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Dieser Band enthält folgende Liebesgeschichten: (499) Fürstlicher Standesdünkel (Eva Joachimsen) Wie buchstabiert man Liebe? (Sandy Palmer) Schlosshotel Schwarzenburg (Sandy Palmer) Intrigen am Adelshof (Leslie Garber) Ein Traumschloss am Bodensee, das ist das Erbe von Sabrina von Bergdorff nach dem überraschenden Tod ihrer Eltern. Und während ihr Bruder mit seiner Familie auf dem Stammschloss wohnen bleibt, siedelt Sabrina um an den Bodensee. Sie ist der Erfüllung ihres größten Traums ein Stück näher gekommen – ein eigenes Hotel will sie haben. Und auf Schwarzenburg soll es entstehen. Ein mutiger, gewagter – und schicksalhafter Entschluss...
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Seitenzahl: 257
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Schicksal & Liebe im 4er Bundle Oktober 2024
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Fürstlicher Standesdünkel: Fürsten-Roman
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Wie buchstabiert man Liebe?
Schlosshotel Schwarzenburg
Intrigen am Adelshof
Dieser Band enthält folgende Liebesgeschichten:
Fürstlicher Standesdünkel (Eva Joachimsen)
Wie buchstabiert man Liebe? (Sandy Palmer)
Schlosshotel Schwarzenburg (Sandy Palmer)
Intrigen am Adelshof (Leslie Garber)
Ein Traumschloss am Bodensee, das ist das Erbe von Sabrina von Bergdorff nach dem überraschenden Tod ihrer Eltern. Und während ihr Bruder mit seiner Familie auf dem Stammschloss wohnen bleibt, siedelt Sabrina um an den Bodensee. Sie ist der Erfüllung ihres größten Traums ein Stück näher gekommen – ein eigenes Hotel will sie haben. Und auf Schwarzenburg soll es entstehen. Ein mutiger, gewagter – und schicksalhafter Entschluss...
Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
COVER A.PANADERO
© dieser Ausgabe 2024 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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von Eva Joachimsen
Der Umfang dieses Buchs entspricht 135 Taschenbuchseiten.
Der musikalische Prinz Bernhard lernt während seines Wirtschaftsstudiums in den USA die angehende Sopranistin Sue kennen und lieben. Aus Sorge vor den Vorurteilen seiner Eltern verschweigt er ihnen, dass Sue Schwarzafrikanerin ist, damit Fürst und Fürstin von Bressen seine Freundin überhaupt erst einmal kennenlernen.
Sue fürchtet, dass sie im standesbewussten und konservativen Fürstenhaus Bressen nie akzeptiert werden wird. Auf keinen Fall will sie einen Keil zwischen Bernhard und seine Eltern treiben. Aber die Fürstin macht es ihr nicht leicht.
Benni zog sich das T-Shirt über seinen noch nassen muskulösen Oberkörper, dann schlüpfte er in eine Jeans. Er beeilte sich, denn er durfte keine Sekunde der kostbaren Zeit mit Sue verlieren. Es war ihr letzter gemeinsamer Abend in Boston, und den wollte er genießen. Morgen früh würde er nach Deutschland fliegen. Seine Eltern drängten schon seit einem Jahr, dass er endlich zurückkommen solle.
„Bernhard, ich möchte dich gern in die Verwaltung unserer Ländereien und des Vermögens einarbeiten. Wer weiß, wie lange ich das noch kann. Ich merke, dass ich immer vergesslicher werde“, hatte sein Vater, Reinhard Ludwig Fürst von Bressen, am Telefon gesagt.
Und obwohl Benni gern in den USA geblieben wäre, musste er seinem Vater zustimmen, immerhin war sein alter Herr schon 79 Jahre alt und seit einem Autounfall nicht mehr ganz so rüstig wie vorher. Benni hatte sich bei den unbekümmerten Amerikanern wohlgefühlt. Die Arbeit in dem riesigen landwirtschaftlichen Betrieb war interessant gewesen, und er hatte sehr viel gelernt. Endlich durfte er Verantwortung übernehmen, die ihm seine Eltern nach dem Abschluss des Landwirtschaftsstudium in Deutschland nicht zugebilligt hatten.
Damals hatte er als frisch gebackener Master bei einem Bekannten seines Vaters gearbeitet. Der Hof lag in der Nähe des elterlichen Schlosses, sodass er jeden Abend daheim erwartet wurde. Wie gern hätte er sich eine eigene Wohnung genommen, aber seine Mutter hatte so einen Stress gemacht, dass er seinem Vater zuliebe darauf verzichtete. Immerhin hatte sein Vater seinen Vorschlag, noch in den USA am Massachusetts Institute of Technology Wirtschaft zu studieren, unterstützt und so hatte er es geschafft, sich von der Umklammerung seiner Mutter, Gerlinde Charlotte Fürstin von Bressen, zu lösen. In den letzten sieben Jahren war er richtig aufgeblüht und hatte sich getraut, auch wichtige Entscheidungen allein zu treffen. Sein Chef John hatte ihn immer unterstützt und gelobt. Die lockere amerikanische Lebensart bekam ihm sehr gut.
Er trauerte schon jetzt seinen Freunden hinterher, die er wohl nur noch selten sehen würde. Am meisten aber traf ihn die Trennung von seiner Freundin. Sue studierte im letzten Semester Gesang und Klavier am Konservatorium und würde bald ihren Abschluss haben und anschließend sicher eine große Karriere machen. Ihre Stimme war fantastisch, von daher war es egal, wo er lebte, sie würde um die ganze Welt ziehen und immer nur einen kurzen Zwischenstopp irgendwo einlegen. Warum also nicht in Deutschland?
Kurz schaute er in den Spiegel. Was er sah, gefiel ihm. Er hatte ebenmäßige Gesichtszüge, braune Augen, volle brünette Haare und eine athletische Figur.
Nachdenklich ließ er den Blick durch das Zimmer schweifen, bevor er es verließ. Von seinem Chef und seinen Kollegen hatte er sich schon mittags verabschiedet. Jetzt suchte er seine Chefin Jill auf, gab ihr die Schlüssel und umarmte sie.
„Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft, besuche uns bald einmal“, sagte sie zum Abschied.
„Das wird sicher dauern, meine Eltern freuen sich, wenn sie mich wiederhaben“, erklärte er mit einem erzwungenen Lächeln, dann drehte er sich um und stieg in den Wagen. Im Kofferraum lag sein Gepäck. Der Abschied lag ihm im Magen, weil er so endgültig war.
*
Nach kurzer Fahrt erreichte er Boston, wo er Sue vom Studentenheim abholen wollte. Sie war nicht in ihrem Zimmer, das überraschte ihn nicht. Sicher hatte sie die Zeit am Klavier vergessen. Er eilte zum Musikzimmer und hörte vor der Tür schon „Gaspard de la nuit“ von Ravel. Sues Klavierspiel war klar zu erkennen.
Leise trat er ein und lauschte. Sue saß mit geschlossenen Augen am Flügel und spielte hingebungsvoll. Sein Herz öffnete sich. Wie er diese Frau liebte. Ihre weichen, wunderschönen, schwarzen Gesichtszüge, ihre zarte Gestalt. Noch besser wäre es gewesen, wenn er sich gegen seine Eltern durchgesetzt hätte und selbst Musik studiert hätte, obwohl er nie ihre Virtuosität erlangt hätte. Dann rief er sich zur Vernunft. Er hätte in Deutschland studiert, wäre höchstens ein zweitklassiger Pianist geworden und hätte Sue nie kennengelernt. So aber waren sie sich bei einer Feier auf dem Campus begegnet und hatten über die Musik sofort ein gemeinsames Gesprächsthema gehabt. Er hatte ihr gleich versprochen, sie einmal zu den Salzburger Festspielen einzuladen. Er merkte, dass Sue ihn nicht ernst nahm, trotzdem freute sie sich, denn sie liebte Mozart und wollte unbedingt einmal in Salzburg dabei sein.
Erst als sie das Stück beendet hatte, schaute sie auf und entdeckte Benni. „Oh, du bist schon da. Tut mir leid, ich habe wieder einmal die Zeit verpasst“, entschuldigte sie sich, sprang auf und lief zu ihm.
„Macht nichts, ich liebe es, dir beim Spielen zuzuhören“, murmelte Benni und schloss sie in seine Arme. Sie schmiegte sich an seine Brust.
„Lass uns erst einmal essen gehen“, schlug er vor. „Der Tisch ist reserviert.“
„Ich wollte mich noch umziehen.“
„Ist nicht nötig, du siehst perfekt aus.“
„Aber es ist unser letzter Abend“, widersprach sie.
Er deutete lachend auf seine Jeans. „Ich bin auch nicht im schwarzen Anzug. Sue, wir wollen Spaß haben, dazu gehört für mich kein Dresscode.“
„Wolltest du nicht in dieses Fischrestaurant am Hafen?“
Er zuckte die Achseln. „Dann gehen wir Hamburger essen.“
Sie lächelte und hakte sich bei ihm unter. Gemeinsam schlenderten sie zum Parkplatz und fuhren zum Hafen. Dort suchten sie das Restaurant auf, bei dem Benni reserviert hatte.
Der Kellner musterte sie kritisch, sagte aber nichts, sondern führte sie zum Tisch und brachte ihnen die Speisekarte.
„Siehst du, die anderen sind viel förmlicher angezogen“, flüsterte sie.
Er grinste. „Na und? Es ist unser Abend, lass ihn uns genießen.“ Er seufzte. „Anzug muss ich demnächst wieder häufiger tragen, da will ich es hier nicht auch noch müssen.“
Ihr Gespräch stockte schon nach der Bestellung. Die bevorstehende Trennung lag bleischwer auf ihren Gemütern.
„Sobald du deinen Abschluss hast, kommst du zu uns. Ich stelle dich meinen Eltern vor und versuche, ein Engagement für dich zu finden“, sagte Benni, nachdem der Kellner den Wein eingeschenkt hatte.
„Was werden deine Eltern zu einer Schwarzen sagen? Du hast erzählt, dass sie sehr konservativ sind. Sie werden mich rauswerfen.“ Sue schüttelte bekümmert ihren Kopf.
„Sue, ich bin erwachsen. Ich treffe meine Entscheidungen allein“, widersprach Benni. „Wenn sie mit dir nicht einverstanden sind, dann gehen wir eben. Notfalls in die Staaten zurück.“
„Du hast dich bei deiner Studienwahl auch nicht durchgesetzt“, gab sie leise zu bedenken.
Benni nickte bedächtig. „Stimmt. Ich werde eine große Verantwortung erben. Wir haben ein Gut, das verwaltet werden muss. Ich kann natürlich Leute einstellen, die das für mich tun. Aber wenn ich nichts davon verstehe, kann ich sie nicht überwachen. Außerdem könnte ich natürlich das Land einer wohltätigen Stiftung vermachen und mich vom Acker machen. Aber da ist die vielhundertjährige Familiengeschichte, der mag ich mich nicht entziehen. Aber das hat mit der Wahl meiner Partnerin nichts zu tun. Die Zeiten sind zum Glück schon lange vorbei.“ Langsam erschien sein unwiderstehliches Lächeln auf dem Gesicht.
Sue beobachtete ihn sehr ernst. So ernst kannte Benni sie gar nicht. Sonst war sie immer gutgelaunt und fröhlich. Das war das erste gewesen, was ihm an ihr aufgefallen war.
„Ich bin mir sicher, dass meine Eltern dich gern mögen, wenn sie dich erst einmal wirklich kennengelernt haben. Sie sind keine Unmenschen.“ So ganz sicher war sich Benni nicht. Ja, sein Vater war schon in Ordnung, meistens jedenfalls. Aber er setzte sich nur selten gegen seine Mutter durch, und die war sehr standesbewusst und kalt. Leider.
Die ganze Nacht blieben sie wach, sprachen miteinander, liebkosten und liebten sich. „Du musst schlafen, du hast die Reise vor dir“, sagte Sue schließlich, als es schon früher Morgen war.
„Schlafen kann ich im Flugzeug, ich will keine Minute mit dir versäumen“, erwidere Benni und zog sie an sich.
Zart strich sie über sein Gesicht, folgte seinen Augenbrauen, seinen Wangenknochen und dann seinem Kinn. Sie liebte seine wachen, warmen Augen, die Lachfältchen und die Grübchen an seinen Wangen. Tapfer schluckte sie ihre Tränen hinunter. Sie gab ihrer Partnerschaft keine Zukunft. Sie wusste wenig von seiner Familie. Benni erzählte nicht viel von daheim. Anscheinend verstand er sich mit seinen dominanten Eltern nicht allzu gut. Aber er schien Geld zu haben, auch wenn er damit nicht angab und sehr bescheiden auftrat. Von anderen Studenten hatte sie gehört, dass er adlig sei. Auch wenn er sich hier nur Bernhard Bressen nannte. Irgendjemand hatte mal gespottet, dass er ein hochwohlgeborener Prinz oder Ähnliches sei und ihn mit „His Serene Highness“ angesprochen.
Wenn man es genau betrachtete, waren sie dadurch ebenbürtig, denn ihr Vater war Häuptling und sie gehörten zur königlichen Familie, aber das hieß nicht viel, da die Familie sehr groß war und sie recht entfernt dazugehörten. Aber was galt schon ein afrikanisches Stammesoberhaupt in Europa? Nein, sie musste diese letzten Stunden genießen und dann über Benni hinwegkommen.
Am Vormittag schwänzte sie ihre Musikstunde, ihrer Lehrerin hatte sie es schon angekündigt, und die hatte Verständnis für sie gehabt, verlangte aber, dass sie die Übungen am Nachmittag nachholte. „Wenn du erst einmal auf den großen Bühnen der Welt stehst, kannst du auch nicht immer absagen, weil du einen Schnupfen oder Liebeskummer hast.“
„Und wie soll ich mit einer Erkältung singen?“, hatte sie schmunzelnd gefragt.
Die Lehrerin hatte gelacht und gemeint: „Deine Stimme musst du schonen, aber Klavierspielen kannst du auch mit einer Erkältung.“
Benni drückte sie, als ob er sie zerquetschen wollte, immer wieder bedeckte er ihr Gesicht mit kleinen, leichten Küssen.
Als es Zeit wurde, fuhr sie ihn zum Flughafen, sie wurden immer schweigsamer. „Wir skypen, ja? Versprich es mir“, sagte er zum bestimmt zwanzigsten Mal, als er das Gepäck abgab. Eine halbe Stunde hatten sie noch, die sie eng umschlungen vor der Sicherheitskontrolle standen.
„Du musst mich besuchen, versprich es mir. Mein Onkel ist Musiker, er kann bestimmt etwas für dich tun“, sagte er mit rauer Stimme.
Sue nickte, sprechen konnte sie kaum noch. Erst als er durch die Kontrollen ging, konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Und als das Flugzeug abhob, verkroch sie sich in eine Ecke und weinte um ihre große Liebe.
In Frankfurt holten beide Eltern Benni ab. Er wunderte sich. Seine Mutter neigte normalerweise nicht zu irgendwelchen Gefühlsregungen. Er umarmte seinen Vater herzlich, seine Mutter pflichtbewusst.
„Bist du sehr müde? Sonst würde ich vorschlagen, dass wir zu Hoffmanns essen gehen“, sagte sein Vater, Reinhard Ludwig Fürst von Bressen. Der Fürst und die Fürstin von Bressen besuchten das exquisite Restaurant regelmäßig, wenn sie in Frankfurt weilten.
„Der Jetlag wird erst später zuschlagen, aber ich muss mich unbedingt frisch machen“, erwiderte Benni und schaute an sich herab. Seine Mutter würde nie mit ihm ins Restaurant gehen, wenn er nur eine Jeans trug, dazu verschwitzt und unrasiert war.
„Wir können bei Bernhard vorbeischauen, du sagst ihm guten Tag und duscht dich bei ihm“, schlug sein Vater vor.
Benni nickte, gegen einen Besuch bei seinem Patenonkel hatte er nie etwas einzuwenden. Er war einer der wenigen Menschen in Deutschland, die er mochte und denen er vertraute.
Schnell brachte ihr Chauffeur Uwe sie zum Loft von Bernhard von Karow.
„Herzlich willkommen im alten Deutschland“, begrüßte Bernhard ihn und schlug ihm auf die Schulter. „Du kannst dich im Badezimmer frisch machen und etwas Anständiges anziehen.“
Benni grinste frech. „Ich habe etwas Anständiges an. Allerdings würde Mutter wohl kaum mit mir in Jeans zu Hoffmanns essen gehen, schließlich hat der drei Sterne.“ Dann grinste er noch breiter. „Ich glaube, sie würde in diesem Aufzug mit mir noch nicht einmal Burger essen gehen.“
Bernhard lachte, während seine Mutter ihr Gesicht verzog. Humor war keine ihrer Stärken. Aus dem Augenwinkel bemerkte er ein Funkeln in den Augen seines Vaters und freute sich, dass sein alter Herr doch nicht so verkniffen war, wie es manchmal wirkte.
Nachdem er sich geduscht und seinen Anzug angezogen hatte, den Bernhards Faktotum noch schnell aufgebügelt hatte, tranken die älteren Herrschaften einen Cognac, während Benni einen Kaffee bevorzugte.
„Wenn ich jetzt Alkohol trinke, schlafe ich beim Essen ein“, hatte er sich entschuldigt.
Sein Vater richtete ihm Grüße vom Personal aus, ohne Namen zu nennen. Doch auch so konnte Benni sich denken, wer ihn grüßen ließ. Seine drei großen Freunde aus Kindertagen, der Butler Matthias, die Köchin Elsa und der Stallbursche Frank.
Seine Mutter, Gerlinde Charlotte Fürstin von Bressen, machte derweilen ein missbilligendes Gesicht. Nach ihrer Meinung hielt man Abstand zum Personal und fraternisierte nicht. Zum Glück war sein Vater ein verständnisvoller Chef, er hielt zwar eine gewisse Distanz zu seinen Mitarbeitern, behandelte sie aber fair und freundlich.
Bernhard fragte ihn nach seiner Meinung zu den derzeitigen Aktienkursen und zu den Aktien der Automobilkonzerne. „Ich will doch wissen, wie die Amerikaner darüber denken. Vielleicht sollte ich meine Papiere abstoßen.“
Benni erzählte, was die Professoren dazu gemeint hatten. Selbst als er schon auf der Farm gearbeitet hatte, hatte er noch Kontakt zu ihnen gehalten und ab und zu Veranstaltungen besucht, um nicht gleich alles wieder zu vergessen. Er hatte sogar nebenbei ein paar Stunden im Institut gearbeitet. Ein alter Professor war auch ein Freund von Bernhard, von ihm richtete er Grüße aus. „Er meint, er hätte dich schon öfter eingeladen.“
Bernhard nickte. „Ich muss ihn wirklich einmal besuchen, sonst bin ich zu alt und krank, um die weite Reise zu unternehmen.“
Bernhard hatte ihn seinerzeit nach Boston vermittelt und seine Kontakte hatten Benni in der ersten Zeit geholfen, im fremden Land zurechtzukommen.
*
Später saßen sie bei einem ausgezeichneten vier Gänge Menü bei Hoffmanns und Benni erzählte von Amerika. Er erwähnte auch Sue, allerdings verschwieg er, dass sie eine Schwarzafrikanerin war. Er hatte genug Zeit gehabt, zu überlegen, wie er vorgehen solle, und hatte beschlossen, seine Eltern lieber mit ihrer Gegenwart zu konfrontieren, statt sie sacht vorzubereiten. Er war sich sicher, dass beide eine Schwarze ablehnen würden. Aber seine Mutter verlor nie ihre Contenance und so würde sie auch bei einer Begegnung mit Sue höflich bleiben und dann hoffentlich Sues Qualitäten kennenlernen. Eine große Liebe würde es sicher nicht werden, dieser Illusion gab er sich nicht hin. Aber er hoffte, dass sie die große Künstlerin anerkennen und sie als seine Partnerin akzeptieren würde.
Sein Vater liebte ihn und würde mit der Zeit Sue seinetwegen mögen, und sobald Kinder da waren, würde er sie sicher sogar in sein Herz schließen.
Benni unterdrückte ein Schmunzeln, so weit war er noch lange nicht. Er wusste nicht, ob Sue an einer dauerhaften Beziehung zu ihm interessiert war und erst recht nicht, ob sie ihn heiraten würde und sich Kinder wünschte. Schließlich war es bei einer Sängerin problematisch, alle privaten und beruflichen Wünsche unter einen Hut zu bekommen.
*
Eine Woche nach seiner Ankunft gab Fürstin von Bressen eine Party, damit Benni seine alten Freunde und Bekannte wiedersehen würde.
„Das ist doch viel einfacher, als wenn du überall herumtelefonierst und dich mit ihnen triffst. So siehst du alle auf einmal und hast es hinter dir.“
Benni nickte ergeben. Mindestens die Hälfte der Gäste hätte er garantiert nicht angerufen und um ein Treffen gebeten. Eigentlich entsprachen die geladenen Gäste auch eher der Freundesliste seiner Eltern als seiner eigenen. Nicht einmal seine beiden besten Freunde aus dem Internat hatte sie eingeladen. Aber mit denen hatte er längst telefoniert und sich verabredet.
So betrachtete er die Party als Training in gepflegter Konversation, da war er in Amerika tatsächlich aus der Übung gekommen, da die Amerikaner viel unkonventioneller waren und schnell miteinander ins Gespräch kamen.
*
Gekonnt verbarg er seine Gereiztheit, als die fünfte Ehekandidatin ihn in ein albernes Gespräch zog. Seine Mutter verlor wirklich keine Gelegenheit, ihn gleich in den Ehehafen zu lotsen.
Andererseits sah er den Stolz seines Vaters, dass er als gestandener Mann mit Berufserfahrung zurückgekehrt war. Immer wieder betonte sein Vater, dass er doch so viele neue landwirtschaftliche Techniken gelernt hatte und dass sein Chef begeistert von seiner Zuverlässigkeit und seinem Fleiß gewesen war.
„Dann kannst du ja in den wohlverdienten Ruhestand gehen und ihm die Verwaltung deines Vermögens überlassen“, spottete Baron von Harzing.
„Das werden wir auch bald machen“, erwiderte der Fürst von Bressen.
„Aber Durchlaucht, langweilen Sie sich dann nicht? Sie sind doch mit Feuer und Flamme Gutsverwalter“, wandte Freiin von Waldau ein.
Benni, der neben ihr stand, lachte. „Da haben Sie recht, gnädige Frau. Aber wir werden sicher ein Arrangement finden, bei dem wir beide genug Arbeit haben, ohne uns zu überanstrengen.“
Als die letzten Gäste gegangen waren, fühlte Benni sich erschöpfter als nach einem langen Arbeitstag.
„Es war doch schön, endlich einmal die Freunde wiederzusehen“, meinte seine Mutter.
Benni sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Für dich vielleicht. Leider waren keine Freunde von mir dabei.“
„Aber Charlotte und Sophia …“
„Die mochte ich als Kind schon nicht und bilde dir bloß nicht ein, dass ich die heirate, nur weil ihr Vater ein Herzog ist“, stieß Benni heftiger, als er geplant hatte, hervor.
„Aber Bernhard“, tadelte seine Mutter auch gleich.
Vorsichtshalber entschuldigte er sich und zog sich in sein Zimmer zurück.
In den nächsten Tagen führten Fürst von Bressen und der Verwalter Franz Kopf den jungen Prinzen in die Arbeit ein. Es würde sicher lange dauern, bis Benni alles verstand und beherrschte und noch länger, bis er seine eigenen Verbesserungsideen umsetzen konnte. Aber er spürte, wie sie sich durch diese Arbeit, wie damals als Kind, als er anfing, sich für die Tiere und die Landwirtschaft zu interessieren, näherkamen.
Seine Mutter rümpfte öfter die Nase: „Ihr habt doch eure Angestellten für die Tätigkeit, warum vertraut ihr ihnen nicht und überlasst ihnen die Arbeit.“
„Aber dann hätte ich doch gar nicht zu studieren brauchen“, wandte Benni ein und schüttelte den Kopf. Er war froh, dass sein Vater es nicht hörte. Der Fürst nahm seine Aufgabe als Gutsbesitzer sehr ernst. Allerdings vermied er seit Jahrzehnten geschickt, deswegen Auseinandersetzungen mit seiner Gemahlin zu führen.
„Etwas muss man heutzutage machen, seitdem das Haus Bressen nicht mehr regiert, und eine gute Ausbildung gehört dazu“, entgegnete sie. „Aber man will doch etwas vom Leben haben und nicht nur arbeiten. Du könntest wie Onkel Wilhelm bei einer Hilfsorganisation mitmachen.“
„Onkel Wilhelm arbeitet für die Johanniter bestimmt sechzig Stunden in der Woche“, meinte Benni achselzuckend. Er überging bewusst den Appell, etwas Standesgemäßes zu tun.
Schneller als Benni erwartet hatte, hatte er einen guten Durchblick über die Ländereien. Später einmal sollte er außerdem bei dem Vermögensverwalter hospitieren, um auch einen Einblick in ihre Finanzgeschäfte zu erhalten. Benni freute sich schon darauf, denn der befand sich in Frankfurt und er würde darauf bestehen, dort eine Wohnung zu nehmen und nicht bei einem Verwandten untergebracht zu werden. Selbst seine Mutter musste einsehen, dass er kein kleiner Junge mehr war.
*
Zwei Wochen nach der Party meinte sein Vater beim alltäglichen Kaffeetrinken: „Bernhard, es wird Zeit, dass du heiratest. Ich bin alt, und du bist auch schon über dreißig.“
„Lass mich doch erst einmal in den Betrieb einarbeiten“, versuchte Benni sich diplomatisch aus der Affäre zu ziehen.
„Unser Verwalter ist sehr fähig und der Finanzberater zuverlässig“, mischte die Fürstin sich ein.
„Aber warum macht ihr dann überhaupt diese ganzen Ausbildungspläne für mich, wenn es gar nicht nötig ist? Dann hätte ich ebenso gut Musik studieren können“, stieß Benni verbittert hervor. Seine Kaumuskeln spannten sich an.
„Nein, nein, so ist es nicht. Ich habe es doch auch gelernt. Du musst in der Lage sein, den Besitz zu verwalten und vor allem den Überblick zu haben. Aber du kannst jetzt noch eine Auszeit für die erste Ehezeit nehmen, da ich noch rüstig genug bin. In ein paar Jahren wird das nicht mehr gehen“, versuchte sein Vater ihn zu beschwichtigen.
„Wenn unsere Verwalter so hervorragend sind, werde ich auch in ein paar Jahren noch ein paar Wochen auf Hochzeitsreise gehen können, ohne dass wir gleich Konkurs anmelden müssen“, meinte Benni ablehnend. Innerlich kochte er vor Wut. Konnten seine Eltern es denn nie lassen, ihn zu gängeln?
„Wir wollen doch nur das Beste für dich“, fügte seine Mutter hinzu.
Benni beherrschte sich mühsam. Er wusste, dass man mit ihr nicht reden konnte. Jedes Argument von ihm würde sie als persönliche Beleidigung auffassen. Genau das kam heraus, wenn die Eltern Ehen nur nach ihren eigenen Bedürfnissen schlossen. Sein Vater hätte seine Mutter nie heiraten dürfen. So waren alle unglücklich geworden.
Eine Weile tranken sie ihren Kaffee, und der Vater berichtete von einem Jungbullen, der ausgezeichnet worden war.
„Herzlichen Glückwunsch, dann wird er als Zuchtbulle recht wertvoll werden“, sagte Benni, froh, dass sein Vater das Thema gewechselt hatte.
„Ja, wir brauchen ein paar erfolgreiche Bereiche, um die Schlösser zu finanzieren. Die Eintrittsgelder decken nicht einmal die täglichen Unkosten und die Steuern. Schließlich wollen wir auch noch leben.“
Benni lachte. „Zum Glück hast du genug Aktien und Beteiligungen an Firmen.“
„Da musst du immer sehr hinterher sein, damit die Papiere wirklich Gewinn abwerfen.“
Benni nickte. Er konnte sich noch lebhaft an die Finanzkrise erinnern. Damals brachten die Beteiligungen nicht genug Gewinn, um die Steuern zu bezahlen, und sein Vater musste einige Kunstgegenstände verkaufen.
„Wie wäre es mit Josefine? Ihr mögt euch doch, sie ist aus gutem Haus und finanziell auch abgesichert“, schlug seine Mutter vor.
Benni lächelte. Ja, er mochte seine Sandkastenfreundin sehr, sie war eine enge Vertraute. Momentan weilte sie in Italien, daher hatte er sie noch nicht getroffen. Wenn es wie in früheren Zeiten Zwangsehen geben würde, wäre sie sicher in der engeren Wahl. Aber …
„Mutter, dir ist doch wohl klar, dass Josi lesbisch ist? Obwohl wir uns sehr gern haben, möchte sie mich eben so wenig heiraten wie ich sie.“
„Aber das lässt sich doch heilen. Und du sagst selbst, ihr mögt euch“, sagte die Fürstin und sah ihn auffordernd an.
„Mutter, das sind keine Masern, die geheilt werden. Das ist angeboren. Geschätzte sieben Prozent der Bevölkerung sind homosexuell, selbst bei Tieren gibt es das, und Homosexuelle kannst du nicht zwingen, anders zu leben, das kannst du auch nicht beheben.“ Er schüttelte über so viel Ignoranz den Kopf.
„Graf Ludwig ist da anderer Meinung. Er hat mit ein paar Spezialisten gesprochen, die ihm versprochen haben, seine Tochter zu heilen“, erklärte die Fürstin und klingelte nach dem Butler, um eine weitere Kanne Kaffee zu bestellen.
„Arme Josi. Das ist ja wie in der Nazizeit. Ihr Vater klammert sich an eine völlig abstruse Hoffnung und unterstützt ein paar Scharlatane.“ Benni tat seine Freundin leid. Die hatte einen noch größeren Kampf auszufechten als er. „Wenn es so einfach ist, warum ist Friedrich II. so unglücklich verheiratet gewesen? Und sein Bruder Heinrich hat seine Ehe auch nicht vollzogen, sondern ging seiner Frau aus dem Weg.“
„Na also, du siehst, mit ein bisschen gutem Willen funktioniert es.“
„Beide waren aber kinderlos!“
„Josefine möchte sicher Kinder haben, das lässt sich doch einrichten!“
„Mit einer künstlichen Befruchtung? Ohne mich. Ich will eine richtige Ehe und nicht nur eine, die auf dem Papier steht. Ihr entschuldigt mich!“ Er stand auf und verließ den Salon. In seinem Zimmer zog er Sportsachen an und lief seine üblichen zehn Kilometer, um den Frust abzubauen.
*
Gleich am nächsten Tag schlug seine Mutter ihm drei weitere Kandidatinnen vor.
„Warum nicht gleich Ingrid Alexandra von Norwegen oder Amalia der Niederlande. Charlotte of Cambridge ist wahrscheinlich noch etwas jung“, spottete er.
„Bernhard, nimm deine Mutter ernst!“, ermahnte ihn der Fürst autoritär.
„Warum nehmt ihr mich nicht ernst? Fast alle Königskinder haben schon in der zweiten Generation ihren Liebespartner selbst gewählt und geheiratet. Nur ich soll wie im neunzehnten Jahrhundert verheiratet werden. Wir leben in Europa und nicht in Indien oder Ostanatolien, wo die Kinder noch zwangsverheiratet werden. Wenn ihr wollt, dass ich den ganzen Laden hier eines Tages übernehme, dann lasst mich bitte nach meiner Fasson glücklich werden.“ Bennis Gesicht war rot angelaufen, seine Augen funkelten wütend.
Einen Augenblick waren seine Eltern sprachlos, doch dann fasste sich der Fürst „Benni, wir wollen, dass du glücklich bist. Aber der Laden, wie du es zu nennen beliebst, kostet ein Vermögen, und da schadet es nichts, noch Geld dazu zu heiraten.“
Benni verschluckte mühsam eine zornige Erwiderung. Klar, seine Mutter stammte aus einer reichen Grafenfamilie. Der Vater hatte eine Brauerei und ein Bankhaus besessen, und ihre Mitgift war angemessen gewesen. Allerdings hatte sich ihr Vater später an der Börse verspekuliert und sich deshalb erschossen. Ihr Bruder hatte die Firmen und fast seine gesamten Ländereien verkaufen müssen, um die Verluste auszugleichen und die Erbschaftssteuer zu bezahlen. Zum Glück hatte er Betriebswirtschaft studiert und finanzierte seinen Lebensunterhalt als Immobilienmakler im gehobenen Segment.
„Bitte, ich liebe Sue. Ich habe schon von ihr erzählt, sie studiert Musik und hat einen wunderschönen Sopran. Sie wird sicher eine große Karriere machen. Sobald sie ihre Prüfungen hinter sich hat, werde ich sie einladen. Wenn ihr sie nicht auf Schloss Bressen haben möchtet, werde ich für uns eine Wohnung mieten.“
„Natürlich würden wir sie gern kennenlernen. Deine Freunde waren doch immer bei uns herzlich willkommen“, erwiderte der Fürst.
Das stimmte, allerdings hatten sich seine Freunde nur selten wohl gefühlt, weil seine Mutter eine Eiseskälte ausstrahlte und die Spannungen zwischen dem Fürstenpaar deutlich zu spüren waren.
„Erzähle uns doch etwas mehr von ihr“, bat der Fürst. Benni spürte, dass er versuchte, eine Brücke zu ihm zu bauen.
„Sicher ist sie nicht adelig. Ist sie Amerikanerin? Wie ist ihre Familie?“
„Ich weiß es nicht, nein, sie ist keine Amerikanerin. Aber sie stammt aus einer alten und einflussreichen Familie. Und sie ist wirklich begabt. Ihr müsst sie hören. Sie spielt hervorragend Klavier, aber ihre Stimme ist einzigartig. Lernt sie doch erst einmal kennen.“
„Wenn sie Karriere macht, wird sie um die ganze Welt reisen und überall auftreten. Wie wollt ihr dann eine Ehe führen und Kinder bekommen?“, wandte seine Mutter ein. Er konnte deutlich spüren, dass sie versuchte, sachlich zu bleiben.
„Ich weiß nicht einmal, ob sie mich überhaupt heiraten will. Aber ich werde keine andere Frau ehelichen, weil ich Sue liebe“, sagte Benni schlicht.
Jeden Morgen hoffte Sue auf Bennis Anruf. Dabei versuchte er nur, sie jeden zweiten Tag per Skype zu erreichen. Trotzdem wartete sie täglich, dabei klappte es nicht einmal damit, da er sich selten mittags von seinen Verpflichtungen davonstehlen konnte. Häufig schrieb er ihr ersatzweise lange Mails. Manchmal rief er sie auch erst abends an, dann stellte er extra den Wecker und stand mitten in der Nacht auf, um mit ihr zu sprechen.
Vor ihrer Prüfung wünschte er ihr alles Gute. „Du schaffst es, du bist hervorragend, und ich bin so stolz auf dich“, erklärte er.
Sie lächelte, ach, sie vermisste ihn so.
„Kommst du, wenn du alle Prüfungen hinter dir hast?“, fragte er mit einem sehnsüchtigen Blick.
„Ich weiß nicht, meine Familie wartet auf mich. Sie haben mich schon fünf Jahre nicht mehr gesehen“, gab sie vor, denn sie versuchte immer wieder, vernünftig zu sein und sich keine Hoffnungen zu machen. Es konnte nicht klappen. Nicht mit einem reichen Deutschen aus einer sehr konservativen Familie, die stolz auf ihren uralten Stammbaum war. Nachdem sie seine Familie gegoogelt hatte, war sie auf dem Boden der Tatsachen gelandet.
„Und danach? Hast du ein Engagement? Soll ich meinen Onkel bitten, sich für dich zu verwenden?“
Sie zuckte die Achseln. „Ich weiß nicht, ich hoffe, dass mein Professor mir Auftritte vermittelt. Er hat es mir versprochen.“
„Hast du keine Lust, mich zu sehen?“ Seine Enttäuschung war ihm deutlich anzusehen, und es tat ihr weh, hart zu bleiben.
„Doch, aber ich glaube, wir passen nicht zusammen“, flüsterte sie.
„Bitte, wir müssen nicht hier bei meinen Eltern wohnen, wenn du willst und irgendwo ein Engagement hast, arbeite ich woanders, und wir suchen uns zusammen eine Wohnung.“
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Doch nachdem sie ihre Prüfung mit Auszeichnung bestanden hatte und Benni ihr einen riesigen Strauß roter Rosen geschickt hatte, war die Sehnsucht größer als ihre Vernunft. Zumal ihr Professor sein Versprechen, ihr ein Engagement zu verschaffen, nicht gehalten hatte. Anscheinend hatte er es bei seinen vielen Verpflichtungen einfach vergessen. Dazu kam, dass ihr Visum für Amerika nach Studienende auslief.
„Ich habe mein Zimmer gekündigt und würde dich gern in einer Woche besuchen“, überraschte sie Benni eines Tages.
Er sah sie verblüfft mit offenem Mund an. „So schnell klappt es? Sue, ich freue mich“, er strahlte über das ganze Gesicht. So liebte sie ihn. Ihr fiel auf, dass sie ihn in letzter Zeit selten fröhlich gesehen hatte.
„Was ist mit dem Visum?“, fragte er.
„Das habe ich schon.“
„Und das verheimlichst du mir? Ich grüble die ganze Zeit, ob ich dich in Südafrika besuchen kann, und du hast schon alles geplant. Sue, ich bin so glücklich.“
„Was wissen deine Eltern von mir? Wissen Sie, dass ich schwarz bin? Und dass ich Musikerin bin“, fragte sie besorgt.
„Nicht, dass du schwarz bist. Ich glaube, es ist besser, wenn sie dich kennenlernen. Sonst haben sie von vornherein Vorurteile.“
„Nein, bitte, erzähle es ihnen. Ich möchte es nicht erleben, dass sie mich schon am Flughafen ablehnen.“ Sie war enttäuscht von ihm. War er so ein Feigling, dass er sich nicht traute, es seinen Eltern zu sagen?
„Blödsinn, sie sind zwar traditionell, aber nicht herzlos und auch tolerant.“
Mit gemischten Gefühlen flog Sue eine Woche später nach Deutschland.
Natürlich spürte Benni Sues Enttäuschung, dass er sich noch nicht mit seinen Eltern auseinandergesetzt hatte. Aber er erinnerte sich mit Schrecken an den Aufstand, den es vor vielen Jahren gab, als sein Cousin einen türkischen Schulfreund hatte. Gerade seine Mutter hatte es als Zumutung empfunden, einen Muslim kennenzulernen. Dabei stammte Yussuf aus einer reichen Industriellenfamilie, die gute Beziehungen nach Deutschland unterhielt. Er sorgte sich, dass seine Mutter Sue beleidigen könnte, aber wenn er ihr vorher verriet, dass Sue Schwarze war, würde sie sie sicher nicht empfangen. Im Gegenteil, sie würde sich jeden Tag mehr in eine Abwehrhaltung hineinsteigern. So hoffte er, dass Sues Charme die Vorurteile überwinden würde. So unwohl er sich in seiner Familie fühlte, so ungern würde er völlig mit ihr brechen. Schließlich waren es seine Eltern.
*
Gleich am nächsten Tag rief Benni Moritz Herzog von Dienburg, einen Cousin seines Vaters, an.
„Moritz, kannst du mir bitte einen Gefallen tun?“
„Welchen?“, Herzog von Dienburg hörte sich misstrauisch an. „Immer wenn ihr Jungvolk um einen Gefallen bittet, muss ich euch aus der Patsche helfen“, knurrte der alte Herr gutmütig.
Benni lachte. Tatsächlich hatten er und seine Cousins und Cousinen als Kinder und Jugendliche Moritz häufig um Hilfe gebeten, da er viel toleranter als die übrigen Familienmitglieder war und sich stets für sie eingesetzt hatte.
„Ich habe in Amerika eine Freundin, die Gesang studiert hat“, fing er an.
„Dein Vater erzählte schon davon. Er sorgt sich, dass eine Amerikanerin nicht in eure Familie passt.“
„Weil sie nicht aus dem europäischen Hochadel stammt? In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich? Bitte verrate mich nicht. Ich will nicht, dass meine Eltern sie ablehnen, ohne sie gesehen zu haben, aber es ist noch schlimmer. Sue ist Schwarze, Südafrikanerin. Aber was haben wir für Vorurteile. Sie stammt aus einem Königshaus. Ihr Vater ist Häuptling. Ihr Urgroßvater war König. Keine Ahnung, was ihre Familie von einem deutschen Partner ihrer Tochter hält.“
„Und jetzt soll ich deine Eltern überreden, sie zu akzeptieren?“ Moritz hörte sich unwillig an.
„Nein, darum geht es nicht. Den Kampf muss ich selbst ausfechten, und ich weiß, dass es Sue gegenüber unfair ist, sie ins offene Messer laufen zu lassen, aber ich denke, mindestens Mutter würde sie nicht einmal in ihre Nähe lassen, wenn sie wüsste, dass Sue Schwarzafrikanerin ist.“
Moritz seufzte. „Und was willst du von mir?“
„Dass du ihr den Weg zu einer Musikkarriere ebnest. Ich weiß, das ist viel verlangt. Aber vielleicht kannst du ihr ein paar kleine Auftritte verschaffen? Sie hat wirklich eine hervorragende Stimme. Du kannst sie auf ihrer Homepage hören. Ich schicke dir den Link. Sie wird so oder so ihren Weg machen. Aber mir wäre es lieb, wenn sie eine Zeitlang in Deutschland bliebe.“
Moritz schwieg eine Weile, und Benni wartete ungeduldig auf eine Antwort.
„Ich werde es mir anhören. Versprechen kann ich nichts. Wenn sie wirklich so gut ist, finde ich vielleicht ein paar kleine Auftritte, Musikabende für sie.“
„Vielen Dank. Ich bin sicher, sie enttäuscht dich nicht. Aber sage bitte meinen Eltern noch nichts.“
„Werde ich nicht. Auch wenn ich deine Strategie nicht gut finde. Ich würde es den Eltern sagen und zu ihr stehen.“ Moritz klang streng.
Es traf Benni, dass der Herzog es genauso wie Sue sah. Aber kannte sein Onkel seine Mutter so gut wie er? Moritz sah doch immer nur ihre Schokoladenseite, nicht ihre vergrämte, hartherzige Seite, unter der er als Kind so gelitten hatte.
Am Abend rief er Bernhard von Karow an. Bernhard hatte viele Beziehungen und war in einigen Wohltätigkeitsorganisationen tätig. Sicher hätte er Möglichkeiten, sich für Sue einzusetzen.
Bernhard hatte ihn als Kind oft getröstet und den Rücken gestärkt, wenn er mal wieder völlig verzweifelt war.
„Na, was hast du auf dem Herzen?“, fragte Bernhard gutmütig.