Romeo und Julia - William Shakespeare - E-Book

Romeo und Julia E-Book

William Shakespeare

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Beschreibung

Romeo und Julia (englisch Romeo and Juliet) ist der Titel einer Tragödie von William Shakespeare. Sie schildert die Geschichte zweier junger Liebender, die verfeindeten Familien angehören und unter unglücklichen Umständen durch Selbstmord zu Tode kommen. Die Handlung des Stückes umfasst einen Zeitraum von fünf Tagen und spielt zur Sommerzeit in der norditalienischen Stadt Verona. Das Werk entstand vermutlich in den Jahren 1594–96. Es erschien erstmals 1597 im Druck.

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ROMEO und JULIA

William Shakespeare

Inhaltsverzeichnis
PERSONEN
PROLOG
ERSTER AUFZUG
ERSTE SZENE
ZWEITE SZENE
DRITTE SZENE
Ein Zimmer in Capulets Hause.
VIERTE SZENE
Eine Straße.
FÜNFTE SZENE
Ein Saal in Capulets Hause.
ZWEITER AUFZUG
ERSTE SZENE
Ein offener Platz, der an Capulets Garten stößt. Romeo tritt auf.
ZWEITE SZENE
Capulets Garten.
DRITTE SZENE
Ein Klostergarten.
VIERTE SZENE
Eine Straße.
FÜNFTE SZENE
Capulets Garten.
SECHSTE SZENE
Bruder Lorenzos Zelle.
DRITTER AUFZUG
ERSTE SZENE
Ein öffentlicher Platz.
ZWEITE SZENE
Ein Zimmer in Capulets Haus.
DRITTE SZENE
Bruder Lorenzos Zelle.
VIERTE SZENE
Ein Zimmer in Capulets Hause.
FÜNFTE SZENE
Eine offene Galerie vor Juliens Zimmer mit Blick auf den Garten Romeo und Julia.
VIERTER AUFZUG
ERSTE SZENE
Bruder Lorenzos Zelle.
ZWEITE SZENE
Ein Saal in Capulets Hause.
DRITTE SZENE
Juliens Kammer.
VIERTE SZENE
Ein Saal in Capulets Hause.
FÜNFTE SZENE
Juliens Kammer.
FÜNFTER AUFZUG
ERSTE SZENE
Mantua. Eine Straße.
ZWEITE SZENE
Bruder Lorenzos Zelle.
DRITTE SZENE
Ein Kirchhof; auf demselben das Familienbegräbnis der Capulets

PERSONEN

ESCALUS, Prinz von Verona

GRAF PARIS, Verwandter des Prinzen

MONTAGUE, CAPULET, Häupter zweier Häuser, welche in Zwist Capulet miteinander sind

ROMEO, Montagues Sohn

MERCUTIO, verwandter des Prinzen und Romeos Freund

BENVOLIO, Montagues Neffe und Romeos Freund

TYBALT, Neffe der Gräfn Capulet

EIN ALTER MANN, Capulets Oheim

BRUDER LORENZO, ein Franziskaner

BRUDER MARCUS, von demselben Orden

BALTHASAR, Romeos Diener

SIMSON, Diener des Capulet

GREGORIO, Diener des Capulet

ABRAHAM, Diener im Hause Montague

PETER

DREI MUSIKANTEN

EIN PAGE DES PARIS

EIN OFFZIER

EIN APOTHEKER

GRÄFN MONTAGUE

GRÄFN CAPULET

JULIA, Capulets Tochter

WÄRTERIN, Juliens Amme

Bürger von Verona. Verschiedene Männer und Frauen, Verwandte beider Häuser. Masken, Wachen und andres Gefolge. Der Chor. Die Szene ist den größten Teil des Stücks hindurch in Verona; zu Anfange des fünften Aktes in Mantua

PROLOG

Der Chorus tritt auf.

CHORUS

Zwei Häuser waren, gleich an Würdigkeit,

Hier in Verona, wo die Handlung steckt,

Durch alten Groll zu neuem Kampf bereit,

Wo Bürgerblut die Bürgerhand befeckt.

Aus dieser Feinde unheilvollem Schoß

Das Leben zweier Liebender entsprang,

Die durch ihr unglücksel’ges Ende bloß

Im Tod begraben elterlichen Zank.

Der Hergang ihrer todgeweihten Lieb’

Und der Verlauf der elterlichen Wut,

Die nur der Kinder Tod von dannen trieb,

Ist nun zwei Stunden lang der Bühne Gut;

Was dran noch fehlt, hört mit geduld’gem Ohr,

Bringt hoffentlich nun unsre Müh’ hervor.

Geht ab.

ERSTER AUFZUG

ERSTE SZENE

Ein öffentlicher Platz.

Simson und Gregorio, zwei Diener Capulets, treten bewaffnet mit Schwertern und Schilden auf.

SIMSON

Auf mein Wort, Gregorio, wir wollen nichts in die Tasche stecken.

GREGORIO

Freilich nicht, sonst wären wir Taschenspieler.

SIMSON

Ich meine, ich werde den Koller kriegen und vom Leder ziehn.

GREGORIO

Ne, Freund, deinen ledernen Koller mußt du bei Leibe nicht ausziehen.

SIMSON

Ich schlage geschwind zu, wenn ich aufgebracht bin.

GREGORIO

Aber du wirst nicht geschwind aufgebracht.

SIMSON

Ein Hund aus Montagues Hause bringt mich schon auf.

GREGORIO

Einen aufbringen heißt: ihn von der Stelle schaffen. Um tapfer zu sein, muß man standhalten. Wenn du dich also aufbringen läßt, so läufst du davon.

SIMSON

Ein Hund aus dem Hause bringt mich zum Standhalten. Mit jedem Bedienten und jedem Mädchen Montagues will ich es aufnehmen.

GREGORIO

Der Streit ist nur zwischen unseren Herrschaften und uns, ihren Bedienten. Es mit den Mädchen aufnehmen? Pfui doch! Du solltest dich lieber von ihnen aufnehmen lassen.

SIMSON

Einerlei! Ich will barbarisch zu Werke gehn. Hab ich’s mit den Bedienten erst ausgefochten, so will ich mir die Mädchen unterwerfen. Sie sollen die Spitze meines Degens fühlen, bis er stumpf wird.

GREGORIO

Zieh nur gleich vom Leder: Da kommen zwei aus dem Hause der Montagues.

Abraham und Balthasar erscheinen in einiger Entfernung.

SIMSON

Hier, meine Waffe ist blank. Fang nur Händel an, ich will den Rücken decken.

GREGORIO

Den Rücken? Willst du Reißaus nehmen?

SIMSON

Fürchte nichts von mir!

GREGORIO

Ne, wahrhaftig! Ich dich fürchten?

SIMSON

Laß uns das Recht auf unsrer Seite behalten, laß sie anfangen!

GREGORIO

Ich will ihnen im Vorbeigehn ein Gesicht ziehen, sie mögen’s nehmen, wie sie wollen.

SIMSON

Wie sie wagen, lieber. Ich will ihnen einen Esel bohren; wenn sie es einstecken, so haben sie den Schimpf.

Abraham und Balthasar treten auf.

ABRAHAM

Bohrt Ihr uns einen Esel, mein Herr?

SIMSON

Ich bohre einen Esel, mein Herr.

ABRAHAM

Bohrt Ihr uns einen Esel, mein Herr?

SIMSON

Ist das Recht auf unsrer Seite, wenn ich ja sage?

GREGORIO

Nein.

SIMSON

Nein, mein Herr! Ich bohre Euch keinen Esel, mein Herr. Aber ich bohre einen Esel, mein Herr.

GREGORIO

Sucht Ihr Händel, mein Herr?

ABRAHAM

Händel, Herr? Nein, mein Herr.

SIMSON

Wenn Ihr sonst Händel sucht, mein Herr: ich steh zu Diensten. Ich bediene einen ebenso guten Herrn wie Ihr.

ABRAHAM

Keinen bessern.

SIMSON

Sehr wohl, mein Herr!

Benvolio tritt auf.

GREGORIO

Sag: einen bessern; hier kommt ein Vetter meiner Herrschaft.

SIMSON

Ja doch, einen bessern, mein Herr.

ABRAHAM

Ihr lügt!

SIMSON

Zieht, falls ihr Kerls seid! Frisch, Gregorio! Denk mir an deinen Schwadronierhieb.

Sie fechten.

BENVOLIO

Ihr Narren, fort! Steckt eure Schwerter ein;

Ihr wißt nicht, was ihr tut.

Er schlägt ihre Schwerter nieder. Tybalt tritt auf.

TYBALT

Was? Ziehst du unter den verzagten Knechten? Hieher, Benvolio! Biet die Stirn dem Tode!

BENVOLIO

Ich stifte Frieden, steck dein Schwert nur ein! Wo nicht, so führ es, diese hier zu trennen!

TYBALT

Was? Ziehn und Friede rufen? Wie die Hölle Haß ich das Wort, wie alle Montagues

Und dich! Wehr dich, du Memme!

Sie fechten. Verschiedene Anhänger beider Häuser kommen und mischen sich in den Streit; dann Bürger mit Knütteln, ein Polizist.

BÜRGER

He! Spieß’ und Stangen her! – Schlagt auf sie los! Weg mit den Capulets! – Weg mit den Montagues!

Capulet im Schlafrock und Gräfn Capulet.

CAPULET

Was für ein Lärm? – Holla, mein langes Schwert!

GRÄFIN CAPULET

Nein, Krücken, Krücken! Wozu soll ein Schwert!

CAPULET

Mein Schwert, sag ich! Der alte Montague

Kommt dort und schwingt die Klinge mir zum Hohn. Montague und Gräfn Montague.

MONTAGUE

Du Schurke Capulet! – Laßt los, laßt mich gewähren!

GRÄFIN MONTAGUE

Du sollst dich keinen Schritt dem Feinde nähern. Der Prinz mit Gefolge.

PRINZ

Aufrührische Vasallen, Friedensfeinde,

Die ihr den Stahl mit Nachbarblut entweiht!

Wollt ihr nicht hören? Männer, wilde Tiere,

Die ihr die Flammen eurer schnöden Wut

Im Purpurquell aus euren Adern löscht!

Zu Boden werft, bei Buß’ an Leib und Leben,

Die mißgestählte Wehr aus blut’ger Hand! –

Hört eures ungehaltnen Fürsten Spruch!

Drei Bürgerzwiste haben dreimal nun,

Aus einem luft’gen Wort von euch erzeugt,

Du alter Capulet und Montague,

Den Frieden unsrer Straßen schon gebrochen.

Veronas graue Bürger mußten sich

Entladen ihres ehrenfesten Schmucks

Und alte Speer’ in alten Händen schwingen,

Woran der Rost des langen Friedens nagte,

Dem Hasse, der euch nagt, zu widerstehn.

Verstört ihr jemals wieder unsre Stadt,

So zahl’ eu’r Leben mir den Friedensbruch.

Für jetzt begebt euch, all ihr andern, weg!

Ihr aber, Capulet, sollt mich begleiten.

Ihr, Montague, kommt diesen Nachmittag

Zur alten Burg, dem Richtplatz unsers Banns,

Und hört, was hierin fürder mir beliebt.

Bei Todesstrafe sag ich: alle fort!

Der Prinz, sein Gefolge, Capulet, Gräfn Capulet, Tybalt, die Bürger und Diener gehen ab.

MONTAGUE

Wer bracht’ aufs neu den alten Zwist in Gang?

Sagt, Neffe, wart Ihr da, wie er begann?

BENVOLIO

Die Diener Eures Gegners fochten hier

Erhitzt mit Euren schon, eh’ ich mich nahte;

Ich zog, um sie zu trennen. Plötzlich kam

Der wilde Tybalt mit gezücktem Schwert

Und schwang, indem er schnaubend Kampf mir bot,

Es um sein Haupt und hieb damit die Winde,

Die, unverwundet, zischend ihn verhöhnten.

Derweil wir Hieb’ und Stöße wechseln, kamen

Stets mehr und mehr und fochten miteinander;

Dann kam der Fürst und schied sie voneinander.

GRÄFIN MONTAGUE

Ach, wo ist Romeo? Saht Ihr ihn heut?

Wie froh bin ich! Er war nicht bei dem Streit.

BENVOLIO

Schon eine Stunde, Gräfn, eh’ im Ost

Die heil’ge Sonn’ aus goldnem Fenster schaute,

Trieb mich ein irrer Sinn ins Feld hinaus.

Dort, in dem Schatten des Kastanienhains,

Der vor der Stadt gen Westen sich verbreitet,

Sah ich, so früh schon wandelnd, Euren Sohn.

Ich wollt’ ihm nahn, er aber nahm mich wahr

Und stahl sich tiefer in des Waldes Dickicht.

Ich maß sein Innres nach dem meinen ab,

Das in der Einsamkeit am regsten lebt,

Ging meiner Laune nach, ließ seine gehn,

Und gern vermied ich ihn, der gern mich foh.

MONTAGUE

Schon manchen Morgen ward er dort gesehn,

Wie er den frischen Tau durch Tränen mehrte

Und, tief erseufzend, Wolk’ an Wolke drängte.

Allein sobald im fernsten Ost die Sonne,

Die allerfreunde, von Auroras Bett

Den Schattenvorhang wegzuziehn beginnt,

Stiehlt vor dem Licht mein fnstrer Sohn sich heim

Und sperrt sich einsam in sein Kämmerlein,

Verschließt dem schönen Tageslicht die Fenster

Und schaffet künstlich Nacht um sich herum.

In schwarzes Mißgeschick wird er sich träumen,

Weiß guter Rat den Grund nicht wegzuräumen.

BENVOLIO

Mein edler Oheim, wisset Ihr den Grund?

MONTAGUE

Ich weiß ihn nicht und kann ihn nicht erforschen.

BENVOLIO

Lagt Ihr ihm jemals schon deswegen an?

MONTAGUE

Ich selbst sowohl als mancher andre Freund.

Doch er, der eignen Neigungen Vertrauter,

Ist gegen sich, wie treu, will ich nicht sagen,

Doch so geheim und in sich selbst gekehrt,

So unergründlich forschendem Bemühn

Wie eine Knospe, die ein Wurm zernagt,

Eh’ sie der Luft ihr zartes Laub entfalten

Und ihren Reiz der Sonne weihen kann.

Erführen wir, woher sein Leid entsteht,

Wir heilten es so gern, als wir’s erspäht.

Romeo erscheint in einiger Entfernung.

BENVOLIO

Da kommt er, seht! Geruht, uns zu verlassen;

Galt ich ihm je was, will ich schon ihn fassen.

MONTAGUE

O beichtet’ er für dein Verweilen dir

Die Wahrheit doch! – Kommt, Gräfn, gehen wir!

Montague und Gräfn Montague gehen ab. Romeo tritt auf.

BENVOLIO

Ha, guten Morgen, Vetter!

ROMEO

Erst so weit?

BENVOLIO

Kaum schlug es neun.

ROMEO

Weh mir. Gram dehnt die Zeit.

War das mein Vater, der so eilig ging?

BENVOLIO

Er war’s. Und welcher Gram dehnt Euch die Stunden?

ROMEO

Daß ich entbehren muß, was sie verkürzt.

BENVOLIO

Entbehrt Ihr Liebe?

ROMEO

Nein.

BENVOLIO

So ward sie Euch zuteil?

ROMEO

Nein, Lieb’ entbehr ich, wo ich lieben muß.

BENVOLIO

Ach, daß der Liebesgott, so mild im Scheine,

So grausam in der Prob’ erfunden wird!

ROMEO

Ach, daß der Liebesgott, trotz seinen Binden,

Zu seinem Ziel stets Pfade weiß zu fnden!

Wo speisen wir? – Ach, welch ein Streit war hier?

Doch sagt mir’s nicht, ich hört’ es alles schon:

Haß gibt hier viel zu schaffen, Liebe mehr.

Nun denn: Liebreicher Haß! Streitsücht’ge Liebe!

Du Alles, aus dem Nichts zuerst erschaffen!

Schwermüt’ger Leichtsinn! Ernste Tändelei!

Entstelltes Chaos glänzender Gestalten!

Bleischwinge! Lichter Rauch und kalte Glut!

Stets wacher Schlaf, dein eignes Widerspiel!

So fühl ich Lieb’ und hasse, was ich fühl!

Du lachst nicht?

BENVOLIO

Nein, das Weinen ist mir näher.

ROMEO

Warum, mein Herz?

BENVOLIO

Um deines Herzens Qual.

ROMEO

Das ist der Liebe Unbill nun einmal.

Schon eignes Leid will mir die Brust zerpressen,

Dein Gram um mich wird voll das Maß mir messen.

Die Freundschaft, die du zeigst, mehrt meinen Schmerz;

Denn, wie sich selbst, so quält auch dich mein

Herz. Lieb’ ist ein Rauch, den Seufzerdämpf’ erzeugten,

Geschürt, ein Feu’r, von dem die Augen leuchten,

Gequält, ein Meer, von Tränen angeschwellt;

Was ist sie sonst? Verständ’ge Raserei

Und ekle Gall’ und süße Spezerei.

Lebt wohl, mein Freund!

Im Gehen.

BENVOLIO

Sacht! Ich will mit Euch gehen;

Ihr tut mir Unglimpf, laßt Ihr so mich stehen.

ROMEO

Ach, ich verlor mich selbst; ich bin nicht Romeo.

Der ist nicht hier: er ist – ich weiß nicht, wo.

BENVOLIO

Entdeckt mir ohne Mutwill’, wen Ihr liebt.

ROMEO

Bin ich nicht ohne Mut und ohne Willen?

BENVOLIO

Nein, sagt mir’s ernsthaft doch!

ROMEO

Bitt’ einen ernsthaft um sein Testament,

Den Kranken quält’s, wenn man das Wort ihm nennt!

Hört, Vetter, denn im Ernst: Ich lieb’ ein Weib.

BENVOLIO

Ich traf’s doch gut, daß ich verliebt Euch glaubte.

ROMEO

Ein wackrer Schütz’! – Und die ich lieb, ist schön.

BENVOLIO

Ein glänzend Ziel kann man am ersten treffen.

ROMEO

Dies Treffen traf dir fehl, mein guter Schütz’;

Sie meidet Armors Pfeil, sie hat Dianens Witz

Umsonst hat ihren Panzer keuscher Sitten

Der Liebe kindisches Geschoß bestritten.

Sie wehrt den Sturm der Liebesbitten ab,

Steht nicht dem Angriff kecker Augen, öffnet

Nicht ihren Schoß dem Gold, das Heil’ge lockt.

Oh, sie ist reich an Schönheit; arm allein,

Weil, wenn sie stirbt, ihr Reichtum hin wird sein.

BENVOLIO

Beschwor sie der Enthaltsamkeit Gesetze?

ROMEO

Sie tat’s, und dieser Geiz vergeudet Schätze.

Denn Schönheit, die der Lust sich streng enthält,

Bringt um ihr Erb’ die ungeborne Welt.

Sie ist zu schön und weis’, um Heil zu erben,

Weil sie, mit Weisheit schön, mich zwingt zu sterben.

Sie schwor zu lieben ab, und dies Gelübd’

Ist Tod für den, der lebt, nur weil er liebt.

BENVOLIO

Folg’ meinem Rat, vergiß an sie zu denken!

ROMEO

So lehre mich, das Denken zu vergessen.

BENVOLIO

Gib deinen Augen Freiheit, lenke sie

Auf andre Reize hin.

ROMEO

Das ist der Weg,

Mir ihren Reiz in vollem Licht zu zeigen.

Die Schwärze jener neidenswerten Larven,

Die schöner Frauen Stirne küssen, bringt

Uns in den Sinn, daß sie das Schöne bergen.

Der, welchen Blindheit schlug, kann nie das Kleinod

Des eingebüßten Augenlichts vergessen.

Zeigt mir ein Weib, unübertroffen schön:

Mir gilt ihr Reiz wie eine Weisung nur,

Worin ich lese, wer sie übertrifft.

Leb wohl! Vergessen lehrest du mich nie.

BENVOLIO

Dein Schuldner sterb ich, glückt mir nicht die Müh’.

Beide ab.

ZWEITE SZENE

Eine Straße.

Capulet, Paris und ein Diener kommen.

CAPULET

Und Montague ist mit derselben Buße

Wie ich bedroht? Für Greise, wie wir sind,

Ist Frieden halten, denk ich, nicht so schwer.

PARIS

Ihr geltet beid’ als ehrenwerte Männer,

Und Jammer ist’s um Euren langen Zwiespalt.

Doch, edler Graf, wie dünkt Euch mein Gesuch?

CAPULET

Es dünkt mich so, wie ich vorhin gesagt.

Mein Kind ist noch ein Fremdling in der Welt,

Sie hat kaum vierzehn Jahre wechseln sehn.

Laßt noch zwei Sommer prangen und verschwinden,

Eh’ wir sie reif, um Braut zu werden, fnden.

PARIS

Noch jüngre wurden oft beglückte Mütter.

CAPULET

Wer vor der Zeit beginnt, der endigt früh.

All meine Hoffnungen verschlang die Erde;

Mir blieb nur dieses hoffnungsvolle Kind.

Doch werbt nur, lieber Graf! Sucht Euer Heil!

Mein Will’ ist von dem ihren nur ein Teil.

Wenn sie aus Wahl in Eure Bitten willigt,

So hab ich im voraus ihr Wort gebilligt,

Ich gebe heut ein Fest, von alters hergebracht,

Und lud darauf der Gäste viel zu Nacht,

Was meine Freunde sind: Ihr, der dazu gehöret,

Sollt hoch willkommen sein, wenn Ihr die Zahl vermehret.