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Seit langen Zeiten fürchten Wesen den Ruf der Schwarzen Wolke. Wer ihn hört, verschwindet und kommt nie mehr zurück. Auch Scheilana hört ihn und will ihm folgen. Da Arinda sie nicht davon abhalten kann, begleitet sie sie. Als Pütti und die anderen Freunde das mitbekommen, begeben sie sich auf die Suche nach den beiden. Ligona, die Zauberin, ist verschwunden, Sarus, der Flugsaurier, auf einer seiner Reisen in unbekannte Gebiete. Hat all das irgendwie miteinander zu tun? Und wonach suchen der Zauberer Tibun und der Trolljunge Taddy?
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Seitenzahl: 189
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Dreimal Aufbruch
An der Felswand
Sunanas Traum
In Dalonas Feenschloss
Sarus Erlebnisse
Cindari
Wiedersehen
Neue Freundschaften
„Unsere Welt geht unter!“
Auf der Suche
Im Moor
Die undurchdringliche Nebelwand
Und unter dem Moor
Die drei Zauberer in der Burg
Der Kampf um die Zauberburg
Scheilana in Not
In der Schwarzen Wolke
Endlich frei
Namen
Arinda stand wütend, beide Hände in die Seiten gedrückt, vor Scheilana: „Du hastse doch nicht alle.“
„Wie meinst du das?“, erschrak diese.
„Die Schwarze Wolke. DIE SCHWARZE WOLKE. Nein, nein und nochmals nein.“
„Ja, ja und nochmals ja. Wir werden in die Schwarze Wolke fliegen. Das heißt, ich werde in die Schwarze Wolke fliegen und wer mit will.“
„Nun halt die Luft an, du weißt ganz genau, dass ich mitkomme.“
Scheilana schaute sie an: „Ja, das weiß ich. Ach, Arinda. Meinst du, ich wäre nicht verzweifelt, meinst du ich habe keine Angst. Aber es muss sein. Wir haben keine Wahl.“
„Aber dann lass es uns alleine tun. Wenn wir schon sterben müssen, dann sollen die anderen weiterleben.“
„Ja, du hast recht“, Scheilana war erleichtert, „wir werden sterben, aber die anderen werden leben – ohne uns.“ Und obwohl die Tränen aus ihren Augen flossen, blickte sie mutig und entschlossen.
Arinda sah sie an, voller Verwunderung und voller Bewunderung. „Ach, Scheilana, nie hätte ich gedacht ... Aber ... Ja, nur ein Feenmädchen, so stark, so unendlich stark, wie du hätte es diese Unendlichkeit unter dem Eise ausgehalten. Du wirkst so zart, so zerbrechlich, so ... schwach. Und jetzt, ja ... nein, ach komm einfach in meine Arme.“
Scheilana und Arinda umarmten sich – kurz.
Dann breiteten sie ihre Flügel aus, erhoben sich in die Lüfte und verschwanden am Horizont.
Die Schwarze Wolke ... Arinda war vielleicht die Erste seit undenklichen Zeiten, die diesen Namen gesprochen, ja geschrien hatte.
Wer diesen Namen kannte, wenn sie ihn überhaupt aussprachen, dann flüsternd, gehaucht, dass selbst die feinsten Ohren ihn schon aus wenigen Zentimetern Entfernung nicht mehr verstanden hätten. Rätselhafte, geheimnisvolle Schrecken verbanden sich mit diesem Namen. Und obwohl so gut wie niemand etwas Genaues wusste, hielt sich dieser Name über Generationen. Weitergetragen in düsteren Nächten, wo zwei zusammen waren, die beide nicht schlafen konnten, unruhig umhersahen und im Rauschen der Bäume so vieles vernahmen, was hinter den Schleiern der Ungewissheit verborgen bleiben sollte. Was wirklich war, wusste wohl niemand mehr. Wenn es Bücher gab, in denen etwas stand, so waren sie verborgen unter metertiefen Erdschichten, verschollen wohl auf immer. Und doch ging eine Macht aus, unbegreiflich und durchdringend, dass selbst der stärkste Bär, der grausamste Wolf und der finsterste Gnom, wenn in der hellsten Mittagsstunde es für den Hauch eines Momentes dunkel wurde, zusammenzuckte, sich unbehaglich umschaute und im nächsten Augenblick vergaß, dass da etwas am Rande seiner Augenwinkel gelauert hatte, und sie gingen ihrem Tagewerk nach, als wäre nichts geschehen. Doch ihre Nächte wurden schlaflos und unruhig.
Pütti war heute verstimmt. Etwas geschah, etwas, was nicht hätte geschehen dürfen. Sie sah sich um. Alles wirkte wie jeden Tag in diesem Sommer, heiter, ruhig, friedlich. Aber da war etwas, was nicht sein sollte. Nur was?
„Spürst du es auch?“, fragte sie Larita.
„Was?“
„Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass es nicht richtig ist.“
„Ja, du hast recht“, sagte Larita, „klar und deutlich spüre ich es. Die schwarze Wolke treibt ihr Spiel und ... Sie sind weg, Scheilana und Arinda sind weg. Weit entfernt und ...“ Sie verstummte. Versunken in Erinnerungen, über tausend Jahre alt, aus einer Welt, die außer ihr wohl nur noch Ligona und einige wenige andere erlebt hatten.
„Larita, Laa – rii – taa“, rief Pütti, „was ist mit Scheilana und Arinda?“
„Der Ruf der Schwarzen Wolke“, antwortete Larita.
„Der Ruf der Schwarzen Wolke, was ist das, und was ist diese schwarze Wolke überhaupt? Ach, egal, wir müssen Scheilana und Arinda suchen und finden.“
„Das ist unmöglich“, Larita fing an, zu weinen, „niemand, die den Ruf gehört hat, wurde jemals wiedergesehen. Sie verschwinden für immer und nichts als Erinnerungen bleiben zurück.“
„Dann“, sprach Pütti ernst, „DANN WIRD ES ZEIT, DASS DAS UNMÖGLICHE GESCHIEHT. Und wer, wenn nicht wir, sind bereit, das Unmögliche zu tun.“
Laritas Tränen versiegten. Erst zweifelnd, dann bewundernd, sah sie Pütti an. „Ja“, meinte sie, „ja, du hast recht, wenn es irgendjemand auf dieser Welt gibt, die das Unmögliche schaffen können, dann bist du das, dann sind wir das.“
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Eingerahmt von ihren schwarzen Haaren, Tränenspuren noch immer auf ihren Wangen, erinnerte sie Pütti daran, wie vor langer Zeit, nach einem schweren, verheerenden Sturm, die Sonne zwischen den dunklen Wolken auftauchte.
„Ach, Larita“, lachte sie, „lass uns zu den anderen fliegen und einen Plan machen. Böse Zauberer, dunkle Wolken und was da kommen mag. Wir kleine Wesen sind stärker als sie, weil wir etwas haben, was sie nicht kennen.“
„Ja, Liebe, Freundschaft und Vertrauen zueinander“, lachte Larita zurück.
Und auch sie und Pütti breiteten ihre Flügel aus und erhoben sich in die Lüfte.
Ligona saß in ihrem Turm, an ihrem Arbeitstisch, und schaute aus dem Fenster.
All diese lange Zeit, die Jahrtausende, die sie gelebt hatte. Und doch war – wie seltsam – gerade diese Zeit, die letzten Wochen und Monate, die wundersamste und schwerste und schönste. Zauberenten, Feenkinder, ein Kaninchen, ein Frosch, eine Eidechse – und sie erreichten Dinge, an denen die stärksten Sonnenritter auf ihren Drachen gescheitert wären.
Sie musste an Sarus denken: „Ja, und ein Drache schließt sich ihnen an. Ein Flugsaurier, der es liebt, wenn Kinder auf ihm herunterrutschen und glücklich sind.“
Für wenige Sekunden verfärbte sich der Horizont violett, ein Rauschen erklang und ein Wind huschte durch das offene Fenster an ihr Ohr. Er flüsterte Ligona etwas zu.
Unruhig und erschrocken erhob sie sich. Jetzt, gerade jetzt, musste das passieren. Und dann auch noch gerade Scheilana. Hatte diese nicht schon so viel Schlimmes erlebt, so viel Leid, so viele Schmerzen und Qualen.
Sie stand auf, verließ ihr Zimmer und ging die Treppen hinunter. Immer tiefer und tiefer. Am Ende der untersten Stufe blieb sie stehen und zauberte eine Lichtkugel. Sie sah sich um. Ein runder Flur, an dessen Wand sieben Türen waren. Staubig, grau und schwarz die Wand. Die Türen in verschiedenen Farben, die kaum noch zu erkennen waren. Düster trotz des Lichtes der Zauberkugel.
Als wollte die Dunkelheit hier ihre Geheimnisse nicht freigeben. Allerlei Getier huschte über den Boden und versteckte sich in Ritzen und Spalten.
Ligona lächelte versonnen. So sollte es sein und niemand außer ihr könnte hier unten etwas sehen und spüren. Dies war ihr geheimster und geschütztester Ort. Zauberkräfte, über Jahrhunderte gewoben, verbargen ihn vor allen Wesen dieser Welt außer ihr. Sie ging zu der dritten Tür von links, die violett durch das Grau des Staubes schimmerte und öffnete sie. Dahinter war ein langer, gewundener Gang und an dessen Ende ein kleines Zimmer. Ein Stuhl stand in ihm und ein kleiner Tisch und darauf eine Truhe.
Ligona setzte sich auf den Stuhl. Dann konzentrierte sie sich und sprach einen Zauberspruch, den sie seit ewigen Zeiten nicht mehr gesagt hatte. Die Truhe sprang auf. Darin lagen ein Ring, eine Kette, ein Tuch und ein Stück Papier.
Seltsame Zeichen waren auf allen Gegenständen. Zeichen einer untergegangenen Zeit, eine Schrift, die nur sie noch lesen konnte.
Sie nahm das Stück Papier und begann zu lesen:
„Und wenn der Ruf der Schwarzen Wolke zum hundertsten Mal ergeht, dann kommt die Zeit in der es sich entscheidet, ob diese Welt untergeht, im Nichts der Zeit versinkt. Oder ob die Schwarze Wolke zerspringt und Regen fällt, wo bisher nur Trockenheit herrschte.“ Das war alles, was auf diesem Papier stand. So wenig, so viel. Ligona hängte sich die Kette um, wickelte den Ring in das Tuch und steckte es in ihre Tasche. Das Stück Papier flammte auf und verbrannte zu Asche. Diese zerfiel in winzige Flöckchen und zerstob im Zimmer.
Entschlossen stand Ligona auf, sagte einen Zauberspruch und verschwand.
Der Trolljunge machte heute einen griesgrämigen Eindruck. Tibun war nicht verwundert darüber, denn es war eine Stimmung um sie – in der Luft, zwischen den Bäumen, unter ihnen und vor allem in den Felsen dieses Gebirges.
Auch Tibun hatte mit diesen Stimmen zu kämpfen. Ja, er konnte sie hören, die Stimmen, die unangenehme Gefühle in jedem Wesen erzeugten, welches hier vorbeikam, und die meisten abschreckte.
Was sie sagten, konnte selbst er nicht verstehen. Es waren Wörter einer Sprache, so unermesslich alt, dass selbst der Zauberer, der tausende von Jahren gelebt und Bücher gelesen hatte, die schon uralt waren, als er geboren wurde, diese Wörter nicht kannte.
Und trotzdem war ihre Botschaft klar: Geht weg von hier, dies ist ein schlimmer Platz. Wer zu lange hier bleibt, wird seine Seele verlieren und in ewigen Nebeln sich auf immer verirren.
Tibun sprach einen Schutzzauber um Taddy und sich. Sofort hellten sich die Gesichtszüge des jungen Trolls auf. Seine Schultern hoben sich, als wäre eine schwere Last von ihm genommen worden. „Hi, Tibun, warst du das? Hast du diese Stimmen verschwinden lassen. Es war kaum noch auszuhalten. Ich höre sie zwar schon zwei Tage lang. Aber so wie jetzt. Ich glaube ich hätte nicht mehr weitergehen können.“
„Ja, das war ich. Die Stimmen sind zwar noch da, aber mein Schutzzauber lässt sie nicht zu uns durch. Ich glaube, wir machen jetzt eine Pause. Dieser Berg wird immer steiler und dies ist vielleicht der letzte Fleck, an dem wir unsere Beine gemütlich ausstrecken können.“
„Da hast du recht“, erwiderte Taddy, „wenn wir nicht die eine oder andere Höhle finden, werden wir an dieser Felswand kein gemütliches Lager aufschlagen können.“
Sie setzten sich hin und der Troll holte aus seinem riesigen Rucksack einen Laib Brot, Käse, der wundervoll rosa leuchtete, und verschiedene Wurzeln. Tibun schenkte beiden aus einem Wasserschlauch in silbern glänzende Becher ein. Während Taddy sich an einen Baumstumpf lehnte, hatte es sich Tibun an einem großen, glatten Felsbrocken gemütlich gemacht.
Es war zwar noch Morgen, aber die beiden waren schon über fünf Stunden unterwegs. Und obwohl sie kräftig und ausdauernd waren, merkten sie jetzt doch, dass ihre Beine froh über die Ruhepause waren. Und auch ihre Mägen warteten darauf, etwas zu bekommen. Jetzt, wo die Stimmen weg waren, merkten sie, was es für ein schöner Tag war.
Die Sonne schien freundlich von einem hellblauen Himmel. Ein leichter Wind sorgte für die nötige Erfrischung.
Und die Landschaft war überwältigend.
Da sie schon länger aufwärts gegangen waren, konnten sie die Wälder, Wiesen und Täler sehen. Ja, sogar den fernen Fluss, den sie vor vier Tagen überquert hatten.
Taddy, obwohl noch ein kleiner Junge, hatte mit seinen Trollkräften Baumstämme herbei geschleppt, die von einem vergangenen Sturm herumlagen. Und Tibun hatte sie geschickt zu einem Floß zusammengebunden.
Der Zauberer musste lächeln. Ja, es war eine schöne Reise bisher gewesen, und Taddy und er verstanden und mochten sich.
Taddy hatte, während Tibun sich verträumt umschaute, das Brot geschnitten und mit Käse und Wurzeln, die aussahen wie Möhren, belegt und eine leckere Soße darüber geträufelt. Er reichte Tibun einen der Teller.
„Lass es dir schmecken, wir haben noch genug für fünf Tage. Und selbst zwischen dem Fels finde ich immer wieder was. Es gibt überall Pflanzen, die lecker sind und gesund.“
Wochenlang krochen, klammerten sich fest, und kletterten Taddy und Tibun über und durch die Felswände. Immer höher hinauf und immer tiefer hinein in diese Gebirgswelt.
Immer wieder dachten sie, sie hätten die höchste Bergkette erklommen, nur um zu erleben, dass hinter dem gerade erstiegenen Gipfel der nächste Gipfel, ein noch finsteres und noch zerklüfteteres Bergmassiv auf sie wartete.
Und es waren nicht nur die Gefahren, dass sie abstürzen konnten oder dass ein plötzlicher Regenguss sie wegschwemmen wollte, und sie dabei das Gefühl hatten, durch einen Wasserfall weiter hinaufzuklettern.
Nun, da war am Ende der Wochen diese Höhle, die sie kurz vor Sonnenuntergang erreichten.
„Halt!“, rief Tibun gebieterisch Taddy zu. „Keinen Schritt weiter und bewege dich nicht.“ Beide Arme mit den erhobenen Handflächen nach vorne weisend schritt er auf den Eingang der Höhle zu.
Und da stürzten sie auch schon heraus, Scharen von Zauberwölfen. Die Luft vor Tibuns nach vorne gestreckten Armen war plötzlich rot und dann ganz schnell violett.
Und die Zauberwölfe prallten dagegen und zerplatzten zu feinem weißen Sand.
Plötzlich wankte die violette Schutzmauer und löste sich auf. Der letzte und größte und wildeste der Zauberwölfe fletschte wie grinsend die Zähne und wollte, an Tibun vorbeidrängend, sich auf Taddy stürzen.
Taddy schrie entsetzt auf und schloss verzweifelt die Augen.
Und so sah er nicht, wie in Tibuns Händen eine Feuerblume erschien, deren Blütenblätter auf den Zauberwolf zuschnellten, ihn einhüllten und sich zusammen mit dem Zauberwolf in Seifenblasen verwandelten und immer höher in den Himmel stiegen.
„Taddy! ... Taddy, du kannst die Augen wieder aufmachen!“, sagte Tibun, der Zauberer, ganz sanft, „nichts ist mehr da, was dich bedroht. Auch dieser Zauberwolf, der sich auf dich stürzen wollte, ist nicht mehr.“
Der kleine, schreckenserstarrte Trolljunge öffnete zögernd erst das eine Auge und dann noch zögernder das andere.
Dann lief er auf Tibun zu. Dieser hob ihn mit seinen starken Händen hoch, so dass Taddys Kopf auf Tibuns Schulter liegen konnte.
Taddy Schrecken löste sich langsam und sein Körper zuckte, geschüttelt durch die nachhallende Angst, die sich langsam löste, während ein wahrer Sturzbach von Tränen aus seinen Augen in Tibuns Umhang rann.
„Ja, Taddy, du lebst, ich lebe und so groß deine Schrecken sind, du bist in Sicherheit, und ich werde dich auch weiter beschützen.“
Er trug den Trolljungen in die jetzt von Gefahren leere Höhle hinein.
Sanft setze er ihn in das weiche Moos tief im Inneren. Taddy waren bereits bei dem minutenlangen Gang durch die fast dunkle Höhle die Augen zugefallen, und als Tibun ihn in das Moos legte und zudeckte, schlief er bereits, war aus der Anspannung heraus in einen tiefen und ruhigen Schlaf geglitten.
Tibun zauberte ein helles und warmes Feuer und setzte sich daran.
Nein, es stimmte hier alles immer weniger. Seine Schutzzauber versagten immer wieder und seine Aufmerksamkeit und Wachsamkeit wurden gestört und abgelenkt.
Er hätte die Zauberwölfe viel früher spüren müssen, nicht erst Sekunden bevor sie auftauchten.
Und überhaupt diese Höhle ... Tibun merkte, dass ihm langsam die Augen zufallen wollten und war plötzlich wieder hellwach. Er murmelte eine ganze Anzahl von Zaubersprüchen. Seine Sinne kehren immer mehr zurück.
Nein, dies war keine einfache, natürliche Höhle. Dies war der Zugang ... Ja, dies war der Zugang zu dem Ort, den er suchte.
Hier, erst hier, würde Taddys und sein Abenteuer beginnen.
Ab jetzt musste er im Wachen und Schlafen immer bereit, immer auf der Hut, sein.
Gefahren, die jenseits selbst seiner Verstellungskraft lagen, lauerten voraus. Und obwohl er wusste, dass er Taddy sicher durch alle Gefahren führen würde, war er sich nicht sicher, ob er selber überleben würde.
Seine jahrzehntausendelange Erfahrung sagte ihm, dass er hier Hilfe brauchen würde, und dass er – auch wenn er nicht wusste von wem oder wie – er diese Hilfe erhalten würde.
Die Welt durfte nicht untergehen.
Taddy – ja, Taddy der so kleine und trotz seines Mutes und seiner Lebendigkeit doch noch so hilfsbedürftige Trolljunge – und er, der unendlich alte Zauberer.
Sie beide mussten sie, diese wunderbare und schöne Welt, vor der Vernichtung retten.
Sunana hatte einen Traum. Sie hatte diesen Traum jede Nacht, seit tausenden von Jahren. Und sobald sie ihn geträumt hatte, konnte sie sich nicht mehr daran erinnern.
In diesem Traum flog sie in die Morgenröte.
Nein, sie flog nicht hinein, sie war die Morgenröte. Aus der Dunkelheit der Nacht wob sie rosane Schleier. Hellblaue und dunkelblaue Pinselstriche zeichnete sie zuerst an eine Seite des Horizontes und dann immer höher den Himmel hinauf.
Kleine Wölkchen tönte sie orange, ja sogar grüne und gelbe Nebelschwaden verteilte sie.
Viele Wesen standen oder saßen herum um diese Pracht zu bewundern, diese wundersamen Farbenspiele zwischen dem Dunkel der Nacht und der Helligkeit des Tages.
Und sie – Sunana, die kleine Zauberfee - schuf diese Pracht in ihrem Traum. Jede Nacht aufs Neue und jede Nacht, wie zum ersten Mal, und jede Nacht vergaß sie all das.
Doch diese Nacht war anders. Sunana als Morgenröte malte wie immer ihre Farben über den Weiten der Landschaft, die ganze Farbenvielfalt des Regenbogens.
Doch plötzlich ertönte ein dumpfer und doch auch gleichzeitig schriller Ton. Ein Brausen, das immer mehr anschwoll.
Und mit dem Getöse kamen schwarze Schlieren und zerstörten alles, löschten die Buntheit der Farben aus, und die Welt versank in einer Dunkelheit, viel schwärzer und unheilvoller als die der Nacht, und alles schien stillzustehen – Sunana erschrak zu Tode und erwachte.
Noch kurz leuchteten Erinnerungsfetzen ihres Traumes in ihr auf. Doch dann vergaß sie auch diesen Traum. Der so gleich wie all ihre Träume begonnen hatte und so ganz anders endete.
Nur eine Beklemmung blieb zurück, ein kaum wahrnehmbares Gefühl, als müsse sie ersticken.
Sunana erhob sich aus ihrem Bett, rieb sich den Schlaf aus den Augen und rannte zu dem kleinen Bach, der in der Nähe ihres Hauses vorbeifloss.
Sie sprang hinein, tauchte unter und wieder empor. Genoss die Kühle auf ihrer Haut und ihren Haaren. Sie richtete sich auf und vergrub ihre Füße in dem leicht schlammigen Sand und spielte mit ihren Zehen darin, bewegte sie auf- und abwärts.
Und so lösten sich langsam auch die letzten Reste der Beklemmung auf.
Die kleine Zauberfee stieg aus dem Bach, legte sich ins Gras und genoss es, wie die Sonnenstrahlen ihre Haut und ihre Kleidung trockneten.
Derweil flogen Pütti und Larita unentwegt durch die Lüfte, Lülli und Lotti saßen mit Bibo, Schnups und Muffel am Frühstückstisch, aßen und erzählten sich gegenseitig ihre lustigsten Streiche.
Am meisten mussten alle lachen, als Lotti das Gesicht des Wurfbudenbesitzers beschrieb, als alle Dosen herunterfielen und er hundert Rosen herausrücken musste.
„Dieser hinterlistige und betrügerische Gauner, die Augen schienen ihm schier aus dem Gesicht herausspringen zu wollen. Und seine Nase wurde ganz grün, so sehr stieg ihm seine Galle zu Kopf. Überhaupt wäre er am liebsten vor Wut und Enttäuschung geplatzt“, kicherte Lotti lauthals, „und zornbebend sprang er auf seinen Füßen herum.“
„Ja, und dann haben wir die Blumen an die Tier- und Feenkinder verteilt“, lachte freudig Lülli. Muffel hörte verträumt zu. Denn diese Geschichte erinnerte ihn daran, dass er genau an diesem Tag Arinda kennengelernt hatte. Das stolze, wagemutige und bewunderungswürdige Feenmädchen, in die er sich sogleich verliebt hatte, genauso wie sie sich in ihn.
„Es geht wieder los“, sagte plötzlich Bibo, „ein neues Abenteuer kommt auf uns zu. Spürt ihr es auch?“
Sie sahen sich an und hörten in sich hinein.
„Jup“, schnatterte Lotti, „und es wird Zeit, dass endlich wieder mal was Spannendes passiert. Sonst wachsen uns noch die Schwanzfedern an.“
Schnups und Lülli stimmten ihr zu, und Muffel kaute munter an seiner vierten Möhre. „Lasst uns Sunana suchen!“, schlug Lotti vor, „ich glaube sie liegt beim Bach im Grase. Zumindest ist sie vorhin rausgestürmt, ohne uns hallo zu sagen.“ Und schon war sie aus dem Haus draußen. Ebenso Lülli und die anderen.
Ja, freudige Erwartung lag in der Luft.
„Wo wollen wir eigentlich hin?“, fragte Arinda. Sie waren den ganzen Tag geflogen und dann auf dieser Waldlichtung gelandet.
Leckere orangene Beeren wuchsen an kleinen Büschen, so dass Scheilana und sie sie gemütlich pflücken konnten.
„Wir fliegen zu Dalona, in ihr Feenschloss“, antwortete Scheilana.
„Aha“, staunte Arinda, „das hätte ich nun nicht erwartet. Warum denn gerade dahin.“ „Uralte Schriften.“ „Uralte Schriften? Wie? Wo? Was?“
„Unter dem Schloss, tief unter dem Schloss. Irgendwo dort.“
„Aha, so, so ...“, Arinda fing an, sich zu ärgern, „nun rede mal vernünftig mit mir. Sag mir, was du weißt. Und lass dir nicht jedes Wort einzeln rausholen.“
„Ach, Arinda, ärgere dich nicht. Was kann ich schon groß sagen. Es gab damals, als ich bei Dalona wohnte, so ein Gerücht. Ich habe es zufällig bei einer Feier gehört. Ein uraltes Wildschwein und ein noch älterer Zwerg haben sich unterhalten. Sie haben mich nicht bemerkt, dachten, niemand höre zu, und flüsterten trotzdem. Und doch habe ich jedes Wort verstanden, obwohl ich gar nicht lauschen wollte. So, als würde mich etwas zwingen, zuzuhören. Bis vorhin, als wir landeten, konnte ich mich überhaupt nicht mehr an das Gespräch erinnern. Sie sprachen von der Schwarzen Wolke. Das Wildschwein sagte, dass niemand etwas Genaues über sie wüsste. Der Zwerg antwortete darauf, das sei schon so. Aber unter dem Feenschloss von Dalona gäbe es eine Kammer – niemand wisse den Zugang – in dieser Kammer wäre ein Buch und darin stände etwas über die Schwarze Wolke. Ja, und deshalb will ich zu Dalona.“
„Sehr vernünftig und ... Ach, es hat doch keinen Zweck, wenn ich dir was ausreden will.“ „Nein, das hat keinen Zweck. Ich weiß und du weißt, dass ich in die Schwarze Wolke muss, egal, was passiert.“
„Ja, ja, ja!“, rief Arinda, „das weiß ich. Aber trotzdem will ich es nicht glauben. Es ist verrückt, nur verrückt, und ich sollte es verhindern.“ Sie schnaubte laut, atmete tief durch, und dann nahm sie Scheilana in ihre Arme. „Hast du nicht schreckliche Angst?“, fragte sie. „Oh ja“, antwortete Scheilana und legte ihren Kopf auf Arindas Schulter, „ganz schreckliche Angst, und am liebsten würde ich anfangen, zu weinen und nicht mehr damit aufhören. Und deshalb fange ich erst gar nicht an.“ So standen die beide Feenmädchen, sich gegenseitig Mut machend, aneinandergelehnt eine Zeitlang da.
Dann pflückten und aßen sie noch einige der orangefarbenen Beeren, legten sich in das Gras und schliefen ein.
Drei Tage später erreichten sie Dalonas Schloss.
Diese begrüßte sie freudig: „Welch eine Überraschung, meine Urenkelin und du, Scheilana.
Seid ihr hungrig? Ja, ganz bestimmt seid ihr das.“ Sie führte sie in einen großen Saal und sie setzten sich auf bunte Kissen.
Andere Bewohner des Schlosses kamen hinzu, Essen und Trinken wurde gebracht, und alle freuten sich, die beiden Feenmädchen wiederzusehen.
Nach einer Stunde wurde Dalona ernst und sah die beiden an: „Lasst uns ein wenig zu dritt spazieren gehen. Ich glaube, wir haben uns einiges zu erzählen.“ „Ja“, antwortete Scheilana, „da hast du recht, wir haben uns einiges zu erzählen.“
Sie standen auf, verließen das Feenschloss, wanderten am Ufer des wunderschönen Sees entlang und setzten sich. Rosa Seerosen blühten auf ihm in großer Zahl und das ganze Jahr hindurch.
„Ja, Arinda, im Gegensatz zum Schloss deiner Eltern schneit es hier nie. Das ist einer der Gründe, warum ich hier wohne. Einer von vielen. Nun ja. Und nun erzählt, warum seid ihr hier? Das ist kein einfacher Besuch.“