mochte, sie konnte nichts tun. Hilflos sah sie zu, wie die Männer den Ast entfernten, das ganze Chaos aber natürlich leider daließen. Die Junisonne hatte zwar einen Großteil des Zimmers getrocknet, doch die Ecken waren immer noch dunkel vom Regenwasser. Amy inspizierte den Schaden genauer, um alles der Versicherung berichten zu können.
Sie fegte die Scherben weg und fotografierte dann das Loch im Dach, die eingerissene Mauer und den großen nassen Fleck auf dem alten Holzparkett. Die Dielen in der Ecke glänzten richtiggehend vor Nässe.
Amy seufzte und legte eine Hand auf das Holz, vermutlich sah es nasser aus, als es war. Doch was war das? Da sickerte noch immer Wasser aus der Wand! Mit klopfendem Herzen näherte sie sich der Stelle und beugte sich darüber. Ihr wurde kalt. Frisches Wasser kam aus der Wand.
Ein Rohrbruch? Verdammt!
Hastig suchte sie im Internet nach einem Klempner und gleich auch nach einem Dachdecker und machte zwei Termine für den nächsten Tag. Der Klempner riet ihr, den Haupthahn abzustellen und sich mit Tüchern und Schüsseln zu behelfen. Wie stellte er sich das vor, sie konnte doch bis morgen nicht ohne Wasser sein!
„Amy?“, rief plötzlich jemand von unten. „Ist alles okay? Ich habe die Feuerwehr aus Ihrem Haus kommen sehen …“
Amy hielt inne. War das nicht …?
„Hier oben!“, antwortete sie. „Moment, ich komme herunter.“ Sie stand auf und lief zur Treppe, doch auf halber Höhe kam ihr Besucher ihr bereits entgegen.
Cyrian hatte die Augenbrauen besorgt zusammengezogen und sah für einen Augenblick beinahe so aus, als wollte er sie in die Arme schließen, um sie zu trösten. Amy ertappte sich dabei, wie sie sich genau das wünschte, und schüttelte irritiert den Kopf über diese Reaktion.
„Haben Sie die ganzen Seifen schon aufgebraucht?“, fragte sie im Scherz, um die Atmosphäre aufzulockern. Sie freute sich zwar, Cyrian zu sehen, aber mit ihren Gedanken war sie noch immer bei ihrem verwüsteten Schlafzimmer.
„Ich war gerade in der Nähe“, sagte er und räusperte sich. „Da habe ich die Feuerwehr gesehen. Sie haben etwas aus dem Haus getragen. Sah aus wie Teile eines riesigen Astes.“
„Da haben Sie leider richtig gesehen.“ Amy seufzte. „Das Gewitter hat mir einen ungebetenen Besucher beschert.“
„Der Ast ist abgebrochen? Hoffentlich hat er nicht allzu viel Schaden angerichtet“, sagte Cyrian und sah aus dem Fenster.
„Leider das Dach. Ich wollte zwar immer schon mehr Pflanzen im Haus haben, aber so hatte ich mir das nicht vorgestellt.“ Sie lachte gequält.
„Das tut mir leid. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“
„Ach was, die Versicherung wird das sicherlich übernehmen. Und wenn der Dachdecker und der Klempner erst da waren, wird es allmählich besser werden, denke ich.“
„Gut.“ Cyrian nickte.
Er schien nachzudenken, und es sah danach aus, als wollte er noch mehr sagen, aber er schwieg dann doch.
Amy führte ihn wieder die Treppe hinunter. „Lieb, dass Sie sich erkundigt haben“, sagte sie, als er im Laden stehen blieb.
„Sehr gerne. Und wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann …“
Er ließ den Satz unbeendet, und Amy fragte sich, was er wohl hören wollte. Zum Abschied berührte Cyrian kurz ihren Unterarm. Seine warmen Finger hinterließen ein Prickeln auf ihrer Haut. Er wollte ihr helfen.
Natürlich gab es Dinge, mit denen man ihr hätte helfen können, aber sie kannte ihn ja überhaupt nicht und würde ihn sicherlich nicht darum bitten. Da konnte sie ihn attraktiv finden, wie sie wollte. Das machte alles ohnehin immer schwieriger.
Außerdem war es ihr wichtig, es alleine zu schaffen. Sie hatte bisher alles alleine geschafft. Den Umzug hierher hatte sie alleine gemeistert, weil ihre Eltern und ihre Schwester nicht vom Hof wegkonnten, sie hatte den Laden eröffnet, ihre Produkte selbst hergestellt, die Verpackungen entworfen. Einfach alles.
Sie war stolz auf sich. Und ihre Patentante Felicity wäre es auch, da war sie sich sicher. Die hatte ihr immer wieder gesagt, wie wichtig es war, auf eigenen Füßen zu stehen. Nicht zuletzt deswegen hatte Felicity ihr guten Gewissens den Laden und das Haus vererbt, und Amy würde sie nicht enttäuschen.
In der Mittagspause kam Mireille vorbei und brachte ihr ein Stück Schokoladentarte zum Trost. Dann half sie ihr dabei, die Matratze und alles andere zu einem gemütlichen Schlaflager in einer trockenen Ecke ihrer Wohnung einzurichten. Durch ihre fröhliche Art und die ständigen Beteuerungen, dass bald alles ausgestanden sei, wenn die Versicherung erst den Schaden behoben hätte, wurde auch Amy wieder zuversichtlicher.
„Ich war vorhin schon mal da“, sagte Mireille schließlich und sah sie neugierig an.
„Ja? War ich nicht im Laden?“
„Nein, ich habe Stimmen gehört. Du warst wohl im Treppenhaus … mit einem Mann.“ Sie grinste. „Wer war das?“
Amy lachte. „Du bist ja gar nicht neugierig. Es war ein Kunde, er war erst vor Kurzem zum ersten Mal da, und er hatte die Feuerwehr draußen gesehen. Er wollte fragen, ob alles okay ist. Nett, oder?“
„Hm. Nett.“ Mireille stemmte die Hände in die Hüften. „Sieht er gut aus?“
„Was tut das denn zur Sache?“
„Also?“ Mireille sah sie streng an.
„Ja, er sieht gut aus. Zufrieden?“
„Ha! Ich wusste es. Und weißt du auch, woher?“, fragte Mireille.
„Nein …“ Amy zupfte die Bettdecke zurecht und vermied es, Mireille direkt anzusehen. Dabei wusste sie gar nicht, warum dieses Gespräch sie so verunsicherte. Es war ja schließlich nichts dabei, einen Kunden gut aussehend zu finden. Und trotzdem konnte sie nicht leugnen, dass er sie genauso neugierig gemacht hatte. „Kennst du ihn?“
„Nein, aber ich habe ihn gesehen, als er aus deinem Laden kam. Und ahnst du, wie er ausgesehen hat?“ Mireille klang triumphierend.
Amy zuckte mit den Schultern.
„Gut natürlich.“ Mireille lachte auf. „Und glücklich. Oder … siegessicher?“
Cyrian pfiff eine Melodie, an die er schon lange nicht mehr gedacht hatte. Erstaunt hielt er im Schatten vor der Tür inne, zog den Schlüssel aus der Tasche und schloss die Tür zum Haus seiner Mutter auf. Obwohl die Beerdigung bereits zwei Wochen her war, war er noch nicht fertig damit, all ihre Sachen zu ordnen, auszusortieren und sich um den Rest zu kümmern. Das Geschäft hatte Vorrang. Geschäfte warteten nicht. Aber er konnte sich auch nicht ewig Zeit damit lassen.
Mit einem Seufzen schob er die Ärmel seines hellen Leinenhemdes hoch und setzte sich an den Schreibtisch. Die Kleider, Wertsachen und Möbel würde er spenden, bis auf die Dinge, die ihm etwas bedeuteten.
Ganz kurz fiel ihm Amy ein. Sie hatte vorhin so aufgewühlt gewirkt, er war sich sicher, dass der Schaden durch den Baum größer war, als sie zugegeben hatte. Vielleicht konnte sie ja etwas von seiner Mutter gebrauchen? Andererseits würde er sie möglicherweise damit beleidigen, wenn er ihr etwas davon anbot. Almosen nahm niemand gerne, und er schätzte Amy wie jemanden ein, der lieber alles alleine schaffte. Genau wie er. Cyrian lächelte und zog eine Schublade auf.
Gerade, als er ein Foto seiner Mutter in jungen Jahren in der Hand hielt, klingelte es, und er wischte sich eine Träne aus dem Auge. Wer konnte das sein? Vielleicht die Post? Er sah auf die Uhr. Eigentlich zu spät für die Post. Er räusperte sich, legte das Foto zurück und schob die Schublade zu. Dann strich er sich durchs Haar und ging an die Haustür.
„Chéri!“ Camille stürzte herein, sobald er die Tür geöffnet hatte, und fiel ihm um den Hals.
Für einen Moment war Cyrian steif vor Überraschung, erwiderte sogar die Umarmung, befreite sich dann jedoch ruckartig und bestimmt daraus. „Camille“, sagte er. „Wie schön.“ Er hörte selbst, wie unfreundlich und kalt seine Worte klangen, aber er konnte nichts dagegen machen.
Sie bedachte ihn mit diesem furchtbaren Mitleidsdackelblick, den er hassen gelernt hatte. Genau dieses Gesicht hatte sie gemacht, als er herausfand, dass sie ihn betrog. Erst hatte sie es abgestritten, dann ihn dafür verantwortlich gemacht, weil er zu viel arbeitete. Dann hatte sie den Mitleidsblick aufgesetzt.
Cyrian verschränkte die Arme vor der Brust. „Möchtest du etwas trinken?“ Dann schüttelte er den Kopf. „Was willst du, Camille?“
„Nach dir sehen natürlich!“ Sie schnalzte mit der Zunge, strich sich durch ihr langes blondes Haar und zwirbelte es zu einem lockeren Knoten auf dem Hinterkopf. „Ich bin gerade auf dem Weg zum Frisör.“
Der Duft ihres Vanilleshampoos hüllte ihn ein, und er trat einen weiteren Schritt zurück. Es war albern, aber am liebsten hätte er seine Ex-Freundin gleich wieder zur Tür hinausgeschickt. So unhöflich wollte er jedoch auch nicht sein. Also sollte er einfach so tun, als wäre alles in Ordnung.
„Okay“, sagte er. „Mir geht es gut.“
„Sei nicht albern, Dummerchen. Du hast gerade deine Eltern verloren, und mit den Geschäften deiner Mutter hast du jetzt noch eine viel größere Last auf deinen Schultern als sonst. Diese Schultern sind stark, das weiß ich nur zu gut.“ Sie strich sich mit der Zunge über die Lippe. Dann setzte sie ihren Helferblick auf. „Aber selbst für dich sind zwei große, erfolgreiche Geschäfte einfach zu viel. Das mag ein halbes Jahr einigermaßen gut gehen, doch im Endeffekt wird eins der beiden darunter leiden. Jetzt, wo deine Mutter nicht mehr da ist, Gott hab sie selig, kannst du nicht mal Dinge mit ihr besprechen. Es wird also immer mehr. Du musst dir helfen lassen.“
„Ich habe Angestellte“, sagte Cyrian. „Die helfen mir hervorragend.“
„Nun ja, aber es sind Angestellte einer Firma für Sportartikel. Das mag auf den ersten Blick etwas mit Schönheit und Gesundheit zu tun haben, Kosmetik dagegen ist doch eine völlig andere Liga. Das eine kann man nicht mit dem anderen vergleichen. Und was für Sportartikel funktioniert, funktioniert ja nicht genauso gut für Crèmes Célestes.“
„Lass das mal meine Sorge sein, Camille. Crèmes Célestes hat eigene Mitarbeiter. Und jetzt entschuldige mich. Die Arbeit wartet.“
„Nun ja, du brauchst aber auch mal Ruhe, und es würde weniger Arbeit auf dir lasten, wenn du dir helfen lassen würdest.“
Cyrian seufzte. Solange er Camille nicht zu Wort kommen ließ, würde sie nicht gehen. „Und wer soll mir helfen und wobei?“, fragte er deshalb.
Camille lächelte. Es war ein siegessicheres Lächeln. „Ich natürlich. Schließlich habe ich es deiner Mutter versprochen, weißt du? Und was man verspricht, muss man halten, auch wenn es keinen Vertrag gibt oder etwas in der Art.“ Sie winkte ab. „Unter Freundinnen braucht man so etwas nicht.“
Eine Weile schaffte Cyrian es nicht, etwas zu sagen, er konnte Camille nur anstarren. Das Wort Freundinnen im Zusammenhang mit seiner Mutter aus ihrem Mund zu hören befremdete ihn. Ebenso wie das Wort „Versprechen“. Camilles Versprechen waren seiner Erfahrung nach so flüchtig wie der Nebel am Morgen über den Tälern. Kaum schien die Sonne, passierte irgendwas, das Camilles Aufmerksamkeit auf sich zog, schon hatte sie alles Gesagte vergessen.
„Was soll das für ein Versprechen gewesen sein?“, fragte er und bemühte sich um eine ruhige Stimme. Die Dinge zwischen ihm und Camille waren geklärt. Sie hatten sich getrennt, und das war die einzige vernünftige Entscheidung gewesen.
„Deine Mutter“, begann sie, „hat mich gebeten, ihr zu helfen. Offenbar wusste sie, dass sie sich auf mich verlassen konnte.“
Cyrian atmete tief durch. „Worin genau besteht diese Hilfe?“
„Nun, sie brauchte jemanden, der für sie die Leitung ihrer Kosmetikfirma übernimmt. Eine Frau, die etwas von diesen Dingen versteht. Von Schönheit und der Wichtigkeit, dass jede Frau sich schön fühlen kann.“ Sie wartete auf seine Reaktion.
Cyrian hatte Mühe, sich zu beherrschen. Bei jedem ihrer Worte wurde die Mauer aus Abwehr in ihm höher. Er wollte sie anschreien, dass sie das falsch verstanden haben musste, denn sie deutete an, dass seine Mutter …
„Du meinst, Maman wollte dich in die Geschäfte von Crèmes Célestes mit einbeziehen? Als was?“
„Nun …“ Sie lächelte wieder.
„Als was genau?“, knurrte Cyrian.
„Ich sollte mich um alles kümmern“, versuchte Camille weiterhin das Wort zu umgehen, das Cyrian erwartete und gleichermaßen fürchtete.
„In welchem Umfang?“, fragte er.
„Na, um alles. Sie wollte mir die Geschäftsleitung übertragen. Sie wollte dich damit entlasten, chéri! Ich soll Crèmes Célestes unter meine Fittiche nehmen, mich darum kümmern, es aufpäppeln.“
„Hör auf“, flüsterte Cyrian. „Hör auf mit diesen dämlichen Vogel-Vergleichen … obwohl, du hast natürlich recht. Das klingt sehr danach, als wolltest du dich ins gemachte Nest setzen. Du vergisst nur eine Kleinigkeit: diese Bitte, wenn es sie gegeben haben sollte …“
„Aber, chéri, schrei doch nicht so!“, rief Camille dazwischen. „Das bringt uns doch nicht weiter.“
„Es gibt kein Uns. Und das wird es auch nie wieder. Weder kann ich dir geben, was du in der Liebe brauchst, noch kannst du mir geben, was ich brauche.“ Cyrian ärgerte sich über sich selbst. Warum fing er jetzt damit an? So gab er Camille doch genau die Vorlage, die sie haben wollte. Vermutlich. Was verstand er schon von ihren Gedankengängen? Sie änderte ihre Meinung im Sekundentakt, und es ging ohnehin immer nur um sie.
„Was soll das denn sein, was ich nicht geben kann?“, fragte sie spitz.
„Ehrlichkeit. Herzlichkeit. Mitgefühl. Interesse für andere … soll ich weitermachen?“
„Nein, danke. Ich weiß, dass du das nicht so meinst.“ Sie nahm ein kleines Döschen aus ihrer Handtasche und puderte sich die Nase.
Cyrian holte tief Luft und bemühte sich um einen ruhigeren Ton. Er würde dieses Thema nicht vertiefen. Sie hatten all das schon besprochen. „Wie ich sagte, falls es diese Bitte gab, hat Maman sie gestellt, weil sie annahm, dass wir heiraten würden.“
„Natürlich, das werden wir ja auch“, entgegnete Camille. „Das sind wir deiner Mutter selbstverständlich schuldig.“
„Schuldig?“, fragte Cyrian fassungslos. „Warum um Himmels willen sollte ich meiner Mutter schuldig sein, dich zu heiraten? Nachdem wir uns getrennt haben? Das ist absurd.“ Und doch überkam ihn eine Erinnerung. Er hatte am Bett seiner Mutter gestanden, sie hatte so winzig und zerbrechlich gewirkt und nur noch leise gesprochen. Ein Schatten ihrer früheren Erscheinung.
„Du hast es ihr versprochen, nicht ich“, fuhr Camille dazwischen. „Du hast ihr versprochen, dass wir heiraten. Ich war dabei, schon vergessen? Von mir hat sie sich schließlich auch verabschieden wollen.“
Cyrian sah die ganze Szene vor sich. Es war einer der letzten Tage seiner Mutter gewesen, schwach und klein lag sie in ihrem riesigen Bett, und er und Camille hielten jeweils eine ihrer Hände. Sie hatte sie beide angesehen, gelächelt und dann um dieses Versprechen gebeten. Was hätte er tun sollen? Ihr mitten in ihr glückliches Gesicht sagen, dass daraus nichts werden würde? Das konnte er nicht!
„Ich habe ihr nie von unserer Trennung erzählt“, sagte er leise. „Ich habe es nicht über mich gebracht, sie hat sich doch so gefreut, und es war einfach nicht der richtige Zeitpunkt.“
„Natürlich nicht, chéri.“ Camille trat näher und strich ihm liebevoll über den Arm.
Cyrian zuckte zurück. „Seit wir uns getrennt haben, ist die Hochzeit vom Tisch.“
„Seitdem du dich getrennt hast“, korrigierte Camille.
„Wer es ausgesprochen hat, ist egal. Unsere Beziehung war doch ohnehin keine Basis für eine Ehe!“
„Nun ja, die Trennung ist jetzt ein Jahr her. Ich denke, mittlerweile wirst du doch darüber hinweggekommen sein, oder?“
„Du glaubst doch nicht, dass ich mich nur wegen Antoine getrennt habe? Es war mehr als das. Wir passen nicht zusammen. Wir waren nicht glücklich. Das wirst du wohl nicht abstreiten.“ Cyrian atmete tief durch, um sich zu beruhigen.
Camille ging nicht auf seine Erklärung ein. „Du hast es deiner Maman versprochen. Und mir auch. Ich habe mich extra von Antoine getrennt. Weil ich weiß, dass es richtig ist. Wir beide waren immer ein gutes Team. Das mit Antoine war nur eine Liebelei, eine Affäre, bedeutungslos. Unsere Liebe ist etwas ganz Besonderes, Cyrian.“
Eine Träne lief ihr über die Wange. Eine einzige, wie bestellt. Wie machte sie das nur? Nie im Leben glaubte er, dass sie sich wünschte, ihn zu heiraten. Und wenn doch, dann nur, weil er erfolgreich war und …
„Ach … Moment. Du willst am Erbe beteiligt werden?“, riet er. „Du hast dich von Antoine getrennt? Wann denn das?“ Woher sollte er überhaupt wissen, dass es nicht andersherum gewesen war? Vielleicht hatte Antoine sich getrennt, und Camille hatte sich an ihn erinnert und dort Vorteile für sich gewittert.
Camilles Wangen überzog leichte Röte. „Ja, ich will das Erbe. Wie es mir zusteht“, gab sie zu. „Und dass ich die Leitung der Firma übernehme, war der Letzte Wille deiner Mutter. An so etwas muss man sich halten. Man muss manchmal Opfer bringen im Leben, und wir hatten drei wunderschöne Jahre zusammen. Viele Menschen heiraten aus einem geringeren Grund. Es kann nicht immer nach deiner Nase gehen. Aber weißt du was, deine Reaktion ist ganz schön verletzend für mich. Ich habe schließlich auch jemanden verloren!“ Sie drehte sich auf dem Absatz um, zog die Haustür auf und stürmte nach draußen.
„Camille!“, rief Cyrian. „Du kannst nicht wirklich annehmen, dass wir heiraten!“
„Letzte Wünsche muss man erfüllen“, schrie sie, stieg in ihr Mercedes Cabriolet, schlug die Tür zu und brauste so schnell davon, dass der Kies aufspritzte.
Cyrian stand auf der Schwelle der Haustür seiner Eltern und sah der Staubwolke hinterher, die Camille hinterließ. Das konnte sie nicht ernst meinen. Heiraten nach einer Trennung? Sie wollte eine Hochzeit, für die sie extra mit ihrem Lover Schluss machen musste? Letzter Wunsch hin oder her.
Oder musste er sich tatsächlich daran halten?
Erneut sah er das Gesicht seiner Mutter vor sich, ihre Augen, die so traurig aussahen, als sie davon sprach, dass sie die Hochzeit verpassen würde, sie aber dennoch froh sei, dass die Familienunternehmen in sicheren Händen waren, in der Familie blieben und dass eine neue Familie entstehen würde. Cyrian schluckte.
Zum Glück hatte er ihr nicht versprochen, dass es Enkelkinder geben würde, aber die Ehe, da hatte er eindeutig zugestimmt. Dass es diesen Wunsch gegeben hatte, konnte er leider nicht leugnen. Doch der Rest? Wollte seine Mutter Camille tatsächlich die Geschäftsleitung übertragen? Warum hatte sie ihm nichts davon gesagt? Wann überhaupt sollte sie mit Camille darüber gesprochen haben? Auf Camilles Wort hatte er in der Vergangenheit nicht bauen können. Versprechen und Camille, das passte nicht zusammen.
Und dennoch … diese Hochzeit war der letzte Wunsch seiner Mutter. Und dass sie es ausgesprochen hatte, war seiner Unehrlichkeit zu verdanken. Er hatte ihr eine wichtige Sache in seinem Leben verschwiegen. War nicht ehrlich zu ihr gewesen. Er hätte nie diesem Versprechen zustimmen dürfen und hätte ihr gleich nach der Trennung davon erzählen müssen. Aber das war ihm selbstsüchtig vorgekommen. Denn seine Mutter wäre traurig darüber gewesen, und er wollte, dass sie glücklich war.
Man konnte einer sterbenden Frau doch nicht das letzte Glück nehmen, die Gewissheit, dass es ihrem Sohn gut gehen würde, wenn sie nicht mehr da war.
Vielleicht hatte sie deswegen beschlossen, Crèmes Célestes in Camilles Hände zu geben? Damit sie sich als Ehepaar um die Familiengeschäfte kümmern konnten. Cyrian schluckte. Er hatte keine Wahl gehabt. Und dennoch … war es nicht noch schlimmer, gerade bei den letzten Worten, die man seiner Mutter sagte, zu lügen?
Bei der Art, wie der Versicherungssachverständige sich Notizen machte, schluckte Amy.
„Madame, ich möchte ehrlich zu Ihnen sein“, sagte er und schob seine Brille mit zwei Fingern ein Stück nach oben, sodass sie viel zu nah an seinen Augen saß und seine buschigen Augenbrauen platt drückte.
Merkwürdigerweise beunruhigte Amy das noch mehr, als dass sie es sympathisch finden konnte. „Ja?“, fragte sie und räusperte sich. „Gibt es ein Problem?“
„Für Sie, fürchte ich.“ Er warf einen Blick auf sein Klemmbrett. „Dieser Baum …“
Er drehte sich um, und Amy folgte ihm wieder in den Hinterhof.
Er wartete, bis sie neben ihm stand, bevor er fortfuhr, kniff die Augen zusammen und deutete auf den dicken Stamm: „Dieser Baum ist krank, sehen Sie dort die blattlosen Äste? Ich meine, mich zu erinnern, dass dieser Baum längst hätte gefällt werden müssen. Es gab da schon mal einen Schaden, wissen Sie?“ Er nickte. „Da er hier nicht mehr stehen dürfte, fürchte ich, fällt es in Ihr alleiniges Risiko. Es tut mir leid.“
„Aber davon wusste ich nichts“, stammelte sie. „Der Baum stand hier, als ich das Haus geerbt habe. Bestimmt … bestimmt ist das ein Versehen. Sind Sie sicher?“
„So ziemlich, ich erinnere mich an das Gutachten“, bestätigte der Mann.
„Was für ein Gutachten?“
„Das müssten Sie in Ihren Unterlagen haben. Die sind doch sicherlich mit dem Besitz des Hauses an Sie übergegangen. Wenn Sie es nicht finden, kann ich Ihnen gerne eine Kopie zusenden.“ Er bedachte sie mit einem strengen Blick.
„Was bedeutet das für mich?“, fragte Amy. Sie hoffte, dass er die ganze Sache relativieren würde, dass er sagte, es sei schwieriger oder dass sie einen kleinen Teil selbst tragen musste und umgehend für die Fällung sorgen sollte. Ob Tante Felicity vergessen hatte, sich darum zu kümmern? Nein, sagte sie sich, vergessen vermutlich nicht, aber sie hatte den Baum geliebt. Vielleicht hatte sie warten wollen und … es dann vergessen.
„Excusez-moi“, murmelte Amy. „Meinen Sie, es gibt eine Möglichkeit, dass der Baum bleiben kann?“
Der Versicherungsvertreter sah wieder zum Baum. „Eher nicht. Wenn das Gutachten besagt, dass er nicht gesund ist, hätten Sie ihn fällen lassen müssen. Diese Pflicht geht mit dem Besitz der Immobilie auf Sie über. Jetzt haben Sie leider das Nachsehen. Ich lege Ihnen dringend ans Herz, das machen zu lassen. Wer weiß, was der nächste Sturm sonst anrichtet.“
Amy ließ seine Worte kurz auf sich wirken, drehte sie hin und her, aber es ließ sich nicht leugnen, sie hatte ein gewaltiges Problem. „Sie meinen, die Versicherung wird nicht für den Schaden aufkommen?“
„Das kommt auf die Fakten im Gutachten an, aber wenn Sie meine Meinung hören wollen? Es wird schwierig werden. Zumal Sie Sturmschäden in Ihrer Versicherung nicht mit abgedeckt haben. Es tut mir leid.“
„Und wenn ich ein neues Gutachten erstellen lassen würde, und da käme etwas anderes heraus? Wenn der Baum sich zum Beispiel erholt hat, ich meine, er sieht doch gesund aus, das sind ja nur zwei Äste, an denen die Blätter fehlen. Man könnte sie absägen …“
Ihr Gegenüber schüttelte den Kopf. „Wenn Sie möchten, können Sie ein weiteres Gutachten in Auftrag geben. Ich rate Ihnen allerdings, erst mal das alte zu suchen. Sie können auch in der Geschäftsstelle anrufen.“ Er reichte ihr seine Visitenkarte. „Es kostet nur eine kleine Gebühr, Ihnen das Gutachten noch einmal zuzusenden. Sollten Sie ein neues machen lassen wollen, erstatten wir Ihnen die Kosten dafür, sofern der Schaden von uns übernommen wird.“
Amys Herz setzte einen Schlag aus. Sie musste sich konzentrieren. „Wissen Sie, wie hoch die Kosten für das Gutachten sind?“, fragte sie mutig.
„Ein paar Hundert Euro, wenn niemand auf den Baum klettern muss, ansonsten wird es erheblich teurer. Vielleicht drei- oder viermal so teuer. Sie können sich das Gutachten natürlich sparen, wenn Sie diese Kosten vermeiden möchten.“
„Und wenn ich keins mache, wird die Versicherung auf keinen Fall zahlen, richtig?“
„Korrekt.“ Der Versicherungsangestellte nickte. „Wenn Sie einen guten Rat möchten, sparen Sie sich dieses Gutachten. Wenn es nämlich ergeben sollte, dass der Baum nicht ganz gesund war, müssen Sie die Kosten für die Reparatur ohnehin tragen. Zusätzlich.“
Amy nickte. „Dann möchte ich das Gutachten nicht machen lassen. Sollte ich meine Meinung ändern, melde ich mich bei Ihnen.“
„Gut.“ Er reichte ihr einen Durchschlag seiner Notizen. „Wenn Sie hier bitte quittieren würden, dass ich vor Ort war und Sie beraten habe?“ Er hielt ihr sein Klemmbrett und einen Kugelschreiber hin.
Mit kalten Fingern unterschrieb Amy und fühlte sich so allein wie lange nicht. Sie sah dem Versicherungsangestellten nach, und ihr fiel auf, dass er sich noch nicht einmal namentlich vorgestellt hatte. Oder doch? Vielleicht war sie zu aufgeregt gewesen am Anfang. Sie starrte auf den Durchschlag seines Protokolls, ihre Hand zitterte. Sie musste etwas unternehmen. Die Reparatur musste sie in jedem Fall machen lassen. Beim nächsten Regen hätte sie nicht nur ein Loch im Dach und ein ungemütliches Schlafzimmer, sondern irgendwann auch feuchte Wände.
Der Klempner kam wie versprochen sogar pünktlich, kümmerte sich um das kaputte Rohr und sagte kaum etwas. Aber Amy hatte seinen mitleidigen Blick gesehen, als er hereingekommen war und sie gefragt hatte, ob das ihr Geschäft sei und auch ihre Wohnung. Nach zwei Stunden war er fertig, Amy konnte aufhören, nervös im Laden hin und her zu tigern, und verabschiedete sich freundlich.
„Die Rechnung schicke ich Ihnen in den nächsten Tagen“, sagte er.
In diesem Moment wurde ihr klar, dass sie gar nicht gefragt hatte, was es kosten würde. Sie war völlig durch den Wind!
„In Ordnung. Könnten Sie mir ungefähr sagen, wie hoch in etwa die Kosten sein werden?“
Der Klempner sah auf seine Uhr und rechnete offenbar im Kopf. „Wird nicht so teuer, zweihundert vielleicht, war nicht so schlimm, wie es aussah.“
Amy nickte. Zweihundert Euro waren nicht so viel, dass sie es sich nicht leisten konnte, aber das Rohr war ja auch ein kleiner Schaden. Das Dach hatte nach wie vor ein Loch, und die halbe Wand war eingerissen.
„Immerhin brauchen Sie keinen Heiztrockner bei dem schönen Wetter. Vielleicht können Sie noch ein paar Dachziegel abnehmen, damit mehr Sonne an den nassen Holzboden kommt.“ Er zwinkerte ihr zu und ging pfeifend die Straße hinunter.
Amy war sich nicht sicher, ob er das ernst gemeint hatte.
„Amy!“
Sie drehte sich um, und als sie Mireille mit einem abgedeckten Teller in der Hand sah, kamen ihr die Tränen. Ihre Freundin kümmerte sich so rührend um sie, sie war vermutlich öfter bei ihr als in ihrem kleinen Bistro und schien jede freie Sekunde, die sie nicht arbeiten musste, für sie da zu sein. Spontan drückte Amy ihre Freundin fest und wischte sich entschlossen die Tränen aus den Augenwinkeln. „Danke“, murmelte sie.
„Ach was, dafür sind Freunde schließlich da. Und vielleicht brauche ich dich später mal zum Babysitten.“ Sie zwinkerte ihr zu. „So, jetzt erzähl. Du siehst nicht besonders beruhigt aus. Konnte der Klempner es nicht reparieren?“
„Doch, doch.“ Amy erzählte ihrer Freundin vom Besuch des Versicherungsangestellten und von seiner Schätzung für das Gutachten. „Ich werde das alte Gutachten suchen, aber ich glaube nicht, dass das etwas ändern wird. Nicht, wenn da wirklich das drinsteht, was er annimmt. Er hat mir keine großen Hoffnungen gemacht. Meinst du, es war richtig, kein neues machen zu lassen? Vielleicht würde die Versicherung ja doch bezahlen?“
„Es kann genauso gut sein, dass ein neues noch schlechter ausfallen würde. Der Baum ist ja inzwischen einige Jahre älter geworden. Ich hätte vermutlich ebenso entschieden“, sagte Mireille nachdenklich. „Kennst du niemanden, der sich damit auskennt?“
„Schade, dass keiner mehr Tauschgeschäfte macht. Ich würde liebend gerne ein paar Seifen aus meinem Lager eintauschen gegen die Reparatur meines Daches. Oder wohl eher ein lebenslanges Seifenabo.“ Amy lachte, aber es klang selbst in ihren Ohren hysterisch.
„Wir kriegen das schon hin, okay? Ich helfe dir aus, wenn ich kann. Oder könnten dir deine Eltern etwas leihen?“
Amy schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht verlangen. Meine Eltern haben nicht viel Geld. Es reicht ja nicht mal, um mich regelmäßig zu besuchen. Es muss anders gehen …“ Sie überlegte. „Ich hab’s! Ich veranstalte ein Blütenfest, jetzt zum Sommeranfang, mit vielen Angeboten. Vielleicht bekomme ich so die Kosten zusammen.“
„Ich stifte das Catering“, sagte Mireille und lächelte. „Schön, das wird toll.“
„Komm, wir entwerfen gleich die Plakate.“
Leider bestätigte sich, was der Versicherungsmann vermutet hatte. Der Baum hätte schon vor acht Jahren gefällt werden sollen. Damals hatte ein herabgestürzter Ast den Gartenschuppen entzweit. Ein kleiner Schaden im Vergleich zu dem jetzt.
Amy seufzte. Heute war ihr großer Tag, der Tag des Blütenfestes.
Langsam stand sie vom Küchentisch auf und schlenderte zum Briefkasten. Seit zwei Wochen wartete sie auf den Kostenvoranschlag des Dachdeckers. Ob er heute ankommen würde? Tatsächlich, da lag ein Brief. Mit klammen Fingern nahm sie den Umschlag und ging zurück in die Wohnung. Sie stellte den Wasserkocher an und bereitete eine Teekanne mit Sieb und getrockneten Lavendelblüten, Brennnesselblättern und getrockneter Apfelschale vor. Immer wieder warf sie einen Blick auf den weißen Umschlag, der unschuldig auf dem Küchentisch lag.
Was konnte so eine Reparatur schon kosten? Sie wollte ja nicht gleich ein neues Haus bauen lassen. Doch sie erinnerte sich ziemlich genau an den Blick des Dachdeckers, als sie erwähnt hatte, dass die Versicherung es nicht zahlen würde. Auch er hatte sich die Platane im Hof angesehen und wortlos den Kopf geschüttelt.
Amy fühlte sich wie eine Anfängerin. Sie erinnerte sich jetzt sogar daran, dass Tante Felicity ihr vor Jahren erzählt hatte, dass man den Baum fällen wollte. Sie hatte jedoch nie erwähnt warum, und Amy hatte sie noch darin bestärkt, es nicht machen zu lassen. Das hatte sie jetzt davon. Ja, sie liebte den Baum, und der Hof wäre viel trister ohne ihn, aber es war schon für sie deutlich zu erkennen, dass er nicht ganz gesund war.
Die Versicherung, die sie trotzdem noch einmal angerufen hatte, hatte ihr leider genau das bestätigt. Vor acht Jahren hatten sie ihre Tante bereits wegen eines anderen Schadens abgewiesen, als ein Ast der Platane abgebrochen war. Da war das Gutachten gemacht worden. Tante Felicity hatte es vermutlich bald schon wieder vergessen, weil damals die Probleme mit ihrem Laden anfingen.
Der Wasserkessel schaltete sich ab, und Amy griff seufzend danach, um das heiße Wasser über die Kräuter zu gießen. Sie nahm sich Zeit, stellte die Uhr ein und holte ihre Lieblingstasse aus dem Schrank und dazu gleich noch ein paar Kekse, die ihr Mireille neulich vorbeigebracht hatte. Ob sie die Freundin bitten sollte, dabei zu sein, wenn sie den Brief öffnete?
„Ach was“, sagte sie leise, setzte sich an den Tisch und griff nach dem Umschlag. Sie pustete in ihren Tee, nahm den ersten Schluck und stellte die Tasse dann hin. Einen Keks konnte sie jetzt doch nicht essen, ihr Magen war ein nervöser Knoten. Sie holte tief Luft und schob ein Küchenmesser unter die Lasche des Briefumschlags. Sehr sorgfältig machte sie weiter, bis sie es nicht mehr länger aufschieben konnte. Sie zog das Papier heraus und faltete es auseinander.
Schlagartig spürte Amy Kälte. Der Dachdecker musste sich vertan haben! Warum um alles in der Welt war das so teuer? Sie prüfte noch einmal die einzelnen Posten. Die Wand würde repariert, der Dachstuhl und die kaputten Dachziegel ersetzt werden müssen. Und natürlich brauchte sie ein neues Dachfenster. Amy schluckte. Sie hatte erwartet, dass sie ein paar Tausend würde zahlen müssen, aber die Summe, die beinahe zu blinken schien, war um ein Vielfaches höher. Zwölftausend Euro.
Eigentlich war das Fest ein voller Erfolg. Amy schaffte es jedoch beim besten Willen nicht, sich auf ihre Kundschaft zu konzentrieren. Es brachte doch überhaupt nichts. Sie konnte nur hoffen, dass die Kosten dafür nicht höher sein würden als ihre Einnahmen.
Ihr Erspartes hatte sie längst aufgebraucht, und sie wusste schon jetzt, dass sie für die Reparaturkosten keinen Kredit bei der Bank bekommen würde. Das alte Darlehen für die Renovierung ihres Ladens war noch nicht abbezahlt. Probieren musste sie es natürlich trotzdem.
Viele Menschen kamen, ließen sich Mireilles Leckereien schmecken, kauften ihre Seifen und Cremes, lobten alles und versprachen wiederzukommen. Aber am Abend, als Amy die Einnahmen zusammenrechnete, kam schnell die Ernüchterung. Der Gewinn durch das Fest belief sich auf genau zweihundertdrei Euro und fünfzig Cent. Das war noch nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein.
Geknickt ging sie am nächsten Morgen zur Bank, doch die Freude darüber, dass sie auf die Schnelle einen Termin für eine Kreditbesprechung bekommen hatte, währte nicht lange. Der gutmütige Bankmitarbeiter, der ihr gegenübersaß, zwirbelte seinen grauen Bart mit zwei Fingern zu einem erweiterten Lächeln.
Er seufzte. „Madame McLaughlin“, begann er vorsichtig. „Ich fürchte, wir können Ihnen nicht helfen. Hier läuft bereits ein Kredit auf Ihren Namen, und daran zahlen Sie noch mindestens zehn Jahre. Wenn es jetzt um ein paar Tausend Euro gehen würde, könnten wir da eventuell etwas machen, Ihren jetzigen Kredit erhöhen, aber so … es tut mir sehr leid.“
„Und eine Hypothek auf das Haus?“, fragte sie leise. Es war eigentlich etwas, das sie nicht tun wollte, doch wenn sie so das Haus behalten konnte, musste sie vielleicht.
Der Bankmitarbeiter sah auf seinen Computerbildschirm, tippte etwas ein und las weiter, ohne etwas zu sagen. Schließlich schüttelte er den Kopf. „Da sehe ich keine Möglichkeit. Ihr Haus wurde bereits belastet, um den Kredit für die Renovierung für Ihr Geschäft abzusichern. Und sagten Sie nicht eben, dass Sie eine Reparatur am Dach vornehmen müssen? Wenn dort ein größerer Schaden ist, mindert das den Wert.“
Die Straße verschwamm vor ihren Augen, als Amy aus der Bank trat. Sie musste das Dach reparieren lassen. Das Haus würde sonst einen irreparablen Schaden davontragen. Das Problem war nur, sie konnte es sich nicht leisten! Sie musste das Haus verkaufen. Ihren Laden und ihr Zuhause. Ihr ganzes Leben.
Cyrian schlenderte über den Cours Saleya, wo die gestreiften Markisen über den Marktständen im leichten Wind flatterten. Er probierte hier eine Aprikose, schnupperte dort an einem Strauß Lavendel und kaufte ein wunderbar duftendes Brot mit krosser Kruste, an einem weiteren Stand ein großes Stück goldgelben Käse und schließlich zwei Rispen mit winzigen dunkelroten Tomaten, die so dufteten, dass er unmöglich an ihnen vorbeigehen konnte. Er ging weiter an Ständen mit grünen und schwarzen Oliven, eingelegt in Kräutern, gefüllt mit Knoblauch oder mit Kern, entlang. An einem anderen Stand kaufte er zwei Stück Pissaladière, den typischen Zwiebelkuchen der Gegend.
Ob Amy den Markt genauso liebte wie er? Seltsam, wie oft er an sie denken musste. Nun ja, das lag mit Sicherheit einfach daran, dass sie bald – wenn alles so lief, wie er es sich vorstellte – Geschäftspartner sein würden. Auf dem Weg zu ihrem Laden kam er an einem Schaufenster mit einer Auslage von bunten Macarons vorbei und kaufte eine kleine Schachtel voll davon.
„Bonjour“, rief er überschwänglich, als er durch die türkis lackierte Tür in Amys Laden trat. Der Duft von Lavendel, Rose und Orange empfing ihn. Je nachdem, wie weit er hineinging, wechselte er zu einer dezenten Kräuternote und weiter zu Vanille und einem betörenden Duft, den er nicht einordnen konnte.
Amy war gerade dabei, eine elegant aussehende Dame mittleren Alters zu beraten, hatte ihn aber gesehen und winkte ihm kurz zu. Die Dame sah auf und musterte ihn, dann widmete sie sich wieder Amys Empfehlungen und kaufte schließlich eine Gesichtscreme.
„Eine einzige Creme? Wie soll man so über die Runden kommen?“, fragte Cyrian, als die Frau den Laden verlassen hatte.
Amy lachte, aber er sah, dass sie etwas bedrückte.
„Ist etwas passiert?“, erkundigte er sich.
„Noch nicht“, sagte sie. „Ich möchte Sie wirklich nicht damit langweilen. Was kann ich für Sie tun?“
„Sie können mich auf ein Picknick begleiten. Ich würde gerne etwas mit Ihnen besprechen“, sagte Cyrian.
Amy lachte. „Tut mir leid, ich kann nicht einfach weg … der Laden.“
„Wir müssten ja nicht weit weg gehen. Haben Sie nicht ohnehin Mittagspause?“