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Der zweite Band der zweiten Staffel Mordkommission Leipzig von David Gray. Wer den Teufel ruft ... Pfingsten herrscht in Leipzig Ausnahmezustand, denn zum Wave Gotik Festival wird die Stadt von Gruftis, Punkern und Heavy Metal-Fans überrannt. Ausgerechnet jetzt wird der Moko ein ganz besonders brutaler Mord gemeldet. Ist der Tote, den man mit durchgeschnittener Kehle in einem alten Hotel fand, einer mächtigen geheimen Satanistensekte zum Opfer gefallen? Einige Spuren deuten darauf hin. Schließlich ist ganz Leipzig gerade voll von seltsamen Gestalten, mit grotesken Vorlieben und perversen Ideen. Je länger das Moko-Team Leipzig ermittelt, umso undurchsichtiger wird der Fall. Als schließlich auch noch die attraktive FBI-Agentin Ellen auftaucht, nimmt der Fall eine gefährliche neue Wendung, mit der keiner der Leipziger Kommissare gerechnet hat ... Ein neuer spannender Fall für das Ermittlerteam der Moko-Leipzig! Band 2 der zweiten Staffel Moko Leipzig: Satansbrut Jedes Buch der vierteiligen Reihe behandelt einen eigenständigen Kriminalfall. In Band 4 werden zusätzlich die Ereignisse aus dem Ende des dritten Romans wieder aufgegriffen. Vier Leipziger Autoren geben vier Kommissaren der Leipziger Polizei eine Stimme. Band 1: Blender von Marcus Hünnebeck Band 3: Blutzoll von Kirsten Wendt Band 4: Showdown von Stefan B. Meyer
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Seitenzahl: 158
Titelseite
Inhaltsverzeichnis
Über den Autor
Über das Buch
Impressum
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Moko Leipzig
Kriminalroman
TitelseiteÜber den AutorÜber das BuchImpressum
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Moko Leipzig
David Gray, geboren 1973 in Leipzig, schreibt auch als Ulf Torreck. Er hat nach dem Abbruch eines Jurastudiums in Leipzig eine Ausbildung zum Drehbuchautor absolviert und anschließend als Script Doctor sowie als Filmkritiker für verschiedene Lokalzeitungen gearbeitet. In diese Zeit fielen längere Auslandsaufenthalte in Frankreich, Irland, Großbritannien und Nepal.
Unter dem Pseudonym David Gray veröffentlichte er ab Mai 2011 mehrere Romane und eine Shortstoryanthologie.
Wer den Teufel ruft …
Pfingsten herrscht in Leipzig Ausnahmezustand, denn zum Wave Gotik Festival wird die Stadt von Gruftis, Punkern und Heavy Metal-Fans überrannt. Ausgerechnet jetzt wird der Moko ein ganz besonders brutaler Mord gemeldet. Ist der Tote, den man mit durchgeschnittener Kehle in einem alten Hotel fand, einer mächtigen geheimen Satanistensekte zum Opfer gefallen? Einige Spuren deuten darauf hin. Schließlich ist ganz Leipzig gerade voll von seltsamen Gestalten, mit grotesken Vorlieben und perversen Ideen. Je länger das Moko-Team Leipzig ermittelt, umso undurchsichtiger wird der Fall. Als schließlich auch noch die attraktive FBI- Agentin Ellen auftaucht, nimmt der Fall eine gefährliche neue Wendung, mit der keiner der Leipziger Kommissare gerechnet hat ...
Ein neuer spannender Fall für das Ermittlerteam der Moko-Leipzig!
Band 2 der zweiten Staffel Moko Leipzig: ›Satansbrut‹
Jedes Buch der vierteiligen Reihe behandelt einen eigenständigen Kriminalfall. In Band 4 werden zusätzlich die Ereignisse aus dem Ende des dritten Romans wieder aufgegriffen. Vier Leipziger Autoren geben vier Kommissaren der Leipziger Polizei eine Stimme.
Band 1: ›Blender‹ von Marcus Hünnebeck
Band 3: ›Blutzoll‹ von Kirsten Wendt
Band 4: ›Showdown‹ von Stefan B. Meyer
Satansbrut - Mordkommission Leipzig Staffel 2, Band 2
© 2018 David Gray
Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage, November 2018
Covergestaltung: Daniel Morawek und David Gray
unter Verwendung von einem Bild von Shutterstock
www.shutterstock.com (successo images)
Lektorat: Alexandra Gentara
www.lektorat-gentara.de
Herausgeber:
David Gray
c/o Ulf Torreck
Parkstr. 21
04420 Markranstädt
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit schriftlicher Zustimmung der Autoren zulässig.
Alle in diesem Roman geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Natürlich wieder nur ein falscher Alarm, dachte Kommissar Hubertus Wilhelm Knabe auf dem Weg vom Polizeipräsidium zum alten Astoria Hotel, in dem sich angeblich eine Leiche befinden sollte.
Heute war der Freitag vor dem Pfingstwochenende. Zu Pfingsten herrschte in Leipzig seit über zwanzig Jahren Ausnahmezustand. Denn da fand das Wave Gotik Festival statt, ein riesiges Fest für Gothics, Punks, Perverse und friedliche Verrückte, die sich bei mehreren hundert Veranstaltungen überall in der Stadt amüsierten. Wobei die Festivalgäste selbst für die Polizei selten ein Problem darstellten. Denn für Ärger sorgten dann eher besorgte Leipziger Bürger, die die Notrufzentralen mit Meldungen fluteten. Nicht immer konnte Hubertus es Oma Meier oder Gartenvereinsvorstand Karl Gustav Winkler verdenken, wenn sie angesichts leicht bekleideter, merkwürdig geschminkter oder bereits früh am Morgen heftig angetrunkener Festivalgäste bei der Polizei um Beratung oder Unterstützung baten.
Erst heute Morgen hatte ein aus Stuttgart nach Leipzig eingewanderter Notar in der Notrufzentrale für Aufregung gesorgt, als er meldete, dass zwei junge Frauen im Haus gegenüber seines Büros einen Mord begangen haben müssten. Anders konnte er sich nämlich nicht erklären, dass die beiden in über und über mit Blut verschmierten T-Shirts und Röcken aus dem Hintereingang auf den Innenhof wankten und dabei zwei seltsam kurze, jedoch offenbar gefährliche Keulen schwenkten.
Die Sache klärte sich rasch auf. Denn eine Schupo-Streife stellte fest, dass die beiden Frauen sich für einen Zombiewalk in den Clara-Zetkin-Park geschminkt und kostümiert hatten. Das Einzige, was ihnen auf dem Weg dahin zum Opfer fiel, waren zwei Flaschen Sekt aus einem REWE-Supermarkt gewesen. Die hatte der Herr Notar für jene gefährlichen Keulen gehalten.
Die Neuhinzugezogenen machten traditionell den größten Teil der Leute aus, die die Notrufzentralen mit ihren Falschmeldungen zum WGT zumüllten. Ein zweites Festival dieser Art und Größe gab es nicht auf der Welt, und wer nicht selbst zur Grufti-, Waver-, Punker-, Metal- oder SM-Szene zählte, hatte auch kaum von der Veranstaltung gehört, und so kam es eben zu Vorfällen wie dem mit jenem schwäbischen Notar heute Morgen.
Hubertus sehnte sich nach einer Zigarette, aber hatte sich selbst ein Rauchverbot auferlegt und deswegen fest vorgenommen, stark zu bleiben.
Ganz besonders ärgerlich für ihn war, dass eine seiner Lieblingsbands, Frontline Explosion, zum ersten Mal während des WGT auftrat, um ihr neues Album vorzustellen. Statt aber die Superstars des aktuellen Postpunk live sehen zu können, hatte ihn sein Chef Frank Starke übers Pfingstwochenende zu Bereitschaftsdienst verdonnert. Alle übrigen Mitglieder des Moko-Teams waren bereits vor einer halben Stunde nach Hause gegangen, sodass Hubertus allein im Büro gewesen war, als vor etwa einer Viertelstunde ein Anruf zu ihm durchgestellt wurde, den irgendein Kollege in der Notrufzentrale für glaubhaft genug hielt, um die Moko damit zu behelligen.
»Kriminalpolizeidirektion Leipzig, Kommissar Hubertus Knabe am Apparat. Wie kann ich Ihnen helfen?«, hatte sich Hubertus deutlich lustlos gemeldet.
»Lombowsky. Ich spreche mit der Mordkommission, richtig?«, fragte der Anrufer.
»Das tun Sie, Herr Lombowsky«, bestätigte Hubertus.
»Das passt ja. Ich möchte einen Mord melden.«
»Aha. Dann schildern Sie mir mal, wie Sie darauf kommen, dass es sich um einen Mord handelt? Ich meine ... Sind Sie sicher, dass Sie nicht nur ein paar angemalte Zombies gesehen haben? Oder einen falschen Vampir? Ist immerhin Pfingsten und WGT«, entgegnete Hubertus.
»Na ja, Herr Kommissar. Ich bin hier gerade im alten Astoria Hotel am Ring. Direkt vor mir baumelt eine Leiche von der Decke. Und irgendwer hat ein Pentagramm auf den Boden gemalt«, antwortete Lombowsky.
Hubertus sah ein, dass er dieser Meldung besser selbst nachgehen sollte, hatte sich in seinen Dienstwagen gesetzt und auf den Weg Richtung Hauptbahnhof und dem alten Astoria gemacht.
Leider ohne dabei seine Schachtel an Notfallzigaretten einzustecken. Was er gerade jetzt erneut heftig bedauerte.
Das Hotel Astoria war ein riesiger grauer Steinkasten neben dem Hauptbahnhof, der irgendwann vor dem Ersten Weltkrieg erbaut worden war und seit Mitte der Neunzigerjahre leer stand.
Er fuhr vom Innenstadtring in die schmalere Gerberstraße und parkte den Dienstwagen mit eingeschalteten Warnblinkern auf dem Bürgersteig. Ein paar Passanten warfen ihm genervte Blicke zu. Hubertus schaute an der Fassade des Hotels hinauf.
Er hatte vom Handy aus Lombowskys Nummer gewählt, doch der antwortete nicht. Knabe fragte sich angesichts des riesigen, verrammelten Gebäudes, wie zur Hölle er ihn darin finden sollte. Ein Zugang zum Gebäude war nicht in Sicht. Der frühere Haupteingang war durch einen Bretterzaun abgesperrt, trotzdem schien das noch die beste Möglichkeit zu sein. Er ging also darauf zu, während er weiter versuchte, Lombowsky zu erreichen.
Er war immer noch nicht davon überzeugt, dass Lombowsky wirklich eine echte Männerleiche im ehemaligen Kühlraum der Hotelküche gefunden hatte. Vielleicht handelte es sich nur um eins der schrägen Kunstprojekte, die rund um das WGT in Leipzig stattfanden.
Endlich reagierte Lombowsky auf seinen Anruf. »Wo sind Sie, Herr Kommissar?«, fragte er aufgeregt.
»Vorm ehemaligen Haupteingang, an der Bretterwand.«
»Oh, gut! Ich bin gleich da und lass Sie rein. Moment«, entgegnete Lombowsky und legte auf.
Na hoffentlich, dachte Hubertus. Lombowsky hatte sich bei ihm als Senior Supervisor of Facility Management and Security einer großen Immobilienverwaltungsfirma vorgestellt. Angesichts der bemerkenswerten Gelassenheit, mit der er ihm vorhin den Leichenfund gemeldet hatte, ging Hubertus davon aus, es mit einem ehemaligen Kollegen zu tun zu haben. In Jobs mit so hochtrabend klingenden Titeln tummelten sich viele ehemalige Polizisten und Bundeswehrsoldaten.
Jemand hatte mit blauer und roter Farbe A.C.A.B. – All Cops Are Bastards an die Bretterwand gesprüht. Neben dem Spruch war auch eine Art Tür in die Bretterwand eingelassen. Sie schwang auf, und Hubertus sah sich einem etwa dreißigjährigen Mann in einem teuren Anzug gegenüber.
»Kommissar Knabe?«, fragte Lombowsky.
Hubertus nickte und trat durch die Tür.
Das Innere des riesigen Gebäudes, das fast einen halben Block einnahm, roch muffig und war dunkel. Es lag Bauschutt herum, und Lombowsky benutzte eine Taschenlampe, um Hubertus den Weg zu leuchten.
»Ich war hier, um Fotos für das Architekturbüro zu machen, das mit der Entkernung des Hauses beauftragt ist«, erläuterte Lombowsky. »Die hatten mich gestern darum gebeten, weil sie wussten, dass ich Zugang zum Gebäude habe. Die ehemalige Großküche im Erdgeschoss hat die Statiker besonders interessiert. Es ist der einzige Raum im Erdgeschoss, in dem die Deckenstützstruktur schon freigelegt ist. Also bin ich heute früh hergefahren, um Bilder zu machen. Dabei fiel mir auf, dass im Kühlraum Baustrahler brannten.«
Na gut, die Baustrahler brannten eben, dachte Hubertus, war jedoch noch immer nicht sicher, ob Lombowsky nicht bloß ein übervorsichtiger Bürohengst mit Hausmeisterausbildung in einem ziemlich teuren Anzug war. Oder eben ein Mann, der wusste, wovon er sprach, und ihn daher in ein paar Minuten tatsächlich zu einer Leiche führte.
»Tja«, sagte Lombowsky, nachdem er die beiden Baustrahler im Kühlraum eingeschaltet hatte.
An zwei rostigen Ketten, die von einem der freigelegten Stützbalken an der Decke herabhingen, baumelte ein nackter Mann. Seine Arme waren mit Ledermanschetten an die Ketten gefesselt, seine überstreckten Füße erreichten den von Unrat und Bauschutt übersäten Boden nicht. Das Opfer konnte vierzig, Mitte dreißig oder vielleicht auch schon fünfzig Jahre alt sein. So blutig, wie sein Gesicht war, hätte Hubertus sich da nicht festlegen können.
Man hatte ihm mit einem langen Schnitt den Hals durchtrennt. Das Blut war über Schultern, Brust und den Bauch des Toten zu Boden geflossen.
Ein Teil davon war in einem Blechnapf aufgefangen und offenbar dazu benutzt worden, auf einem frei gefegten Bodenbereich ein Pentagramm zu zeichnen.
Hubertus holte sein Telefon hervor und informierte seine Kollegen per Textmessage darüber, dass sie ihr schönes freies Pfingstwochenende vergessen konnten, weil er gerade vor einer Leiche stand.
»Hat er da etwas im Mund?«, fragte Lombowsky leise.
Hubertus überwand sich und trat vorsichtig an den Toten heran.
»Ja, irgendwas ist da ...«, sagte Hubertus, zog zwei Latexhandschuhe aus der Jackentasche, streifte sie über und öffnete den Mund des Opfers. Da die Totenstarre längst eingesetzt hatte, kostete das ein wenig Mühe.
»Scheiße!«, rief Lombowsky, als Hubertus von dem Toten zurücktrat, sich herabbeugte und dessen blutige Genitalregion untersuchte. Dort war nur noch ein Teil des Penis zu sehen.
»Hat er etwa ...?«, fragte Lombowsky.
Hubertus war verwirrt und angewidert von der Leiche. Besonders von der Art, wie sie hier präsentiert wurde. Selbst nach drei Jahren bei der Mordkommission hatte Hubertus so etwas nie zuvor gesehen.
»Ja, die obere Hälfte seines Penis steckt im Mund«, bestätigte er. »Wer außer uns beiden weiß davon, Lombowsky?«
»Niemand«, antwortete Lombowsky. »Ich war zwar früher für meine Firma im Irak, und das hier ist nicht meine erste Leiche. Aber selbst dort hab ich keinen Toten gesehen, dem man den Schwanz abgeschnitten hat! Das glaubt einem doch keiner.«
»Sie waren im Irak?«, erkundigte Hubertus sich.
Lombowsky nickte. »Als Personenschützer. Habe früher beim BKA gearbeitet, aber die freie Wirtschaft zahlt mehr. Also bin ich da raus, war ein Jahr als Personenschützer im Irak und habe anschließend in Teilzeit einen Master in Business gemacht. Aktuell leite ich die zweitgrößte Abteilung meiner Firma hier in Deutschland.«
»BKA? Wir hatten neulich zwei von denen hier in Leipzig zu Gast. Hätte schlimmer sein können«, entgegnete Hubertus, der froh darüber war, dass die Unterhaltung ihn vom Anblick der Leiche ablenkte. Sie bereitete ihm Unbehagen. Sein Blick fiel jedes Mal auf den halboffenen Mund und die Penisspitze darin.
Niemand, nicht einmal ein Polizist, rechnete damit, jemals auf eine so zugerichtete und zur Schau gestellte Leiche zu stoßen. Doch je länger er auf den unbekannten Toten starrte, desto grotesker und absurder erschien ihm die Inszenierung. Im Grunde war es eher eine Satire als eine Horrorshow. Oder irrte er sich?
Er betrachtete das Pentagramm, das aussah, als hätte man es mit Blut gemalt. Satanismus? Ausgerechnet zum Wave Gotik Treffen? Er erinnerte sich dunkel an einige alte Fälle von Grabschändung oder Leichenräuberei in Leipzig. Aber dafür waren jedes Mal Kids verantwortlich gewesen, die sich bekifft oder besoffen einen geschmacklosen Spaß daraus machten, irgendwelche angeblichen Schwarzen Messen nachzustellen. Ernst zu nehmen war davon nichts gewesen.
»Was jetzt, Herr Kommissar?«, fragte Lombowsky.
Hubertus wandte sich dem Manager zu. »Wir warten auf die Kollegen. Falls Sie für heute einen Flieger oder einen Zug gebucht haben, canceln Sie das. Die Zeugenaussage wird eine Weile dauern. Na, Sie kennen das ja.«
Knabes Telefon vibrierte. Eine Nachricht von Hauptkommissar Keller.
Hallo Hubsi. Meine Freundin hasst Dich!
Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Keller hatte gestern Abend noch davon geschwärmt, dass ihm seine Gruftifreundin ein Festivalticket geschenkt und auch schon einen detaillierten Plan für die Konzerte, Lesungen und Ausstellungen gemacht hatte, zu denen sie ihn schleppen wollte.
Gleich nach Keller meldete sich auch Moko-Chef Frank Starke per Textnachricht und teilte mit, dass er auf dem Weg ins Astoria sei. Das Spurensicherungsteam und der gerichtsmedizinische Dienst waren bereits informiert. Das jüngste Moko-Teammitglied, Hauptkommissarin Mückenberg, hatte auf Hubertus Nachricht mit einer Reihe von verärgerten und erschrockenen Emojis reagiert. Typisch, dachte Hubertus.
»Wir müssen ja nicht hier auf Ihre Kollegen warten, oder, Kommissar? Kommen Sie! Es gibt eine Teeküche für den Sicherheitsdienst. Da steht ein Kaffeeautomat«, sagte Lombowsky.
»Nichts wie hin«, entgegnete Hubertus. Er ahnte, dass es mindestens zwanzig Minuten dauern würde, bis die ersten Kollegen eintrafen.
Dreieinhalb Stunden später trudelten die ersten, noch vorläufigen Berichte der Spurensicherung und des Gerichtsmediziners im Moko-Büro in der Dimitroffstraße ein.
Keller saß auf der Kante seines Schreibtisches und ließ die Beine baumeln, den Bericht des Mediziners lesend. Frank Starke lehnte an seiner Bürotür und hielt sich an einem bereits kalten Kaffee fest, während Mückenberg konzentriert etwas in ihren Dienstcomputer tippte.
»Also, die Priorität ist, das Opfer zu identifizieren, Leute! Außerdem war es nackt. Obwohl die Schutzpolizeikollegen das Astoria seit zwei Stunden durchsuchen, haben sie bis jetzt weder ein Telefon noch seine Kleidung gefunden. Ich bin für jeden Vorschlag offen, wie wir hier ein bisschen vorankommen.«
Knabe legte den Bericht der Spurensicherung auf den Schreibtisch und zog ein Foto des Pentagramms hervor. »Das Teil hier ist wirklich mit dem Blut des Opfers gezeichnet worden. Die Spusi meint, dass dazu ein Lappen benutzt wurde, kein Pinsel. Was vielleicht darauf hindeutet, dass der oder die Täter nicht ganz so gut vorbereitet waren, wie man angesichts ihrer Inszenierung erwarten sollte.«
Mückenberg sah von ihrem Computer auf. »Das ist aber eine steile These!«
Hubertus ignorierte sie und schaute zu Starke, der ihm aufmunternd zunickte.
»Na, wirklich bemerkenswert daran ist doch bloß, dass Hubsi mal ein Fremdwort benutzt hat!« Keller grinste. »Davon abgesehen meint der Doktor, dass die Zahnbehandlungen, die das Opfer aufweist, untypisch für Mittel- und Osteuropäer sind. Die passen eher zu US-Amerikanern. Also war er ein Tourist? Geschäftsmann? Selbst zum WGT kann es nicht so viele Amerikaner hier in Leipzig geben, oder?«
»Stimmt. Ich habe eine Liste aller US-Bands aufgestellt, die in den nächsten Tagen hier spielen. Das sind zwölf. Und die US-Bands wohnen fast alle im selben Hotel. Im Penta, hinter dem Innenstadtring. Wenn wir davon ausgehen, dass das Opfer zwischen 22 Uhr letzte Nacht und zwei Uhr heute Morgen verschwunden ist, sollte das doch inzwischen irgendwem aufgefallen sein, oder?«, fragte Mückenberg, mit unüberhörbarem Eifer in der Stimme.
Streberin, dachte Hubertus angesäuert.
»So weit war ich auch schon«, meinte Starke. »Die Meldung an das Pentahotel ist vor einer halben Stunde rausgegangen. Die rufen an, sobald sie etwas hören.«
»Sagt mal, ist Zahnersatz und überhaupt Zahnbehandlung bei den Amis nicht sauteuer?«, fragte Keller.
»Hm, ja, glaub schon«, antwortete Starke.
»Aber Musiker verdienen nicht so üppig. Sind ja keine großen Stars, die zum WGT spielen. Dann könnte er ebenso ein gut betuchter Tourist sein, und wir sollten auch die Luxushotels anfragen. Ihr wisst schon, den Fürstenhof, das Westin, das Parkland?«
»Gute Idee«, sagte Mückenberg. Die Suche auf die luxuriösen Hotels einzugrenzen, hatte den Vorteil, dass es nicht so viele von ihnen gab. Das Personal dort war obendrein deutlich diskreter als das in den Budgethäusern und Pensionen. Keiner der Beamten war scharf darauf, dass die Neuigkeit von einem Mord zu rasch an die Medien gelangte. Zumal sie sich lebhaft vorstellen konnten, wie sehr diese die Tatsache ausschlachten würden, dass der unbekannte Tote möglicherweise einem Ritualmord zum Opfer gefallen sei.
Hubertus war beeindruckt von Kellers Idee und sauer, dass ihm nichts derart Cleveres eingefallen war. Er griff sich den vorläufigen Untersuchungsbericht des Gerichtsmediziners und blätterte ihn lustlos durch.
»Komisch«, sagte Hubertus. »Wieso steht da gar nichts dazu?« Er griff nach dem Telefon und wählte die Nummer des gerichtsmedizinischen Instituts in der Johannisallee.
»Ja, Knabe, Moko hier. Tach«, sagte er. Die Blicke seiner Kollegen richteten sich auf ihn. »Geht so. Und bei euch? Da auch? Na toll. Sagt mal, die Leiche aus dem Astoria ... War der Penis eigentlich beschnitten? Konntet ihr das noch feststellen?«
Starke machte eine aufmunternde Geste in Hubertus Richtung. Keller verzog den Mund zu einem etwas schiefen Grinsen. Mückenberg jedoch knabberte peinlich berührt auf ihrer Unterlippe herum. Alle warteten auf die Antwort des Institutmitarbeiters.
»Ah ja. Hm, danke. Na, kann man nix machen, was? Tschüss!«, sagte Hubertus und legte wieder auf. »Ist nicht beschnitten«, verkündete er dann.
Keller reckte einen Daumen hoch. »Dann können wir Muslime und Juden ausschließen. Hilft auch ein bisschen.«
»Was ist eigentlich mit diesem Lombowsky? Wer hat den überprüft? Nadja?«, fragte Starke nach einem Blick auf seine uralte Stahlarmbanduhr aus russischer Produktion.
»Da stimmt alles, was er angegeben hat. BKA, dann Bodyguard im Irak und Afghanistan. Seit vier Jahren arbeitet er bei dieser internationalen Immobilienverwaltungsfirma.«
»Hakt da trotzdem noch mal genauer nach.«, sagte Starke. »Wie sind die Täter überhaupt ins Gebäude gekommen? Woher wussten sie, dass das möglich ist und wo sie den Kühlraum finden? Das Astoria steht doch schon seit über zwanzig Jahren leer.«
»Lombowsky sagte vorhin, dass dort immer mal wieder eingebrochen wird. Hauptsächlich von Fotografen. Es gibt eine ganze Szene von Profis und Hobbyfotografen, die darauf steht, verlassene Gebäude zu fotografieren. Nennt sich Lost Places Photography. Gibt jede Menge Webseiten dazu. Es können theoretisch also ziemlich viele Leute von dem Kühlraum gewusst und einen Weg gefunden haben, unbemerkt ins Gebäude zu gelangen«, erklärte Keller.
Starke klatschte in die Hände. »Auf, auf, Kollegen. Weiter geht’s. Ruft zuerst die Luxusschuppen an und fragt nach vermissten Amis.«
Mückenberg nickte. »Ich nehm das Westin.«
»Ich das Steigenberger«, meinte Keller.