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Es fielen noch ein paar Schneeflocken, doch plötzlich und unerwartet schien der runde Mond auf die Häuser und den weißen Turm. Aus dem schneebedeckten Häusermeer wurde im Mondlicht eine Silberstadt. Es war der Weihnachtstag, ein friedlicher Abend in tiefer Stille. Die Stadt im Schnee bot so einen märchenhaften Anblick unter dem nachtblauen Himmel mit den funkelnden Sternen, dass man nicht überrascht gewesen wäre, wenn goldglitzernde Heilige durch die weißen Straßen gegangen wären. Niemand sah jetzt die Schönheit der alten Stadt im Schnee. Die Bewohner schliefen tief und fest. Es war eine Nacht, genau richtig, um ein Wunder geschehen zu lassen. ...
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Seitenzahl: 15
Ein Weihnachtsmärchen
Felix Timmermans
Für den ehrenwerten Herrn Mil. Broers,der so gerne eine Geschichte überSankt Nikolaus wollte lesen.
Es fielen noch ein paar Schneeflocken, doch plötzlich und unerwartet schien der runde Mond auf die Häuser und den weißen Turm. Aus dem schneebedeckten Häusermeer wurde im Mondlicht eine Silberstadt.
Es war der Weihnachtstag, ein friedlicher Abend in tiefer Stille. Die Stadt im Schnee bot so einen märchenhaften Anblick unter dem nachtblauen Himmel mit den funkelnden Sternen, dass man nicht überrascht gewesen wäre, wenn goldglitzernde Heilige durch die weißen Straßen gegangen wären.
Niemand sah jetzt die Schönheit der alten Stadt im Schnee. Die Bewohner schliefen tief und fest. Es war eine Nacht, genau richtig, um ein Wunder geschehen zu lassen.
Und doch waren noch einige Menschen wach. Der einzige Dichter in der Stadt, Remoldus Keersmacher, der die Schönheit von allem und in allem sah und deshalb lange Haare trug, saß bei Kerzenlicht, schmauchte behaglich seine Pfeife und reimte ein Gedicht über die Götter des Olymps und über die Herrlichkeit des griechischen Himmels, den er gerade auf kleinen Holzdrucken so heftig bewundert hatte.
Der Nachtwächter Dries Anders, der oben im weißen Turm wachte, ging schnell oben auf dem Zinnengang herum, blies an jeder der vier Turmecken drei Töne, und kroch dann zurück in seine warme Turmstube und las in seinem Liedheft weiter: "Der flämische Barde, 100 Lieder für einen halben Franken". Wenn er ein Lied gut kannte, kratzte er die Melodie auf seiner alten Geige und sang kräftig mit. Als Belohnung für seine Kunst pflegte er seine Stimmbänder mit einem kühlen Bier.
Trine Mutser saß in ihrem Süßwarenladen "Zum verzuckerten Nasenflügel" und sah traurig durch die vereisten Fenster hinaus in den Schnee.