Saloon Magia - Gabriele Geschwindner - E-Book

Saloon Magia E-Book

Gabriele Geschwindner

4,4

Beschreibung

Sweet home Karolina! Eine Ranch – ein Saloon – eine Prise Magie und ein Cowgirl, hot as a whorehouse on nickel night. Das sind die Zutaten aus dem Cowgirl- und Cowboyträume sind. Karolina betreibt auf ihrer Westernranch in der Mitte Deutschlands ihren „Saloon Magia“. In diesem ungewöhnlichen Ambiente tut sie das, was ihr am Herzen liegt, daher ist nicht nur der Saloon, sondern auch ihr „Hinterzimmer“ sehr gefragt. Ihre Stammgäste bestehen aus den skurrilsten Charakteren und es geben sich eine Menge Jos die Saloontür in die Hand, die das Westernflair mit Rodeo, Oh be Joyfuls, Arbuckle und diversen Fandangos genießen. Aber nicht alles läuft reibungslos auf dieser Ranch, denn ein hinterhältiger GAF-Terrorist sorgt für Aufregung und da auch gleich mehrere "Curly Wolfs" ein Auge auf Karo geworfen haben, sind Irrungen und Wirrungen vorprogrammiert.

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Eine Ranch – ein Saloon – eine Prise Magie

und

ein Cowgirl, hot as a whorehouse on nickel night.

Das sind die Zutaten aus dem Cowgirl- und Cowboyträume sind.

Karolina betreibt auf ihrer Westernranch in der Mitte Deutschlands

ihren „Saloon Magia“.

In diesem ungewöhnlichen Ambiente tut sie das, was ihr am Herzen liegt,

daher ist nicht nur der Saloon, sondern auch ihr „Hinterzimmer“ sehr gefragt.

Ihre Stammgäste bestehen aus den skurrilsten Charakteren und es geben

sich eine Menge Jos die Saloontür in die Hand, die das Westernflair mit

Rodeo, Oh be Joyfuls, Arbuckle und diversen Fandangos genießen.

Aber nicht alles läuft reibungslos auf dieser Ranch, denn ein hinterhältiger

GAF-Terrorist sorgt für Aufregung und da auch gleich mehrere Curly

Wolfs ein Auge auf Karo geworfen haben, sind Irrungen und Wirrungen

vorprogrammiert.

Erneut widme ich die Geschichte um die „Karolina Ranch“ und dem

„Saloon Magia“

meinen treuen

EKG-Menschen,

die sich immer noch gerne

an meinen Schreibprojekten beteiligen,

mich motivieren und mir Rat geben,

wenn ich ihn brauche.

Es ist schön,

wenn man auf seine Mitmenschen zählen kann

und dafür sage ich

„Danke für so vieles“

oder besser

„Danke für alles“

Ein kleines „Cowboywörterbuch“

(Give me another snort of that …)

Inhaltsverzeichnis

Proprolog

Prolog

Yee-haw 1

Yee-haw 2

Yee-haw 3

Yee-haw 4

Yee-haw 5

Yee-haw 6

Yee-haw 7

Yee-haw 8

Yee-haw 9

Yee-haw 10

Yee-haw 11

Yee-haw 12

Yee-haw 13

Yee-haw 14

Yee-haw 15

Yee-haw 16

Yee-haw 17

Yee-haw 18

Yee-haw 19

Yee-haw 20

Yee-haw 21

Yee-haw 22

Yee-haw 23

Yee-haw 24

Yee-haw 25

Yee-haw 26

Yee-haw 27

Proprolog

Am Anfang, zu Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hatte, Wunder wahr wurden und wundersame Dinge geschahen, da begab es sich, dass die Aura des Himmels die Erde küsste und ein kleines Menschenkind das Licht der Welt erblickte.

Das Mädchen wurde auf den Namen Karolina getauft, hatte vom ersten Lebenstag an dichte, blonde Haare, leuchtend grüne Augen und einen forschenden Blick, der alles Wissen dieser Welt in sich aufsaugte.

Jeder, der in Karolinas Augen blickte, verliebte sich sofort in sie und war von ihrem Zauber gebannt bis in alle Ewigkeit. Sie war süß, sie war niedlich, sie hatte die Gabe sich in die Herzen aller Menschen zu schleichen, sie zu besetzten und sie nie wieder freizugeben. Sie war inneres Glück, welches nach außen strahlte.

Eine Begegnung mit ihr war Fluch und Segen zugleich.

Karolina war der Sonnenschein aller und tapste wie ein Engelchen durch ihr Leben, mit unendlich viel Tatendrang, um ihre Welt zu entdecken, zu erobern, sie zu verstehen und hinter die Geheimnisse zwischen Himmel und Erde zu schauen. Ihre Neugier war nie befriedigt und sie ging allen Dingen auf den Grund, begutachtete nicht nur die äußere Fassade, sondern inspizierte auch den Inhalt. Sie blickte hinter die Kulissen der Natur und tat das mit dem ihr eigenen Dickkopf, ihrer verschmitzten Art und dem was nötig war, um unter ihrem Einsatz zum richtigen Ziel zu kommen und sie gab nicht eher Ruhe, bis sie das fand, was sie zu finden hoffte,

was manchmal einer Mission Impossible glich.

Karolina sog das Wissen um die Natur der Menschen in sich auf und konnte in Seele und Herz ihres Gegenübers blicken. In den tiefsten Winkeln entdeckte sie Ängste, Probleme, Sehnsüchte und mehr. Auch verriet ihr die Körpersprache viel, die Gesten, die Mimik, ein offener Blick oder das Senken der Augen. Früh hatte sie erkannt, dass hinter der äußeren Fassade eines Menschen ein ganz anderer Kern steckte. Die meisten spielten ihrem Umfeld etwas vor, aus Unsicherheit, aus Angst vor Zurückweisung. Ganz selten war sie einem offenen Menschen begegnet, ganz selten. Viele hatten sich Verhaltensweisen antrainiert, um zu einem anderen Menschen zu werden. Sie lebten eine Lüge, die nur auf dem Drang nach Selbstdarstellung basierte. Ich bin groß, ich bin größer, ich bin der Größte. Und wer nicht die Kraft besaß, eine solche Mentalität aufrechtzuerhalten, das Spiel des Größenwahns nicht mitspielte oder gar verlor, der ging unter, aus Überforderung durch Nichterreichen eines kreierten Seins. Kaum einer akzeptierte sich so, wie er war. Die Chance einem Menschen zu begegnen, der mit sich und der Welt zufrieden und eins war, entsprach der eines Lottogewinns von 6 Richtigen plus Zusatzzahl, also gleich Null.

Doch Karolina war so ein Mensch. Karolina war dieser Hauptgewinn des Lebens. Sie war echt und sie hatte sich nie infrage gestellt, sie war das Glück, welches sie nach außen ausstrahlte und nach innen empfand. Ein blonder Engel, der die Welt zu etwas Besserem machen wollte. Sie war die Sonne, die wärmte, die Nacht, die Ruhe schenkte, der hellste Stern, der leuchtete, die Hüterin, die über allem wachte.

Mit ihren katzengrünen Augen und ihrem aufmerksamen Verstand.

…und jetzt saß sie hier hoch zu Ross, in engen Jeans, die in echten Cowboystiefeln steckten, mit einem Cowboyhut auf dem Kopf eines echten Cowgirls und besah, wie Jo einen dicken Pfahl in die Erde rammte und ihr Schild „Rodeo Drive“ an der Wegecke anbrachte…

Urig aus Holz, sozusagen ein Fingerzeig, dass ab hier eine andere Welt gelebt wurde. Sie blickte mit all ihrem Stolz auf ihreKarolina-Ranchmit ihrem besonderenSaloon-Magia.

Und so hätte sich keine Seele träumen lassen, dass dieser blonde Engel mal in verruchten Miedern und Cowboystiefeln sein Unwesen treiben würde …hot as a whorehouse on nickel night.

Prolog

Ich zog mir zwei dicke Pullover über, meine braune Lederjacke an, enge Jeans und meine abgewetzten Lieblingscowboystiefel, dazu dicke Handschuhe und meinen obligatorischen Cowboyhut. Jonathan war ähnlich eingemummelt und strahlte unglaublich viel Männlichkeit aus, zumal er sich noch nicht rasiert hatte und ihm der Eintagebart sehr gut stand. Gern hätte ich mal über die kurzen Stoppel gestrichen, aber na ja, das sollte ich vielleicht lassen, denn wenn er ging würde er ja auch dieses gerade verwegene Aussehen mitnehmen. Wir trabten den Weg zum Gottesberg hoch und oben auf dem Berg ließen wir den Blick über den Ort schweifen. Er war schön gelegen in dem schönen Gelstertal. Im Sommer war die Aussicht zwar schöner, weil gerade die Vegetation im Winterschlaf lag, trotzdem war es ein erhebender Anblick. Wir ritten nebeneinander her, einmal um Hundelshausen herum und waren tatsächlich wunderbar erfrischt von der herrlichen Luft. Dann brachten wir die Pferde zurück in den Stall und Jonathan sagte „In der Tat, du willst mich mit der Veranda ködern und bestechen“, zog er mich wieder grinsend auf.

„Hey“, klatschte ich ihm auf den Arm, „ich will dich nicht bestechen. Du brauchst die auch gar nicht selbst machen, wir haben hier auch gute Zimmermänner.“ „Ich glaube, du würdest gerne eine Veranda von mir haben.“, schmunzelte er mich an.

„Nein, ich habe meine Ranch auch alleine auf die Beine gestellt, dann werde ich meine Veranda auch noch in Auftrag geben können. Alleine. Ohne dich. Nimm dich da mal nicht so wichtig und mach dir darüber keinen Kopf.“, schimpfte ich. „Ich weiß, dass du eine Veranda von mir haben willst. Der Gedanke steht in deinen Dickkopf gemeißelt wie die Zehn Gebote auf eine Steintafel geschrieben.“, hänselte er weiter.

„Ich habe keinen Dickkopf.“, wehrte ich ab.

„Du hast sogar einen riesigen Dickschädel.“, grinste er verschlagen.

„Und du hältst dich für zu wichtig.“, streckte ich ihm albern die Zunge raus. „Nein, ich halte mich nicht für wichtig. Du hältst mich für wichtig.“, stellte er klar und nickte dazu selbstgefällig bestätigend.

Da konnte ich nicht gegenhalten, denn da war etwas Wahres dran. Er war wirklich wichtig für mich geworden und mir schien innerlich seine Wichtigkeit überhand zu nehmen, aber das konnte ich ja nicht einfach zugeben. Schließlich war ich eine Frau. Und die wollte erobert werden. Wie zu Ritterzeiten. Da war ich trotz meiner Gabe kein Stück anders als jedes andere Weib. Was ich begehrte, sollte gefälligst auch mich begehren, mit allem dazugehörigen Tamtam.

„Wenn du meinst. Du wirst es wissen.“, sagte ich pampig, obwohl ich keinerlei Pampigkeit empfand. Es war auch nicht meine Art pampig zu reagieren und ich wusste nicht warum ich es tat. Obwohl, ich wusste durchaus warum ich es tat. Ich war verliebt. Bis über beide Ohren, Augen und Gefühle verliebt, aber wollte es mir selbst nicht eingestehen.

Er packte mich am Arm und drehte mich zu sich herum und blickte mir in die Augen.

„Du machst es mir nicht leicht.“, sagte er in ruhigem Ton und seiner schönen, tiefen Stimme. „Ich möchte nicht gehen, aber ich werde es tun müssen und es würde mich belasten, wenn du mir dann böse bist.“

„Ich bin dir nicht böse.“, flüsterte ich.

Er sah mir so tief in die Augen, dass er sehen musste, wie böse ich ihm sein würde, wenn er ging. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, in der er mit seinen Augen in meine Gedanken eindrang, mein Hirn durchforstete, meine Schwachstellen erkundete, auf meinen Gefühlen Trampolin sprang, bis ich es nicht mehr aushalten konnte, meine Augen senkte, mich von ihm losmachte und „Dann hau doch ab“ sagte. Ich stapfte davon und meine friedliche Stimmung, die ich bei dem Ausritt an diesem wunderbar klaren Neujahrstag empfunden hatte, war dahin.

Ich hörte wie er hinter mir herstapfte, aber sollte er doch gleich gehen, dahin wo der Pfeffer wuchs, wachste, wucherte, ach, eben dorthin, wo es Pfeffer gab. Er konnte mich mal gerne haben. Ich würde einen neuen Mann finden, der mir hier auf der Ranch behilflich war. Ich würde einen Mann finden, dem ich vertrauen konnte, der mir beruflich eine Stütze war. Einen Mann fürs Private konnte ich aufgrund von Zeitmangel sowieso nicht gebrauchen. Also sollte er lieber gleich und auf der Stelle wegwalzen. Jetzt sofort, aber „Jetzt sofort“ hatte er mich eingeholt und schleuderte mich einmal um meine eigene Achse. Mich packte eine unglaubliche Wut, die ich selbst nicht verstand und ich trat ihm ohne nachzudenken gegen das Schienbein. Überrascht verlor er das Gleichgewicht, fing sich aber wieder, griff nach meinem Arm, fing sich doch nicht mehr und beide stürzten wir der Länge nach hin und in den Schnee hinein. Super und Aua.

Er lag halb auf mir und wir blickten uns beide mehr als überrascht an, auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, wie das geschehen konnte.

Ich sah die Antwort kommen. Ich sah sie geradewegs auf mich zudonnern wie einen Tornado. Einen Tornado, der sich ganz langsam durch heißkalte Gefühlsströmungen aufgebaut hatte, die zu kleinen Wolken wurden, dann zu mächtigen Gewittergebilden und die langsam immer mehr die Gefühlswetterlage bestimmten. Eine Wetterlage, die sich ein strahlendes und klares Hoch wünschte, indem er blieb, die aber in einem tristen Tief endete, indem er gehen wollte. Und diese gegensätzlichen Zonen prallten nun hier an diesem ersten Tag des neuen Jahres mit aller Wucht aufeinander und ich spürte seine Lippen auf meinen, mit einer Heftigkeit die mir den Atem raubte und einem Gefühl, als würde ich in das Auge des Orkans gezogen, der mich soeben heimgesucht hatte. Ich wusste nicht, wie lange dieser Kuss dauerte. Ich wusste gar nichts mehr, bis auf eines: Ich würde ihn das ganze Gelände überverandanern, überveranden, über- ach egal wie das nun hieß, ich würde ihn das gesamte Holz von Hessen hier verarbeiten lassen, wenn er nur blieb. Aber … das konnte ich ja nicht zugeben. Ich wollte gerade losschimpfen, ungern, aber manchmal muss Frau tun, was sie nicht tun will, als mir meine Schimpfkanonade im Ansatz abgewürgt wurde. Nicht von einem weiteren Kuss, sondern von einem Händeklatschen.

„Applaus Applaus. Habt ihr beiden Turteltäubchen euch gemeinsam ins neue Jahr gezwitschert?“, hörte ich die mir bekannte und hämische Stimme von André, meinem persönlichen GAF-Terroristen und dem Paten von Mozarts Vendetta.

Yee-haw 1

Die Stimmung ging dem Höhepunkt des Abends entgegen und die Feier der Halloween-Nacht war noch ausgelassen und fröhlich. Ich hatte alle Hände voll zu tun, das Barbecue war ein voller Erfolg und ich kam kaum nach, um alle Gäste satt zu bekommen. Auch stand der Zapfhahn nicht still und ein Meter Bier nach dem anderen wurde an die überfüllten Tische gebracht. Auf der Veranda tummelten sich ebenfalls viele Leute und um die Heizpilze auf dem Gelände standen Menschentrauben dicht an dicht. Fröhliches Lachen durchzog die dunkle Nacht, wie Blubberbläschen ein Glas Champagner. Es war das letzte große Fandango dieses Jahres, vor der besinnlichen Weihnachtszeit und dem finalen Silvester, und jetzt würde hoffentlich für mich auch die Zeit ein wenig ruhiger und besinnlicher werden, obwohl ich daran nicht so recht glauben mochte, denn bislang war das Ranchleben keinesfalls mit Ruhe gekoppelt gewesen und noch weniger mit Besinnlichkeit.

An diesem Abend hatte ich „Son of a Preacher Man“ in der Sarah-Connor-Version gesungen. Hautenge Jeans steckten wieder in meinen Cowboystiefeln, ein dunkelblaues Bustier zierte meinen Oberkörper und ich hatte so viel Sinnlichkeit in diesen Song gelegt, dass es allen unter die Haut gekrochen war und sich jeder Mann gewünscht hätte, für mich der „Son of a Preacher Man“ zu sein. Und gerade bei der Textstelle „How well I remember, The look that was in his eyes, Stealing kisses from me on the sly, Taking time to make time, Telling me that he’s all mine, Learning from each other knowing, Looking to see how much we’d grown”

war die Atmosphäre mehr als knisternd gewesen, wie ein durch Reibung erzeugtes Feuer, welches sich bei Berührung in kleinen Funken entlud, prickelnd durch den erotischen Touch meiner Stimme. Leicht gestört wurde mein Gesang nur durch vereinzelte Hammerschläge, denn immer noch arbeitete ein einsamer Handwerker auf dem Dach und versuchte es an der kniffligen Stelle abzudichten, welche die Firma bei der Erbauung verschlampt hatte. Ich wünschte mir sehr, dass er bald Erfolg damit haben würde, denn einem langen Winter mit undichtem Dach wollte ich wirklich nicht entgegensehen.

Er war sozusagen ein Dachdecker auf der Walz, der heute in der Früh auf meiner Schwelle gestanden und nach einem Bett für die Nacht begehrt hatte. Ich hatte ihn nur flüchtig gemustert, ihm Kost und Logis angeboten, wenn er mir dafür das Leck beheben würde und ihn somit unverzüglich aufs Dach geschickt. Uns schien beiden damit geholfen zu sein, allerdings hatte ich ihn bislang nur poltern hören und wusste noch nicht einmal wie er hieß, weil zwischen den Festvorbereitungen alles drunter und drüber gegangen war.

Aber aufgefallen war mir an ihm als Erstes, dass er nur Sandalen trug, zu dieser Jahreszeit, und ich noch dachte „Hat der Mann keine Schuhe?“.

Als Zweites registrierte ich ein freundliches Gesicht, dunkelblonde verwuschelte Haare, und ich bei dem Anblick auch noch dachte „Hat der Mann keinen Kamm?“ und einen verschmitzten Blick aus leuchtend blauen Augen, dass ich befürchtete „Aus diesem Blau blinzelt die pure Versuchung“. Zu mehr Registrierungen und gedachten Fragen hatte ich keine Zeit, und musste später genauer hinsehen und denken und gegebenenfalls nachfragen.

Erschöpft strich ich mir meine blonden Locken aus dem Gesicht, zapfte ein weiteres Maß Bier, oder eben einige Oh-be-joyfuls, beziehungsweise Who-hit-Johns, und brachte eine große Pfanne Bohnen mit Speck an den runden Stammtisch, als es plötzlich rumpelte und pumpelte und es sich anhörte, als wenn Santa Claus schon lange vor dem Weihnachtsfest durch den Schlot gefallen war.

Oh Bullshit, was war das?

So wie es staubte und rauchte schien mir eine besonders eigenwillige Bescherung bevorzustehen. Fasziniert starrte ich auf den Kamin, aus dem sich mit Ächzen und Stöhnen ein Mann herausschälte, gerußt wie die Nacht, aber ohne Bart, Mantel und Geschenken … dafür aber mit unglaublich blauen Augen.

„Meine Güte, das ist ja noch mal gut gegangen.“, seufzte er und testete welche seiner Gliedmaßen Schaden genommen hatten.

„Ach herrje, du lieber Himmel“, löste ich mich aus meiner Verwunderungsstarre. „Geht es Ihnen gut? Ist alles noch dran? Warten Sie, ich helfe Ihnen.“, setzte ich mich zu Hilfe eilend in Bewegung. „Wie heißen Sie denn nun eigentlich?“

„Ich bin Jonathan.“, reichte er mir seine Hand, damit ich ihm aufhelfen konnte.

So. Jonathan. Noch ein Jo also. Na genau dieser Jo hatte mir wohl zu all den vielen schon vorhandenen Jos gerade noch gefehlt. Eine wirklich schöne Bescherung. Aber gut, einer mehr oder weniger – was machte das schon…

Yee-haw 2

Der Saloon öffnete täglich, je nach Bedarf und Absehbarkeit zwischen 12.00 und 16.30, ohne Ruhetag, und schloss zwischen 23.00 Uhr und Mitternacht, der Geisterstunde. An den Wochenenden auch manchmal später, weil ich kein Stimmungskiller war und dichtmachte, wenn es am schönsten war.

In den ersten Tagen lief es ein wenig schleppend an, weil eine Rodeoranch samt Saloon in einem kleinen Dorf in Hessen eher etwas befremdlich wirkte und sich die Leute erst daran gewöhnen mussten, was sie aber dann doch recht schnell getan hatten. Seit anderthalb Jahren bewirtschaftete ich die Ranch mit Erfolg und ebensolchem Erfolg mit der verborgenen Seite meiner Arbeit. Der privaten. Der intimen. Derjenigen, die meinem Wesen entsprach und die hinter verschlossenen Türen in meinem Hinterzimmer ausgeübt wurde, daher immer zu leicht angeschmuddelter Phantasie anregte.

Es waren harte Männer, die in ihren Cowboystiefeln und mit ihren coolen Cowboyhüten an der Theke saßen, harte Typen, die nach Feierabend den Schmutz und Frust des langen Arbeitstages mit einem kühlen Blonden wegspülten, manchmal auch mit einem ebenso harten Whisky, einem Who-hit-John oder Oh-be-joyful, der ihrem Wesen entsprach. Hart, cool, ganz Mann, ganz „Curly Wolf“.

Doch es waren nicht nur Männer, die man im Saloon antraf, es waren auch genug Frauen dort. Frauen mit Cowboyhüten, Frauen mit Cowboystiefeln und engen Jeans. Frauen, die nach einem ebenso harten Arbeitstag ihn mit einem Kaffee, eben einem Arbuckle’s, aus einer Blechtasse abschließen wollten. Frauen, die auch ein kühles Blondes dem Koffeingetränk vorzogen. Frauen, die auch einen harten Whisky zur Brust nahmen, wenn es die Umstände erforderten. Frauen, die weiblich, sexy und tough waren. Und Cowgirls, die sich einen Cowboy angeln wollten.

Es waren harte Zeiten, Zeiten, in denen man froh sein konnte einen Job zu haben, Geld zu verdienen und Zeiten, in denen man, dankbar für Job, Geld und vielleicht auch Mann, gerne darauf anstieß.

Im Saloon-Magia.

Es waren auch harte Zeiten für diejenigen, die weder Job noch Geld noch ranchliche Dineros besaßen und die stießen ebenso dankbar darauf an, dass sie im Saloon-Magia trotzdem einen Halt hatten und gerne gesehen wurden.

Aber es waren nicht nur harte Zeiten, sondern auch ein fröhliches Treiben, das für Abwechslung für alle sorgte.

Und ich, Karolina, war es, die all diesen harten Cowboys und Cowgirls diese Feierabendheimat geben wollte, sieben Tage die Woche, weil ich dort alle Facetten meines Wesens leben und geben konnte.

Das, was die Menschen wollten. Das, was die Menschen brauchten. Das, wozu man Männer überreden musste. Das, was Frauen liebten. Das, was Männer auch liebten, wenn sie es denn nur einfach zugeben und den „Curly Wolf“ mal an den Nagel hängen würden. Im Saloon-Magia stand die Welt still, egal wie es draußen aussah, welche Partei regierte, welche Arbeitsmarktsituation vorherrschte und welche Mode „In“ war.

Obwohl der Saloon noch nicht so lange bestand, und somit auch nicht wirklich viele unterschiedliche Arbeitsmarktsituationen, Modetrends oder Parteiregentschaften miterlebt hatte, so war er doch bereits zu einem wichtigen Anker geworden, der die Zeit – oder alle Zeiten - vergessen ließ. Bis auf eine.

Hier lief zeitlose Countrymusic aus der Juke-Box, gab es Bier, Arbuckle’s, Who-hit-Johns und Speck mit Bohnen, hier wurde geschwiegen, geredet, gelacht, getratscht und getan, was getan werden musste. Hier wurde gesungen, getanzt, gelebt und gerichtet, was es zu richten gab.

„Howdy, mach mal ein Bier für mich.“, rief Jo, der gerade durch die Saloontür kam. „Okey dokey“, nickte ich.

Ein neues Glas wurde gefüllt und stand nach kurzer Zeit auf der langen Theke.

„Wie war dein Tag?“, fragte ich, so wie ich jeden fragte der eintrat und so hatte jeder die Möglichkeit, sich den Schmutz der Sorgen und Nöte von der Seele zu reden und am späten Abend gereinigter nach Hause zu kommen.

Als das konnte man meinen Saloon-Magia sehen. Als Vorwäsche für den Feierabend. „Hm, alles Bullshit.“, grunzte er nur in sich hinein.

Jo war ein lieber Kerl. Sein richtiger Name war Jonas, aber der passte nicht so zu dieser Atmosphäre und daher war aus Jonas einfach Jo geworden. Was nicht passend war, wurde passend gemacht. Er hatte seinen Cowboyhut tiefer als sonst in die Stirn gezogen, woraus man schließen konnte, dass er heute verschlossener war als gewöhnlich. Jo hatte so seine Probleme. Eher mit sich selbst. Andere mit ihm weniger. Er war ein attraktiver junger Mann, gerade 25 Jahre alt geworden. Die Mädchen liefen hinter ihm her, wie die Ratten dem Rattenfänger von Hameln, aber er war schüchtern, da konnte auch der Cowboyhut nichts ausrichten, den er wohl eher zur Tarnung trug. Er machte ihn nicht offener und forscher, sondern für die weibliche Spezies nur noch attraktiver, denn damit sah er für die Cowgirls zum Anbeißen süß aus.

„Hey, sprich, was hat der Tag gebracht?“, hakte ich nach, denn ich wollte nicht, dass jemand nur ein Bier trank und seine Probleme mit nach Hause schleppte. Und gerade bei Jo zu Hause wartete nur seine Mutter und die hatte bloß ihre eigenen Sorgen im Kopf und ein enormes Nörgelpotential.

„Nichts.“, war die einsilbige Antwort.

„Jetzt haben die Tage auch schon nichts mehr zu bieten.“, schmunzelte ich ihn an.

„Nein, den Tagen geht das Bieten aus.“, ging Jo drauf ein.

„Schade. Ein vergeudeter Tag, so ganz ohne Gebot und mit viel Bullshit.“, zwinkerte ich ihn an.

„Ja, ein vergeudeter Tag. Es hätte ihn nicht geben brauchen.“

„Dann wäre immer noch Sonntag, oder schon Dienstag. Wahrscheinlich schon Dienstag.“, sinnierte ich und zapfte vor mich hin.

„Dienstag bräuchte es auch nicht geben.“, stellte Jo klar.

„Und Mittwoch?“, setzte ich das Spiel fort.

„Ach, scheiß auf die Woche.“, nahm er einen großen Schluck.

„Wollen wir ins Hinterzimmer?“, fragte ich leise, denn vielleicht konnte ich ihm ja seinen Bullshit durch ein wenig Hilfe austreiben.

Jo sah mir tief in die Augen, schüttelte dann aber stumm den Kopf und so musste ich warten, bis er freiwillig bereit war. Das konnte schnell gehen – das konnte dauern, oder er verweigerte meine Hilfe gänzlich.

Da er meine Hilfe nicht wollte, schob ich ihm eine Schale mit meinen stimmungsaufhellenden, magischen Keksen hin, deren Zutaten aus Anis, Chili, Ingwer und Vanille bestanden, welche die körpereigene Opiate ausschütten und somit die Laune und das Wohlgefühl heben sollten und durch das Bier würde er sowieso gleich ein wenig entspannter sein.

„Howdy Leute, mach gleich drei Bier, aber pony up mein Schatz. Gleich wird der Laden voll.“, schwang die Tür ein weiteres Mal auf und der nächste Jo kam herein, breitbeinig, die Daumen in den Jeansbund geschoben, ganz Cowboy, ganz ganzer Kerl, obwohl er im wirklichen Leben Buchhalter war und Anzug trug. Doch sobald er bei mir auflief mutierte er zu einem Westernhelden, einem, der das Gesetz mit Kraft und Stärke in die eigene Hand nahm und das ließ ihn vergessen, dass er seine Arbeitslebenszeit mit dem Verwalten von Zahlen verbrachte. Im Saloon sprach er lauter, im Saloon ging er gerader, im Saloon war er der Mann, als der er eigentlich gedacht war und der er sein wollte. Im Saloon brauchte er meine Kekse nicht, eher wohl in seinem Büro.

Ich füllte wieder Gläser und Jo, der eigentlich Joseph hieß, trank seins in einem Zug leer. Überhaupt waren die Jos vertreten wie Kakteen in der Wüste, denn meine männlichen Gäste, die vorwiegend aus Joachims, Jochens, Jos, Johanns, Johns, Jonasse, Joschkas, Josefs, Josuas bestanden, wurden saloonmäßig allesamt auf Jo reduziert, wobei man schon mal den Überblick über diesen und jenen „Jo“ verlieren konnte. Natürlich gab es auch andere Namen, wie Torsten und Michael, aber es hatte sich durchaus eine stattliche Anzahl von Jos zusammengefunden.

Die Tür schwang erneut auf und zwei weitere Cowboys traten ein und genehmigten sich die beiden anderen Biere. Sie waren keine Stammkunden, sondern Kollegen von Jo(seph), die hin und wieder mal nach der Arbeit auf einen Umtrunk mitkamen. Nette und gesellige Männer, immer mit einem Witz auf den Lippen und so wurde gerade mal wieder einer zum Besten gegeben.

„Ein Toter liegt im Saloon. Der Sheriff erkundigt sich beim Zeugen: "Erschossen?"

"Ja!"

"Warum?"

"Falschspieler!"

"Poker?"

"Nein, Klavier!"“

Alles klopfte sich auf die Schenkel und lachte und mehrere Leutchen deuteten mit dem Daumen auf Mozart, mit dem Gedanken, dass ihn dieses Schicksal über kurz oder lang auch mal ereilen würde, aber da lagen sie daneben, denn Mozart spielte nie falsch. Er traf immer die richtigen Töne, nur nicht die richtige Musikrichtung, denn er liebte die Klassik, die auf einer Ranch nun überhaupt nichts verloren hatte. Mozart hieß eigentlich Mohrzart, aber weil er so viel mit Musik zu tun hatte, war er schon vor Jahren auf Mozart reduziert worden.

Von Minute zu Minute füllte sich der Saloon und die Thekenplätze waren bald alle besetzt. An Montagen war der Laden nach der Arbeit immer sehr voll. Am Wochenende sowieso, weil es dann auch Programm gab. Nur mittwochs herrschte ein wenig Flaute.

Eigentlich hätte der Mittwoch ein Ruhetag sein können, aber ich wollte keinen vor verschlossenen Türen stehen lassen, falls es doch mal Probleme geben sollte, mit was auch immer, auch wenn es nur dazu führte, dass aus einem bandscheibengefährdeten Schreibtischtäter Jo(chen) für einen Abend ein völlig gerader, zufriedener und männlicher Jo wurde.

Ich war der Meinung, dass auch kleine Sorgen ihre Berechtigung hatten gehört zu werden und für sie nach Lösungen zu suchen. Viele kleine Sorgen konnten genauso belasten wie eine große.

Ich fragte mich oft, wie dieser Ort ohne mich wohl sein würde. Würde auch ohne mich dieser Schein von Magie über allem schimmern? Vermengt mit dem Flair längst vergangener Wildwestzeiten? Wohl nicht. Nein, wohl ganz sicher nicht. Obwohl ich das Gelände nebst Saloon nicht allzu lange bewirtschaftete, so hatte sich doch alles verändert.Zum Besseren. Ich hatte das Gefühl, als schwebte über dem Ort ein bisschen mehr Glück.

Ein großer Hauch Abenteuer. Die Sterne schienen heller zu funkeln, der Vollmond schien ein wenig runder zu sein, die Sonne schien häufiger zu lachen und die Menschen waren freundlicher und wohlgesinnter als zuvor, in Wildwestmanier, in der man Freude auch durch ein bisschen grobere Ausdrucksweise mitteilen konnte, in der die Männer kein Softygehabe ausstrahlen brauchten und die Frauen in dieser Atmosphäre den harten Kerl voll und ganz akzeptierten.

„Wann singst du heute Abend?“, wollte einer von Jo(seph)s Kollegen wissen, mit Begierde im Blick, die seine Augen ständig über mich gleiten ließ.

„Wie immer, um zehn.“, antwortete ich.

„Warum singst du nicht stündlich?“, fragte er, „Die Menschen würden dich noch mehr lieben.“

„Man darf die Menschheit nicht zu sehr verwöhnen.“, lächelte ich ihn an.

Yee-haw 3

Bevor der Saloon eröffnet wurde, hatte ich mir viele Gedanken gemacht, wie es so ist, wenn man ein Projekt ins Leben rufen will, was nicht so ganz von dieser Zeit ist. Es sollte ja nicht einfach nur nach Wildem Westen aussehen, es sollte sich auch so anfühlen, echt sein, Lebensgefühl vermitteln, gefühlsecht wildwest. Nur wie fühlte sich der Wilde Westen an? Wie sollte er sich darstellen? Wie in den Western im Fernsehen? Harte Kerle, staubige Kehle, ein Pferd unterm Hintern und ein Colt an der Hüfte? So sollte es sein, denn jeder verband ja John Wayne und Richard Widmark damit und die sexy Kittys und Dollys mit ihren roten Lippen und dem Leberfleck darüber, ihren offenherzigen Dekolletees und aufgestapelten Haaren. Saloon, Bardamen, Whisky, Mieder, Schießereien mit Colts, aus der Hüfte heraus – das war das Leben á la wild wild West. Und so hatte ich mir etliche Westernfilme angeguckt, um genug Anregungen zu haben und auch kleine Details zu entdecken und mich damit für die kommende Aufgabe in Stimmung zu bringen.

Schießereien durfte es bei mir natürlich nicht geben, obwohl ich persönlich durchaus eine echte Winchester mein ererbtes Eigen nennen konnte, die natürlich nicht zum Schießen auf meiner Ranch gedacht war. Die Zeiten waren vorbei und würden auch in Hundelshausen, einem Stadtteil von Witzenhausen, nicht neu aufleben, Saloon und Ranch hin – Saloon und Ranch her. Allerdings musste das Outfit stimmen, das war Bedingung und goldene Regel wenn man eintreten wollte, also gab es bei mir Cowboyhut- und – stiefelzwang. Jeder wusste das und so wie keiner in Straßenschuhen auf eine Kegelbahn ging, so kam auch keiner ohne Hut und Stiefel durch die Schwingtür. Fremde und Neulinge konnten sich welche borgen, die Einheimischen waren freiwillig umgestiegen.

Und das mehr als gern, denn in diese andere Welt wollten sie gerne so echt wie möglich eintauchen.

Am Wochenende gab es Barbecues, stilecht, auf großem Grill. Und das Essen wurde auf Blechtellern oder in gusseisernen Pfannen serviert. Arbuckle musste man ebenfalls aus Blechtassen trinken, ob das dem Geschmack zuträglich war oder nicht, aber alle genossen scheinbar den Kaffeeblechgeschmack und mich deuchte, dass kein Witz-Huler, wie ich die Einheimischen augenzwinkernd nannte, zu Hause noch gerne aus edlem Porzellan trank. Einen elektrischen Reiter hatte ich für die harten Kerle aufstellen lassen und der hatte sich zur Supergaudi entwickelt, denn jeden Samstag ritten sie um die Wette auf dem bockigen Vieh und waren mit ihren lauten „Yee-haws“ übermütig wie kleine Kinder.

Samstag sollte überhaupt der Saloonabend an sich sein. Dafür hatte ich Countrybands verpflichtet (Die einheimische Band hatte sich extra ein Countrysongrepertoire zugelegt – eigens für den Saloon hatten sie den Song „Der wilde, wilde Westen fängt gleich hinter Hamburg an“ in „Der wilde, wilde Westen fängt gleich hier in Hundelshausen an“ umgedichtet), die alte und neuere Countrysongs spielen sollten, dazu sollte getanzt werden und ein paar Cowgirls hatte ich im Vorfeld dazu angeregt, eine Linedancegruppe ins Leben zu rufen, um die Samstage mit kleinen Einlagen und Auftritten zu bereichern. Viele Mädels hatten sich darauf eingelassen und der Kern der Truppe bestand aus meiner Freundin Josy, Jessy(ca), Doris, Kristy, Annabel – die Bella gerufen wurde, Sue Ellen, Pamela, Kitty, Ann Kristin, Brenda Lee, Lucy Lane, Peggy Sue, Scarlett und Sasha.

Natürlich waren das ebenfalls nicht die echten Namen der Ladys, aber mit dem Saloonleben hatten sich so einige Dinge eingebürgert, die ihm den gewissen Charme verliehen und so hatte sich jede einen amerikanischen Namen zugelegt und durch all solche Kleinigkeiten wurde der Wilde Westen in Hundelshausen wahrscheinlich echter als zu Zeiten des amerikanischen Ursprungs, mal abgesehen von den rauchenden Colts und womöglich des Goldrauschs, denn Gold würde hier sicher keiner schürfen, da man hier nur auf Gips stoßen würde, wobei man Gips durchaus als das Gold von Hundelshausen deklarieren konnte. Jeder Gegend eben das Seine, oder das Andere.

Doch auch ich wollte meinen Beitrag leisten und so hatte ich mich entschlossen allabendlich um 22.00 Uhr einen Countrysong zu singen. Einen einzigen, in der Aufmachung einer verruchten Bardame. Der Echtheit wegen, denn ich persönlich war alles andere als verrucht. Ich war der ruhige Typ, ein natürliches und bodenständiges Kind der Natur, welches auch noch an die große Liebe glaubte, Idylle und Besinnlichkeit vorzog, aber trotzdem gesellig war. Und das musste ich auch sein, wenn ich eine Ranch mit dem ganzen lauten Tamtam betreiben wollte. Ohne Geselligkeit ging es da nicht.

Doch ich hatte den Spagat zwischen Ruhe und dem alltäglichen Treiben prima geschafft. Für jedes Lied hatte ich mir ein tolles Kleid besorgt, mit engem Mieder, versteht sich von selbst. Mal trat ich auch in engen Jeans und Mieder auf, immer sexy, immer ein bisschen verrucht, wie Marilyn Monroe in „Fluss ohne Wiederkehr“. Ich hatte eine gute Stimme, eine Stimme, die für diese Musik wie geschaffen war. Und mein Publikum liebte sie.

Mein Publikum liebte auch mich. Auch ich liebte mein Publikum, jedoch nicht so, wie sich das so mancher Mann gern gewünscht hätte. Die Männer waren Kunden und mit Kunden fing man nichts an, nur eben das, was man eben mit den Kunden anfing, bei denen ich mein Gefühl auf vielfältige Art sprechen lassen konnte. Der Saloon war nicht das einzige Geschäft was ich betrieb, im Hinterzimmer gab es auch noch eine andere Welt.

Doch an dieser herrschte zum jetzigen Zeitpunkt kein Bedarf. Jo(nas) stierte in sein Bier und wollte weder Hinterzimmer noch Stimmungskeks, Jo(seph) unterhielt sich lautstark mit seinen Kollegen. Einige Cowgirls hatten sich an einen Tisch gesetzt und warteten auf Arbuckles und Kuchen und ein Cowgirl, Jessy, stand an der Theke, weil sie auf Männerfang war. Ihr Freund hatte sie verlassen, überraschend, und sie suchte einen Nachfolger. Jessy(ca) war kein Girl von Traurigkeit und blies nie Trübsal, denn was vergangen war – war eben vergangen und aus die Maus. Allerdings hatte sie es nicht ganz einfach, denn sie war nicht der gängige, schlanke Typ Magergröße 34, dem die Männer hinterherliefen und –pfiffen, sondern besaß die etwas molligeren weiblichen Rundungen, die ihr jedoch ausnehmend gut standen. Doch sie war nicht schüchtern und fand, dass auch ein paar Kilo mehr das Recht hatten diese Welt zu besitzen. Und damit hatte sie natürlich recht, denn sie war ein wunderbar fröhlicher Mensch, der das Herz am rechten Fleck hatte, und eine Ausstrahlung besaß, von der man sich viele Scheiben abschneiden konnte. Jessy war ein Sonnenschein und der Mann, der sie mal bekommen würde, würde mit ihr ein glückliches Leben führen können.

Sie hatte es auf den niedlichen Jo(nas) abgesehen, aber da hatte sie ihn heute auf dem falschen Cowboystiefel erwischt, denn Jo(nas) war eindeutig nicht gut drauf.

Yee-haw 4

Was immer Dir auch vorschwebt, wovon Du auch träumen magst, fang es an und denke nie, es sei unmöglich. Stürz Dich in das Wagnis, denk nicht an Niederlage oder Risiko, denn in dem Wunsch einen Traum in die Wirklichkeit zu holen liegt Lust, Macht und Magie.

Von: Manu, die sich mit Feuereifer darauf stürzt, all ihre Träume mit Macht in die Wirklichkeit zu befördern, wobei manche hirnliche Seifenblase aber auch schon geplatzt ist.

Nachdem ich meiner Tante Thea die Idee, auf dem Gelände des Grünen Sees eine Rodeoranch mit Saloon zu eröffnen, offenbart hatte, bekam ich erstmal keinen Rückenwind von ihr, denn sie war dagegen und meinte dazu nur „Schuster – bleib bei deinen Leisten“. Doch Thea hatte mich stets gelehrt meiner inneren Stimme zu folgen und die sagte mir, dass es richtig war und ich ja auf diese Art, jedenfalls zum Teil, „bei meinen Leisten“ bleiben würde.

Ich wollte etwas Außergewöhnliches erschaffen. Einen Ort, der Spaß und Zuflucht gleichermaßen bieten sollte und diesen Ort hatte ich direkt vor der Nase. Das Gelände des „Grünen Sees“ von Hundelshausen. Hundelshausen war ein Stadtteil von Witzenhausen in Nordhessen, lag geografisch praktisch in der Mitte von Deutschland und ebenso mittig zwischen Göttingen und Kassel. Der Ort war in das schöne Gelstertal eingebettet, und erstreckte sich links- und rechtsseitig der Gelster, einem kleineren Bach, oder auch größerem Flüsschen, je nachdem, wie viel Wasser er gerade trug. Er lag absolut idyllisch, umgeben von Erhebungen von Hunsfeder, Roggenberg, Gottesberg, Schwiemel und Langenberg. Der Grüne See war aus einer früheren Sprengung der Gipswerke entstanden und hatte sich zu einem wunderbaren Freizeitgelände entwickelt, welches im Sommer viele Badefreudige und Sonnenanbeter anzog. Die vielen Bäume und Büsche spiegelten sich in ihm und im Herbst war alles eine Pracht á la Indian Summer. Der See, mit den Felsen und der terrassenförmigen Anlage, würde eine wunderbare Kulisse für eine Ranch bieten. Für meine Ranch.

Thea hatte mich auf unendlich viele Arten gelehrt die Heilkunst aus der Natur anzuwenden und verstand nicht, was ich nun mit einer Ranch wollte und ich hatte mir die Zunge fusselig geredet, um sie zu überzeugen. Denn das wollte ich. Sie überzeugen, denn sie hatte mir so viele Lebenswege geebnet, dass ich wenigstens ihren Segen dafür haben wollte. So, wie man einen Stempel auf einen Brief macht, damit er seine Reise zum Empfänger antreten kann.

Thea hatte mich liebevoll aufgenommen, als meine Eltern bei einem Autounfall verunglückt waren und ich keine anderen infrage kommenden Verwandten hatte. Und etwas Besseres, als bei Thea aufzuwachsen, hätte mir nicht passieren können.

Thea war eine kleine Frau, die aber die fehlende Größe durch Resolutheit, Wissen, Liebe und Sanftmut wettmachte. Thea brachte nichts aus der Ruhe und sie akzeptierte das Leben wie es war. Man durfte sie niemals unterschätzen und sie schien alles zu sehen, zu hören, zu fühlen. Lügen hatten bei ihr sehr kurze Beine. Das Leben musste gelebt, genossen, geliebt und genutzt werden. Es gab keine Zeit für Mitleid mit sich selbst, keine Zeit für Unlust und auch keine Zeit für Krankheit. Thea brachte mir das Leben nach dem Motto „Hinfallen – Krone richten – weitergehen“ bei und heute war ich dafür überaus dankbar. Sie hielt Jammern für vergeudete und nutzlose Zeit und Krankheit bekämpfte sie mit ihrem Kräuterwissen und der Zuversicht, dass jeder Mensch die Kraft hatte sich selbst zu heilen. Im Bezug auf mich trainierte sie dahingehend meine Vorstellungskraft, die darauf beruhte, dass, wenn man Gesundheit dachte und fühlte, man gesund und schnell wieder auf den eigenen Beinen war. Sie brachte mir ihr Kräuter- und Heilwissen bei, dass unterstützend angewendet wurde. Das bedeutete natürlich nicht, dass ich nie mal krank war, aber sobald Thea merkte, dass bei mir was im Anflug war, wurden alle mentalen und kräuterlichen Register gezogen und so war ich meist nach ein bis zwei Tagen wieder mitten im Leben. Thea hatte mir vermittelt, dass das Gehirn und das Bewusstsein das allmächtige Instrument für unsere Gesundheit, unser Gutgehen und unseren Erfolg war und je älter ich wurde, umso mehr erkannte ich, wie weise Thea war. Sie hatte mir einen großen Lebensspielraum eröffnet, mich unterstützt und mir geholfen, meinen optimalen Lebensweg zu gehen, mit Liebe, mit Neugier, mit Ehrgeiz und natürlich mit Wissen. Eine bessere Lehrmeisterin des Lebens hätte ich nicht finden können.

Und so war es mir durchaus wichtig, dass ich Theas Zustimmung und Wohlwollen für mein Projekt haben wollte.

Ich hatte ihr erklärt, dass ich einen Weg finden wollte, um Zugang zu den Menschen zu bekommen, ohne dass alles einen Praxischarakter hatte und die Leute erst kamen, wenn sie schon krank waren. Mit meinem Saloon hatte ich die Möglichkeit die Leute besser kennenzulernen und zu erfahren, welche Probleme sie belasten. Beim Bier wurden die Menschen redselig und dort konnte ich ansetzen, vorbeugend und akut. Den Menschen Zeit geben, in einem Umfeld, in dem sie sich wohlfühlten. Und im Grunde war es der Traum eines jeden Mannes, seine Wehwehchen beim Bier heilen zu lassen. Über dieses Argument musste sogar Thea lachen, auch wenn sie weiterhin alles kopfschüttelnd kommentierte.

Thea hatte mir beigebracht, das, was ich erreichen wollte, zu visualisieren und so bat ich sie, es im Bezug auf die Ranch ebenso zu machen. Sie sollte sich in Gedanken ein Bild von meinem Projekt machen. Der See, die Felsen, die Ranch, der Saloon, Pferde, die Geselligkeit in dem westernlichen Ambiente, die trockenen Kehlen, die nach Flüssigkeit dürsteten …

… und, sie sah es tatsächlich vor sich, wenn auch weiterhin mit gedanklichen Vorbehalten. Aber sie hatte aufgegeben es mir ausreden zu wollen, weil sie an meinem Elan gemerkt hatte, dass ich es tun musste, ob es nun gut oder schief ging, so in der Art „Reisende soll man nicht aufhalten“ umgemünzt in „Saloonhexen sollte man Visionen nicht austreiben“.

Jedenfalls wusste ich, dass ich mit diesem Projekt so einiges vereinigen würde. Eine neue und brandzeichenheiße Lokalität, Zuspruch und Zeit für die Gäste, Hilfe durch Heilkunst. Bewusst oder unbewusst und somit wusste sie auch, dass ich trotz Ranch und Saloon „bei meinen Leisten“ bleiben würde, denn was sie mir in so vielen Jahren beigebracht hatte, konnte mir das Cowgirlleben nicht mehr austreiben.

Mit meiner Freundin Josefine, die früher als Rufnamen Josy hatte, und heute auch von den Meisten einfach und schlicht auf Jo reduziert wurde, hatte ich lange Abende verbracht und mit ihr meine Pläne erörtert. Auch sie hatte Zweifel gehabt, konnte aber meinen Traum sehen, wie ich ihn sah. Josy war freie Fotografin und obwohl man meinen konnte, dass dies in einer Zeit, in der jeder eine Kamera im Handy hatte, eine brotlose Kunst sei, so war sie ständig ausgebucht. Täglich hatte sie Fotoshootings aller Art und sie hatte wirklich ein Auge für Details. Firmen buchten sie für diverse Events, natürlich agierte sie auf vielen Hochzeiten, Taufen, Konfirmationen und Kommunionen, aber sie war auf offen für die verrücktesten Fotosessions, jedenfalls … sie war sehr gefragt und hatte ein gutes Ein- und Auskommen. Ich legte Wert auf ihre Meinung, weil sie ein kreativer Mensch war, mit Einfühlungsvermögen und auch einer großen Portion Realitätssinn. Ihr erster Kommentar war: „Wir sind auf dem Land“.

Meine Antwort dazu: „Das schadet doch nix.“

Sie: „Du kennst die Leute hier. Entweder sie wollen es – oder sie wollen es nicht.“

Ich: „Stimmt. Sie wollen es – oder – sie wollen es.“, schmunzelte ich.

Sie: „Karo, du kennst die Leute, sie können es dir auch schwer machen. In einer Stadt könnte das der Renner sein, aber hier?“

Ich: „Stimmt. Aber gerade weil hier so wenig an Gastronomie ist, wäre das doch ein großer Anziehungspunkt.“

Sie: „Und wie willst du das bewältigen, wenn es wirklich groß werden sollte?“

Ich: „Es kann ja nur begrenzt groß werden.“

Sie: „Seufz“

Ich: „Sag, dass es gut ist.“

Sie: „Es ist gut.“

Ich: „Geht doch.“

Sie wusste, ebenso wie Thea, dass der Gedanke in meinem Kopf schon zu fest verankert war, um mir das Ganze ausreden zu können. Sie wollte es mir auch nicht ausreden, sie hatte nur die Bedenken, die wir ja mehr oder weniger alle hatten. Was würde mit der Ranch werden, wenn keiner kam? Dann hatte ich mein Erbe in den Sand oder die Ranch gesetzt und würde erstmal mit leeren Händen vor dem Rest meines Lebens stehen. Aber ich war zuversichtlich. Sehr zuversichtlich.

Also hatte ich mich ans Werk gemacht, hatte verhandelt wie ein Kesselflicker, um das Land zu erwerben und noch mehr Land von Privatpersonen dazugekauft oder gepachtet, um alles großzügig gestalten zu können und Weite vorzugaukeln, denn so weites Land wie Texas hatte Witz-Hu, wie ich den Ort scherzhaft nannte, nicht zu bieten. Doch am Ende konnte ich über eine große Grundstücksfläche verfügen, die vom Gottesberg bis zur Hunsfeder reichte und auf der so manches Pferd zu sehen sein sollte. Oder eine Rinderherde, jedenfalls ein paar Kühe, eben Cows, welche die verbliebenen Bauern auf den Weiden grasen lassen konnten. Am Eingang zum „Grünen See“ sollte ein Portal, aus Holz gefertigt, die Menschen auf meiner Ranch begrüßen, so wie bei der Shilow-Ranch damals. Es floss viel Geld und mein Erbe schmolz stetig dahin, für einen Cowgirltraum. Lange hatte ich an dem Namen meiner Ranch gefeilt und es war schließlich „Karolina-Ranch“ mit „Saloon Magia“ dabei herausgekommen, angelehnt an Carolina in den USA und meinen eigenen Namen. Neben diesem Eingangsportal sollten viele Heuballen lagern, weil ich sicher war, dass über kurz oder lang die Bevölkerung auf Pferd umsteigen würde, das hatte ich in meinem untrüglichen Gefühl. Und so kam es auch, jedenfalls nach einem kleinen Weilchen.

„Einzigartige und bleibende Fußstapfen hinterlassen wir, wenn wir mutig genug sind, Wege zu beschreiten, die vor uns noch niemand eingeschlagen hat, Gedanken zu denken, die vor uns noch niemand gedacht hat und den Erfolg in Angriff zu nehmen, zu dem sich noch niemand getraut hat.“

Von: Thea, die mir das immer vorgebetet hat, sich aber nun gewünscht hätte, dass ich andere Wege gehen, andere Gedanken denken würden und einen anderen Erfolg anstrebe.

Als erstmal der erste Stein ins Rollen kam wurde unermüdlich gebaut und gearbeitet. Dort wo der Weg auf die Wiese mündete entstand das Ranchhaus mit dem Saloon, aus dicken Balken, urig, mit überdachter Veranda nach Westen und natürlich einer Saloonschwingtür. Stilecht wie nur was. Mein ganzer Stolz und als sie eingebaut war, musste ich ständig ein und aus gehen, damit sie schön pendelte, woran ich eine unglaubliche Freude hatte. Meine Ranch, mein Saloon, meine Pendeltür. Vor der Veranda sollte ein großer Grillplatz entstehen, auf dem im Sommer Barbecues stattfinden sollten. Im Innern des Saloons würde eine große Theke den Raum beherrschen, mit verspiegelter Front, viel Holz und glänzenden Messingbeschlägen, aber auch eine große Tanzfläche war vorgesehen, für Tanzveranstaltungen im Westernstil.

Ich hatte Listen über Listen erstellt, auf denen Blechtassen, Öllampen, Eisenpfannen und Whiskey vertreten waren und so unendlich vieles mehr. Mit Josy hatte ich an einer Whiskeyverkostung teilgenommen und diverse Sorten bestellt, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, dass die Normalkundschaft wirklich Whiskey trinken würde. Wer trank so ein Zeug? Gut, es sah gut aus, wenn man sich mit einem Glas dekorativ an einen Kamin lehnte. Es sah auch gut aus, wenn man die bernsteinfarbende Flüssigkeit dekorativ im Glas schwenkte. Es sah gut aus, wenn man dekorativ irgendwas damit tat. Und das auf jeden Fall in meinem Saloon. Auf jeden Fall. Dekorativ. Aber trinken? Auch wenn jeder Kenner scheinbar die Weichheit herausschmecken konnte, so es kein billiger Fusel war, so war Whiskey für mich persönlich ein Geschmacksalbtraum. Doch ich musste wissen, was ich den Leuten vorsetzen wollte, also musste ich auch alles vorher probieren, was Josy und mir einige schwere Köpfe eingebracht hatte und einiges an albtraumhaftem Erwachen im Morgengrauen, welches nur im Bett zu bewältigen war. Was tat man nicht alles? Was sollte man alles nicht tun!

Aber so eine Whiskeyverkostung hatte durchaus etwas Besonderes und ich erkannte tatsächlich Geschmacks- und Qualitätsunterschiede. Da gab es Single Malt Scotch Whisky, der samtig nach wildem Berghonig, schottischer Heide, Ananas und Getreide schmecken sollte.

Weiterhin probierten wir einen Laphroaig Malt, welcher in Bourbonfässern gereift war, einen Tobermory, der vom Aroma her mit ein wenig Torfrauch war, mit vollem und kräftigem Geschmack und weichem Abgang. Mein Favorit war aber die weiblichere Art Whiskey zu sich zu nehmen. Nämlich einem Irischen Whiskey Likör, welcher mit belgischer, weißer Schokolade, Sahne, Kakao und Vanille angereichert war und den wollte ich unbedingt in meinem Ranchsortiment haben, für die weibliche Kundschaft. Auch dieser Likör war dekorativ UND trinkbar, darin waren Josy und ich uns absolut einig. Das würde der Cowgirlnipper schlechthin werden, also bestellte ich davon vorsorglich einige Kisten.

Auch wollte ich, ganz nach amerikanischer Tradition, Flaggen hissen. Natürlich nicht die der USA, sondern die von Hessen und Hundelshausen, die es anlässlich des 900-jährigen Bestehens des Ortes gab, was meinen Stolz auf meine Ranch und auf meine Heimat ausdrücken sollte.

Ebenso sollten allabendlich und wöchentlich diverse Attraktionen stattfinden.

Und ich würde auf jeden Fall allabendlich einen Westernsong zum Besten geben. In engem Mieder dargebracht, mit meiner vielseitigen Stimme, die auch rauchige und sexy Untertöne hervorbringen konnte. Auch dafür hatte ich eine Liste, auf der Lieder von Texas Lightning, Shania Twain bis Boss Hoss notiert waren und viele mehr.

Natürlich musste auch mein Hinterzimmer gut bestückt und durchdacht sein, das von der Wichtigkeit her eigentlich die größere Priorität hatte, doch ich war bewandert in dem was ich dort brauchte und tun würde, also widmete ich mich doch eher dem Ranchaufbau, da das noch viel Neuland für mich war.

Ich steckte während dieser Zeit bis über beide Ohren in gedanklicher und handlicher Arbeit.

Es war eine Herausforderung und es gingen einige Monde ins Land, bis alles fertig gestellt war. Während dieser Zeit, in der Thea mir eine große Hilfe war, merkte ich, dass ihre Kraft rapide nachließ. Sie war nicht krank und in Gesundheit über 80 Jahre geworden, aber sie war sichtlich gealtert und fühlte sich schon seit Wochen nicht mehr wohl. Sie war immer eine resolute Person gewesen, die kein Blatt vor den Mund genommen und getan hatte, was getan werden musste, aber diese Resolutheit war einer Melancholie gewichen. Sie versuchte immer noch die starke Thea zu zeigen, aber man sah eine gewisse Müdigkeit und Traurigkeit in ihren Augen, was Bände sprach. Im Grunde ahnte ich, dass es nur noch wenig Zeit gab, die ich mit ihr teilen konnte und mir graute davor, Abschied nehmen zu müssen und meinen letzten Halt im Leben zu verlieren. Zwar wusste ich, dass der Tod zum Leben gehörte, aber trotzdem war es unvorstellbar für mich. Und ein bisschen plagte mich das schlechte Gewissen, dass ich ihr mit meiner Ranch womöglich zu viele Sorgen bereitet hatte, die ihre Kräfte auch noch aufgezehrt hatten.

Trotzdem bemühte sich Thea weiterhin für mich eine Stütze zu sein und wir grübelten zusammen über die Speisekarte nach. Herausgekommen waren dann gemischte Spezialitäten aus heimischen und cowboy-westerenlichen Gerichten, oder eine Mischung aus beidem waren.

Darunter waren:

Country Potatoes

Western Steaks

Western Burger

Italo Western Bohnenpfanne

Kartoffel Western Auflauf

Joes Bratkartoffeln

Witz-Huler Spareribs

Pacific Railroad Beef

Feuerwasserpfanne

Western Wings

Caros Cowboy Topf

… und einiges mehr, wie kleine Schüsseln mit Stimmungskeksen,

Ermunterungsbrot, nervenstärkenden Nussbrötchen,

keimabtötenden Ingwerhäppchen,

die ständig gefüllt auf der Theke zum Zugreifen standen.

Jetzt, wo alles Gestalt angenommen hatte, ging mir mein Herz auf, als ich bewusst sah, was ich da auf die Beine gestellt hatte. Zwar hatte ich all das in meinem Kopf kreiert, vor mir gesehen, aber jetzt, wo ich es tatsächlich fertig vor mir sah, da überschwemmte mich eine Welle aus Stolz. Zwar wusste ich immer noch nicht, ob der Laden in der Western-Gesundheits-Kombination laufen würde, aber was ich vor mir sah, war eine Zeitreise zurück in eine Welt, in der es Viehtriebe und Schießereien gab, das Gesetz in die eigenen Hände genommen wurde und harte Kerle harten Stoff die Kehle runterfließen ließen. In Gedanken hörte ich Pferdehufe und rauchende Colts. In Gedanken war ich weit, weit weg von Hundelshausen.

Yee-haw 5

Für den Eröffnungstag meiner Ranch hatte ich mich besonders schön gemacht und war im Grunde die teuflische Verführung selbst, jedenfalls hatte Josy mein Outfit so kommentiert, denn ich selbst hatte mich nie im Leben als teuflische Verführung gesehen. Eher als magische Verführung in Gesundheitsfragen. Ich war mit Josy intensiv einkaufen gewesen und wir hatten eine Shoppingtour der Güteklasse A hingelegt. Korsagen über Korsagen, Röcke über Röcke, Kleider über Kleider. Zuerst wollte ich nur ein oder zwei Outfits kaufen, aber da ich nicht wusste, ob ich nach der Eröffnung überhaupt noch Zeit für Kleiderkäufe finden würde, hatte ich einfach komplett über die Stränge geschlagen und mich praktisch bis Oberkante Geldbeutel und Kreditkarte eingedeckt. Der Laden hatte alles was mein Herz begehrte und ich stakste in Miedern und Hüten durch das Geschäft und andere Kunden amüsierten sich ebenso köstlich wie wir uns selbst.

Spendabel wurde Sekt an uns ausgeschenkt und sogar kleine Häppchen besorgt. Ich war mir sicher, dass sie so eine Kauforgie dort noch nicht erlebt hatten und auch nicht wieder erleben würden. Ich kaufte das ganze Cowgirlpaket, was denn ein Cowgirl so gebrauchen konnte, samt Accessoires wie Strumpfbänder, Halsbänder und für den täglichen Ranchbetrieb auch zwei Stetson.

Und nun war mein Tag da. Der Tag der Wahrheit sozusagen, der mir zeigen würde, wie es demnächst laufen würde. Würde ich wie eine lahme Mähre in den Ruin traben, oder würde ich zum Erfolg galoppieren? Würde ich meine Gesundheitsdressur umsetzen können? Würde, würde, würde ….

Meine Haare fielen in langen, blonden Locken über meinen Rücken, ein schwarz-rotes Mieder rückte meinen Oberkörper ins rechte Licht, der weit fallende Rock brachte meine schmale Taille zur Geltung und meine langen Beine steckten in schwarzen, hochhackigen Stiefelchen.

Nach einem langen und kritischen Blick in den Spiegel erkannte ich nun doch selbst, dass ich wie ein verruchter Engel auf zwei Beinen aussah, oder ein gefallener Engel, eine Versuchung wie aus Luzifers Händen geformt, so scharf wie ich aufgemacht war.

Mit Speck fing man Mäuse, oder eben Kunden und Patienten. Und ich war verdammt „hot as a whorehouse on nickel night“ aufgemacht, obwohl das bislang nie meinem Wesen entsprochene hatte. Aber ich wusste, dass es zum Flair gehören würde und so würden es die anderen ganz sicher auch sehen, denn man kannte mich hier schon lange und wusste, dass ich ein bodenständiges Naturkind war und ich es nie darauf angelegt hatte, rattenscharf auszusehen. Aber es war durchaus erstaunlich, wie man sich durch Kleidung und Make-up verändern konnte. Einfach erstaunlich. Von einem Tag zum anderen konnte man äußerlich zu einem völlig anderen Menschen werden.

Nachdem ich alles für gut befunden hatte, konnte die große Fandango losgehen und ich fieberte dem Start in mein neues Ranchleben regelrecht entgegen.

Josy hatte mich in allen möglichen Posen fotografiert, denn sie wollte einen kleinen Bildband über die Entstehung der Ranch machen, den ich bei Bedarf auch verkaufen konnte. Aber … noch war das Zukunftsmusik, jetzt musste erstmal dieser Tag „1“ der Ranchgeschichte gut anlaufen.

Die Sonne schien und eine trockene Hitze, vermengt mit Staub, flirrte durch die Luft. Cowboywetter, obwohl alles grünte und blühte. Meine Pferde grasten auf dem Gelände und keiner hätte sich gewundert, wenn eine Postkutsche Halt gemacht hätte.

Ab 18.00 Uhr sollte es losgehen und ich war gespannt, wie viele Menschen zu meiner Eröffnung der Ranch und des Saloons kommen würden. Falls überhaupt einer kam, denn Thea hatte ihre Bedenken ja geäußert und ihre Meinung war nicht gänzlich von der Hand zu weisen, untrügliches Gefühl hin – untrügliches Gefühl her. Josy war anfänglich auch skeptisch gewesen, dann aber hatte sie die Lunte gerochen, die ihrer Meinung nach zu einem donnernden oder explosionsartigen Erfolg führen würde. Aber wer wusste es schon, es würde die Zeit zeigen. Doch ich war guten Mutes, für Zweifel war es sowieso zu spät, und startete erneut einen Rundgang, um mich von meiner Perfektion ein weiteres Mal zu überzeugen. Der neu errichtete Holzsteg im Grünen See war mit vielen Kerzen geschmückt, das Seeufer wurde von Fackeln gesäumt und wenn die Dunkelheit hereingebrochen war, sollte alles entzündet werden und das Gelände auf wunderbare Weise erhellen. Lagerfeuerromantik. Überall auf der Veranda hingen schmiedeeiserne Laternen und urige Windlichter säumten die Treppenstufen.

Große Pfannen standen bereit, um nach Bedarf Bohnen mit Speck, Rührei und Kartoffeln zu braten und Berge von Grillfleisch und Spareribs sollten auf den Rost kommen. Die ansässigen Geschäfte waren mir großzügig preislich entgegengekommen, unter der Bedingung, dass ich meine Waren bei ihnen einkaufte, was mir nur recht war, denn so bekam ich alles auch noch frei Saloon geliefert.

Um 18.00 Uhr trudelten tatsächlich so einige Leute ein. Zögerlich, aber sie kamen. Einer nach dem anderen. Vor der Eröffnung gab es natürlich immer mal Schaulustige, denn ich hatte mich schon mit einigen Leuten über mein Projekt unterhalten und so zogen nun die Hundelshäuser in Richtung See, Ranch und Saloon.

Ich hatte überlegt, ob ich zur Begrüßung ein Glas Sekt reichen sollte, aber das war nun so gar nicht nach Westernart. Dann hatte ich über einen kleinen Whiskey nachgedacht, doch das schien mir eine zu harte Droge zu sein, zumal sicher viele das nicht mochten und ich wollte nicht, dass alle nur dekorativ ihre Gläser schwenkten, sondern auch was tranken, damit Stimmung aufkam. Natürlich hätte ich auch Whiskey mit Cola anbieten können, aber im Wilden Westen gab es Cola noch nicht. Cola hätte jeden Westernfilm ruiniert.

Also spendierte ich einfach ein Getränk nach Wahl und das kam gut an. Von Minute zu Minute wurde es voller, die Bestellungen gingen ein wie warme Semmeln und schon bald war der Ansturm kaum zu bewältigen.

Für die Theke hatte ich eine Aushilfe angeheuert, für den Grill ebenso und eine für die Küche. Josy half mir dort, wo akut Not am Mann war. Für Festeinstellungen war es zu früh, denn ich konnte nicht absehen, ob ich wirklich festangestellte Arbeitskräfte benötigen würde. Für das Grundstück brauchte ich ganz sicher einen Gärtner vom Frühjahr bis zum Herbst, aber da ich meinen Kundenstamm noch nicht einschätzen konnte, musste ich erstmal selbst sehen, dass ich es gebacken bekam.

Und ich bekam es schlecht gebacken, denn es waren einfach zu viele Leute. Ich zapfte im Schweinsgalopp Bier um Bier. Einen Meter Bier nach dem anderen, denn alle Grüppchen, die draußen am Grill standen, nahmen nur bierliche Meterware, um ständig versorgt zu sein.

Whiskey wurde weniger nachgefragt, obwohl der ein und andere durchaus einen probierte und tatsächlich trank. Manche mit Cola, andere, hart im Nehmen, ohne und pur. Das waren die echten Curly Wolfs. Die harten.

Anfangs schenkte ich Wein in Gläsern aus, aber je fortgeschrittener der Abend wurde, stieg ich auf Flaschen um, wenn mehrere Grüppchen gleichzeitig Wein begehrten. Meine Grillaushilfe kam mit dem Fleisch gut klar, die vorbereiteten Salatschüsseln leerten sich ruckzuck und das Stimmengewirr zog durch die dunkler werdende Nacht. Die Lichter wurden entzündet und ein magischer Schimmer verzauberte das Gelände und obwohl trinkfreudige Feststimmung war, so lag doch auch ein Hauch von Romantik und Magie über allem, denn Liebespaare verzogen sich zu dem Kerzenschein am See.

Die Schlange am Elektrischen Reiter wurde immer länger, weil die Männer sich alle beweisen wollten, was manchen auch gut gelang, aber manchen auch viel Gelächter einbrachte.

Die Band hatte sich für diesen Abend verpflichtet ausschließlich Countrysongs zu spielen und sorgte dafür, dass die Tanzfläche ständig voll belegt war. Der Zeiger der Uhr rückte auf 22.00 Uhr vor und so war ich an der Reihe, um meinen ersten Song in diesem Saloon zu singen. Mein Eröffnungssong auf meiner Ranch, in meinem Saloon.

„No No Never“ von Texas Lightning.

Als ich in meinem Korsett, dem weiten, schwarzen Rock und Schnürstiefelchen auf die Bühne stieg, wurde ich bereits umjubelt, ohne auch nur einen Ton von mir gegeben zu haben. Ein Trommelwirbel forderte zur Ruhe auf, ein an der Decke hängender Scheinwerfer nahm mich ins Visier und die anderen Lichter im Saloon wurden gelöscht, der dann nur noch durch warmen Kerzenschein mit einem Licht- und Schattenspiel erhellt war.

Und dann fing ich an:

„My Love is stronger now than you’ll ever know

And it won’t ever let you go

My love is wider than the ocean can be

And it’s deeper than the deep blue sea

Alle Stimmen waren verstummt und alle Augenpaare waren auf mich gerichtet

My love goes higher than a mountain can rise

And I see it there, in your eyes

My love gets tougher when the going gets rough

And believe me, I got more than enough