Samsons Superkaugummis - Frauke Markmann - E-Book

Samsons Superkaugummis E-Book

Frauke Markmann

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Beschreibung

Als eine Verkäuferin Samson ein Fläschchen mit Kaugummis schenkt, ahnt er nicht, dass es sich dabei um ganz besondere Kaugummis handelt. Doch dann findet er heraus, dass sie ihm Superkräfte verleihen! Samson kann es gar nicht erwarten, sich mit Hilfe der Super-Kaugummis endlich an Dennis und Jan zu rächen, die ihn jeden Tag übel mobben. Doch die Kaugummis funktionieren nicht ganz so, wie er es sich vorgestellt hat. Hätte er doch bloß nicht die Gebrauchsanweisung verloren! Wird es ihm und seinem Freund Marvin gelingen, die Superkräfte zu kontrollieren?

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Inhaltsverzeichnis

Samson, zwei Idioten und ein paar Kaugummis

Die schlimmste Deutschstunde aller Zeiten

Das grüne Kaugummi und eine Menge verwirrter Leute

Unsichtbar!

Das rote Kaugummi – Samson traut sich was

Ein Ausflug bei Nacht

Das orange Kaugummi – Marvin räumt auf

Die Erpressung

Das gelbe Kaugummi – Samson, der Retter

Die Zeit steht still – doch wie lange?

Noch eine Erpressung

Das blaue Kaugummi – Samson rastet aus

Das pinke Kaugummi – Allein

Risiken und Nebenwirkungen

Das lila Kaugummi – Marvin blickt durch

Abwarten und Tee trinken

1

Samson, zwei Idioten und ein paar Kaugummis

„Fünfundsechzig, sechsundsechzig, siebenundsechzig ...“, Samson konzentrierte sich mit aller Macht auf seine Schritte. „Achtundsechzig, neunundsechzig, siebzig, einund ...“.

„He, guckt mal, habt ihr die Schuhe schon gesehen? Wo haste denn die her, Samsilein?“ „Konzentrier dich!“, dachte Samson. „Nur nicht die Konzentration verlieren. Zweiundsiebzig, dreiundsiebzig.“ „Hat deine Mami die aus dem Schuhcontainer gezogen, Samsilein?“ Dennis musste über seinen eigenen Witz so lachen, dass er stehen blieb. „Schade“, schrie Jan über Dennis‘ Gegröle hinweg zu Samson. „Schade, dass keine Schuhe für Jungs mehr im Container waren.“ „Siebenundsiebzig, achtundsiebzig ...“, Samson war klar, dass das Zählen seiner Schritte seine beste Chance war, den Weg bis zur Bushaltestelle zu schaffen. Einfach nicht provozieren lassen, nicht zuhören, nichts an sich ranlassen. Er schätzte, dass es bis zur Bushaltestelle etwa 300 Schritte sein würden.

O. k., 327, schließlich waren das nie gerade Zahlen. Also ungefähr 327 Schritte mit seinen schwarz-roten Winterstiefeln. Die nagelneu waren. Die er sich selbst ausgesucht hatte. In der Jungenschuhabteilung. Verdammt, wo war er gewesen? Achtundachtzig? Ja, bestimmt. „Achtundachtzig, neunundachtzig ...“ Und was, wenn die anderen das auch alle dachten? Wenn nicht nur Jan und Dennis, die Idioten, dachten, dass das Mädchenschuhe sind. Warum? Weil sie rot waren. Was für ein Schwachsinn. Und selbst WENN! Und außerdem waren sie schwarz und hatten nur zwei rote Streifen an den Seiten.

„He, Samsina, sind das deine Reitstiefel? Bist du gerade auf dem Weg zum Ponyhof?“ Dennis hatte sich wieder eingekriegt und hatte Samson eingeholt. Und Jan, der immer dicht an Dennis klebte wie ein schmieriger Kaugummi, trat Samson von hinten auf die Hacken. „Huch, entschuldige! Ich wollte deine Stiefelchen nicht dreckig machen. Uiuiui, was jetzt deine Freundinnen auf dem Ponyhof sagen werden.“ Samson war ins Stolpern geraten. Er hatte keine Ahnung mehr, bei welcher Zahl er gewesen war. Und er merkte, wie ihm vor Wut die Tränen kamen. Genau darauf hatten die es ja abgesehen. Weil ihm immer die Tränen kamen, wenn er wütend wurde. Also, schön nach unten gucken. Nicht mal anschreien konnte er diese Arschlöcher jetzt. Da würden sie gleich merken, dass er heulte. Und das, obwohl er doch gar nicht traurig, sondern nur grenzenlos wütend war. Wie gern er beiden jetzt einfach die Faust ins Gesicht geschlagen hätte. Stärker als Jan war er auf jeden Fall. Aber dann hätten beide sofort gesehen, dass er rote Augen hatte. Und dass ihm die Tränen übers Gesicht liefen.

„Oh, oh“, rief Dennis aus und beugte sich näher zu Samson hin. „Oh, oh, Jan, jetzt weint Samsina, weil du ihre Stiefelchen dreckig gemacht hast. Böser Jan!“

Gut, o. k., das war zu viel. Samson blickte auf und sah direkt in Dennis‘ Gesicht, der sich vor Lachen schon wieder kaum halten konnte. „Du blödes Arschloch!“, schrie Samson ihn an. Er schubste ihn mit aller Macht. Dennis stolperte nach hinten und fiel um. „Ey! Hast du sie noch alle?“, rief Dennis, nun auch wütend. „Hau ab!“, brüllte Samson ihn an. Dann drehte er sich zu Jan, packte seine Jacke und versuchte, ihn ebenfalls auf den Boden zu schleudern. Jan, der nicht so unvorbereitet auf den Angriff war wie Dennis, ließ sich nicht so leicht umwerfen. „He, du Penner, lass meine Jacke los!“ Er streckte sein Bein zwischen Samsons Füße, zog Samsons linken Fuß nach vorne und schubste ihn gleichzeitig nach hinten, sodass Samson auch fiel. Sein Rucksack war so schwer, dass er nicht gleich wieder hochkam und für einen endlos langen Moment wie ein Käfer auf dem Rücken zappelte. Dennis, der inzwischen schon wieder aufgestanden war, trat ihm mit voller Macht seitlich gegen den Oberschenkel. „Hau ab, Baby, bevor wir dich so richtig fertigmachen“, sagte er. Samson rollte sich auf die Seite und stand auf. Sein Bein tat höllisch weh. Noch 200 Schritte zur Haltestelle. Oder 100? Er drehte sich nicht noch einmal um, sondern humpelte los. Warum nur hatte er sich wieder provozieren lassen? Und warum musste er immer gleich anfangen zu heulen. Warum? Wenn Dennis wütend wurde, sah er einfach nur gefährlich aus. Und mindestens ein Jahr älter. Und er selbst? Verwandelte sich in ein rotgesichtiges, flennendes Baby. Das war unfair.

Zuhause angekommen, verschwand Samson sofort in seinem Zimmer. Seine Mutter sollte bloß nicht seine verheulten Augen sehen. Gott sei Dank sah er wieder einigermaßen normal aus, als ihn seine Mutter zum Mittagessen rief. Nudeln mit Tomatensoße, wie immer. Samson schob sich auf seinen Platz.

„Hast du geheult?“, fragte Leila und nahm sich eine Riesenportion Nudeln aus dem Topf. „Bin erkältet“, murmelte Samson. „Ist mir sowieso egal“, sagte Leila. „Und?“, Samsons Mutter kam mit dem Parmesan aus der Küche und setzte sich auch an den Tisch. „Irgendwas Neues in der Schule?“ „Und ob“, sagte Leila. „Die Schneider ist so voll bescheuert. Die wollte mir heute mein Handy abnehmen.“ Super, dachte Samson erleichtert, damit ist zumindest der Rest des Tages gerettet. Jetzt wird Leila sich erst mal stundenlang darüber aufregen, Mama ist beschäftigt und ich habe meine Ruhe.

Doch gerade als Samson sich wieder nach oben in sein Zimmer schleichen wollte, rief seine Mutter ihm hinterher. „Sammi! Kannst du mal eben losgehen und schnell noch Waschpulver holen? Und eine neue Glühbirne für die Badezimmerlampe. Ich habe dir alles aufgeschrieben.“ Musste heute denn alles schiefgehen? Eigentlich hatte er sich jetzt für ein Stündchen an den Computer setzen wollen. Und sein Bein tat immer noch weh. Aber das konnte er ja nicht erzählen. Dann würde seine Mutter gleich bei Dennis‘ Mutter anrufen und dann würde alles nur noch schlimmer werden. „Ja, ich geh gleich.“ „Nee, nicht gleich. Es wird schon gleich dunkel. Willst du im Dunkeln aufs Klo gehen?“ „Warum kannst DU denn nicht?“, versuchte Samson. „Sammi!“ Samson kannte den Tonfall. Seine Mutter war von Leilas Gejammer schon mächtig angenervt. „O. k., o. k.“

60-Watt-Birne mit 14er-Fassung. Samson hatte Mühe, die Schrift seiner Mutter zu erkennen. Und im Regal standen tausend verschiedene Glühlampen. Halogen, Energiespardinger. Wo stand denn überhaupt die Wattzahl? Samson fluchte leise. „Kann ich dir helfen, junger Mann?“ Eine ältere Frau mit grauen Locken und einem riesigen rotem Rollkragenpullover stand plötzlich neben Samson. Er hatte sie gar nicht kommen hören. „Ja, also ... das hier suche ich.“ Samson schob ihr einfach den Zettel seiner Mutter hin. Die freundliche Frau hielt den Zettel mit gestreckten Armen weit von sich und zwinkerte mit den Augen. Genauso wie Samsons Oma das immer machte, wenn sie ihre Lesebrille nicht finden konnte. „Das ist kein Problem. Hier.“ Die Frau zog mit einem schnellen, geübten Griff eine Schachtel vom Regal. „60 Watt, 14er-Fassung. Wir haben alles!“ „Danke!“ Samson steckte die Glühbirne in den Einkaufskorb. „Aber das war doch nicht alles, nicht wahr?“ „Was?“ „Das war doch nicht alles, oder? Du brauchst doch noch mehr, oder?“, sagt die Frau besonders langsam und deutlich, als wäre Samson schwer von Begriff. "Äh, ja, Waschpulver." "Waschpulver? Gut." Die Frau drehte sich um und ging mit raschen Schritten den Gang entlang. Samson lief ihr nach. Schön, dann musste er hier nicht ewig rumsuchen. Diese alte Dame war wirklich nett. "Hier, Waschpulver!", sagte plötzlich eine Stimme hinter ihm. Samson zuckte zusammen. Er drehte sich um. Die Frau im roten Pullover stand hinter ihm und ließ eine Packung Waschpulver in seinen Korb plumpsen. Wie hatte sie denn so schnell hinter ihm auftauchen können? Sie war doch gerade noch vor ihm gewesen! "Was ist?", fragte die Frau. "Ist doch richtig, oder? Das ist doch die Marke, die ihr immer nehmt, oder?" Samson warf einen Blick auf den Korb. Tatsächlich. Das wurde ihm unheimlich. "Woher wussten Sie das?" "Keine Zauberei, mein Junge. Deine Jacke riecht danach." Die Frau rückte ein wenig näher an Samson heran und blickte ihm tief in die Augen. "Aber du brauchst doch noch etwas, Samson!" Samson wich zurück. Ihre Stimme klang seltsam eindringlich – sie betonte langsam und deutlich jede einzelne Silbe. Und woher kannte sie seinen Namen? Das hatte sie doch unmöglich auch noch riechen können. "Nein, Waschpulver, Glühbirne. Das war's", sagte Samson. Er merkte erst, dass er noch weiter vor der Frau zurückgewichen war, als er fast in das Regal hinter ihm fiel. "Das hier!" In ihrer Hand hielt die Frau plötzlich ein kleines Glasfläschchen mit bunten Kaugummikugeln. Es machte fast den Eindruck, als hätte sie es aus dem Ärmel gezaubert. "Kaugummi?" "Genau." Die Frau lächelte. "Ich glaube nicht, dass ich genug Geld für Kaugummi dabeihabe. Und außerdem mag ich Kaugummi auch gar nicht so ..." "Papperlapapp", sagte die Frau und stellte das Fläschchen in den Korb. "Geschenk des Hauses." "Oh, danke."

"Das macht dann 4,70 Euro." Sie drehte sich wieder um und ging in Richtung Kasse. Samson folgte ihr. Als sie ihm das Wechselgeld herausgab, beugte sie sich noch einmal ganz nah zu ihm heran. "Lies dir die Gebrauchsanleitung genau durch! Versprich mir das!" "Also eigentlich wäscht meine Mutter die Wäsche", stammelte Samson. "Aber nicht doch, du Dummerchen. Die Gebrauchsanleitung für das Kaugummi." Für das Kaugummi? Eine Gebrauchsanleitung für Kaugummi? Ganz richtig war die Frau aber doch nicht im Kopf. Vielleicht war sie genauso wie die komische Alte aus ihrer Straße. Die, die immer fünf bunte Röcke übereinandertrug und jeden Tag eine andere Perücke. Was hatte seine Mutter immer gesagt? „Sei stets freundlich, aber halte besser Abstand!“ "Klar!", sagte Samson also, nahm das Wechselgeld entgegen, lächelte und ging langsam zur Tür.

Die Kaugummis stopfte er in seine Jackentasche. Wenn Samson gewusst hätte, was er da so achtlos in seine Jackentasche stopfte, hätte er es dort sicher nicht vergessen. Und sicher hätte er auch gemerkt, dass er das Etikett, das zu locker auf dem Fläschchen geklebt hatte, versehentlich abriss. Diese Achtlosigkeit sollte er noch bitter bereuen.

2

Die schlimmste Deutschstunde aller Zeiten

„O. k., Samson“, dann lies doch mal bitte deine Hausaufgaben vor!“ Hausaufgaben? Hatten sie denn überhaupt was aufgehabt in Deutsch? "Äh, Moment!" Samson tauchte nach unten und suchte in seinem Rucksack hektisch nach seinem Deutschheft. "Genau deswegen sollt ihr alle schon vor der Begrüßung eure Hefte auf dem Tisch haben. Wir wollen doch nicht alle auf dich warten!", sagte Herr Pohl genervt. Samson blickte sich um. Niemand sah so aus, als würde er gerade auf seine Hausaufgabe warten. Die meisten durchsuchten, genau wie er, hektisch ihre Tornister. Nur Lena meldete sich schon wie verrückt. Die wollte also unbedingt vorlesen. Dann hatten sie bestimmt aufgehabt, eine Geschichte zu schreiben. Lena schrieb Super-Geschichten. Niemand hatte auch nur die geringste Lust vorzulesen, nachdem Lena eine ihrer Geschichten vorgelesen hatte. Danach klangen alle anderen Geschichten immer langweilig. Langweilig ... hmmm ... Moment mal, sie hatten ja dieses Märchen aufgehabt. Sie sollten selbst ein Märchen schreiben! Die Aufgabe war schon zwei Wochen her und Samson hatte das Märchen schon letztes Wochenende fertig geschrieben. Darum hatte er es auch fast wieder vergessen. Dabei war sein Märchen echt gut geworden. Fand jedenfalls seine Mutter. Und er auch. Es war total spannend. Ein Drache mit drei Köpfen kam darin vor und der Held, ein Königssohn mit einer eisernen Faust, kämpfte hinterher gegen eine ganze Armee von Zombies. Das mit den Zombies hatte seine Mutter nicht so toll gefunden, aber Herr Pohl hatte gesagt, dass sogar Star Wars eigentlich eine Art Märchen wäre, und wenn sogar Roboter und so was in einem Märchen auftauchen könnten, dann war ja nichts gegen eine Zombiearmee einzuwenden, oder?

"Also gut, Samson, wenn du noch so lange brauchst. Lena! Möchtest du dein Märchen als erstes vorlesen?"

"Nein!", rief Samson. "Ich hab's schon. Ich will zuerst vorlesen." Er blätterte sein Heft so schnell auf, dass ihm eine Seite fast zerriss, und begann zu lesen.

Als er zu der Stelle mit der eisernen Faust kam, pfiff Erik anerkennend. Samson merkte, dass seine Geschichte gut ankam. Jetzt folgte die Stelle mit dem Drachen. "Luke Eisenfaust näherte sich der Drachenhöhle, aus der heißer Dampf aufstieg. Der Dampf war so heiß, dass er ihm fast das Gesicht verbrannte. Eisenfaust zog das Visier herunter und gab seinem Pferd die Sporen. Der Drache flog brüllend aus der Höhle und richtete seinen Strahl auf ihn. Doch Eisenfaust hob seinen Schild und ..." Das war so brillant, dachte Samson. Da rief Dennis durch die Klasse: "Und richtete seinen Strahl auf ihn!", und grölte los. Samson sah auf. "Pischschschsch!", zischte Dennis und Jan verstand als Erster. "Seinen Strahl!" Jan kicherte. Was meinten die denn? Was war daran denn lustig? Jetzt lag die halbe Klasse schon am Boden vor Lachen. Dennis stand auf und tat so, als würde er auf Jan pinkeln. "Pischschschpsch!", machte er wieder. "Richtete seinen Strahl auf ihn!", japste jetzt auch Erik und kriegte kaum noch Luft.

Nur Lena blickte empört von einem zum anderen. "Seinen FEUERstrahl!", rief sie. "Das ist doch klar. Dennis – du bist so bescheuert." Na super, ausgerechnet Lena Lehrerliebling sprang ihm zu Hilfe. Samson spürte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. Sicher war er jetzt feuerrot. "O. k., das reicht!", rief Herr Pohl in die Klasse. "Wir wissen alle, was eigentlich gemeint war. Jetzt beruhigt euch wieder. Samson, lies weiter." Samson wusste nicht, wie er es schaffte, die Geschichte zu Ende zu lesen. Er verlas sich bestimmt zwölf Mal und keiner schien ihm wirklich weiter zuzuhören. Immer wieder prustete irgendeiner noch einmal los und flüsterte "seinen Strahl" oder "pischschschsch".

Als der Gong klingelte, machte Samson extra langsam. Er bot sich sogar noch freiwillig an, die Klasse zu fegen, damit er auch wirklich als Letzter zum Bus ging. Nur Marvin, der eigentlich Ordnungsdienst hatte und noch die Tafel putzen musste, war noch in der Klasse. Marvin war ein bisschen dick. Nicht so wahnsinnig dick. Aber dick genug, um von Dennis und Jan immer nur "Fetti" genannt zu werden. Das schien Marvin gar nichts auszumachen. Samson war schon oft schwer beeindruckt gewesen, wenn Marvin es wieder geschafft hatte, so zu tun, als ob Dennis und Jan einfach nur Luft wären.

Jetzt war Marvin fertig mit der Tafel. Er nahm sich seine Tasche, blickte zu Samson hinüber, der gerade den Dreck mit dem Kehrblech in den Mülleimer schüttete, und sagte: "Das mit der Zombiearmee war echt cool." Samson legte Kehrblech und Besen neben den Mülleimer. "Hmmm", machte er. Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte, aber Marvin war sowieso schon halb zur Tür hinaus. Wenn Marvin das mit der Zombiearmee doch mitbekommen hatte, hatten Erik und die anderen es vielleicht auch noch gehört. Samson war ein wenig leichter ums Herz.

Bis er auf den Schulhof trat. Dennis und Jan hatten tatsächlich auf ihn gewartet. Sie hatten extra 5 Minuten auf ihn gewartet, nur um ihn fertigzumachen. Samson blickte nach unten auf den Boden. Schritte zählen? Na, das hatte ja nicht so gut funktioniert gestern. Wie gut, dass die beiden wenigstens nicht mit seinem Bus fuhren. Er musste also nur den Weg bis zur Haltestelle schaffen. Nur bis zur Haltestelle. Dennis und Jan ließen ihn kommentarlos an sich vorbeigehen und folgten ihm dann wie immer mit ein paar Metern Abstand. Dabei machten sie die ganze Zeit laut "Pischschschschsch". Wenn die zwei Idioten erst einmal etwas gefunden hatten, was sie witzig fanden, dann hörten sie so schnell nicht mehr damit auf. Auch wenn es schon lange kein anderer mehr witzig fand. Samson merkte zu seiner Erleichterung, dass er dieses "Pischschschsch" ganz gut aushalten konnte. Er wurde gar nicht so wütend wie gestern. Kein Problem. Heute war der Weg zu schaffen. Er würde die beiden ganz einfach ignorieren können. So wie Marvin das immer schaffte. Kein Problem.

Hier war schon der Kiosk von Herrn Paulus, an dem sich Samson immer die neuesten Comics kaufte. Dann waren es jetzt nur noch wenige Meter bis zur Haltestelle.

Erst an der Bushaltestelle merkte Samson, dass er den Bus verpasst hatte. Wahrscheinlich, weil er so lange noch gefegt hatte. Mist, jetzt musste er hier noch 10 Minuten auf den nächsten Bus warten. Und die beiden Schwachköpfe hatten noch 10 Minuten Zeit, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Samson setzte sich auf die halb zerbrochene orange Sitzschale an der Haltestelle.

Jan und Dennis schienen ihre Strategie jetzt ändern zu wollen. Sie tuschelten miteinander. Dann stellten sich beide plötzlich ganz steif auf und stierten mit leerem Blick vor sich hin. Sie streckten ihre Arme vor und bewegten sich mit roboterhaften kleinen Schritten auf Samson zu. "Die Zombiearmee", flüsterte Dennis mit heiserer Stimme, die wohl gruselig klingen sollte. "Die Zombiearmee greift an." Kurz vor Samson blieben beide stehen. "Zombies", rief Dennis "zu den Waffen!" Und beide stellten sich vor Samson und taten so, als würden sie auf ihn draufpinkeln. "Pischschschschsch!" Keine drei Sekunden später mussten sich beide am Haltestellenschild festhalten, um vor Lachen nicht umzukippen.

Das war's mit Samsons Ruhe. Er spürte, wie er wieder wütend wurde. Sehr wütend. Und wie ihm schon fast wieder die Tränen kamen. Er tastete in seiner Jacke nach dem Handy, um auf die Uhr zu gucken. Wie lange noch, bis der Bus endlich kam? Seine Finger fanden nicht nur das Handy, sondern auch das Fläschchen mit den Kaugummis. Kaugummi, das wär's. Herr Pohl sagte immer, dass sie bei Klassenarbeiten Kaugummis kauen dürften. Weil Kaugummikauen beruhigt und weil es bei der Konzentration hilft. Bestens. Samson nahm das Fläschchen aus der Tasche, drehte den Deckel ab, holte eine grüne Kugel heraus und steckte sie in den Mund. Schmeckte gar nicht so schlecht. Ein bisschen nach Pfefferminz und noch irgendwas. Ein Gewürz, das seine Mutter immer so gerne benutzte. Wie hieß das noch mal? Koriander? Eine sehr komische Zusammenstellung, aber nicht schlecht. Er spürte sofort, wie er tatsächlich ruhiger wurde. Ganz warm wurde ihm. Dennis und Jan hatten aufgehört zu lachen. Sie warteten immer noch neben dem Haltestellenschild und starrten zu ihm hinüber. Dennis stand der Mund offen. Er sah ziemlich blöd aus. "Der hat sich versteckt, der Feigling!", rief Jan. Dann rannten beide auf das Gebüsch zu, das hinter den Sitzen wuchs, und traten die Büsche mit den Schuhen zur Seite, so als ob sie etwas darin suchen würden. Samson drehte sich um und sah ihnen zu. Was war denn mit denen los? Jan und Dennis blickten wild hin und her und blieben dann nach einer Weile mit hängenden Schultern stehen. "Der war doch gerade eben noch hier", sagte Dennis. "Der kann doch nicht einfach so weg sein." "So schnell ist der doch nicht", sagte Jan und drehte sich suchend um seine eigene Achse. Samson kapierte gar nichts. Von wem redeten die beiden? Na, das konnte ihm auch egal sein. Wenigstens hatten sie ihn ganz vergessen. Und da kam auch schon sein Bus. Endlich.

3

Das grüne Kaugummi und eine Menge verwirrter Leute

Samson sprang auf und lief auf die aufschwingende Bustür zu. Ein Mann, der gerade ausgestiegen war, trampelte ihm voll auf den Fuß. "Au!", schrie Samson auf. Der Mann erschrak und blickte sich um. "Was?", sagte er. Er wirkte total verwirrt. "Schon gut!", sagte Samson und humpelte die Stufe hinauf in den Bus hinein.

Samson setzte sich auf einen Fensterplatz, und während der Bus losfuhr, sah er sich noch einmal nach Dennis und Jan um, die immer noch ratlos im Gebüsch standen. Wonach suchten die nur?

An der nächsten Haltestelle stieg eine Frau mit drei schweren Einkaufstüten zu. Sie steuerte direkt auf Samsons Platz zu, obwohl noch ganz viele Plätze frei waren. Und dann knallte sie ihre schweren Einkaufstüten einfach auf seinen Schoß.