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Seitenzahl: 134
Escalus, Fürst von VeronaParis, ein junger Cavalier, dem Fürsten verwandt, und Julia´s LiebhaberMontague und Capulet, die Häupter von zwein edlen Geschlechtern, die in Feindschaft mit einander stehenRomeo, Montaguens SohnMercutio, ein Verwandter des Fürsten, und Romeos FreundBenvolio, Vetter und Freund des RomeoTybalt, Neffe des CapuletBruder Lorenz und Bruder Johann, MöncheBalthasar, Bedienter von RomeoEin Edelknabe des ParisSampson und Gregorio, Capulets BedienteAbraham, ein Bedienter von MontagueEin ApothekerSimon Kazen-Darm, Hug Leyermann und Samuel Windlade, MusicantenPeter, der Amme DienerLady MontagueLady CapuletJulia, Capulets TochterDie Amme derselben
Bürger von Verona, Masken, Trabanten, Wache, und andere stumme Personen
Die Szene ist im Anfang des fünften Aufzugs in Mantua, und sonst immer in Verona
Eine Strasse in Verona -Sampson und Gregorio, zween Bediente der Capulets, treten mit Schwerdtern und Schilden bewaffnet auf, und ermuntern einander sich tapfer gegen die Montägues zu halten; ihre ganze Unterredung ist ein Gewebe von Wortspielen, Doppelsinn und Zoten -Abraham und Balthasar zu den Vorigen
Gregoriozu Sampson:
Zieh vom Leder, hier kommen ein Paar von den Montägischen ...
Sampson:
Meine Fuchtel ist heraus; fang nur Händel an, ich will dir den Weg weisen ...
Gregorio:
So? Willt du davon lauffen?
Sampson:
Sey ohne Sorge, ich will stehen wie eine Mauer; aber es ist doch das Sicherste, wenn wir das Gesez auf unsrer Seite haben; wir wollen sie anfangen lassen.
Gregorio:
Ich will die Nase rümpfen, indem ich bey ihnen vorbeygehe; sie mögen's dann aufnehmen, wie sie es verstehen.
Sampson:
Oder wie sie das Herz dazu haben. Ich will meinen Daumen gegen sie beissen, welches eine Beschimpfung für sie ist, wenn sie's leiden.
Abraham:
Beißt ihr euern Daumen gegen uns, Herr?
Sampson:
Ich beisse meinen Daumen, Herr.
Abraham: Beißt ihr euern Daumen gegen uns, Herr?
Sampsonzu Gregorio leise:
Ist das Gesez auf unsrer Seite, wenn ich sage, ja?
Gregorio: Nein.
Sampsonlaut:
Nein, Herr, ich beisse meinen Daumen nicht gegen euch, Herr: Aber ich beisse doch meinen Daumen, Herr.
Gregorio:
Sucht ihr Händel, Herr?
Abraham:
Händel, Herr? Nein, Herr.
Sampson:
Wenn ihr's thut, Herr, so bin ich auch da, ich diene einem so brafen Mann als ihr.
Abraham:
Keinem bessern.
Sampson:
Gut, Herr.
Benvolio zu den Vorigen
Gregoriozu Sampson leise:
Sag, einem bessern: Hier kommt einer von unsers Herrn Neffen.
Sampsonlaut:
Ja, einem bessern, Herr.
Abraham:
Ihr lügt.
Sampson:
Zieht, wenn ihr Männer seyd ... Gregorio, das war eine Ohrfeige, die du nicht einsteken must ...
Benvolio:
Aus einander, ihr Narren, stekt eure Degen ein, ihr wißt nicht was ihr thut.
Tybalt zu den Vorigen
Tybalt:
Wie, du ziehst deinen Degen gegen diese verzagten Hasen? Kehre dich um, Benvolio, und sieh deinen Tod an.
Benvolio:
Ich mache nur Frieden; stek deinen Degen ein, oder brauch' ihn, mir Friede unter diesen Leuten machen zu helfen.
Tybalt:
Wie, mit gezogenem Degen von Frieden schwazen? Ich hasse diess Wort wie die Hölle, wie alle Montägues und dich ... wehr dich, H**
Sie fechten
Drey oder vier Bürger mit Knitteln treten auf
Ein Bürger:
Knittel, Spiesse, Hellebarden her! Schlagt zu! Schlagt sie nieder! Zu Boden mit den Capulets! Zu Boden mit den Montägues!
Der alte Capulet in einem Schlafrok, und Lady Capulet
Capulet:
Was für ein Lerm ist das? Gebt mir meinen langen Degen, he!
Lady Capulet:
Eine Krüke, eine Krüke ... was wollt ihr mit einem Degen machen?
Capulet:
Meinen Degen, sag ich; da kommt der alte Montague, und fuchtelt mir mit seiner Klinge unter die Nase ...
Der alte Montague, und Lady Montague:
Montague:
Du nichtswürdiger Capulet ... Halt mich nicht, laß mich gehn!
Lady Montague:
Du sollt mir keinen Fuß rühren, um einen Feind zu suchen.
Der Fürst von Verona mit seinem Gefolge tritt auf, erzürnt sich gewaltig über diesen Unfug, wirft den beyden Alten vor, daß sie ihrer Familien-Feindschaft wegen Verona schon dreymal in Aufruhr gesezt, verbietet ihnen bey Todes-Straffe die Strassen nicht mehr zu beunruhigen, und tritt, nachdem er sie geschieden, wieder ab
Der alte Montague, Lady Montague, und Benvolio bleiben zurük
Lady:
Wer brachte diesen alten Handel wieder in Bewegung? Redet, Neffe, war't ihr dabey, wie er angieng?
Benvolio:
Hier fand ich die Bedienten euers Gegentheils, und die eurigen, die sich mit einander herumschlugen, wie ich kam; ich brachte sie aus einander: In dem nemlichen Augenblik kam der feurige Tybalt mit gezognem Degen, den er unter drohenden Herausforderungen über meinem Kopf schwang, und damit auf die Winde zuhieb, die so wenig nach seinen Streichen fragten, daß sie ihn noch dazu auszischten. Wie wir nun an einander waren, so kamen immer mehr Leute, und fochten zu beyden Seiten, bis der Fürst kam, und uns aus einander sezte.
Lady:
O wo ist Romeo? Habt ihr ihn heute nie gesehen? Ich bin recht froh, daß er nicht bey dieser Schlägerey war.
Benvolio:
Madam, eine Stunde eh die Sonne aufgieng, trieb mich ein beunruhigtes Gemüth aufzustehen, und vor die Stadt hinaus zu gehen; und da traf ich auf der West-Seite der Stadt euern Sohn einsam unter einem Gang von Egyptischen Feigen-Bäumen an. Ich gieng auf ihn zu; aber kaum ward er mich gewahr, so schlich er sich in das dichteste Gehölze. Ich urtheilte von seiner Gemüths-Beschaffenheit nach der meinigen, (denn wir sind innerlich nie mehr beschäftigst, als wenn wir die Einsamkeit suchen,) und anstatt ihm nachzugehen, gieng ich meinen Gedanken nach, und war so vergnügt, daß er mich ausgewichen hatte, als er selbst.
Montague:
Schon manchen Morgen ist er dort gesehen worden, wie er den frischen Morgenthau mit seinen Thränen, und die Morgen-Wolken mit tieffen Seufzern vermehrte; aber kaum fängt die alles erfreuende Sonne an, im fernsten Osten die Vorhänge von Aurorens Bette wegzuziehen, so schleicht sich der schwermüthige Jüngling vom Licht nach Hause und kerkert sich in sein Zimmer ein, versperrt seine Fenster, schließt das schöne Tageslicht hinaus, und macht sich selbst eine erkünstelte Nacht. Er muß nothwendig in einen schwarzen und Unglük-brütenden Humor verfallen wenn nicht bey Zeiten darauf gedacht wird, die Ursache des Uebels wegzuräumen.
Benvolio:
Mein edler Oheim, kennt ihr die Ursache?
Montague:
Ich kenne sie nicht, und kan sie auch nicht aus ihm herausbringen.
Benvolio:
Habt ihr schon in ihn gedrungen?
Montague:
Durch euch selbst und durch viele andre Freunde, aber vergebens; seines eignen Herzens geheimer Rathgeber, ist er gegen sich selbst, ich will nicht sagen so getreu, aber doch so geheim und verschwiegen, so entfernt sich selbst zu verrathen, oder nur einer Muthmassung Grund zu geben, als eine Blumen-Knospe, die von einem inwendig verborgnen Wurm gebissen worden, eh sie ihre zarten Schwingen an der Luft ausspreiten, und ihre Schönheit der Sonne wiedmen konnte. Könnt' ich nur erfahren, woher sein Kummer entspringt, es sollte ihm augenbliklich abgeholfen werden.
Romeo tritt auf
Benvolio:
Hier kommt er selbst; wenn's euch beliebt, so gehet bey Seite; ich will sein Geheimniß ausfündig machen, oder ich müßte mich sehr betrügen.
Montague:
Ich wünsche, daß du so glüklich seyn mögest ... Kommt Madam, wir wollen gehen.
Sie gehen ab
Benvolio:
Guten Morgen, Vetter.
Romeo:
Ist der Tag noch so jung?
Benvolio:
Es hat eben neune geschlagen.
Romeo:
Weh mir! Wie lang scheinen uns Kummer-volle Stunden! War das mein Vater, der so eilfertig sich entfernte?
Benvolio:
Er war's; aber was für ein Kummer verlängert Romeo's Stunden?
Romeo:
Der Kummer, das nicht zu haben, was sie verkürzen würde.
Benvolio:
Seyd ihr verliebt?
Romeo:
Ohne Hoffnung wieder geliebt zu werden.
Benvolio:
Wie Schade, daß die Liebe, die von Ferne so reizend anzusehen ist, so grausam und tyrannisch seyn soll, so bald sie uns erreicht!
Romeo:
Wie Schade, daß die Liebe, mit verbundnen Augen, Pfade zu ihrem Unglük sehen soll! ... Wo werden wir zu Mittag essen? ... Weh mir! ... Was für ein Tumult war vorhin? ... Doch sagt mir nichts davon, ich hab alles schon gehört. Der Haß macht hier viel zu thun, aber die Liebe noch mehr: Wie dann, o mißhellige Liebe! o liebender Haß! O unwesentliches Etwas, und würkliches Nichts! So leicht und doch zu Boden drükend! So ernsthaft und doch Tand! Du ungestaltes Chaos von reizenden Phantomen! Bleyerne Feder, glänzender Rauch, kaltes Feuer, kranke Gesundheit, immer-wachender Schlaf ... o! du wunderbares Gemisch von Seyn und Nichtseyn! ... Das ist die Liebe die ich fühle, ohne in dem was ich fühle die Liebe zu erkennen ... Lachst du nicht?
Benvolio:
Nein, Vetter, ich möchte lieber weinen.
Romeo:
Du gutes Herz! Worüber?
Benvolio:
Dein gutes Herz so beklemmt zu sehen.
Romeo:
Du vermehrest meinen Kummer durch den deinigen, anstatt ihn zu erleichtern. ... Liebe ist ein Rauch, der vom Hauch der Seufzer erregt wird, aber gereinigt ein Feuer das in der Liebenden Augen schimmert ... Unglükliche Liebe ist eine See, die mit den Thränen der Liebenden genährt wird; was ist sie noch mehr? Eine vernünftige Tollheit, eine erstikende Galle, eine erquikende Herzstärkung ... Lebt wohl, Vetter.
Er will gehen
Benvolio:
Sachte, ich will mitgehen. Ihr beleidigt meine Freundschaft, wenn ihr mich auf eine solche Art verlaßt.
Romeo:
Still! Ich habe mich selbst verlohren, ich bin nicht hier; das ist nicht Romeo, er ist sonst irgendwo.
Benvolio:
... Aber wer ist dann die Person, die du liebst?
Romeo:
Ich will dir's sagen, Vetter; ich liebe ... ein Weibsbild.
Benvolio:
Das errieth ich, sobald ich merkte, daß ihr verliebt wäret.
Romeo:
Du hast eine vortreffliche Gabe zum Errathen ... und sie ist schön, die ich liebe.
Benvolio:
Ein schönes Ziel ist desto leichter zu treffen.
Romeo:
Aber sie wird von Cupido's Pfeile nicht getroffen werden; sie hat Dianens Sprödigkeit, und lebt in der wolgestählten Rüstung ihrer Keuschheit sicher vor Amors kindischem Bogen. Sie sezt sich keinen nachstellenden Bliken aus, sie öffnet ihr Ohr keinen Liebes-Erklärungen, noch ihren Schooß dem Golde, das sonst oft die Heiligen selbst verführt. O! Sie ist reich an Schönheit, und allein darinn arm, daß der ganze Schaz der Schönheit, in ihr versammelt, sterblich ist.
Benvolio:
Hat sie denn geschworen, daß sie in ewiger Jungfrauschaft leben will?
Romeo:
Sie hat, und macht sich durch diese Sparsamkeit einer ungeheuren Verschwendung schuldig. Denn Schönheit, die durch ihre eigne Strenge umkommt, vernichtet auf einmal die Schönheit einer ganzen Nachkommenschaft. Sie ist zu weise um so schön, oder zu schön um so weise zu seyn; und es ist grausam an ihr, den Himmel damit verdienen zu wollen, daß sie mich zur Verzweiflung treibt ...
Benvolio:
Laßt euch einen guten Rath geben, und vergeßt, an sie zu denken.
Romeo:
O lehre mich erst, wie ich vergessen kan, mich meiner selbst zu erinnern.
Benvolio:
Gieb deinen Augen ihre Freyheit wieder; lenke deine Aufmerksamkeit auf andre Schönheiten.
Romeo:
Capulet, Paris, und ein Bedienter treten auf
Capulet:
Montague ist so gut gebunden als ich; er hat die nemliche Straffe zu befürchten; und für alte Leute wie wir sind, sollt' es nicht schwer seyn, Frieden zu halten.
Paris:
Ihr seyd beyde rechtschaffne Männer, und es ist recht zu bedauren, daß ihr so lang in Mißhelligkeit gelebt habt ... Aber nun, gnädiger Herr, was sagt ihr zu meiner Anwerbung?
Capulet:
Ich kann euch nichts anders sagen, als was ich schon gesagt habe: Mein Kind ist noch ein neu angekommener Fremdling in der Welt, sie hat noch nicht vierzehn Jahre gesehen; laßt wenigstens noch zween Sommer verblühen, eh wir denken können, daß sie zum Braut-Stande reif sey.
Paris:
Jüngere als sie, sind schon glükliche Mütter geworden.
Capulet:
Und verderben auch desto früher, je frühzeitigere Früchte von ihnen erzwungen werden. Die Erde hat alle meine andern Hoffnungen verschlungen; ich habe kein Kind als sie; sie ist das einzige Vergnügen meines Alters, indeß bewirb dich bey ihr selbst um sie, mein lieber Paris, such ihr Herz zu gewinnen; wenn du ihren Beyfall hast, so hast du meine Einwilligung. Diese Nacht geb' ich, einer alten Gewohnheit nach, ein Gastmahl, wozu ich viele werthe Freunde eingeladen habe: Vermehret ihre Anzahl, unter allen soll mir keiner willkommner seyn. Ihr werdet diese Nacht in meinem armen Haus irdische Sterne sehen, welche die himmlischen selbst verdunkeln können. Ihr werdet mit dem Vergnügen, das muntre junge Leute fühlen wenn der schmuke April den hinkenden Winter vor sich hertreibt, unter einem Frühling voll neu entfalteter Mädchen-Knospen wandeln; betrachtet sie alle, höret alle, und laßt euch diejenige am besten gefallen, die es am meisten verdient; ihr werdet so viele liebenswürdigere finden, daß die meinige sich unbemerkt in der Menge verliehren wird. Kommt, geht mit mir ... Du, Bursche, geh, trotte ganz Verona durch, und lade die Personen zu mir ein, deren Namen auf diesem Zettel stehen ...
Capulet und Paris gehen ab
Bedienter:
Lade mir die Personen ein, die auf diesem Zettel stehen ... Es steht geschrieben, der Schuster soll sich mit seinem Ellen-Stab abgeben, der Schneider mit seinem Leist, der Fischer mit seinem Pinsel, und der Mahler mit seinem Nez. Aber ich soll die Personen finden, deren Namen hier geschrieben sind, und kan doch nicht finden, was für Namen die schreibende Person hieher geschrieben hat. Ich muß mich bey den Gelehrten Raths erholen ... Da lauffen mir gerad ihrer ein Paar in die Hände ...
Benvolio und Romeo treten auf
Benvolio:
Still, Mann! Eine Hize treibt die andre aus, und die Pein eines Schmerzens wird durch einen andern Schmerz vermindert; wenn dir taumlicht ist, so hilfst du dir damit, daß du dich wieder zurük drehest, und deiner Hoffnungslosen Liebe kan nicht besser als durch eine neue geholfen werden.
Romeo:
Wegbreit-Blätter sind unvergleichlich für das.
Benvolio:
Für was, wenn man bitten darf?
Romeo:
Für euern Beinbruch.
Benvolio:
Wie, Romeo, bist du toll?
Romeo:
Nicht toll, aber fester angebunden als irgend einer im Tollhause; in ein Gefängniß eingesperrt, zur Hunger-Cur verurtheilt, gepeitscht und gepeinigt: Und ... guten Abend, Camerad ... zum Bedienten
Bedienter:
Einen guten Abend geb' euch Gott: Ich bitte euch, Herr, könnt ihr lesen?
Romeo:
Ja, mein Schiksal in meinem Unglük.
Bedienter:
Vielleicht habt ihr ohne Buch lesen gelernt; aber ich bitte euch, könnt ihr alles lesen was ihr seht?
Romeo:
Ja, wenn ich die Buchstaben und die Sprache weiß.
Bedienter:
Das ist gesprochen wie ein Bidermann ... Gott behüt' euern guten Humor!
Er will gehen
Romeo:
Bleib, Bursche, ich kan lesen ...
Er ließt das Papier
Signor Martino und seine Frau und Töchter: Graf Anselmo und seine schönen Schwestern; die verwittibte Donna Vitruvia; Signor Placentio und seine liebenswürdige Nichten; Mercutio und sein Bruder Valentin; mein Oheim Capulet mit Frau und Töchtern; meine schöne Nichte Rosalinde; Livia, Signor Valentio und sein Vetter Tybalt; Lucio, und die lebhafte Signora Helena ...