Saarlouis 300 - Alfred Gulden - E-Book

Saarlouis 300 E-Book

Alfred Gulden

0,0

Beschreibung

SAARLOUIS 300 - Historische Revue ist ein Bilderbogen der wechselvollen Geschichte dieser Stadt, zwischen Frankreich und Deutschland an der Grenze gelegen. Dem Autor ist ein spannungsreicher, sinnlicher Geschichtsunterricht gelungen aus dem Blickwinkel "derer von unten", der sogenannten kleinen Leute, die sonst in Geschichtsbüchern nicht auftauchen oder nur als Randfiguren. Es ist ein Stück über die Geschichte der Bürger dieser Stadt, nicht nur für ihre Bürger, sondern für alle, die diese außergewöhnliche Stadt kennen lernen wollen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 163

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Alfred Gulden, 1944 in Saarlouis / Saar geboren, studierte Neuere Germanistik, Theater- und Sprechwissenschaft. Er lebt als freier Schriftsteller und Filmer in München und im Saarland. Er erhielt für seine Arbeit u. a. den Bayerischen Staatlichen Förderpreis für Literatur (1982), den Deutsch-Französischen Journalistenpreis (1983), den Stefan-Andres-Preis (1986), den Kranichsteinpreis / New York Stipendium (1990), den Kunstpreis des Saarlandes (1994). Er ist Chevalier de L’ordre des Arts et des Lettres (1999) und Mitglied des P.E.N. Im Allitera Verlag ist 2009 sein Roman »Die Leidinger Hochzeit« erschienen. Ausführliche Angaben zu Leben und Werk auf www.alfredgulden.de.

ALFRED GULDEN

SAARLOUIS 300

HISTORISCHE REVUE

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, Verfilmung und Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Abschnitte. Das Recht der Aufführung oder Sendung ist nur vom Autor zu erwerben. Den Bühnen und Vereinen gegenüber als Manuskript gedruckt. Dieses Exemplar kann, wenn es nicht als Aufführungsmaterial erworben wird, nur kurzfristig zur Ansicht entliehen werden.

Weitere Informationen über den Verlag und sein Programm unter:www.allitera.de

Dieses Buch erschien erstmals 1980 im SDV Verlag, Saarbrücken

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

März 2010 Allitera Verlag Ein Verlag der Buch&media GmbH, München © 2010 Buch&media GmbH, München Umschlaggestaltung: Kay Fretwurst, Freienbrink Herstellung: Books on Demand GmbH, Norderstedt Printed in Germany · ISBN 978-3-86906-316-4

INHALT

_____________

Bild 1

DER HALLEYSCHE KOMET ODER WAS WIRD AUS SAARLOUIS WERDEN

Bild 2

N ODER DER EWIGE ELENDE NARR

Bild 3

DER FAMILIE DUMAS NACHTGEBET

Bild 4

FLÄÄSCH? FLÄÄSCH.

Bild 5

KREJCH

Bild 6

DER FRIEDE, DER SAARLOUIS ARME UND BEINE ABSCHLUG.

Bild 7

AUS DER TRAUM

Bild 8

DAHÄM, WAS IS DAS?

Bild 9

EINE ZEIT WIRD KOMMEN

Bild 10

VERFÄLLT IN ELEND, STIRBT IN ARMUT

Bild 11

HORRASSA UND SCHNABELIENER

Bild 12

EIN FEST? EIN FEST

Bild 13

DAS GROSSE FEST

Bild 14

DIE GUILLOTINE WIRFT EINEN SCHATTEN

Bild 15

PARIS ODER ROM

Bild 16

SCHRECKENSZEIT

Bild 17

N. A. P. O. L. E. O. N.

Bild 18

MAI BOU NET

Bild 19

RUSSLAND: LÒÒ HADDA SICH IWWAHOLL!

Bild 20

LA GRANDE ARMEE – EN LOMPEN HÄM

Bild 21

ES IST EIN SCHNITTER, DER HEISST TOD

Bild 22

WATERLOO – PREUSSISCH SAARLOUIS

Bild 23

REGLEMANG

Bild 24

SPARTANISCHE SUPPE

Bild 25

IM MORGENGRAUEN

Bild 26

WIEDER KRIEG

Bild 27

IM LAZARETT

Bild 28

DER HERR IST DER RECHTE KRIEGSMANN

Bild 29

HANDEL UND WANDEL – AN SAARLOUIS VORBEI

Bild 30

OST UND WEST: EIN GROSSES PATRIOTISCHES SCHAUSTÜCK AUS DER GEGENWART

Bild 31

STEMPELNGEHN – STEMPELNSTEHN

Bild 32

STATUS QUO ODER NIX WII HÄM

Bild 33

SAARLOUIS-SAARLAUTERN 1000 JAHRE

Bild 34

SICH ÄNNAN? – WAT DANN?

Bild 35

URKUNDEN

Bild 36

JA-SAGER UND NEIN-SAGER

Bild 37

23. OKTOBER 1955

Bild 38

SAARLOUIS-VENEDIG – LETZTES MAL

Bild 39

AUF DEM GROSSEN MARKT

Bild 1

____________

DER HALLEYSCHE KOMET ODER WAS WIRD AUS SAARLOUIS WERDEN

(Die leere Bühne offen. In vollem Licht. Langsam erlischt das Licht im Zuschauerraum. Nach einer Weile wird es auch auf der Bühne dunkel. Der GESTIRNTE NACHTHMMEL erscheint. Plötzlich: Menschen strömen auf die Bühne. Schattenrisse. Sie bilden Gruppen.)

PATER RENARD: Dieser Morast! Dieser Morast!

DE CHOISY: Was Sie bejammern, ist Grund, daß wir hier sind! Aber schauen Sie hoch! Eine sternklare Nacht! Der gestirnte Himmel. Gute Voraussetzungen.

PATER RENARD: Auch wenn ich nach oben schaue, der Morast bleibt unter meinen Füßen!

DE CHOISY: Aber Pater Renard, Sie sind doch Gelehrter! Sie sind doch Gelehrter!

PATER RENARD: Mit beiden Beinen fest auf der Erde! (Beide lachen)

DE CHOISY: Bald, bald. Und Sie werden hier festen Boden unter den Füßen haben. Bald. Und Sie werden das hier nicht mehr wiedererkennen!

HAYEM LEWY: Daß de Hòòa kackscht! Sackschbijelcha, Klappmässacha, Halsdiichelcha, Sackdiichelcha, scheene, Deescha, Schuubändelcha, Nòòdele, Schbingele, Nääz un Fissel! O Adonai! Daß de Hòòa kackscht! O Cerf! Alles wäch! Alles wäch! Ratzekaal! Nix me iwrich! Daß de …

CERF WORMS: (fällt ein) Is schon gutt! Is schon gutt! Soo ain Geschäft! Un alles han dii Soldaaten abkaaft?! Alles!? Of ääne Schlach? O daß de! O du häälija Schdroosack!

HAYEM LEWY: Ich kennt ma jò sälwa en de Hinnere dreede, daß ich nit mee hòtt! Dii hädden alles kaaft! Alles! Wii varickt! O, daß ich aach nit mee debai hòtt! O Cerf! Ich komme widda! Schnäll wii da Wind bin ich widda dòò! Daß de …

CERF WORMS: (fällt ein) Hòòa kackscht!

THILMANN MERTEN: Wääsen dia dann wat dat hääscht! 670 Bätta! Wääsen dia wat dat hääscht?! Machen auch mòòln Bild! Simon, schdräck dai Aarmen mòòl aus! Soo. Wann jeed Bätt graad soo bräät wääa wiim Simon sai Aarmen un dat 670 mòòl neewenanna! Dann han dat! 670 Bätta! Aich han gedänkt, maich träfft da Schlach! Kemmt dääa dòch en de Wärkschdatt ren un saat: 670 Bätta gäänga brauchen! Dat wòòa sevill fo äämòòl! Of dat Gesicht wat aich geschniit han, hat dääa geweß gemännt, aich gäängem dat net glääwen! Soo änt muß aich geschniit han! Wird alles bezahlt, gut und sofort! Hadda gesaat. 670 Bätta! Wai schdeen aich dòò. Schdälln auch mòòl vooa, allään dat Holz, dat woo dòò drof get! Un dann! Aaichene Bätta! Äppes Schdabiiles, hadda gesaat.

SIMON SCHLINK: Un wann muscht dau liwan?

THILMANN MERTEN: Dat es et jò! Dat es et jò! Dääa maan dii dòch soo schnäll wiit get! De heekscht Tabeet! Allään brengen aich dat net dahin! Dòò brauch aich Hilf! Dòòfoa han aich auch jò gefròòt! Dòòfoa wollten mia jò haut aach en de »Engel« geen! Awa wänn dii all hej schdeen un loun! Dann waaten mia dòch aach nòch en Momänt! 670 Bätta! 670 Schdeck! Of äänen Schlach! Mia gen nòch raich! Schdäänraich!

SIMON SCHLINK: Je, je!

FRAU DUMAS: Pierre! Philippe! Pierre! Philippe! Diese Kinder!

JEAN DUMAS: Laß sie doch! Laß sie doch umherlaufen! Es sind doch Kinder!

FRAU DUMAS: Sehen Sie, so ist er! Die Kinder dürfen alles! Alles dürfen die Kinder! Es ist doch schon dunkel! Und dann dieser Morast!

PIERRE PASCAL: (unsicher zwischen Nicken und Kopfschütteln)

FRAU DUMAS: Sie haben keine Kinder! Sie Glücklicher! Sie haben keine!

JEAN DUMAS: Er wird auch einmal welche haben. Stimmts? Er will sicher auch einmal Kinder.

PIERRE PASCAL: (verlegen) Ja, also, sicher.

JEAN DUMAS: Für wen arbeiten wir denn? Für wen machen wir alles? Doch für die Kinder! Die Zukunft!

FRAU DUMAS: Die sieht im Augenblick aber noch (sie schaut zu Boden) na, ja …

JEAN DUMAS: Da bin ich gegenteiliger Ansicht. Diese Stadt …

FRAU DUMAS: Das nennst du Stadt?

JEAN DUMAS: diese Stadt, diese werdende Stadt wird Zukunft haben. Da bin ich sicher. Mehr als sicher. Glauben Sie mir, Pierre Pascal, ich habe so etwas in der Nase! Ich habe eine gute Nase für so etwas! Und meine Nase sagt mir: Saarlouis hat Zukunft!

PIERRE PASCAL: (nickt bedächtig)

FRAU DUMAS: Pierre! Philippe! Pierre! Philippe!

JEAN DUMAS: So laß sie doch! Es sind doch Kinder!

JOHANN CORNEIL: Mädchen, ihr seid nicht warm genug angezogen! Wir haben Dezember! Ich weiß nicht, ich weiß nicht, daß euch nicht kalt ist! Ich würde mich zu Tode frieren!

SOUZANNE: Sie schon! (Die Mädchen lachen)

BABETTE: Na, ich weiß nicht, manchmal …

JOHANN CORNEIL: Was manchmal, was?

BABETTE: Ich habe nichts gesagt. Nichts gesagt.

JOHANN CORNEIL: Ich habe aber etwas gehört!

BABETTE: (zu den anderen Mädchen) Habe ich etwas gesagt? (die anderen Mädchen lachen und schütteln die Köpfe)

JOHANN CORNEIL: So ist es recht! Immer zusammenhalten gegen den Alten! Immer zusammenhalten!

MARIE: So alt auch noch nicht! Nein, nein.

JOHANN CORNEIL: Was heißt das nun wieder, he, sag!

MARIE: Das heißt, was es heißt! Nicht mehr und nicht weniger!

JOHANN CORNEIL: Ich habe nur gemeint, daß ihr nicht warm genug angezogen seid für eine Dezembernacht!

SOUZANNE: Uns ist nicht kalt!

JOHANN CORNEIL: Bei soviel Männern in der Nähe!

BABETTE: Das ist auch ihr Geschäft! Das läßt doch auch Sie gut leben! Oder nicht?! Denken Sie nur an früher!

JOHANN CORNEIL: Wieso?

BABETTE: An Metz! Der »Engel« in Metz hatte schon ganz traurige Flügel! Der »Engel« in Metz ließ seine Flügel schon ganz schön hängen!

MARIE: Weil niemand kam!

SOUZANNE: Und jetzt? Höhenflüge! Höhenflüge!

JOHANN CORNEIL: (zuckt mit den Schultern)

DE LA TOUR: Wie ein Stern! Ein gezackter Stern wird sie daliegen. Vom Himmel gefallen.

DE VERDIÈRE: Der Dichter! Der Dichter hat gesprochen!

DU PLESSY: Dichter sprechen nicht. Es spricht durch sie. Es spricht aus ihnen.

DE VERDIÈRE: Ist mir gleich, ob er spricht oder sprechen läßt! Der Vergleich stimmt auf jeden Fall. Ich habe die Pläne gesehen. Sie sieht aus wie ein Stern. Vieleckig.

DU PLESSY: Nur, vom Himmel gefallen, das ist sie nicht. Bei Gott nicht! So einfach wird es nicht gehen. Wenn ich daran denke, wieviel Arbeit! Wieviel Schweiß! Wieviel Dreck! Dieser Dreck!

DE VERDIÈRE: He, De la Tour! Schreib doch auch mal über diese ganze Plackerei! Diese Schweinerei im Sumpf! Das Ungeziefer in den Baracken! Diese lausigen Unterkünfte! Nicht einmal ein Kasino! Und die langweiligen Abende!

DE LA TOUR: Ich habe keine Langeweile!

DU PLESSY: Weil Du an deinen Versen sitzt! Das Schöne! Das Schöne! Das muß einem doch auf die Nerven gehen! Das muß doch mit der Zeit langweilig werden!

DE VERDIÈRE: Und mit der Wirklichkeit hat das doch so gut wie nichts zu tun! Wie kann man nur in der Scheiße stehen und über die Schönheit schreiben!

DE LA TOUR: Eben deswegen!

DU PLESSY: Schon gut! Ist ja schon gut! Heute abend ist ja was los. Zumindest hoffen wir. Hoffen wir.

DE VERDIÈRE: Mal sehen!

JOSEPH SAULNIER: He, La Grange, auf was warten wir denn noch? Wir könnten längst im »Engel» sitzen und uns einen guten Abend machen!

JJ LA GRANGE: Du weißt, auf was wir warten!

JOSEPH SAULNIER: Mein Gott! Mein Gott! Das ist mir so egal!

JJ LA GRANGE: Ich warte, ich will sehen!

JOSEPH SAULNIER: Du bist auch abergläubisch. Du glaubst tatsächlich?

JJ LA GRANGE: Wenn du gehen willst, geh doch! Ich bleibe! Außerdem ist der Wirt auch hier. Der »Engel» ist geschlossen.

JOSEPH SAULNIER: Verdammter Blödsinn! Dieser Blödsinn!

JJ LA GRANGE: Es hält dich niemand hier! Hau doch ab! Leg dich aufs Ohr! Ich bleibe. So etwas gibt es nicht oft! Saufen können wir immer. Aber das hier! Das hier!

JOSEPH SAULNIER: Bis euch die Hälse steif werden! Bis ihr Genickstarre habt! Bis es euch in die Nasen schneit!

JJ LA GRANGE: Wenn du nicht bleiben willst, geh! Aber wenn du bleibst, halt dein Maul.

JOSEPH SAULNIER: Du bist mir ein Freund! Du bist mir ein Freund!

PATER RENARD: Wissen Sie, daß dieser Mann erst 24 Jahre alt ist? 24 Jahre! 1656 geboren in England. Und hat schon einen Namen in der Wissenschaft! Einen guten Namen! Seine Methode, die Aphelien und Exzentrizitäten der Planeten zu bestimmen: Methodus directa geometrica investigandi excentricitates proportionesque orbium planetarum primariorum, ist schon seit vier Jahren veröffentlicht. Also mit 20! Halley! Dieser Name hat einen guten Klang!

DE CHOISY: Mir hat er bis vor kurzem nichts oder nur wenig gesagt. Halley. Ein Engländer, der mit Sternen zu tun hat. Mehr auch nicht. Das war, das ist alles, was ich über ihn weiß.

PATER RENARD: Da kann ich Ihnen helfen. Ich beschäftige mich mit Astronomie und weiß darüber. Dieser junge Mann war vor vier Jahren auf der Insel Helena und hat dort die Sterne des südlichen Himmels bestimmt: catalogus stellarum australium. Dieser catalogus ist letztes Jahr erschienen. Mit 20 hat er ihn erstellt! Mit 20 Jahren! Ein Genius!

DE CHOISY: Ja, ja! Sie schwärmen ja geradezu!

PATER RENARD: Wie sollte ich auch nicht! Warten wir doch hier auf einen neuen Beweis seines Genies! Heute Nacht werden wir den Beweis vor Augen haben! Miterleben können, Zeuge werden!

DE CHOISY: Mal abwarten!

DE VERDIÈRE: Schlüssel und Klinke zugleich! Ein Fuchs! Raffiniert! Ausgekocht!

DU PLESSY: So müssen gute Militärs sein!

DE LA TOUR: Was? Wer?

DE VERDIÈRE: Ist das keine Dichtung? Schlüssel und Klinke zugleich sein. Das ist mehr als nur ein Bild! Das wird Tatsache sein! Tatsache!

DE LA TOUR: Ich weiß nicht, wovon ihr redet! Wer? Was?

DU PLESSY: Das ist konkrete Poesie: Schlüssel und Klinke zugleich!

DE LA TOUR: Entweder ihr erklärt mir, was das soll, oder ihr laßt es!

DE VERDIÈRE: Du Plessy, sollen wir es ihm sagen? Sollen wir?

DU PLESSY: Er müßte es wissen! Aber da er manchmal, blindes Huhn, auch einen guten Vers zustande bringt

DE VERDIÈRE: Gut, De la Tour, du weißt, wo wir hier stehen?

DE LA TOUR: Blöde Frage, Natürlich weiß ich es, natürlich!

DU PLESSY: Marschall Crequi hat Schlüssel und Klinke gesagt. Marschall Crequi hat das gesagt von dem Platz, an dem du stehst.

DE LA TOUR: Von Saarlouis?

DE VERDIÈRE: Nein. Aber man kann es dafür nehmen.

DE LA TOUR: Was hat dieser Dreck hier mit Schlüssel und Klinke zu tun?

DU PLESSY: Diese Stadt wird nicht nur ein Stern (deklamiert) »vom Himmel gefallen«, (wieder normal) Saarlouis wird Garnison sein. Festung. Militärischer Stützpunkt.

DE VERDIÈRE: Schlüssel und Klinke zugleich. Das trifft. Das ist Poesie!

DE LA TOUR: Entschuldigt, aber ich verstehe immer noch nicht!

DE VERDIÈRE: Bleib beim Bild! Mit einem Schlüssel schließt man ab, eine Klinke nimmt man in die Hand, um aufzumachen.

DE LA TOUR: Und, und?

DE VERDIÈRE: Saarlouis ist Schlüssel und Klinke zugleich.

DE LA TOUR: Ah! Stützpunkt, Festung, Befestigung, Schutz und gleichzeitig Ausgangspunkt für …

DU PLESSY: (nickt) Ja, Schlüssel und Klinke zugleich.

DE LA TOUR: Stern vom Himmel gefallen / Schlüssel und Klinke zugleich.

DE VERDIÈRE und DU PLESSY: (lachen)

DE VERDIÈRE: Bitte verschone uns! Bitte nicht jetzt! Wir wollen einen richtigen Kometen sehen!

DU PLESSY: Mit bloßem Auge! Mit bloßem Auge soll er zu sehen sein!

DE LA TOUR: Schlüssel und Klinke zugleich vielfach gezackter Stern.

DE VERDIÈRE: Man kann ihm nichts sagen!

DU PLESSY: (lacht)

JEAN DUMAS: Die Zukunft dieser Stadt liegt auch an uns! Wir könnten Einfluß haben! Großen Einfluß. Denn ohne uns – Wir werden gebraucht! Haben Sie schon einmal überlegt, was eine Stadt alles benötigt! Das fängt an mit dem Essen! Unterteilen Sie da einmal, allein bei dem Essen! Dann die Kleidung. (winkt ab) Ich brauche nicht aufzuzählen, was alles! Dann die Unterkünfte! Denn diese elenden Baracken, glauben Sie nicht, daß die lange da sein werden! Und Soldaten, was brauchen Soldaten am nötigsten?

PIERRE PASCAL: Waffen!

JEAN DUMAS: Sehen Sie! Zukunft! Das sind Aufgaben! Und wir, wir sind die ersten! Wir mahlen auch zuerst! Großhandel! Das ist es! Nicht ein Pfund Fleisch, nicht eine Hose, ein Gewehr! Rinderherden, Schafherden, Tuch, mit dem Sie den Platz hier bedecken könnten, Gewehre, mit denen Sie den Platzhier umzäunen könnten! Sich nicht mit Kleinkram abgeben! Das machen andere!

PIERRE PASCAL: Und Sie glauben, daß ich …

JEAN DUMAS: Ich weiß es, Sie sind der Mann, mit mir das große Geschäft hier zu machen. Sie sind jung, ungebunden. Festen Boden haben Sie auch. Den brauchen wir nämlich für den Anfang. Einen festen Boden! (macht die Geldzählbewegung mit den Fingern)

FRAU DUMAS: Pierre! Philippe! Pierre! Philippe!

HAYEM LEWY: Haschdes geheeat? O Adonai! Haschdes geheeat? Alles vadäält! Nix me! Nix me fia uns!

CERF WORMS: Nebbich! Was haschde dann geheeat? Nix is vadäält! Fia uns is nòch genuch! All dai Deescha, Mässacha, Schbijelcha, dai Riime, Nòòdele, Schbingele, dai Nääz un Fissel, ai das vakaafscht du nòch genausoo vill wii wai!

HAYEM LEWY: Ach, Lais un Flee! Das glaabscht du? Daß ich nit lache! Daß ich nit lache! O Adonai! Unnagang! Unnagang! Schon widda nix me! Schon widda nix me!

CERF WORMS: Daß de! Daß dich dòch! O Hayem! Heea dòch mòòl zuu! Großhandel hadda gesaat! Großhandel! Wolle mia dann das? Is das dann unsa Geschäft? Nää, nää! Duu häälija Schdroosack! Mia mache dii klääne grooß Geschäftcha!

HAYEM LEWY: Mänscht duu, dii lòsen uns?

CERF WORMS: Was hääscht dòò lòsen?! Dii märken das dòch gaanet! Nix märken dii!

HAYEM LEWY: Du mänscht soo unna da Hand! Soo en da dunkel Äck?

CERF WORMS: Hayem, heea dòch mòòl zuu! Nit en da dunkel Äck, nit unna da Hand! Nää, aam hälle Dach! Dii han dòch soovill dòò se duun, dii märken uns dòch net! Ach daß de!

HAYEM LEWY: Ich wääß nit! Ich wääß nit! Ich han dòò Angscht! Das is nix gudds! Das wäad nix guuds! Ich männe, ich hätt dòò soon Gefiil dafiia! Geet alles gutt hii, gutt. Geets schlächt, dann simma nòmò Schuld! Dann simma nòmò draan!

CERF WORMS: Duu mòòlscht aach alles schwaz!

HAYEM LEWY: Ich siin schon Unglick! Vill!

THILMANN MERTEN: Wänn dat alles wääa! Dòò kommt nòch mee! Net nua de Bätta! 670 Schdeck! Aach nòch Baracken! Mee wii genuch! Net ään! Glaich zeen un mee! Aich han wai mee se doun wii sonscht en zwanzich Jòòa! Glääwen ma! E Seejen! E Seejen! Dii nau Schdat!

SIMON SCHLINCK: Männschde?

THILMANN MERTEN: Mäsicha! Dat es dòch Äawet! Fo uus all! Dat es dòch Gäld! Dat sen jò net allään de Bätta un Baracken! Dii brauchen jò ein Daiwel, ein Daiwänka sai Zaich! Schou un Boxen, Mäntel, Räck un Faanen, Zälta, Deppa, Sääweln!

SIMON SCHLINCK: Ma wääsent, ma wääsent! Dat es jò alles scheen un rächt. Dat sin aich alles en. Dat es en Seejen. Fo jeeden hej! Mòòl ändlich Äawet, gutt bezaalt. Awa …

THILMANN MERTEN: Wat hääscht dòò awa. Fo maich geft et kään awa dòòdabai!

SIMON SCHLINCK: Et kommen dòch Soldaten en dii Schdat!?

THILMANN MERTEN: Dii sen dòch wai schon dòò. Dii blaiwen aach, dänk aich ma.

SIMON SCHLINCK: Un wääscht dau wat dat hääscht?

THILMANN MERTEN: Dii sen dann dòò. Un wat?

SIMON SCHLINCK: Dii sen dan dòò. Un wänn et Krejch geft,

THILMANN MERTEN: Dann geft et eewen Krejch. Un wat?

SIMON SCHLINK: Dann es a dismòòl hej! Hej! Hej bai uus! Dòò get et dann wii Sodom un Gomòrrha!

THILMANN MERTEN: Wii dau dat sischt! Aich wääß et net!

SIMON SCHLINCK: Ma wääaden jò gesin! Ma wääaden jò gesin!

SOUZANNE: Alle die Männer! Und wir stehen hier! Und schauen in den Mond!

BABETTE: Ich verstehe das nicht! Das ist doch rausgeworfenes Geld!

JOHANN CORNEIL: Wir wollen doch den Comet sehen! Wie alle hier.

SOUZANNE: Das hätten wir auch aus dem Fenster im »Engel« machen können!

MARIE: Wir wollten aber wie alle auf den Platz gehen!

JOHANN CORNEIL: Wir kommen noch früh genug in die Kneipe!

SOUZANNE: Daß gerade Sie das sagen!

JOHANN CORNEIL: Ich habe so eine Ahnung.

MARIE: Ahnung?

JOHANN CORNEIL: Ja, Ahnung. Ich habe letzte Nacht kaum geschlafen. Da hatte ich einen Traum. Ich kann nicht einmal Traum sagen. Ich hatte die Augen offen.

SOUZANNE: Ein Traum? Ich höre gern Träume erzählen.

BABETTE: Etwas, das man nicht erzählen darf? (kichert)

JOHANN CORNEIL: Vielleicht.

MARIE: Wollen Sie es uns nicht sagen?

JOHANN CORNEIL: Es war komisch. Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll. Saarlouis war eine große Stadt mit vielen Häusern, Plätzen, Straßen, Alleen, eine schöne Stadt. Vor allem der Platz, der große Platz. Da war es auch.

SOUZANNE: Was war da?

JOHANN CORNEIL: Da war es. Ich stand auf dem Platz. Ich stand aber auch nicht da. Soldaten paradierten, Fahnen, Pferde, viele Leute. Dann fing es an.

BABETTE: Was fing an?

JOHANN CORNEIL