Sagen der Chassidim - Alexander Eliasberg - E-Book

Sagen der Chassidim E-Book

Alexander Eliasberg

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Beschreibung

Alexander Eliasberg hat in diesem Werk die wichtigsten Sagen aus der Geschichte der Chassidim zusammengetragen. Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Inhalt: 1. Der Wundertäter Adam 2. Die geheimnisvollen Handschriften 3. Seelenwanderung 4. Noch ein Fall von Seelenwanderung 5. Das verzauberte Pferd 6. Auferweckung der toten Braut 7. Baal-Schem und der Zauberer 8. Wie der Baal-Schem ins Heilige Land reisen wollte 9. Noch eine Reise ins Heilige Land 10. Das Gebet um den Messias 11. Seelen der Märtyrer 12. Vom Disputieren 13. Rosse helfen nicht 14. Der gefährliche Geburtstag 15. Die Seuche von Stanow 16. Eine Märtyrerin 17. Blutschande 18. Der vergessene Brief 19. Baal-Schem als Ehestifter 20. Der gottgefällige Tanz 21. Von der Macht des Arztes 22. Starkes Gottvertrauen 23. Die verschmähte Braut 24. Das Gleichnis vom Ofenheizer 25. Das Gebet um Speise 26. Der Prozeß gegen Gott 27. Das Verdienst des Buchbinders 28. Die ausgeschüttete Suppe 29. Brot für Seelenheil 30. Vom Selbstlob 31. Der störrische Rabbi 32. Die wunderbare Lichtanzündung 33. Durch die Hinterpforte 34. Eine Bekehrung 35. Schwur gegen Schwur 36. "Sollst leben!" 37. Die verkaufte Sünde 38. Die Fürbitte des Trunkenbolds 39. Rasche Reise nach Wien 40. Bekehrung eines Denunzianten 41. Von übertriebener Frömmigkeit 42. Rabbi Mojsche-Lejb und das verlassene Kind 43. Rabbi Mojsche-Lejbs Trauermusik 44. Von der wahren Gastfreundschaft 45. Von den falschen Messiassen 46. Der Zaddik als Makler 47. Die gestohlenen Brautkleider 48. Die drei Geschichten des Rabbi Levi-Jizchok 50.

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Sagen der Chassidim

Herausgegeben von Alexander Eliasberg

Inhalt:

Chassidim – Lexikalische Definition

1. Der Wundertäter Adam

2. Die geheimnisvollen Handschriften

3. Seelenwanderung

4. Noch ein Fall von Seelenwanderung

5. Das verzauberte Pferd

6. Auferweckung der toten Braut

7. Baal-Schem und der Zauberer

8. Wie der Baal-Schem ins Heilige Land reisen wollte

9. Noch eine Reise ins Heilige Land

10. Das Gebet um den Messias

11. Seelen der Märtyrer

12. Vom Disputieren

13. Rosse helfen nicht

14. Der gefährliche Geburtstag

15. Die Seuche von Stanow

16. Eine Märtyrerin

17. Blutschande

18. Der vergessene Brief

19. Baal-Schem als Ehestifter

20. Der gottgefällige Tanz

21. Von der Macht des Arztes

22. Starkes Gottvertrauen

23. Die verschmähte Braut

24. Das Gleichnis vom Ofenheizer

25. Das Gebet um Speise

26. Der Prozeß gegen Gott

27. Das Verdienst des Buchbinders

28. Die ausgeschüttete Suppe

29. Brot für Seelenheil

30. Vom Selbstlob

31. Der störrische Rabbi

32. Die wunderbare Lichtanzündung

33. Durch die Hinterpforte

34. Eine Bekehrung

35. Schwur gegen Schwur

36. "Sollst leben!"

37. Die verkaufte Sünde

38. Die Fürbitte des Trunkenbolds

39. Rasche Reise nach Wien

40. Bekehrung eines Denunzianten

41. Von übertriebener Frömmigkeit

42. Rabbi Mojsche-Lejb und das verlassene Kind

43. Rabbi Mojsche-Lejbs Trauermusik

44. Von der wahren Gastfreundschaft

45. Von den falschen Messiassen

46. Der Zaddik als Makler

47. Die gestohlenen Brautkleider

48. Die drei Geschichten des Rabbi Levi-Jizchok

50. Die Friedhofsvergrößerung

Glossar

Sagen der Chassidim

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN: 9783849603526

www.jazzybee-verlag.de

www.facebook.com/jazzybeeverlag

[email protected]

Chassidim – Lexikalische Definition

Hebr.,»Fromme«, auch Chassidäer genannt, im allgemeinen alle Juden, die sich der gesetzlichen Frömmigkeit befleißigen, im Gegensatze zum Heidentum, Christentum und der lauen Religiosität ihrer Zeit. So ist aus den C., die während der syrischen Religionsverfolgung den jüdisch-nationalen Geist kräftigten und die hasmonäische Erhebung vorbereiteten (1. Makk. 2,42; 7,13), sowohl der Essäismus als der Pharisäismus hervorgegangen. C. nannten sich später die Mitglieder einer mystisch-kabbalistischen Sekte des Israel Baal Schem (d. h. Wundertäter), abgekürzt Bescht (daher Beschtianer), der, um 1740 zu Miedziboz in Podolien geboren, als Prophet und Wundertäter auftrat und bald als Heiliger verehrt wurde. Er nahm den Titel Zaddik (»Frommer«) an, hatte angeblich Visionen, übte Wunderkuren, erwarb sich zum Schaden der Kultur und des geistigen Fortschritts unter den Juden der slawischen Länder einen großen Kreis von Gläubigen, denen er, im Gegensatze zu den frühern Kabbalisten, heitere Lebensfreude als gottgefälligen Wandel vorschrieb, sie aus fröhlicher, meist durch den Genuß geistiger Getränke und körperliche Bewegungen, wie Springen und Händeklatschen, erzeugter Stimmung beten lehrte, auch Waschungen und besondere Kleidung anempfahl. Die Aussprüche des Zaddik haben unbedingte Autorität. Bei Beschts Tode (1760) zählten sie bereits 40,000 Köpfe, und sie nahmen zu, als Dob Beer (Berufch) in Mizricz es noch besser als Bescht verstand, die abergläubische Menge auszubeuten. Beschts drei Enkel, der genannte Beer aus Mizricz, Rabbi Mendel aus Przemysl, Rabbi Maltsch aus Lazantsch, teilten sich in seine Herrschaft, infolgedessen die Sekte in viele kleine Gemeinschaften zerfiel, von denen jede ihrem Zaddik gegenüber zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet ist. Sie hielken durch ihre Neuerungen, die Verspottung des rabbinischen Schrifttums, ihre ketzerischen Schriften, ihre Selbstsucht und Geldgier die Entwickelung des Judentums in Polen, Ungarn, Galizien und den Donauländern sehr zurück und wurden mit Recht von talmudischen Autoritäten, wie R. Elia aus Wilna, befehdet. Ein Zweig der C. sind die nach ihrem Stifter Ahron Karlin (ein Städtchen bei Pinsk) genannten Karliner.

1. Der Wundertäter Adam

Es war einmal ein Meister des göttlichen Namens (Wundertäter) namens Reb Adam. Er hatte in einer Höhle Handschriften gefunden, die allerlei verborgene Geheimnisse der Thora enthielten. Er war aber sehr arm: er wohnte mit seinem Weibe in einem einzigen Kämmerchen, und beide hatten fast nichts anzuziehen. Einmal sagte das Weib: "Was soll ich anziehen, um ins Bethaus zu gehen?" Und er antwortete: "Geh in die Kammer und wähle dir dort ein Kleid nach deiner Herzenslust aus; wenn du aber vom Beten heimkommst, sollst du das Kleid sofort in die Kammer zurückhängen." Sie tat so und ging jeden Tag ins Bethaus in einem neuen Kleide. Die Leute konnten nicht verstehen, wie das Weib eines armen Mannes zu solchen Kleidern kam, und sie fragten sie danach. Das Weib eröffnete ihnen das Geheimnis.

Die Sache kam dem Kaiser zu Ohren; er prüfte sie nach und sah, daß alles, was die Leute erzählten, stimmte. Der Kaiser berief Reb Adam an seinen Hof und gewann ihn lieb, doch dieser blieb arm. Unter den Hofleuten war aber einer, der alle Juden haßte und den es verdroß, daß der Kaiser dem Reb Adam gewogen war.

Reb Adam sagte einmal zum Kaiser: "Ich will dich zu einem Mahle laden." Das verdroß jenen Höfling noch mehr. Der Kaiser nahm aber die Einladung an. Als der festgesetzte Tag kam, fuhr der Kaiser mit seinem ganzen Hofe zum Festmahle; auch der Feind Reb Adams war darunter. Dieser Höfling versuchte den Kaiser zu überreden, daß er umkehre: "Der Mann will uns allen Schande antun. Wie ist es möglich, daß ein so armer Mensch ein Mahl für den Kaiser und den ganzen Hof beschaffen kann?" Doch der Kaiser gab nichts auf alle seine Worte.

Als man vor der Stadt anlangte, in der Reb Adam wohnte, schickte der Kaiser Boten voraus, um zu sehen, ob für ihn und sein Gefolge genügend Zimmer vorbereitet seien. Die Boten kamen zurück und berichteten, daß nichts vorbereitet sei, weder Zimmer noch ein Mahl; sie hätten nur das kleine Stübchen gesehen, in dem Reb Adam mit seinem Weibe wohnte. Der Kaiser setzte aber trotzdem die Reise fort, denn er sagte sich: "Er wird uns wohl ein großes Wunder zeigen!"

Um die gleiche Zeit wollte der König eines andern Landes ein großes Mahl für einen andern König bereiten; für dieses Mahl wurde zwei Jahre lang ein eigener Palast gebaut. Im Palaste waren allerlei Speisen vorbereitet, goldene und silberne Schüsseln und Becher, Diener und alles, was zu einem königlichen Mahle gehört. Und an dem Tage, für den Reb Adam den Kaiser eingeladen hatte, hob sich dieser Palast mit allem, was darin war, von der Erde weg und flog zum Ort, wohin Reb Adam den Kaiser geladen hatte.

Wie der Kaiser in die Stadt kam, fand er einen großen Palast vor, der überaus kostbar ausgestattet war. Der Kaiser trat ein, und die Diener bereiteten ihm und seinem Gefolge einen prächtigen Empfang. Reb Adam ging aber durch die Säle und sprach zu seinen Gästen: "Eßt und trinkt, doch niemand von euch soll sich von seinem Platze rühren." Und später sagte er: "Nun soll jeder von euch seine Hand in die Tasche stecken: er wird darin finden, was sein Herz will." Der Kaiser und alle Hofleute taten so, und jeder fand in seiner Tasche das, wonach sein Herz gelüstete. Als aber der Höfling, der Reb Adam haßte, seine Hand in die Tasche steckte, fand er in ihr nur Kot. Und seine Hand roch so übel, daß es niemand ertragen konnte und daß man ihn hinausjagte. Da bat der Höfling die andern Hofleute, sie möchten sich bei Reb Adam verwenden, daß seine Hand nicht mehr stinke. Reb Adam sagte: "Wenn er sich verpflichtet, das Volk Israel nicht mehr zu hassen, wird der üble Geruch verschwinden." Der Höfling gab das Versprechen, und Reb Adam befahl, daß irgendein Jude ihm auf die Hand spucke; als dies geschehen, verschwand sofort der üble Geruch.

Bevor die Gäste das Schloß verließen, nahm der Kaiser zwei goldene Becher zu sich. Später las man in den Zeitungen, daß ein König einen andern König zu einem Mahle laden wollte, daß man dazu zwei Jahre lang einen Palast gebaut hatte, daß der Palast plötzlich mit allem, was er enthielt, verschwunden war und nach einigen Tagen wieder auf seinen Platz zurückkehrte; nur zwei goldene Becher waren von der Tafel verschwunden. Und der Kaiser schrieb dem König: "Ich kenne einen Juden, der das getan hat. Und zum Beweis habe ich die beiden verschwundenen Becher bei mir."

2. Die geheimnisvollen Handschriften

Reb Adam hatte einen Sohn, und zu dem sprach er vor seinem Tode folgendes: "Ich hinterlasse dir sehr wertvolle Handschriften, du bist aber noch nicht würdig, in ihnen zu lesen. Darum sollst du nach der Stadt Okup reisen und dort einen Menschen aufsuchen, der Israel heißt und vierzehn Jahre alt ist. Und ihm sollst du die Handschriften anvertrauen. Und wenn du die Gnade findest, wird er mit dir in diesen Handschriften lesen."

Als Reb Adam gestorben war, fuhr sein Sohn nach Okup und kehrte im Hause des Gemeindevorstehers ein. Dieser fragte ihn: "Was führt Euch her?" Und Reb Adams Sohn antwortete: "Mein Vater ist gestorben und hat mir vor dem Tode befohlen, daß ich mir ein Weib aus Eurer Stadt nehme." Man schlug ihm verschiedene Partien vor, und schließlich nahm er sich die Tochter eines sehr reichen Mannes.

Bald nach der Hochzeit begann er, den Israel, zu dem er gesandt war, zu suchen. Der Bethausdiener fiel ihm auf; es schien ihm, daß er der betreffende Israel sein müsse, und er begann ihn aufmerksam zu beobachten. Er bat seinen Schwiegervater, er möchte ihm eine Klause am Bethause anbauen, damit er für sich allein studieren könne. Der Schwiegervater tat so und stellte den Bethausdiener Israel als Diener bei seinem Schwiegersohne an. Wenn der Sohn Reb Adams nachts schlief, stand Israel auf und studierte die Thora und betete, wie es seine Gewohnheit war. Und als Israel einmal einschlief, nahm Reb Adams Sohn ein Blatt von seinen Handschriften und legte es neben den Schlafenden. Als Israel erwachte und das Blatt sah, begann er zu zittern und nahm das Blatt zu sich. Am nächsten Tag legte er ihm wieder ein Blatt hin, und Israel nahm es wieder zu sich. Nun begriff der Sohn des Rabbi, daß sein Vater diesen Israel gemeint hatte.

Reb Adams Sohn rief nun Rabbi Israel zu sich heran und sagte ihm: "Sollst wissen, daß mein Vater mir Handschriften hinterlassen hat, die ich dir anvertrauen soll, doch unter der Bedingung, daß du sie mit mir studierst." Darauf antwortete Rabbi Israel: "Gut, es soll aber niemand etwas davon erfahren. Ich werde wie bisher dein Diener sein."

Reb Adams Sohn bat nun seinen Schwiegervater, er möchte ihm eine Klause außerhalb der Stadt bauen lassen, damit er in voller Einsamkeit leben könne. Dieser erfüllte den Wunsch. Als die Leute sahen, daß Reb Adams Sohn mit seinem Diener wie mit einem Freund umging, hielten sie es für eine große Ehre für diesen. Und sie gaben Rabbi Israel eine der Töchter der Stadt zum Weibe; sie starb aber bald nach der Hochzeit. Reb Adams Sohn und Rabbi Israel saßen ganze Tage in der Klause außerhalb der Stadt und studierten die Gemara und die Kabbala.

Einmal bat Reb Adams Sohn Rabbi Israel, er möchte den Fürsten der Gelehrsamkeit vom Himmel herabrufen, damit sie mit ihm gemeinsam studierten. Rabbi Israel wollte es seinem Schüler ausreden und sagte: "Es ist eine große Gefahr dabei, denn wir können uns in den Beschwörungen irren." Reb Adams Sohn bat aber sehr inständig. Also fasteten sie von Sabbat zu Sabbat, reinigten Leib und Seele, und beim Sabbatausgang nahmen sie die nötigen Andachtsübungen vor. Plötzlich rief Rabbi Israel aus: "Wehe, wir haben uns geirrt: der Fürst des Feuers fährt vom Himmel herab! Er wird die ganze Stadt verbrennen! Laufe schnell in die Stadt und sage den Leuten, daß sie sich und ihr Hab und Gut aus den Häusern retten!" Seit der Zeit betrachteten die Leute der Stadt Rabbi Israel als einen Wundertäter, denn ohne seine Warnung wäre alles verbrannt.

Einige Zeit darauf bat Reb Adams Sohn Rabbi Israel wieder, er möchte den Fürsten der Gelehrsamkeit herabrufen, und Rabbi Israel ließ sich wieder dazu bewegen. Als sie mit den Übungen begonnen hatten, schrie Rabbi Israel auf: "Wehe! Es ist über uns beiden der Tod beschlossen worden. Es gibt aber eine Rettung: nämlich, wenn wir diese Nacht nicht schlafen." Sie durchwachten die Nacht, doch kurz vor Tagesanbruch schlief Reb Adams Sohn ein und starb. Rabbi Israel lief in die Stadt und rief: "Der Sohn Reb Adams ist in Ohnmacht gefallen!" Die Leute liefen herbei, versuchten ihn zur Besinnung zu bringen, doch er war schon tot.

3. Seelenwanderung

In den Tagen des heiligen Rabbi Israel ben Elieser, des Baal-Schem, lebte in Miedziborz ein Talmudgelehrter, der Tag und Nacht studierte. Er war sehr arm und lebte mit seiner ganzen Familie von der Mildtätigkeit anderer Leute. Sein Weib, das sehr fromm war, verlangte von ihm niemals, daß er sich nach einem Verdienst umsehe, denn sie wollte nicht, daß er sein Studium aufgebe. Als aber die Kinder erwachsen waren, sagte das Weib zu ihm:

"Es ist ja wahr, daß wir immer im Vertrauen auf die Hilfe des Herrn lebten und daß er uns bisher nicht verlassen hat. Was sollen wir aber jetzt tun, da die Kinder schon erwachsen sind? Es ist nicht schön, daß unsere großen Töchter noch unverheiratet herumgehen!"

Der Mann sagte darauf: "Was soll ich tun, solange der Herr seine Hilfe nicht gesandt hat?"

Und das Weib erwiderte: "Folge mir, mein Mann: in unserer Stadt lebt ja der heilige Baal-Schem, der schon so vielen Menschen geholfen hat. Du siehst ja: die Leute aus den andern Städten stürzen sich in Unkosten und reisen zu ihm. Warum sollst du nicht auch zu ihm gehen, wo wir in der gleichen Stadt wohnen? Laß deinen Stolz, beuge dich vor dem heiligen Rabbi, und es wird dir geholfen werden!"

Der Gelehrte war ein Gegner der chassidischen Lehre und glaubte nicht an die Wunderkraft des heiligen Rabbi. Doch was sollte er tun, da seine Frau ihm keine Ruhe gab und auch die Not sehr schwer war? Er ging also zum Baal-Schem und erzählte ihm von seiner großen Not und Armut; auch daß die Kinder erwachsen seien und die Töchter unter die Haube müßten, er aber keinen Heller besitze.

Der Baal-Schem sagte ihm darauf: "Fahre in die Stadt Kazimierz und erkundige dich dort nach einem Handwerker mit Namen so und so." Er sagte ihm den Namen und den Vatersnamen des Handwerkers und gab ihm noch andere Zeichen, damit er den Mann leichter finden könne. In diesem Handwerker werde er ein Heilmittel für seine Not finden, und er werde dann seine Lage recht verstehen.

Der Gelehrte beschloß, die vom Baal-Schem befohlene Reise anzutreten. Er hatte aber gar kein Geld und wanderte daher zu Fuß von Stadt zu Stadt, bis er in Kazimierz anlangte, wohin ihn der heilige Rabbi geschickt hatte.

Es ist ja allgemein Sitte, daß, wenn ein Armer in eine Stadt kommt, er sich zuallererst in ein Bethaus begibt, um dort auszuruhen. Und wie der Gelehrte in ein Bethaus kam, traf er dort sehr viele Menschen, und er begann sie sofort nach dem Handwerker auszufragen, von dem ihm der Baal-Schem gesprochen hatte. Die Leute sagten ihm aber: "In unserer Stadt gibt es keinen Handwerker mit diesem Namen." Der Gelehrte seufzte ob der großen Mühe, die ihm die Reise gemacht hatte und die nun vergeblich sein sollte. Er erkundigte sich noch in einem andern Bethause und bekam die gleiche Antwort, daß es einen solchen Handwerker in dieser Stadt gar nicht gebe. In diesem zweiten Bethause saßen aber einige Greise; sie riefen den Gelehrten zu sich heran und fragten ihn noch einmal nach dem Namen und den anderen Kennzeichen des Handwerkers. Und dann sagten sie ihm:

"Lieber Freund! Was erkundigt Ihr Euch nach diesem Bösewicht? Er ist ja schon seit sechzig Jahren tot. Ein Handwerker mit diesem Namen hat einmal wirklich in dieser Stadt gelebt, er war aber ein großer Bösewicht und Denunziant, und es gibt keine noch so große Sünde, die der Mann nicht getan hätte. Als er vor sechzig Jahren starb, freute sich die ganze Stadt darüber. Wozu braucht ihr also diesen Mann, und warum fragt Ihr nach ihm?"

Als der Gelehrte das hörte, erkundigte er sich noch bei andern alten Leuten, und alle sagten ihm dasselbe.

Der Gelehrte war sehr bestürzt und machte sich auf den Heimweg, ohne Hilfe gefunden zu haben, und sehr traurig. Als er ganz müde und erschöpft zu Hause anlangte, begab er sich zum heiligen Rabbi Baal-Schem, um ihn zu fragen, wozu er ihn nach Kazimierz geschickt hatte; er erzählte ihm alles: wie er in die Stadt kam, wie er sich nach dem Handwerker mit dem und dem Namen erkundigte und wie ihm alle Leute sagten, daß der Mann vor sechzig Jahren gestorben wäre und daß er bei Lebzeiten ein großer Bösewicht gewesen sei, der keine noch so große Sünde ungetan gelassen hätte.

Darauf antwortete ihm Baal-Schem:

"Du bist ja ein gottesfürchtiger Mensch und glaubst wohl an die Gemara und die Weisen, die die Seelenwanderung lehren, daß nämlich ein Mensch verwandelt werden kann, um im neuen Dasein seine Vergehen abzubüßen und das im ersten Dasein nicht Erfüllte zu erfüllen?"

Und als der Gelehrte bestätigte, daß er an alle diese Dinge glaubte, fuhr der heilige Baal-Schem fort:

"Wisse, daß du dieser selbe Bösewicht bist, der vor sechzig Jahren gestorben ist und der jede Sünde, die es nur gibt, auf dem Gewissen hatte! Und nun frage ich dich: willst du wirklich, daß es dir gut gehe und daß du Reichtum und Ansehen genießest, wo du alle die Sünden abbüßen mußt, die du in deinem ersten Dasein getan hast? Denn die Not, die du jetzt leidest, ist nur eine Sühne für die großen Sünden deines früheren Daseins!"

Als der Gelehrte das hörte, war er sehr erschrocken. Er weinte vor dem heiligen Baal-Schem und bat ihn, er möchte ihm die Verzeihung für die früheren Sünden erwirken. Und er gab sich noch mehr der heiligen Thora hin, betete und studierte und wurde zu einem der berühmtesten Schüler des heiligen Baal-Schem.

Aus dieser wunderlichen Geschichte soll jeder die Lehre entnehmen, daß man gegen sein Schicksal nicht murren darf, sondern zum Schöpfer um Vergebung aller Sünden beten und auf ihn vertrauen soll. Der Herr möchte uns helfen, alle unsere Sünden und Vergehen abzubüßen und gutzumachen, auf daß uns schnelle Hilfe komme. Amen.

4. Noch ein Fall von Seelenwanderung

Rabbi Jizchak Luria, der Begründer der Kabbala, war einmal zu einer Hochzeit geladen. Der Bräutigam war ein berühmter junger Gelehrter, ein sehr frommer Mann, heilig und rein von Sitten, ausgezeichnet durch Gottesfurcht und alle Tugenden. Nach der Trauung war ein großes Festmahl. Als der Neuvermählte sich ein Stückchen Huhn nahm, blieb ihm ein Knochen im Halse stecken, so daß er daran erstickte und starb.

Alle Anwesenden jammerten und weinten, nur Rabbi Jizchak allein weinte nicht und schien sogar erfreut. Alle waren darob sehr erstaunt und fragten den heiligen Rabbi, warum er so froh sei. Darauf antwortete der Heilige:

"Wisset, daß die Seele des jungen Mannes soeben nach allen Verwandlungen für immer erlöst wurde. Der junge Mann war schon in einem früheren Dasein ein frommer, reiner und heiliger Mann gewesen, ausgezeichnet durch alle Tugenden, und hatte bei Lebzeiten alle Makel, die seiner Seele von früheren Verwandlungen anhafteten, reingewaschen. Und daß dieser heilige Mann dennoch eine neue Verwandlung durchmachen mußte, hatte folgende Ursache.

Der Mann war in seinem vorigen Dasein ein Stadtrabbiner und hatte als solcher über verschiedene rituelle Fragen zu entscheiden. Um jene Zeit irrte aber in der Welt eine unerlöste Seele umher. Da erging ein Beschluß des himmlischen Gerichtshofes, daß diese Seele in einen reinen, koscheren Vogel kommen soll; und daß, wenn der Vogel die Gnade findet, von einem heiligen und frommen Mann am Sabbat oder bei einem Fest verzehrt zu werden, sie endgültig erlöst werden soll. Und so geschah es: die Seele kam in ein Huhn, das von einem gottesfürchtigen Gelehrten zum Sabbat gekauft wurde. Der Seele war dadurch eine große Gnade geschehen, und sie glaubte sich schon erlöst. Doch die Köchin des Gelehrten hatte irgendeinen Zweifel, ob das Huhn ordnungsgemäß geschächtet sei und ob man es essen dürfe. Sie ging darum, wie es üblich ist, zum Stadtrabbiner, damit er über diese Frage entscheide. Der Stadtrabbiner untersuchte das Huhn nicht sorgfältig genug und entschied, daß man es nicht essen dürfe, obwohl er bei näherer Untersuchung hätte zugeben müssen, daß es durchaus koscher sei. So blieb die arme Seele unerlöst und mußte noch weiter in der Welt umherirren. Sie trat vor den himmlischen Gerichtshof und erhob Anklage gegen den heiligen Rabbiner: dieser hätte die Schuld, daß sie noch unerlöst sei; denn sie habe wirklich die Gnade gehabt, von einem gottesfürchtigen Mann zum Sabbat gekauft zu werden, sie sei auch wirklich koscher gewesen und hätte somit die sichere Aussicht gehabt, erlöst zu werden; doch der fromme Rabbiner habe durch sein Urteil die Sache verdorben; der himmlische Gerichtshof möge ihn daher verurteilen.

Und der himmlische Gerichtshof beschloß, daß der fromme Rabbiner noch eine Verwandlung durchmachen müsse, um in seinem neuen Dasein die Seele zu erlösen. Und die unerlöste Seele kam wieder in einen Vogel, nämlich in das Huhn, das der fromme Gelehrte bei seiner Hochzeit verzehren sollte. Als der Gelehrte das Huhn zu verzehren begann, wurde die arme Seele sofort erlöst; auch er selbst hatte nichts mehr auf dieser Welt zu tun, da er den Zweck dieses Daseins erfüllt hatte. Selig ist seine Seele, die in jungen Jahren alles erfüllt hat, was sie zu erfüllen hatte!"

Daraus kann man lernen, daß man nicht trauern soll, wenn ein frommer Mann in jungen Jahren stirbt. Denn der Herr ist gerecht und weiß, was für die Menschenseele gut ist. Dasselbe zeigt uns auch folgendes Gleichnis:

Ein König hatte eine Tochter, die er sehr liebte. Er wollte, daß sie alle Weisheit der Welt erlerne, und schickte sie daher in ein fernes Land, wo sie bei Weisen lernen sollte. Die andern Schüler und Schülerinnen der Weisen gewannen sie sehr lieb und lebten mit ihr freundschaftlich wie mit einer Schwester. Als die Königstochter ausgelernt hatte, ließ sie ihr Vater, der König, wieder abholen, denn er wollte, daß sie in seinem Königsschlosse unter Würdenträgern, Prinzen und Prinzessinnen wohne und nicht in der Fremde, unter einfachen Leuten. Doch die Königstochter hatte sich an das fremde Land gewöhnt und ihre Freunde liebgewonnen, und ebenso hatten diese sie liebgewonnen. Die Trennung fiel allen sehr schwer, und die Königstochter weinte sehr, weil sie von ihren Freunden wegziehen mußte, und die Freunde weinten, weil sie sie verließ. Ein Weiser sagte aber ihnen: "Was weint ihr jetzt? Ihr solltet euch doch freuen, daß sie ausgelernt hat und ins Königsschloß zurückkehren darf, um an der Seite des Königs zu sitzen! Ihr wißt ja, daß sie eine Königstochter ist und daß der König sie hergeschickt hat, damit sie Weisheit lerne, um später zwischen Würdenträgern und Prinzessinnen sitzen zu können. Da sie das nun erreicht hat und zum Königshofe kommt, sollt ihr nicht weinen! Ihr müßt euch freuen, daß eure geliebte Schwester zu solchen Ehren kommt, und wenn es euch auch dünkt, daß die Trennung zu schnell gekommen ist und daß sie noch länger bei euch hätte bleiben sollen. Wißt aber, daß sie in der kurzen Zeit so viel gelernt hat, wie andere in vielen Jahren lernen. Darum sollt ihr nicht trauern und nicht weinen!"

Die heilige Menschenseele ist die Königstochter; sie ist vom Schöpfer – gelobt sei Er, und gesegnet sei sein Name! – auf diese Welt gesandt, um Thora zu lernen und göttliche Gebote zu erfüllen; und wenn sie das alles erfüllt hat, nimmt sie der Herr wieder zu sich, und wenn das auch in ihren jungen Jahren geschieht, darf der Mensch dagegen nicht murren, denn der Herr ist gerecht, und seine Urteile sind gerecht. Der Herr sei uns gnädig und lasse uns viele gute und gottgefällige Werke tun. Amen.

5. Das verzauberte Pferd

Der heilige Baal-Schem kam auf einer seiner Reisen in ein Dorf, wo ein Pächter wohnte, der sein eifriger Anhänger war. Der Pächter ließ für den Gast ein feines Mahl bereiten. Während des Mahles unterhielt sich Baal-Schem mit ihm über seine Wirtschaft und fragte ihn: "Hast du gute Pferde?" Und als der Pächter das bejahte, schlug der Rabbi vor: "Wollen wir in den Stall gehen und deine Pferde sehen." Im Stalle gefiel dem Rabbi ein kleines Pferdchen ganz besonders, und er bat den Pächter, er möchte es ihm schenken. Darauf sagte der Pächter: "Dieses kleine Pferd ist mir besonders lieb, denn es kann mehr als drei andere Pferde leisten. Wo drei Pferde einen Wagen nicht herausziehen können, zieht es ihn ganz allein heraus, wie ich es schon oft erlebt habe. Wenn Ihr ein anderes Pferd wollt, so will ich Euch das beste aus meinem Stalle schenken."

Der Baal-Schem erwiderte nichts. Sie sprachen über andere Dinge, und nach einer Stunde fragte der Rabbi den Pächter, ob ihm die Leute viel schuldeten. Der Pächter sagte, er habe viele Schuldner. Der Baal-Schem sagte ihm darauf: "Zeige mir, bitte, die Schuldscheine." Der Pächter brachte alle Schuldscheine, und als der Rabbi einen gewissen Schuldschein sah, sagte er zum Pächter: "Schenke mir diesen Schuldschein!" Der Pächter darauf: "Rabbi, was taugt Euch dieser Schuldschein? Der Mann, der ihn gezeichnet hat, ist schon längst tot, und er hat nichts hinterlassen, womit man seine Schulden bezahlen könnte." Doch der Rabbi wiederholte seine Bitte, und der Pächter schenkte ihm den Schuldschein.

Der Baal-Schem nahm den Schuldschein und zerriß ihn in kleine Fetzen: so erlöste er den Verstorbenen von seiner Schuld. Dann sagte er zum Pächter: "Geh, schau jetzt nach deinem kleinen Pferde!" Der Pächter ging in den Stall und sah, daß das kleine Pferd tot war. Er begriff, daß die Sache nicht so einfach war, und der Baal-Schem erklärte sie ihm: "Über den Mann, der dir den unbezahlten Schuldschein zurückließ, wurde am himmlischen Gerichtshofe beschlossen, daß er dir die Schuld abarbeiten soll. Da wurde er in ein Pferd verwandelt und hat dir als solches zu deiner Zufriedenheit gedient. Als du mir aber den Schuldschein schenktest und ich diesen zerriß, wurde er frei von seiner Schuld. Darum ist nun das Pferd tot, und seine Seele ist erlöst."

6. Auferweckung der toten Braut