Sämtliche Gedichte - Hilde Domin - E-Book

Sämtliche Gedichte E-Book

Hilde Domin

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Beschreibung

Hilde Domin gehört zusammen mit Rose Ausländer und Nelly Sachs zu den bedeutendsten Lyrikerinnen der Nachkriegszeit. Von den Nationalsozialisten ins Exil gezwungen, fand sie ihre Heimat im Wort. Ihre Lyrik spricht vom widerständigen Mut zur Erneuerung des Verlorenen. Erstmals werden mit diesem Band alle Gedichte Hilde Domins in der Chronologie der Einzelausgaben, ergänzt um verstreut publizierte und Gedichte aus dem Nachlass, vorgelegt. Ein editorischer Anhang und ein Nachwort von Ruth Klüger komplettieren diese Neuausgabe.

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Hilde Domin

Sämtliche Gedichte

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Inhalt

Nur eine Rose als StützeAufbruch ohne GewichtIIIIIINur eine Rose als StützeNur eine Rose als StützeTreulose KahnfahrtGegenwartDas goldene SeilBittersüsser MandelbaumDie schwersten WegeHerbstHaus ohne FensterIm Regen geschriebenBanges NeujahrSämannAuf Wolkenbürgschaft»Vogel Klage«Neues LandGeborgenheitBuchen im FrühlingRufe nichtWillkürliche ChronologieMit meinem SchattenEs kommen keine nach unsUnterrichtNoch gesternMöwe zu drittWinterbienenRückkehr der SchiffeRückkehr der SchiffeHerbstaugenLandschaft bei CadizNachmittag am GuadalquivirLosgelöstRückkehrJenseits des BergsKnospeAbzählen der RegentropfenschnurWinterMagere KostUnaufhaltsamFluchtLinguistikOsterwindIndischer FalterWarnungAngsttraumLilieTauben im RegenVon grün zu goldWarte auf NichtsFesselballonFahrt durch KastilienManuskripte ordnendKindersarkophagFlutMorgens und AbendsBehütetNur ZeugenLetzte MitteilungDienstpflichtigAsternfeldTraumwasserUnterwegsAprilMit leichtem GepäckFremderOrientierungBitte an einen DelphinZärtliche NachtRückkehr der SchiffeLieder zur ErmutigungIIIIIIHierLyrikEinhornAuf der andern Seite des MondsHeimkehrerSchneide das Augenlid abAktuelles12›Seids gewesen, seids gewesen!‹Salva nos12Von unsSchönerKölnExilNachtBeklemmungKalenderFünf Ausreiselieder1 Hier2 Ausreisegedicht3 Ich flüchte mich zu dem kleinsten Ding4 Keine Zeit für Abenteuer5 ›Silence and exile‹RückwanderungGegen die BotmässigkeitAnstandsregel für allerwärtsWer es könnteKatalogVertracktBei der Lektüre Pablo NerudasDie BotschafterFingernagelgrossFrageDas Gefieder der SpracheImmer kreisenVögel mit WurzelnNächtliche OrientierungDas Wachsen von TräumenAlternativeEntfernungen12345EntfernungWir nehmen AbschiedBrief auf den anderen KontinentMarionetteAnweisungUnterwegsRufTunnelIrgendwannEs knosptNicht müde werdenArs longaHöhlenbilderDein Mund auf meinemAlle meine SchiffeMein Geschlecht zittertSchriftNeue WegeWie ein lidloses TierTopographieGalionsfigurVor TagKreisel [...]GegengewichtIch will dichIIch will dichDrei Arten Gedichte aufzuschreibenDas ist es nichtGraue ZeitenEcce HomoSisyphusNach dem Fernsehbericht: Napalm-LazarettAbschaffung des Befehlsnotstands: PerspektiveZur InterpunktionVorsichtshalberAbel steh aufIIWort und DingMonologeDer grosse LuftzugAngsttraum ISenkbleiVieleGeburtstageAngsttraum IIImmer mit den vollen HändenÄnderungenFilterIIIJahrtausendeBitteAugenturmAnfangSehnsuchtWunschLichtinselDas Bild zu SaisGeh hinLinke KopfhälfteLektüreÜberfahrtÄlter werdenMauern sortierendVaterländerDer übernächste KriegAusbruch von hierTokaidoexpressEs gibt dichAntwortGesammelte GedichteAussaatAuf der TerrasseMäherAuf welch verlässlichen Stern?Die Mauern sankenIm Tor schonWie trag ichsJagdStundenbuch des Duc de BerryDemutZikkuratSpindelWie Erz in Stein versprengtMexikanischTage der HeimsuchungRatloser AbendHarte fremde Hände›Pícara‹VogelschwingenDas kleine rote BandNotruferFürchte dich nichtRückenZweifelSignalDer Frühling ein riesiger SpechtHeckenroseÄgyptisches GrabmalMagieFranzösischer GobelinTröstungWen es trifftTraumstaubWorteGefährlicher LöffelGefängnisVersöhnungNichts geschiehtZentimeterKindergesprächAnglerTraum im WinterHausschlüsselSpätsommerStierkampfFragmentWegeNur der EigensinnigeSpiegelgedichte1 Identität2 Nicht angeseilt3 TapferkeitLanden dürfenAbfahrt aus SpanienWas für ein Zeichen mache ichVersprechen an eine TaubeSchlafliedIn der Höhle des PolyphemKalender123BedrohungIn die Hand eines Blatts gelegtZwei TürenDein roter BaumRosenblätterMit den gleichen AugenGespräch mit meinen PantoffelnGraue Zeiten1Fernsehgedichte1 Napalm-Lazarett2 Brennende Stadt (Beirut)Für Vicente AleixandreDer Baum blüht trotzdemIMein Herze wir sind verreistDer Baum blüht trotzdemWahlDie LiebeIch bewahre mich nichtNimm den EimerVorwurfZwischen immer und immerDie Flügel der LerchenEin blauer TagTalfahrtWolkeFallschirmUnsere langen SchattenElementStrapazierter ComputerGenesisRückzugAndere GeburtEin goldenes BlattWeil verlieren so leicht istHarzendIn voller FahrtSchlimmes BündnisAppellDieser weite FlügelIIKalenderEinzelveröffentlichungenWen es trifftLiebeWeihnachtsbotschaftDie verlierbaren LebendenGedichte aus dem NachlassIHilfloses SOS nach deinem GeburtstagDem Geliebten zum 27. August 1953IIDie hellen SchattenAbsageFranzösischer GobelinManchmalAn den Worten hängt TangSanfte GefahrKrankenberichtMischievious moodMorgengebet am 1. des JahresFlugplatzSterbender FreundIIIAnhangNachwortWarnungGeburtstageIch will dichEditorische NotizenNur eine Rose als Stütze 1959Rückkehr der Schiffe 1962Hier 1964Höhlenbilder 1968Ich will dich 1970/1995Gesammelte Gedichte 1987Der Baum blüht trotzdem 1999EinzelveröffentlichungenGedichte aus dem NachlassAlphabetisches Verzeichnis der GedichttitelAlphabetisches Verzeichnis der Gedichtanfänge

Nur eine Rose als Stütze

1959

Aufbruch ohne Gewicht

Dando voy pasos perdidos

por tierra, que todo es aire

LOPE DE VEGA

I

Ziehende Landschaft

Man muß weggehen können

und doch sein wie ein Baum:

als bliebe die Wurzel im Boden,

als zöge die Landschaft und wir ständen fest.

Man muß den Atem anhalten,

bis der Wind nachläßt

und die fremde Luft um uns zu kreisen beginnt,

bis das Spiel von Licht und Schatten,

von Grün und Blau,

die alten Muster zeigt

und wir zuhause sind,

wo es auch sei,

und niedersitzen können und uns anlehnen,

als sei es an das Grab

unserer Mutter.

Apfelbaum und Olive

Ein Trost ist, zu wissen

wo die Tassen stehn und die Teller

in dem Haus, in dem du zu Gast bist,

und einen Anteil zu haben

an der Zärtlichkeit von Katze und Hund

deines Freunds,

und die Tücke des Fahrrads zu kennen

als sei es dein eignes,

auf dem du mit der verblichenen Tasche

in das fremde Dorf fahren darfst,

und die Milch auf dem Weg zu verschütten

als habest du selbst

den Deckel der alten Kanne

vor Jahren

auf diesem Wege verloren.

Du gehst durch das Gartentor

und machst es hinter dir zu,

als stehe die Bank

für dich vor dem Haus,

und siehst die andern draußen vorbeigehn,

du,

der Wandrer

von Tag zu Tag

und von Land zu Land,

an dem das Wort

von der Flüchtigkeit

allen Hierseins

Fleisch ward.

Du, den jede Wand

aufgibt,

und den es oft nach des Zirkuskinds

fahrbarer Höhle verlangt.

Zwar, der Apfelbaum und die Olive

sind überall dein,

und in fernen Ländern

schiebt man dir einen Stuhl an den Tisch

an der Seite der Hausfrau,

und jedes gibt dir von seinem Teller

wenn die Schüssel schon leer ist,

als habe ein Kind sich verspätet,

nicht als kämest du eben vom Flugplatz.

Und die dunkeln Mangobäume

und die Kastanien

wachsen Seite bei Seite

in deinem Herzen.

Du weißt, wie die hohen Gräser

an den Rändern der Inseln rascheln

in allen südlichen Meeren,

wie staubig die Kaktuswege sind,

und du gehst durch die schaumigen Wiesen und kennst

ihren bunten Kalender.

Du spielst mit dem Wind

und bläst die hellen Kugeln

des Löwenzahns in die Luft

und siehst dem Schweben

der kleinen weißen Schirme mit zu

– so leicht, so widerstandslos vor dem Wehn

wie du selbst.

Irgendwo

dürfen sie landen.

Dann fährst du die Straße hinab

als glittest du auf einem Schlitten

an den Pappeln vorbei

in die Abendsonne.

Ein Reh tritt aus dem Wald,

und eine kleine Kirche auf einem Hügel

mit einem einsamen Kirchhof

winkt dir zu.

Du wägst ihren Gruß

wie eine Einladung,

die man eines Tages

– noch ungewiß, wann –

vielleicht gerne

annehmen möchte.

Und daran erkennst du,

daß du

hier ein wenig mehr

als an andern Stätten

zuhaus bist.

Herbstzeitlosen

Für uns, denen der Pfosten der Tür verbrannt ist,

an dem die Jahre der Kindheit

Zentimeter für Zentimeter

eingetragen waren.

Die wir keinen Baum

in unseren Garten pflanzten,

um den Stuhl

in seinen wachsenden Schatten zu stellen.

Die wir am Hügel niedersitzen,

als seien wir zu Hirten bestellt

der Wolkenschafe, die auf der blauen

Weide über den Ulmen dahinziehn.

Für uns, die stets unterwegs sind

– lebenslängliche Reise,

wie zwischen Planeten –

nach einem neuen Beginn.

Für uns

stehen die Herbstzeitlosen auf

in den braunen Wiesen des Sommers,

und der Wald füllt sich

mit Brombeeren und Hagebutten –

Damit wir in den Spiegel sehen

und es lernen

unser Gesicht zu lesen,

in dem die Ankunft

sich langsam entblößt.

Gleichgewicht

Wir gehen

jeder für sich

den schmalen Weg

über den Köpfen der Toten

– fast ohne Angst –

im Takt unsres Herzens,

als seien wir beschützt,

solange die Liebe

nicht aussetzt.

So gehen wir

zwischen Schmetterlingen und Vögeln

in staunendem Gleichgewicht

zu einem Morgen von Baumwipfeln

– grün, gold und blau –

und zu dem Erwachen

der geliebten Augen.

Rückzug

Meine Rechte (wer glaubt es ihr heut?)

war einstmals eine offene Rose

voller Schmetterlinge.

Plötzlich, fast ohne Vorbereitung,

wie einer gestoßen wird und fällt,

hat sie ihre Blätter verloren

und war blaß und nackt:

eine Menschenhand

wie alle andern.

Du erinnerst dich.

Die Schale meiner Linken,

die deine Vögel tränkte,

zerbrach.

Du weißt, wie lange die Scherben

in unserem Garten lagen.

Es ist wahr, ich konnte mich damals

in eine Wand von blühendem Wein verwandeln

für deine Bienen.

Die Jahreszeit war

kaum von Bedeutung –

vor diesem Tag,

an dem ich meine Hände

auf den Tisch legte,

und sie leer waren.

Seither bin ich bescheiden geworden,

ich gehe mit einem Netz auf den Markt,

wo gewogen und abgeschnitten wird,

und habe dir Tassen und Teller gekauft

wie eine richtige Hausfrau.

Aber wenn du weinst

und dich hilflos

im Schlafe beklagst,

dann wachsen meinem Herzen

kleine schmerzende Flügel,

und ich fühle seine Ungeduld

in meinem Hals,

daß mir der Atem vergeht.

II

Für E.

Wo steht unser Mandelbaum

Ich liege

in deinen Armen, Liebster,

wie der Mandelkern in der Mandel.

Sag mir: wo steht

unser Mandelbaum?

Ich liege in deinen Armen

wie in einem Schiff,

ohne Route noch Hafen,

aber mit Delphinen am Bug.

Unter unserem Rücken

ein Band von Betten,

unsere Betten in den vielen Ländern,

im Nirgendwo der Nacht,

wenn rings ein fremdes Zimmer versinkt.

Wohin wir kamen

– wohin wir kommen, Liebster,

alles ist anders,

alles ist gleich.

Überall wird das Heu

auf andere Weise geschichtet

zum Trocknen

unter der gleichen

Sonne.

Aufbruch ohne Gewicht

Weiße Gardinen, leuchtende Segel

an meinem Fenster

am Hudson,

im zehnten Stock des Hotels

hell in die Sonne gebläht und knatternd im Meerwind.

Versprechen, Ausfahrt

nachhause,

zum Stelldichein mit mir selbst.

Aufbruch ohne Gewicht,

wenn das Herz den Körper verbrannt hat.

Segel so möwenleicht

über das offene Blau.

Das Zimmer ist unterwegs.

Aber das Meer

ist abgesteckt wie ein Acker.

Bau mir ein Haus

Der Wind kommt.

Der Wind, der die Blumen kämmt

und die Blüten zu Schmetterlingen macht,

der Tauben steigen läßt aus altem Papier

in den Schluchten Manhattans

himmelwärts, bis in den zehnten Stock,

und die Zugvögel an den Türmen

der Wolkenkratzer zerschellt.

Der Wind kommt, der salzige Wind,

der uns übers Meer treibt

und uns an einen Strand wirft

wie Quallen,

die wieder hinausgeschwemmt werden.

Der Wind kommt.

Halte mich fest.

*

Ach, mein heller Körper aus Sand,

nach dem ewigen Bilde geformt, nur

aus Sand.

Der Wind kommt

und nimmt einen Finger mit,

das Wasser kommt

und macht Rillen auf mir.

Aber der Wind

legt das Herz frei

– den zwitschernden roten Vogel

hinter den Rippen –

und brennt mir die Herzhaut

mit seinem Salpeteratem.

Ach, mein Körper aus Sand!

Halte mich fest,

halte

meinen Körper aus Sand.

*

Laß uns landeinwärts gehn,

wo die kleinen Kräuter die Erde verankern.

Ich will einen festen Boden,

grün, aus Wurzeln geknotet

wie eine Matte.

Zersäge den Baum,

nimm Steine

und bau mir ein Haus.

Ein kleines Haus

mit einer weißen Wand

für die Abendsonne

und einem Brunnen für den Mond

zum Spiegeln,

damit er sich nicht,

wie auf dem Meere,

verliert.

Ein Haus

neben einem Apfelbaum

oder einem Ölbaum,

an dem der Wind

vorbeigeht

wie ein Jäger, dessen Jagd

uns

nicht gilt.

Wie wenig Nütze ich bin

Wie wenig nütze ich bin,

ich hebe den Finger und hinterlasse

nicht den kleinsten Strich

in der Luft.

Die Zeit verwischt mein Gesicht,

sie hat schon begonnen.

Hinter meinen Schritten im Staub

wäscht Regen die Straße blank

wie eine Hausfrau.

Ich war hier.

Ich gehe vorüber

ohne Spur.

Die Ulmen am Weg

winken mir zu wie ich komme,

grün blau goldener Gruß,

und vergessen mich,

eh ich vorbei bin.

Ich gehe vorüber –

aber ich lasse vielleicht

den kleinen Ton meiner Stimme,

mein Lachen und meine Tränen

und auch den Gruß der Bäume im Abend

auf einem Stückchen Papier.

Und im Vorbeigehn,

ganz absichtslos,

zünde ich die ein oder andere

Laterne an

in den Herzen am Wegrand.

Vorsichtige Hoffnung

Weiße Tauben

im Blau

verbrannter Fensterhöhlen,

werden die Kriege für euch geführt?

Weiße Taubenschnur

durch die leeren Fenster

über die Breitengrade hinweg.

Wie Rosensträucher auf Gräbern

achtlos nehmt ihr das Unsre.

Auf den mit Tränen gewaschenen Stein

setzt ihr das kleine Nest.

Wir bauen neue Häuser,

Tauben,

die Schnäbel der Krane ragen

über unseren Städten,

eiserne Störche, die Nester für Menschen richten.

Wir bauen Häuser

mit Wänden aus Zement und Glas

an denen euer rosa Fuß

nicht haftet.

Wir räumen die Ruinen ab

und vergessen die äußerste Stunde

im toten Auge der Uhr.

Tauben, wir bauen für euch:

ihr werdet

in den glatten Wänden nisten,

ihr werdet

durch unsere Fenster fliegen

ins Blau.

Und vielleicht sind dann ein paar Kinder da

– und das wäre sehr viel –,

die unter euch

in den Ruinen

unserer neuen Häuser,

der Häuser, die wir mit den hohen Kranen

den Tag und die Nacht durch bauen,

Verstecken spielen.

Und das wäre sehr viel.

Abschied aus Andalusien

Für Bernabé und Quinín

Der Ginster stand voll silberner Schoten,

der Lavendel war abgeblüht,

und die Bauern ritten auf kleinen Eseln

hinauf, in ihre weißen Dörfer.

Mit schweren Eutern wurden die Ziegen

in die Gehöfte geführt.

Da stand ein Stein,

ein grauer Stein,

auf einem Hügel im Feld.

»Lieber Stein«, sagte ich,

»nimm mich an,

als seist du ein kleiner niedriger Stuhl

vor einem Herdfeuer

an dem ein Topf Milch steht.

Bei dir will ich bleiben.

Ich will auspacken,

und wie ein Kind

seine Taschen umdreht

und seine Murmeln

und einen zerdrückten Maikäfer

auf dem Boden ausbreitet,

will ich das Meine um dich legen.«

Und alle meine Gegenstände,

so viele unnütze Gegenstände,

lagen auf dem Feld

und warfen lange Schatten

in der Abendsonne.

Weiter unten am Weg

glühten drei rote Mohnblumen

bei einem Ölbaum.

Ich legte meinen Kopf

auf die Schreibmaschine

und sah in den Himmel,

und die eiligen Schwalben

wie Weberschiffchen

woben mir ein Dach,

ein durchsichtiges Dach

aus Bahnen von hellblauem Nichts

über meinem Kopf.

Aber wie die Nacht kam

mit ihrem Krötenorchester

– der Feigenbaum im Tal

war längst in grünen Halmen ertrunken –

gab mir der Stein

eine kleine gelbe Margerite

als Hausschlüssel.

Damit schloß ich den Hügel auf,

den nächsten

der vielen spitzen Hügel am Meer,

und ging hinein

und hatte eine Wohnung

bei den Wurzeln

der Blumen.

Die Heiligen

Die Heiligen in den Kapellen

wollen begraben werden, ganz nackt,

in Särgen aus Kistenholz

und wo niemand sie findet:

in einem Weizenfeld

oder bei einem Apfelbaum

dem sie blühen helfen

als ein Krumen Erde.

Die reichen Gewänder, das Gold und die Perlen,

alle Geschenke der fordernden Geber,

lassen sie in den Sakristeien,

das Los, das verlieren wird, unter dem Sockel.

Sie wollen ihre Schädel und Finger einsammeln

und aus den Glaskästen nehmen

und sie von den Papierrosen ohne Herbst

und den gefaßten Steinen

zu den welken Blumenblättern bringen

und zu den Kieseln am Fluß.

Sie verstehen zu leiden,

das haben sie bewiesen.

Sie haben für einen Augenblick

ihr eigenes Schwergewicht überwunden.

Das Leid trieb sie hoch,

als ihr Herz den Körper verzehrte.

Sie stiegen wie Ballons, federleicht,

und lagen in der Schwebe auf ihrem wehen Atem

als sei er eine Pritsche.

Deshalb lächeln sie jetzt,

wenn sie an Feiertagen

auf schweren geschmückten Podesten

auf den Schultern von achtzig Gläubigen

(denen man das Brot zur Stärkung voranträgt)

in Baumhöhe durch die Straßen ziehn.

Doch sie sind müde

auf den Podesten zu stehn

und uns anzuhören.

Sie sind wund vom Willen zu helfen,

wund, Rammbock vor dem Beter zu sein,

der erschrickt

wenn das Gebet ihm gewährt wird,

weil Annehmen

so viel schwerer ist als Bitten

und weil jeder die Gabe nur sieht

die auf dem erwarteten Teller gereicht wird.

Weil jeder doch immer von Neuem

in den eigenen Schatten tritt,

der ihn schmerzt.

Sie sehen den unsichtbaren Kreis

um den Ziehbrunnen,

in dem wir uns drehn

wie in einem Gefängnis.

Jeder will den Quell

in dem eigenen Grundstück,

keiner mag in den Wald gehn.

Der Bruder wird nie

das Feuer wie Abel richten

und doch immer gekränkt sein.

Sie sehen uns wieder und wieder

aneinander vorbeigehn

die Minute versäumend.

Wir halten die Augen gesenkt.

Wir hören den Ruf,

aber wir heben sie nicht.

Erst danach.

Es macht müde zu sehn

wie wir uns umdrehn

und weinen.

Immer wieder

uns umdrehn und weinen.

Und die Bitten zu hören

um das gestern Gewährte.

Nachts wenn wir nicht schlafen können

in den Betten, in die wir uns legen.

Sie sind müde

Vikare des Unmöglichen auf Erden

zu sein, des gestern Möglichen.

Sie möchten Brennholz

in einem Herdfeuer sein

und die Milch der Kinder wärmen

wie der silberne Stamm einer Ulme.

Sie sind müde, aber sie bleiben,

der Kinder wegen.

Sie behalten den goldenen Reif auf dem Kopf,

den goldenen Reif,

der wichtiger ist als die Milch.

Denn wir essen Brot,

aber wir leben von Glanz.

Wenn die Lichter angehn

vor dem Gold,

zerlaufen die Herzen der Kinder

und beginnen zu leuchten

vor den Altären.

Und darum gehen sie nicht:

damit es eine Tür gibt,

eine schwere Tür

für Kinderhände,

hinter der das Wunder

angefaßt werden kann.

Ich lade dich ein

Liebster, ich lade dich ein,

komm in das Haus unserer Wünsche

und häng deinen Hut an die Wand,

den Hut mit dem kleinen Schußloch.

Denn ich habe das Haus

ganz nach deinem Befehle gebaut.

Es ist alles darin, was wir brauchen.

Der blaue Himmel der Tropen,

die leichte Luft von Madrid,

doch ohne den lästigen Wind, der

dir die Papiere zersaust.

Die Zimmer sind im gobelinweichen Grün

der Hänge von Heidelberg gestrichen.

Ich geb dir die alte Brücke als Bett

mit einer Kautschukmatratze darauf.

Es riecht nach den Glyzinien

der Via Monte Tarpeo,

Marc Aurel ist wieder unser Portier.

Des Abends vergoldet die Sonne den Tiber,

dann singt uns die Nachtigall am Palatin.

Danach gehen wir in die Kammerspiele,

in die Scala oder Old Vic,

oder sehn den großen Barrault,

ob Paris ihn gerade mag oder nicht.

Du hast immer Zeit,

und es fällt dir was ein, wenn du Zeit hast.

(Die Schreibmaschine kopiert von allein,

völlig geräuschlos, versteht sich.)

Und was du schreibst,

wird im ersten Monat gedruckt

und sofort darauf rezensiert

und gefällt dir und den andern, und das mit Recht,

denn es ist bahnbrechend, einfach und gut

und zur richtigen Stunde gesagt. –

Und für die Flauten schreibt Händel

dir neue Concerti Grossi,