Romeo und Juliette - William Shakespeare - E-Book

Romeo und Juliette E-Book

William Shakespeare

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Beschreibung

Die Shakespeare-Tragödie, übersetzt von Christoph Martin Wieland. Wikipedia: "Romeo und Julia ist eine Tragödie, die früh in der Karriere von William Shakespeare über zwei jugendliche" Stern-überkreuzte Liebende "geschrieben wurde, deren plötzlicher Tod ihre verfeindeten Familien vereint. Es war zu Shakespeares populärsten Stücken zu seinen Lebzeiten mit Hamlet, ist eines seiner am häufigsten aufgeführten Stücke. Heute gelten die Titelfiguren als archetypische junge Liebhaber. "

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Seitenzahl: 136

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ROMEO UND JULIETTE, EIN TRAUERSPIEL, VON WILLIAM SHAKESPEARE, ÜBERSETZT VON CHRISTOPH MARTIN WIELAND

published by Samizdat Express, Orange, CT, USA

established in 1974, offering over 14,000 books

Shakespeare tragedies in German translation:

Coriolanus (Tieck)

Hamlet (Wieland)

Julius Caesar (Schlegel)

Lear (Wieland)

Macbeth (Wieland and Tieck)

Othello (Wieland)

Romeo und Juliette (Wieland)

Timon Von Athen (Wieland)

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Personen.

Erster Aufzug.

Erste Scene. (Eine Strasse in Verona.)

Zweyte Scene. (Verwandelt sich in Capulets Garten.) (Romeo tritt auf.)

Dritte Scene. (Verwandelt sich in ein Kloster.) (Pater Lorenz tritt mit einem Korb auf.)

Vierte Scene. (Verwandelt sich in die Strasse.) (Benvolio und Mercutio treten auf.)

Fünfte Scene. (Verwandelt sich in Capulets Haus.) (Juliette tritt auf.)

Sechste Scene. (Verwandelt sich in das Kloster.) (Bruder Lorenz und Romeo treten auf.)

Zweyter Aufzug.

Erste Scene. (Die Strasse.) (Romeo tritt allein auf.)

Zweyte Scene. (Verwandelt sich in Capulets Garten.) (Romeo tritt auf.)

Dritte Scene. (Verwandelt sich in ein Kloster.) (Pater Lorenz tritt mit einem Korb auf.)

Vierte Scene. (Verwandelt sich in die Strasse.) (Benvolio und Mercutio treten auf.)

Fünfte Scene. (Verwandelt sich in Capulets Haus.) (Juliette tritt auf.)

Sechste Scene. (Verwandelt sich in das Kloster.) (Bruder Lorenz und Romeo treten auf.)

Dritter Aufzug.

Erste Scene. (Die Strasse.) (Mercutio und Benvolio mit ihren Bedienten treten auf.)

Zweyte Scene.

Dritte Scene. (Einige Bürger treten auf.)

Vierte Scene. (Verwandelt sich in ein Zimmer in Capulets Haus.) (Juliette tritt allein auf.)

Fünfte Scene. (Verwandelt sich in das Kloster.) (Bruder Lorenz und Romeo treten auf.)

Sechste Scene. (Verwandelt sich in Capulets Haus.) (Capulet, Lady Capulet und Paris treten auf.)

Siebende Scene. (Juliettens Zimmer, von der Garten-Seite.) (Romeo und Juliette, oben an einem Fenster; woran eine Strik-  Leiter befestigt ist.)

Achte Scene.

Vierter Aufzug.

Erste Scene. (Das Kloster.) (Bruder Lorenz und Paris treten auf.)

Zweyte Scene. (Verwandelt sich in Capulets Haus.) (Capulet, Lady Capulet, Amme, und zween oder drey Bediente treten auf.)

Dritte Scene. (Juliettens Zimmer.) (Juliette und die Amme treten auf.)

Vierte Scene. (Ein Vorsaal in Capulets Hause.) (Lady Capulet und die Amme treten auf.)

Fünfte Scene. (Verwandelt sich in Juliettens Schlaf-Zimmer; Juliette ligt auf  dem Bette.) (Die Amme tritt wieder auf.)

Fünfter Aufzug.

Erste Scene. (Mantua.) (Romeo tritt auf.)

Zweyte Scene. (Verwandelt sich in das Kloster zu Verona.) (Bruder Johann tritt auf.)

Dritte Scene. (Verwandelt sich in einen Kirchhof--auf demselben die Familien-  Gruft der Capulets.) (Paris und sein Edelknabe, mit einer Fakel, treten auf.)

Vierte Scene. (Romeo und Balthasar mit einem Lichte.)

Fünfte Scene. (Der Fürst und sein Gefolge, treten vorn auf der Schaubühne auf.)

Personen.

Escalus, Fürst von Verona.

Paris, ein junger Cavalier, dem Fürsten verwandt, und Juliettens

Liebhaber.

Montague und Capulet, die Häupter von zween edlen Geschlechtern,

die in Feindschaft mit einander stehen.

Romeo, Montaguens Sohn.

Mercutio, ein Verwandter des Fürsten, und Romeos Freund.

Benvolio, Vetter und Freund des Romeo.

Tybalt, Neffe des Capulet.

Bruder Lorenz und Bruder Johann, Mönche.

Balthasar, Bedienter von Romeo.

Ein Edelknabe des Paris.

Sampson und) Gregorio(, Capulets Bediente.

Abraham, ein Bedienter von Montague.

Ein Apotheker.

Simon Kazen-Darm, Hug Leyermann und Samuel Windlade, Musicanten.

Peter, der Amme Diener.

Lady Montague.

Lady Capulet.

Julietta, Capulets Tochter.

Die Amme derselben.

Bürger von Verona, Masken, Trabanten, Wache, und andre stumme

Personen.

Die Scene ist im Anfang des fünften Aufzugs in Mantua, und sonst immer in Verona.

Erster Aufzug.

Erste Scene. (Eine Strasse in Verona.)

(Sampson und Gregorio, zween Bediente der Capulets, treten mit  Schwerdtern und Schilden bewaffnet auf, und ermuntern einander sich  tapfer gegen die Montägues zu halten; ihre ganze Unterredung ist  ein Gewebe von Wortspielen, Doppelsinn und Zoten.) (Abraham und Balthasar zu den Vorigen.)

 Gregorio (zu Sampson.) Zieh vom Leder, hier kommen ein Paar von den Montägischen--

Sampson. Meine Fuchtel ist heraus; fang nur Händel an, ich will dir den Weg weisen--

Gregorio. So?  Willt du davon lauffen?

Sampson. Sey ohne Sorge, ich will stehen wie eine Mauer; aber es ist doch das Sicherste, wenn wir das Gesez auf unsrer Seite haben; wir wollen sie anfangen lassen.

Gregorio. Ich will die Nase rümpfen, indem ich bey ihnen vorbeygehe; sie mögen's dann aufnehmen, wie sie es verstehen.

Sampson. Oder wie sie das Herz dazu haben.  Ich will meinen Daumen gegen sie beissen, welches eine Beschimpfung für sie ist, wenn sie's leiden.

Abraham. Beißt ihr euern Daumen gegen uns, Herr?

Sampson. Ich beisse meinen Daumen, Herr.

Abraham. Beißt ihr euern Daumen gegen uns, Herr?

Sampson (zu Gregorio leise.) Ist das Gesez auf unsrer Seite, wenn ich sage, ja?

Gregorio. Nein.

Sampson (laut.) Nein, Herr, ich beisse meinen Daumen nicht gegen euch, Herr: Aber ich beisse doch meinen Daumen, Herr.

Gregorio. Sucht ihr Händel, Herr?

Abraham. Händel, Herr?  Nein, Herr.

Sampson. Wenn ihr's thut, Herr, so bin ich auch da, ich diene einem so brafen Mann als ihr.

Abraham. Keinem bessern.

Sampson. Gut, Herr.  (Benvolio zu den Vorigen.)

Gregorio (zu Sampson leise.) Sag, einem bessern: Hier kommt einer von unsers Herrn Neffen.

Sampson (laut.) Ja, einem bessern, Herr.

Abraham. Ihr lügt.

Sampson. Zieht, wenn ihr Männer seyd--Gregorio, das war eine Ohrfeige, die du nicht einsteken must--

 Benvolio. Aus einander, ihr Narren, stekt eure Degen ein, ihr wißt nicht was ihr thut.  (Tybalt zu den Vorigen.)

Tybalt. Wie, du ziehst deinen Degen gegen diese verzagten Hasen?  Kehre dich um, Benvolio, und sieh deinen Tod an.

Benvolio. Ich mache nur Frieden; stek deinen Degen ein, oder brauch' ihn, mir Friede unter diesen Leuten machen zu helfen.

Tybalt. Wie, mit gezogenem Degen von Frieden schwazen?  Ich hasse diess Wort wie die Hölle, wie alle Montägues und dich--wehr dich, H**

(Sie fechten.)

(Drey oder vier Bürger mit Knitteln treten auf.)

Ein Bürger. Knittel, Spiesse, Hellebarden her!  Schlagt zu!  Schlagt sie nieder! Zu Boden mit den Capulets!  Zu Boden mit den Montägues!  (Der alte Capulet in einem Schlafrok, und Lady Capulet.)

Capulet. Was für ein Lerm ist das?  Gebt mir meinen langen Degen, he!

Lady Capulet. Eine Krüke, eine Krüke--was wollt ihr mit einem Degen machen?

Capulet. Meinen Degen, sag ich; da kommt der alte Montague, und fuchtelt mir mit seiner Klinge unter die Nase--

(Der alte Montague, und Lady Montague.)

Montague. Du nichtswürdiger Capulet--Halt mich nicht, laß mich gehn!

Lady Montague. Du sollt mir keinen Fuß rühren, um einen Feind zu suchen.

(Der Fürst von Verona mit seinem Gefolge tritt auf, erzürnt sich gewaltig über diesen Unfug, wirft den beyden Alten vor, daß sie ihrer Familien-Feindschaft wegen Verona schon dreymal in Aufruhr gesezt, verbietet ihnen bey Todes-Straffe die Strassen nicht mehr zu beunruhigen, und tritt, nachdem er sie geschieden, wieder ab.)

Zweyte Scene. (Der alte Montague, Lady Montague, und Benvolio bleiben zurük.)

 Lady. Wer brachte diesen alten Handel wieder in Bewegung?  Redet, Neffe, war't ihr dabey, wie er angieng?

Benvolio. Hier fand ich die Bedienten euers Gegentheils, und die eurigen, die sich mit einander herumschlugen, wie ich kam; ich brachte sie aus einander: In dem nemlichen Augenblik kam der feurige Tybalt mit gezognem Degen, den er unter drohenden Herausforderungen über meinem Kopf schwang, und damit auf die Winde zuhieb, die so wenig nach seinen Streichen fragten, daß sie ihn noch dazu auszischten. Wie wir nun an einander waren, so kamen immer mehr Leute, und fochten zu beyden Seiten, bis der Fürst kam, und uns aus einander sezte.

Lady. O wo ist Romeo?  Habt ihr ihn heute nie gesehen?  Ich bin recht froh, daß er nicht bey dieser Schlägerey war.

Benvolio. Madam, eine Stunde eh die* Sonne aufgieng, trieb mich ein beunruhigtes Gemüth aufzustehen, und vor die Stadt hinaus zu gehen; und da traf ich auf der West-Seite der Stadt euern Sohn einsam unter einem Gang von Egyptischen Feigen-Bäumen an.  Ich gieng auf ihn zu; aber kaum ward er mich gewahr, so schlich er sich in das dichteste Gehölze.  Ich urtheilte von seiner Gemüths-Beschaffenheit nach der meinigen, (denn wir sind innerlich nie mehr beschäftigst, als wenn wir die Einsamkeit suchen,) und anstatt ihm nachzugehen, gieng ich meinen Gedanken nach, und war so vergnügt, daß er mich ausgewichen hatte, als er selbst.

{ed.-* Im Original: "Eh die angebetete Sonne sich durch das goldne Fenster des Osten sehen ließ." Es ist nichts leichters, als durch eine allzuwörtliche Übersezung den Shakespear lächerlich zu machen, wie der Herr von Voltaire neulich mit einer Scene aus dem Hamlet eine Probe gemacht, die wir an gehörigem Ort ein wenig näher untersuchen wollen.  Indeß erzürnt sich doch Herr Freron zu sehr über diese und andre Alters-Schwachheiten des Autors der Zayre.  Er mag seine Ursachen dazu haben; aber die Welt urtheilt mit kälterm Blute; wenigstens werden die Briten, welche sehr wol wissen warum sie auf ihren Shakespear stolz sind, es dem französischen Poeten sehr leicht zu gut halten können, daß er (in einem Alter, wo er sich nicht mehr stark genug fühlt, sich mit der Beute die er ihrem Shakespear abgenommen zu brüsten) seine Freude daran hatte, durch eine Schulknaben-mäßige Nachäffung den Narren mit ihm zu spielen, und dadurch dem Publico wenigstens eben so viel Spaß zu machen, als er selbst von einer so kindischen Kurzweil nur immer haben kann.}

Montague. Schon manchen Morgen ist er dort gesehen worden, wie er den frischen Morgenthau mit seinen Thränen, und die Morgen-Wolken mit tieffen Seufzern vermehrte; aber kaum fängt die alles erfreuende Sonne an, im fernsten Osten die Vorhänge von Aurorens Bette wegzuziehen, so schleicht sich der schwermüthige Jüngling vom Licht nach Hause und kerkert sich in sein Zimmer ein, versperrt seine Fenster, schließt das schöne Tageslicht hinaus, und macht sich selbst eine erkünstelte Nacht.  Er muß nothwendig in einen schwarzen und Unglük-brütenden Humor verfallen wenn nicht bey Zeiten darauf gedacht wird, die Ursache des Übels wegzuräumen.

Benvolio. Mein edler Oheim, kennt ihr die Ursache?

Montague. Ich kenne sie nicht, und kan sie auch nicht aus ihm herausbringen.

Benvolio. Habt ihr schon in ihn gedrungen?

Montague. Durch euch selbst und durch viele andre Freunde, aber vergebens; seines eignen Herzens geheimer Rathgeber, ist er gegen sich selbst, ich will nicht sagen so getreu, aber doch so geheim und verschwiegen, so entfernt sich selbst zu verrathen, oder nur einer Muthmassung Grund zu geben, als eine Blumen-Knospe, die von einem inwendig verborgnen Wurm gebissen worden, eh sie ihre zarten Schwingen an der Luft ausspreiten, und ihre Schönheit der Sonne wiedmen konnte.  Könnt' ich nur erfahren, woher sein Kummer entspringt, es sollte ihm augenbliklich abgeholfen werden.  (Romeo tritt auf.)

Benvolio. Hier kommt er selbst; wenn's euch beliebt, so gehet bey Seite; ich will sein Geheimniß ausfündig machen, oder ich müßte mich sehr betrügen.

Montague. Ich wünsche, daß du so glüklich seyn mögest--Kommt Madam, wir wollen gehen.

(Sie gehen ab.)

Benvolio. Guten Morgen, Vetter.

Romeo. Ist der Tag noch so jung?

Benvolio. Es hat eben neune geschlagen.

Romeo. Weh mir!  Wie lang scheinen uns Kummer-volle Stunden!  War das mein Vater, der so eilfertig sich entfernte?

Benvolio. Er war's; aber was für ein Kummer verlängert Romeo's Stunden?

Romeo. Der Kummer, das nicht zu haben, was sie verkürzen würde.

Benvolio. Seyd ihr verliebt?

Romeo. Ohne Hoffnung wieder geliebt zu werden.

Benvolio. Wie Schade, daß die Liebe, die von Ferne so reizend anzusehen ist, so grausam und tyrannisch seyn soll, so bald sie uns erreicht!

Romeo. Wie Schade, daß die Liebe, mit verbundnen Augen, Pfade zu ihrem Unglük sehen soll!--Wo werden wir zu Mittag essen?--Weh mir!--Was für ein Tumult war vorhin?--Doch sagt mir nichts davon, ich hab alles schon gehört.  Der Haß macht hier viel zu thun, aber die Liebe noch mehr: Wie dann, o mißhellige Liebe!  o liebender Haß!  O unwesentliches Etwas, und würkliches Nichts!  So leicht und doch zu Boden drükend!  So ernsthaft und doch Tand!  Du ungestaltes Chaos von reizenden Phantomen!  Bleyerne Feder, glänzender Rauch, kaltes Feuer, kranke Gesundheit, immer-wachender Schlaf--o!  du wunderbares Gemisch von Seyn und Nichtseyn!--Das ist die Liebe die ich fühle, ohne in dem was ich fühle die Liebe zu erkennen--Lachst du nicht?

Benvolio. Nein, Vetter, ich möchte lieber weinen.

Romeo. Du gutes Herz!  Worüber?

Benvolio. Dein gutes Herz so beklemmt zu sehen.

Romeo. Du vermehrest meinen Kummer durch den deinigen, anstatt ihn zu erleichtern.**--Liebe ist ein Rauch, der vom Hauch der Seufzer erregt wird, aber gereinigt ein Feuer das in der Liebenden Augen schimmert--Unglükliche Liebe ist eine See, die mit den Thränen der Liebenden genährt wird; was ist sie noch mehr?  Eine vernünftige Tollheit, eine erstikende Galle, eine erquikende Herzstärkung--Lebt wohl, Vetter.

{ed.-** Es ist ein Unglük für dieses Stük, welches sonst so viele Schönheiten hat, daß ein grosser Theil davon in Reimen geschrieben ist.  Niemals hat sich ein poetischer Genie in diesen Fesseln weniger zu helfen gewußt als Shakespear; seine gereimten Verse sind meistens hart, gezwungen und dunkel; der Reim macht ihn immer etwas anders sagen als er will, oder nöthigt ihn doch, seine Ideen übel auszudrüken.  Die Feinde des Reims werden dieses vielleicht als eine neue Instanz anziehen, um diese vergebliche Fesseln des Genie den Liebhabern und Lesern so verhaßt zu machen, als sie ihnen sind. Aber warum hat z.  Ex.  Pope die schönsten Gedanken, die schimmerndste Einbildungskraft, den feinsten Wiz, den freyesten Schwung, den lebhaftesten Ausdruk, die gröste Anmuth, Zierlichkeit, Correction, und über alles dieses, den höchsten Grad der musicalischen Harmonie, deren die Poesie in seiner Sprache fähig ist, in seinen Gedichten mit dem Reim durchaus zu verbinden gewußt? Die Reime können vermuthlich nichts dazu, wenn sie für einige Dichter schwere Ketten mit Fuß-Eisen sind; für einen Prior oder Chaulieu sind sie Blumen-Ketten, womit die Grazien selbst sie umwunden zu haben scheinen, und in denen sie so leicht und frey herumflattern als die Scherze und Liebes-Götter, ihre beständigen Gefehrten.  Shakespears Genie war zu feurig und ungestüm, und er nahm sich zu wenig Zeit und Mühe seine Verse auszuarbeiten; das ist die wahre Ursache, warum ihn der Reim so sehr verstellt, und seinen Übersezer so oft zur Verzweiflung bringt.}

(Er will gehen.)

Benvolio. Sachte, ich will mitgehen.  Ihr beleidigt meine Freundschaft, wenn ihr mich auf eine solche Art verlaßt.

Romeo. Still!  Ich habe mich selbst verlohren, ich bin nicht hier; das ist nicht Romeo, er ist sonst irgendwo.

Benvolio. --*** Aber wer ist dann die Person, die du liebst?

{ed.-*** Hier haben etliche (Non-Sensicalische) Zeilen ausgelassen werden müssen.}

Romeo. Ich will dir's sagen, Vetter; ich liebe--ein Weibsbild.

Benvolio. Das errieth ich, sobald ich merkte, daß ihr verliebt wäret.

Romeo. Du hast eine vortreffliche Gabe zum Errathen--und sie ist schön, die ich liebe.

Benvolio. Ein schönes Ziel ist desto leichter zu treffen.

Romeo. Aber sie wird von Cupido's Pfeile nicht getroffen werden; sie hat Dianens Sprödigkeit, und lebt in der wolgestählten Rüstung ihrer Keuschheit sicher vor Amors kindischem Bogen.  Sie sezt sich keinen nachstellenden Bliken aus, sie öffnet ihr Ohr keinen Liebes- Erklärungen, noch ihren Schooß dem Golde, das sonst oft die Heiligen selbst verführt.  O!  Sie ist reich an Schönheit, und allein darinn arm, daß der ganze Schaz der Schönheit, in ihr versammelt, sterblich ist.

Benvolio. Hat sie denn geschworen, daß sie in ewiger Jungfrauschaft leben will?

Romeo. Sie hat, und macht sich durch diese Sparsamkeit einer ungeheuren Verschwendung schuldig.  Denn Schönheit, die durch ihre eigne Strenge umkommt, vernichtet auf einmal die Schönheit einer ganzen Nachkommenschaft.  Sie ist zu weise um so schön, oder zu schön um so weise zu seyn; und es ist grausam an ihr, den Himmel damit verdienen zu wollen, daß sie mich zur Verzweiflung treibt--

 Benvolio. Laßt euch einen guten Rath geben, und vergeßt, an sie zu denken.

Romeo. O lehre mich erst, wie ich vergessen kan, mich meiner selbst zu erinnern.

Benvolio. Gieb deinen Augen ihre Freyheit wieder; lenke deine Aufmerksamkeit auf andre Schönheiten.