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Ein misslungener Anschlag! Eine motivierte Agentin. Eine unschuldige Zivilperson. Ein abenteuerlicher Moment, der alles verändert. Heeras Leben wird auf den Kopf gestellt, als sie in den Urlaub fliegen will, denn Terroristen wollen Agentin Mac töten, die Heera ähnlich sieht. Um ihre Tochter und sich zu schützen, muss Heera daher auf einer Geheimbasis untertauchen. In dieser Ausnahmesituation bieten ihr nur die beiden Agenten Alistair und Kay Halt, doch wer von beiden sieht wirklich sie und nicht Mac? Dazu kommt noch, dass Heera selbst in die Rolle der Agentin schlüpfen soll. Dabei steht nicht nur ihr Liebesleben auf dem Spiel ... Dieses Buch erzählt von zwei Frauen, die gezwungen sind, ihr Schicksal zu akzeptieren oder den Mut aufzubringen, es zu ändern. Eine Liebesgeschichte mit Spezialeffekten
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Seitenzahl: 179
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Prolog: 2010
2006
2007
2010
2007
06.07.2007
07.07.2007
2010
2007
2008
08.08.2008
10.10.2010
Mehl, Butter, Zucker, Eier …
Diesen Kuchen hat Heera schon seit Jahren nicht mehr gebacken, aber jetzt, wo sie einmal angefangen hat, erinnert sie sich wieder an die Zutaten und an die Mengen.
Alles zusammen zu einem Rührteig mischen, in eine eingefettete Kuchenform geben und bei hundertfünfzig Grad für fünfundsechzig Minuten backen.
Mit einem großen Glas Wasser setzt sie sich hin. Ihr Zustand erlaubt ihr nicht, so lange zustehen.
Ein ziehender Schmerz im Rücken, die Füße sind angeschwollen und sie fühlt sich sehr aufgebläht.
Ihre Hand streichelt über den gewölbten Bauch und Heera weiß, dass es nicht mehr lange dauern wird.
Die Freude ist groß, aber gleichzeitig ist auch die Angst da.
Es ist lange her, schon über neun Jahre, dennoch hat Heera nichts davon vergessen, die Schmerzen, die Geburt und dann alles danach.
Es wird gesagt, dass ein Kind zu gebären leichter wäre, als es zu erziehen.
Doch für Heera trifft das bisher nicht zu, Sona war nie ein schwieriges Kind.
Es gab zwar Tage, an denen Heera dachte, als Mutter zu versagen, aber schon bald bekam sie die Bestätigung, alles richtig gemacht zu haben.
Dafür hatte sie sehr lange und hart gearbeitet, viele Ratgeber gelesen, mit erfahrenen Müttern gesprochen und auch ihre Instinkte eingesetzt.
Sona ist ein liebenswertes und kluges Mädchen.
Es ist ein lauwarmer Vormittag, obwohl es Oktober ist.
Heera hat es sich gerade auf der Terrasse gemütlich gemacht, als Sona die Treppe herunter gerannt kommt.
»Hier riecht es ja lecker, machst du Kuchen?«
»Einen Schokoladenkuchen, aber es dauert noch ein paar Minuten.«
Sona rennt zum Esstisch, wo eine Schale mit Obst steht, nimmt einen Apfel und rennt wieder zurück.
Andere Frauen redeten ihr ein, dass Sona nicht genug esse, aber mittlerweile weiß sie, wenn Sona Hunger hat, isst sie alles und so viel, wie sie braucht.
Sona streichelt den Bauch ihrer Mutter.
»Bald habe ich ein Brüderchen oder Schwesterchen!«
Das verkündete sie fast jeden Tag.
Bei Sonas Geburt wollte Heera unbedingt wissen, was es wird, sie hat sich ein Mädchen gewünscht.
Diesmal lässt sie sich hingegen gern überraschen. Aber innerlich weiß sie, was sie bekommt.
Bei diesen Gedanken muss sie lächeln.
Mac macht die Augen auf und bemerkt, dass es noch dunkel ist, dennoch setzt sie sich hin.
In letzter Zeit hat sie ein leeres Gefühl in sich.
Sie blickt zu Alistair, der neben ihr tiefenentspannt schläft.
Oh man, sieht er jung aus, noch jünger als er ohne schon ist.
Gedankenverloren geht sie durch sein dunkelblondes Haar, dabei lächelt er im Schlaf. Sie küsst ihn.
Auch er kann die Leere nicht füllen, aber der Sex mit ihm ist berauschend.
»Ich hätte noch eine halbe Stunde Zeit für Runde drei«, flüstert sie in sein Ohr.
»Man! Das ist wirklich romantisch.«
Er dreht sich auf die andere Seite um.
»Seit wann bist du romantisch?«
»Seit du gesagt hast, dass du mehr willst als geheime Sex-Treffen.«
Sie setzt sich wieder hin und dreht ihm den Rücken zu.
»Alistair, ich wollte dir sagen, woran du bist. Ich möchte heiraten und Kinder haben. Ich möchte ein Haus … ein Heim haben.«
Schweigend dreht er sich zu ihr um.
»Ich kann verstehen, wenn du das als Dreiundzwanzigjähriger nicht haben willst oder zumindest noch nicht haben willst. Aber ich bin schon fast dreißig und …«, sie beendet ihren Satz nicht und will gerade aufstehen, als er ihren Oberarm packt und sie zu sich zieht.
»Also für die dritte Runde hätte ich auch noch Zeit.«
Lächelnd sagt sie: »Du hast noch zwanzig Minuten.«
»Ich schaff es in zehn.«
Gehetzt kommt sie zu der Besprechung, die schon angefangen hat.
»Schön, dass Sie uns beehren, Agent Mac«, sagt Roy sarkastisch.
»Die Ehre ist ganz auf meiner Seite.«
Mac hat als Agentin gelernt, sich nie zu entschuldigen, bei den männlichen Kollegen kommt es als Schwäche rüber.
Vor den Kopf gestoßen, räuspert sich Roy.
»Nun gut. Ich fahre fort. Du kannst den Bericht nachher bei mir abholen.«
Sie nickt.
»Die Sicherheitskameras sind hier, hier und hier. Auf dem Stockwerk …«
Mac setzt sich neben ihren langjährigen Kollegen Kay und nickt ihm kurz zu.
»Guten Morgen Mac, du siehst müde aus.«
»Bin ich auch.«
Müde von diesem Leben, würde sie am liebsten ihm sagen.
Müde von diesen Missionen.
Auch wenn Kay und sie ein gutes Team sind, kennen sie sich nur auf der beruflichen Ebene.
Sie zieht ihren schwarzen Blazer aus und hängt ihn an die Stuhllehne.
»Du sieht aus wie aus dem Ei gepellt«, bemerkt sie.
Er hat einen blaugrauen Anzug mit weißem Hemd an, was seine blauen Augen noch mehr betont.
»Ich dachte, für diese besondere Besprechung sollte ich mich mal herausputzen.«
Er geht durch seine dunkle Haaren.
Mac versteht seinen Sarkasmus und lächelt.
Sie kennen solche Missionen zu gut. Routineaufgaben. Daher sitzen auch nur noch zwei Agenten da, einer ist für das Protokoll zuständig und der andere gibt ihnen nachher die Ausrüstung.
»Operation Wildfang fängt Punkt vierhundert an, noch Fragen?«
Keiner rührt sich, sie alle wollen nicht nochmal den umfangreichen Bericht von Agent Roy hören, den er vor jeder Mission wiederholt.
»Na, dann viel Glück und kommt wieder heim«, sagt Roy und geht auf Mac zu. »Das ist schon das dritte Mal, dass du zu spät zu deiner eigene Missionsbesprechung kommst.«
»Solche Aufgaben können wir mit verbundenen Augen erledigen und wir kennen deinen Dialog auswendig«, sagt sie teilnahmslos und kritzelt in ihrem Block.
»Du weißt ganz genau, dass immer etwas Unerwartetes passieren kann«, Roys Stimme ist bestimmt, aber leise. »Mir liegt sehr viel an eurer Sicherheit.«
»Ist gut, ich hab es verstanden.«
Sie guckt ihn böse an.
Ohne ein Wort gibt er ihr ein Blattpapier, wo alles stichpunktartig aufgelistet ist.
»Was ist mit dir«, fragt Kay, als sie alleine sind.
»Nix!« Sie geht mit beiden Händen durch ihre kurzen schwarzen Haare.
»Er tut ja so, als ob wir gegen eine Arme antreten. Wir beschaffen nur ein paar Unterlagen aus einem klitzekleinen Büro.«
Dabei macht sie mit Daumen und Zeigefinger ein Zeichen.
Er guckt sie an.
»Was ist?«, fragt sie genervt und steht auf.
»Ich frage mich, was du mir nicht sagen willst und ob du erwartest, dass ich selbst drauf kommen soll.«
»Es ist nichts, komm, lass uns Frühstücken.«
Sie nimmt ihren Blazer und marschiert in die Mensa.
Mac und Kay holen ihr Frühstück und setzen sich an einen Tisch.
»Weißt du noch …?«
»Weißt du noch …?«
Beide fangen mit dem Satz an, hören auf und lächeln.
»Fang du zuerst an.«
»Fang du zuerst an.«
Kay lächelt, schließlich sagt Mac:
»Weißt du noch, wie wir rekrutiert wurden? Es ist lange her.«
»Findest du? Ich erinnere mich noch so gut daran, als ob es gestern gewesen wäre.«
»Meinst du das ernst? Du kannst doch damals höchstens sechs gewesen sein!«
»Ich war fünf Jahre alt, wie die Meisten unserer Kollegen hier, und sehr neugierig auf die International Agency (IA)«, sagt er und nimmt einen Schluck Kaffee.
»Ich war fast schon sieben und ich kann mich an die Angst erinnern, die ich hatte.«
Kay setzt seine Kaffeetasse ab und sieht sie überrascht an.
Sie lächelt bitter. »Ja, ich habe auch mal Ängste.«
Bevor die Mission losgeht, möchte sie etwas im Magen haben, aber heute ist einer dieser Tage, wo der Gedanke, dass sich was verändern muss, ihr den Appetit nimmt, also schiebt sie die Müslischale von sich und redet weiter.
»Meine Eltern kamen bei einem Brand ums Leben und die Agency war nicht das Zuhause, das ich kannte.«
»Wie war es?«, fragt Kay neugierig. »Eine Familie zu haben.«
»Genauso wie in den Filmen und Büchern: eine liebevolle fürsorgliche Mutter, der hart arbeitende Vater, ein warmes geborgenes Heim und meine kleine Schwester und ich gut behütet.«
»Was du gerade beschreibst, klingt wie etwas, was erfüllend sein muss. Das wünsche ich mir auch«, murmelt er nachdenklich.
»So was höre ich zum ersten Mal von dir«, bemerkt sie verwundert.
»Genau wie ich.«
»Seit Längerem habe ich so ein leeres Gefühl in mir. Ich will mehr.«
Diesen Gedanken hat er ebenfalls schon öfter gehabt, aber was wäre die Alternative?
Er kann sich nicht vorstellen, ohne die Arbeit zu sein, ohne die Agency, das ist das Einzige, was er kennt.
»Wie lange denkst du schon darüber nach?«
»Schon’ne ganze Weile …«, sie beugt sich etwas vor und spricht leise.
»Denkst du nicht auch, es sollte mehr geben als nur die Arbeit bei der Agency?«
Kurz verweilt er in seinen Gedanken. Im Gegensatz zu Mac hat er nie eine Familie kennengelernt, bereits als Baby kam er ins Waisenheim.
Mac versteht Kays Schweigen offenbar als Missbilligung, denn sie fährt schnell fort:
»Kay, versteh mich nicht falsch, ich mag meine Arbeit. Wir haben schon so viele Leben gerettet, etliche terroristische Anschläge verhindert. Auch wenn keiner sonst davon weiß, weiß ich, dass die Arbeit bei der Agency sehr wichtig ist. Dennoch möchte ich eine Familie.«
»Willst du die Agency verlassen?«
Mac hat einen bitteren Geschmack im Mund.
»Es gibt doch auch Agenten, die eine Familie haben und noch bei der Agency sind«, fügt Kay schnell hinzu.
»Hey ihr zwei!«
Das plötzliche Erscheinen von Roy, löst Mac von ihren Gedanken.
»Bitte holt eure Ausrüstung für die Mission.«
Er geht die Liste auf seinem Pad durch und hakt etwas ab bevor er weiterspricht:
»Es ist kalt in L.A., also zieht euch warm an.«
Kay lächelt zu Mac und sagt:
»Genau wie deine Mutter.«
Das bewirkt, dass Mac sich entspannt, lächelnd sagt sie:
»Der Flug ist echt lang bis dahin, ich hoffe, es lohnt sich.«
»Ihr könnt im Flieger schlafen.«
Roy schaut immer noch auf das Pad und rattert seinen Standardmonolog herunter.
»Ihr seid auf euch allein gestellt, daher geht kein unnötiges Risiko ein.«
Er wischt wieder auf seinem Pad.
»Eure Mission besteht darin, relevante Daten zu beschaffen und nicht mehr.«
Kay steht auf und ragt einen ganzen Kopf größer als Roy auf.
»Wir schaffen das schon.« Er legt seine Hand auf seine Schulter. »Mach dir nicht so viele Sorgen, Roy.«
Roy blickt ihm ins Gesicht und lächelt erleichtert.
Operation Wildfang
Es ist eine winterlich kühle Nacht. Zu dieser Jahreszeit liegt in Los Angeles für gewöhnlich Schnee, aber dieses Jahr ist noch keiner gefallen. Es sieht auch nicht so aus, als ob das noch der Fall wäre, denn in drei Tagen ist das Jahr zu Ende.
Mac und Kay lassen sich von einem Hochhaus aus dem dreißigsten Stock von außen abseilen. Sie landen im zweiundzwanzigsten Stockwerk. Hier liegt das Büro von einem Bankier.
Das Fenster ist nicht verschlossen, daher kommen die beiden leicht rein und gehen an ihre Mission.
»Du hast mich überrascht«, sagt Kay, als er im Schreibtisch nach Beweisen für die Mitverschwörung zu einem Attentat sucht.
»Als du sagtest, dass du dir eine Familie wünschst.«
Mac durchforstet den großen Schrank, der direkt neben der Tür steht, und schweigt.
Im Flur vor dem Büro hören sie Schritte auf sie zukommen.
Mac und Kay sehen sich für einen Augenblick an und das genügt, damit beide wissen, was zu tun ist.
Er springt mit dem Rücken voran aus dem geöffneten Fenster. Beim Springen, schießt er fast geräuschlos den Hacken in die Außenwand. Das Seil befestigt er an seinem Hüftgürtel.
Indem Moment springt Mac kopfüber in seine Arme.
Jemand betritt den Raum, macht das Licht an und das Fenster zu.
Mac und Kay, die vor einem Fenster im einundzwanzigsten Stock hängen, können gedämpft hören, wie die Person im Büro einen Tresor öffnet, Papierrascheln folgt und der Tresor wird wieder geschlossen.
»Ich habe dich deswegen überrascht, weil du mich nie als einen Menschen mit Bedürfnissen angesehen hast, sondern nur als eine Agentin.«
Mac nimmt die Unterhaltung nahtlos wieder auf, als das Licht über ihnen ausgeschaltet wird und die Person geht.
Sie klettern wieder hinauf und machen dort weiter, wo sie aufgehört haben.
Mac knackt geschickt den Tresor und Kay fotografiert alles, was in einer Akte ist.
Sie haben wenig Zeit, daher überfliegen sie die Dokumente, bis Mac aus dem Tresor einige zusammengerollte Din-A3-Blätter heraus holt.
»Es sieht wie ein Plan aus«, murmelt sie.
Sie verlassen den Raum, so lautlos und unerkannt, wie sie ihn betreten haben.
In der IA herrscht eine bedrückende Atmosphäre, das spüren alle.
Bei der Besprechung bemerkt Kay, dass Roy angespannt auf seinem Laptop tippt.
Er sitzt ganz allein an einem großen Schreibtisch und geht durch sein schütteres Haar, dabei wirkt er älter als er ist.
»Seit dem Einbruch in dem Büro sind fast zwei Monate vergangen. Das ganze Material, das uns Team T mitgebracht hat, wurde inzwischen gründlich analysiert und bearbeitet«, fängt Roy mit seinem Bericht an.
Der große Besprechungsraum ist randvoll.
»Zur Erinnerung: Das Büro gehört einem Bankier namens Erik von Lichtenstein. Wir haben ihn wochenlang beschatten lassen, bis er sich in sein Haus auf Hawaii zurückgezogen hat«, Roy macht eine Pause und zeigt auf das Display, das fast die ganze Wand einnimmt. Er steckt sich ein Stück Schokolade in den Mund, bevor er weiterredet.
»Auf sein Konto wurden letztes Jahr hundertsiebzig Millionen Dollar eingezahlt, von wem, das wissen wir nicht. Noch nicht. Natürlich ist das alles legal, wäre da nicht die Tatsache, dass er Verbindung zu Neonazis hat.«
Ein leises Murmeln geht durch die Menge:
Das alles wissen wir doch schon … Es ist was Großes geplant … Was gibt es neues?
»Die Rolle mit den Blättern, die ihr fotografiert habt«, er schaut zu Mac und Kay, »ist ein Plan von einem Flughafen. Um genau zu sein, vom Frankfurter Flughafen in Deutschland.«
Für kurze Zeit wird es sehr still in dem Raum.
Mac ist die Erste, die wieder spricht:
»Also ist ein Attentat in Deutschland geplant.«
»Wir sind uns nicht sicher.« Er guckt sie streng an. »Aus den Unterlagen von Lichtenstein geht hervor …«, er kaut und redet. »… dass eine Übergabe am Frankfurter Flughafen stattfinden soll.«
»Für wann ist das geplant?«
Da Roy’s Mund voller Schokolade ist, übernimmt seine Kollegin Agent Geneviéve die Weiterführung und man hört ihren französischen Akzent deutlich heraus.
»Genaues Datum weissen wir nischt. Cependant, hat Team D eine Route von’nem Informateur gefuunden. Ein Flug von New York über Deutschland bis zur Ukraine. Und ein, Merde … Name von’nem Membre der Nazis.«
»Das Ziel der Nazis war es immer, die Ausländer in Deutschland abzuschlachten. Jetzt, wo sie Sympathisanten in Taiwan haben, wird Ihnen die Angelegenheit erleichtert«, sagt Roy und guckt wehmütig in die leere Schokoladenschachtel.
Wieder kehrt Stille ein.
»Soweit die aktuellsten Informationen.«
»Das alles wissen wir doch schon, auch, dass wir das Datum nicht wissen.« Mac wirkt leicht gereizt. »So viel Arbeit und wir kommen keinen Schritt weiter.«
»Mon Chéri, patience. Du muss Geduldig sein«, sagt Geneviéve. »Manchmal brau’t es Zeit.«
»Und in der Zwischenzeit haben sie das Attentat vollzogen und wir üben uns in Geduld«, sagt Mac schnippisch.
»Das Datum für die nächste Besprechung teile ich euch per Mail mit, für heute ist die Sitzung beendet«, sagt Roy und gibt Mac ein Zeichen, dass sie noch bleiben soll.
»Roy, erspar mir deinen Vortrag.«
»Ich will nur wissen, was mit dir los ist.«
»Nix!«
Er schüttelt die leere Packung, als ob da noch ein Stückchen Schokolade durch Zauberhand herausfällt.
»Du wirkst so gereizt und frustriert, ich weiß nicht, wie ich mit dir umgehen soll.«
Er setzt sich aufrecht und guckt ihr ins Gesicht.
»Es gibt kein Attentat, zumindest haben wir keinen Anhaltspunkt und du behauptest es ohne Grund. Das ist nicht professionell, ich muss dir einen Verweis geben und es wird in deiner Akte stehen.«
»Tu, was du nicht lassen kannst.«
Sie steht auf und er ruft ihr hinterher.
»Mac, du bist einer der besten Agenten hier, du kannst Großes bewirken …«
»Mal daran gedacht, dass ich das alles nicht haben will!«, unterbricht sie ihn hastig.
»Wieso? Ich verstehe dich nicht, rede mit mir.«
»Nein!«
Sie verlässt hastig das IA-Gebäude.
Mac wirft ihre Jacke auf die Couch und bemerkt, dass noch jemand in ihrer Wohnung ist.
»Waren wir verabredet?«, fragt sie als Alistair klatschnass aus dem Bad kommt, dann steckt sie ihre Waffe in das Halfter und legt beides auf den Tisch.
»Ich hab dich schon lange nicht mehr gesehen, und da ich gerade aus einer Mission komme, dachte ich, ich schau mal bei dir vorbei.«
»Ich hab jetzt keinen Nerv für so was.«
Sie geht in ihr Schlafzimmer und holt ihm ein Handtuch.
Er reibt seine dunkelblonden Haare ab und setzt sich mit dem nassen Körper auf die Couch.
»Läuft es nicht gut mit deiner Mission?«
»Wir kommen nicht weiter.«
Sie holt aus der Küche zwei Gläser Saft.
»Ich komme nicht weiter.«
Sie setzt sich neben ihn und gibt ihm ein Glas.
»Nicht mit der Mission, nicht mit meinem Leben, nicht mit mir.«
»Warum setzt du dich so unter Druck?«, fragt er leise.
»Ich bin unglücklich, das hat nix mit Unterdrucksetzen zu tun.«
Sie nimmt einen großen Schluck.
»Du hast deine Arbeit geliebt.«
»Jetzt liebe ich es nicht mehr«, sagt sie sauer.
Er trinkt auch und nachdenklich fragt er:
»Hast du mal an Kay gedacht?«
»Was ist mit ihm?«
»Ohne dich ist er halb so gut.«
»Er wird schon zurechtkommen.«
Sie legt ihre Füße auf den Couchtisch.
»Hast du mal überlegt mit ihm eine Beziehung einzugehen?«
Sie guckt ihn irritiert an. »Das ist nicht dein Ernst, oder?«
»Wieso nicht? Ihr passt so gut zusammen.«
»Nur bei der Arbeit.«
»Hattest du nie Gefühle für ihn?«
»Du klingst eifersüchtig.«
Er lächelt.
»Kay und ich sind ein gutes Team, das ist alles.«
Sie stellt ihr Glas auf dem Tisch ab und guckt ihn an.
»Obwohl wir uns schon mal nackt gesehen haben.«
Er legt sein Glas ebenfalls beiseite.
»Ich hab ihn mal überrascht, als er aus der Dusche kam.«
Sie erzählt ihm nicht, dass Kay sie auch mal überrascht hat, als sie duschen gehen wollte, und seitdem haben sie einen Insider-Witz zusammen.
»Wir sind Partner, seit ich denken kann. Von Kind an hat die IA erkannt, dass wir gut zusammenarbeiten können, aber …« Sie setzt sich rittlings auf seinen Schoß. »… es Kribbelt nicht, wenn er mich berührt.«
Sie legt seine Hände an ihre Hüften und er gleitet unter ihr T-Shirt. Sie küsst ihn sanft und lange, bis ihr klar wird, dass sie das nicht mehr machen wollte.
Langsam nimmt sie seine Hände aus ihrem T-Shirt und steht wieder auf.
»Du solltest jetzt gehen.«
»Mac, ich versteh das nicht.«
Sie guckt ihn mit großen Augen an und sagt mit Bedauern:
»Genau, das ist ja das Problem: Keiner versteht mich.«
Mac konnte die ganze Nacht kein Auge zu tun.
Gerädert kommt sie in das Hauptquartier der IA in Norwegen.
»Was ist hier los?«, fragt sie Kay.
»Roy wurde beurlaubt.«
»Der Stress war zu viel für ihn«, sagt sie und setzt sich gegenüber von Kay an den Schreibtisch.
»Er hat sich nicht mehr an den Trainings- und Ernährungsplan gehalten, ist dem Zucker verfallen.«
»War er nicht mal im aktiven Dienst? Er hat immens zugenommen.«
Die IA ist keine gewöhnliche Organisation, sie kennt und unterstützt ihre Mitarbeiter. Sie weiß auch, wie sie mit jedem ihrer Agenten umzugehen hat.
Keiner wird unterdrückt oder erniedrigt oder ausgebeutet.
Es herrscht keine Machthierarchie, die korrumpiert oder ausgenutzt werden könnte.
Die Arbeit ist zu wichtig, um persönliche Vorteile daraus zu ziehen, denn es geht um das Wohl aller Menschen.
Diese Mission hatte bis dahin Roy geleitet, doch er kann ersetzt werden, wenn es für ihn zu persönlich oder stressig wird.
Deswegen übernehmen Mac und Kay die Leitung und gehen zum hundertsten Mal die gesammelten Daten von Lichtenstein durch.
Die IA legt viel Wert auf Transparenz, daher sind alle Räumlichkeiten so aufgebaut, dass jeder jedem bei der Arbeit zuschauen kann, so entstehen keine Missverständnisse.
Die Schreibtische von Mac und Kay liegen einander gegenüber, was Mac heute ziemlich unangenehm ist, denn Kay blickt ständig in ihre Richtung.
»Hab ich was im Gesicht?«, fragt Mac gereizt.
»Ich schulde dir noch eine Antwort.«
Sie guckt ihn stumm an.
»Als wir im Büro von Lichtenstein waren, sagtest du, dass ich dich als Agentin sehe und nicht als Mensch.«
Er macht eine Pause und sieht in ihr Gesicht.
»Ich habe dich immer als Mensch gesehen.«
»Ach ja? Und wie heiße ich?«
»Mac«, antwortet Kay automatisch.
»Unser erster Trainer in Norwegen, wie alt waren wir da? So sieben oder acht Jahre?«
»Ich war sechs.«
»Ach ja, ich vergesse immer, dass du zwei Jahre jünger bist als ich«, sagt sie mild.
»Wie auch immer. Der Trainer konnte meinen Namen nicht richtig aussprechen, daher hat er meinen Vor- und Nachnamen zu einem männlichen Spitznamen zusammengezogen. Den Namen, den auch du und die anderen verwenden.«
Kay nickt. »Dennoch kenne ich deinen Namen: Manal Chaudry.«
Als er ihr überraschtes Gesicht sieht, leuchten seine blauen Augen. Es ist lange her, dass er sie überraschen konnte.
Als sie von fünfzig Kindern ausgewählt worden sind, um die Ausbildung als Agenten zu machen, war er schneller, klüger und stärker.
Doch bald holte sie ihn ein und wurde klüger und schneller.
Er ist immer noch stärker als sie.
»Damit will ich aber nicht sagen, dass ich dich kenne.«
Er stemmt seine Ellbogen auf den Schreibtisch.
»Im Gegenteil, ich kenne dich nicht.«
Sie guckt ihn an und macht einen Terminator-Scann:
1,84 cm groß, 76 kg, mehr Muskeln als Fett, dunkelbraune Haare und blaue Augen.
Wenn meine Kinder diese blauen Augen hätten.
Ihr gehen die Worte von Alistair durch den Kopf: Was ist mit Kay?
»Genau wie ich. Ich weiß, wie du kämpfst, und kenne die meisten deiner Strategien in Missionen, aber deine Wünsche oder Ziele …«