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Der wohlhabende Herr Dusedann ist auf dem besten Weg für immer Single zu bleiben. Denn seine Leidenschaft liegt bisher darin, lebendige Vögel zu sammeln. Das nicht jede Frau bei diesem Hobby Luftsprünge macht ist ein Klischee, aber die traurige Wahrheit. Sein größter Wunsch ist ohnehin ein sprechender Papagei. So mach er sich auf die Suche nach diesem einzigartigen Vogel - doch finden wird er am Ende noch viel mehr...
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Seitenzahl: 26
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Heinrich Seidel
Rotkehlchen
Heinrich Friedrich Wilhelm Karl Philipp Georg Eduard Seidel war ein deutscher Ingenieur und Schriftsteller.
Herr Dusedann war zweiunddreißig Jahre alt und im besten Begriff, ein Junggeselle zu werden. Er besaß ein großes Vermögen, und obgleich er aus diesem Grunde keinen bestimmten Beruf erwählt hatte, so waren seine Tage dennoch dermaßen mit Thätigkeit und Arbeit angefüllt, daß er zu Heiratsgedanken gar keine Zeit fand. Daran war aber seine große Sammelleidenschaft schuld und ein ihm innewohnender Drang, alles ins Gründliche zu treiben. Verwandte besaß er keine mehr, außer seiner etwas altmodischen Tante Salome, die stets eine schneeweiße Haube und hellblonde Seitenlöckchen trug und von einer ewigen Unruhe erfüllt war. Trotz ihres Alters war sie sehr flink auf den Beinen und klimperte den ganzen Tag mit ihrem Schlüsselbund treppauf treppab vom Boden in den Keller, von der Küche in die Kammer. Dann saß sie plötzlich wieder in ihrem sauberen Zimmer und nähte, aber ehe man es sich versah, hatte sie Hut und Mantel angethan und war fort in die Stadt, hetzte die Verkäufer in den Läden, daß sie nur so flogen, und war mit einer merkwürdigen Geschwindigkeit aus den entferntesten Gegenden wieder zurück. Sie konnte laufen wie die Jüngste, und betrieb dies auch in solchen Momenten, wo im Drange der Geschäfte ihr solches notwendig erschien. Es war dann seltsam zu sehen, wie die alte Dame den Korridor entlang huschte, daß die Löckchen flogen, oder wenn sie mit flinken Füßen die Treppe hinabschnurrte.
Sie achtete alle Neigungen und Liebhabereien ihres Neffen wie Heiligtümer, sie kannte alle seine Lieblingsgerichte und kochte sie in anmutiger Abwechslung, sie schob unter alle seine Gewohnheiten und Wünsche sanfte Kissen der Zuvorkommenheit, kurz, Herr Dusedann hätte sich in dieser Hinsicht wie im Himmel fühlen müssen, wenn er nicht von Jugend auf daran gewöhnt gewesen wäre, und deshalb solchen Zustand für selbstverständlich hielt. Da nun alle Unzuträglichkeiten des Junggesellenstandes für ihn wegfielen, seine mannigfaltigen Liebhabereien ihn mehr als genügend beschäftigten und außerdem eine angeborene Schüchternheit ihn den Verkehr mit dem weiblichen Geschlechte meiden ließ, so ist es nicht zu verwundern, daß Herr Dusedann sich ganz wohl fühlte und nicht im mindesten darauf verfiel, eine Veränderung dieses Zustandes anzustreben.