Schnelligkeit beginnt im Gehirn - Lars Lienhard - E-Book

Schnelligkeit beginnt im Gehirn E-Book

Lars Lienhard

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Beschreibung

Die Revolution des Schnelligkeitstrainings! Wie Sie mit Neuroathletik sportliche Spitzenleistungen erzielen. Schnelligkeit ist oft der ausschlaggebende Faktor, der im Sport über Sieg oder Niederlage entscheidet. Deshalb möchte jeder Sportler schneller werden. Doch das Training ist im Vergleich zu Ausdauer- und Krafttraining intensiver, komplexer, birgt ein hohes Verletzungsrisiko und die Anpassung dauert länger. Beim neuroathletischen Ansatz wird deshalb das Gehirn in den Fokus gestellt – denn nur wenn es eine Situation als sicher einstuft, lässt es auch eine optimale Schnelligkeitsentwicklung zu. In welchem Ausmaß es jedoch Schnelligkeit wahrnimmt und diese durch den Körper umgesetzt wird, ist an zentralnervöse und technisch-koordinative Steuerungsprozesse gebunden. Lars Lienhard, der führende deutsche Experte für neurozentriertes Training, zeigt, wie Sie Ihr Schnelligkeitstraining durch die Anwendung neuronaler Grundlagen auf ein neues Level heben können: • Nutzen Sie Assessments für nachhaltigen Erfolg! • Trainieren Sie Ihre reflexive Stabilität mithilfe Ihres Gleichgewichtssystems! • Steigen Sie ins Augentraining ein, um Ihre Fertigkeiten zu verbessern! • Bereiten Sie Ihr Schnelligkeitstraining richtig vor, unter anderem mit neuronalem und sensorischem Warm-up! • Steigern Sie Ihre Laufschnelligkeit und lernen Sie, wie Bein- und Armarbeit verbessert werden! • Optimieren Sie das situationsgebundene Schnelligkeitstraining, indem Sie Ihre Wahrnehmungs- und Reaktionsgeschwindigkeit schulen! Lernen Sie 150 Übungen für Ihr individuelles Schnelligkeitstraining kennen, nutzen Sie die Trainingsempfehlungen und erzielen Sie Spitzenleistungen in Ihrer Sportart!

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Seitenzahl: 271

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Lars Lienhard

SCHNELLIGKEITBEGINNT IMGEHIRN

Lars Lienhard

SCHNELLIGKEITBEGINNT IMGEHIRN

Mit Neuroathletik das Reaktionsvermögen verbessern und die Schnelligkeitsleistung optimieren

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtige Hinweise

Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und der Autor haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Originalausgabe

1. Auflage 2021

© 2021 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Stefanie Heim

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer

Umschlagabbildungen vorn: Shutterstock/Ovocim, OSTILL is Franck Camhi, Master1305, Eugene Onischenko

Umschlagabbildungen hinten: Nils Schwarz

Bildnachweis: alle Fotos im Innenteil von Nils Schwarz, www.nilsschwarz.com, außer:

126: in Anlehnung an www.bernell.com; 193, 196: Tobias Prießner; 14, 54, 115 o., 129: riva Verlag; 185: riva Verlag/Maria Wittek, verändert nach Shutterstock/Teguh Mujiono; 124, 264, 273: riva Verlag, verändert nach Dr. Eric Cobb; 91: Shutterstock/Blue-RingMedia; 103: Shutterstock/imagewriter; 12: Shutterstock/Aleks Melnik, Paper Teo, VladisChern; 13, 172: Shutterstock/SciePro

Models: Antonia Ellenrieder und Julian Burger von Elace Sportmodels, München

Layout: Katja Muggli, www.katjamuggli.de

Satz: Daniel Förster, Belgern

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-7423-1844-2

ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-1560-8

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-1561-5

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

1 Was ist Schnelligkeit?

Schnelligkeit – genetisch bedingt oder trainierbar?

Die Konstanten und Variablen der Schnelligkeit

Aufgaben und Arbeitsweisen des Gehirns

Wie dieses Buch zu nutzen ist

2 Assessments – schnelle Tests für nachhaltige Erfolge

Die Wirkweise der Assessments

Stabilität als wichtigstes Assessment

Überprüfung der Aktivität wichtiger Muskelgruppen

3 Reflexive Stabilität und Bewegungskorrektur

Die Rahmenbedingungen verbessern

Kleinhirn – Bewegungskorrektur und Stabilität der Körpermitte

Das Gleichgewichtssystem nutzen, um die Stabilität zu verbessern

Mittelhirn – Stabilität und Rhythmisierung von Bewegungen

Trainingsempfehlungen zur Verbesserung der reflexiven Stabilität und Bewegungskorrektur

4 Das visuelle System optimieren

Sehen als Grundlage für die Bewegungssteuerung

Variantenreich trainieren, um die Sehrinde bestmöglich zu aktivieren

Dorsale und ventrale Pfade integrieren

Einstieg ins visuelle Training

Allgemeine visuelle Fertigkeiten verbessern

Trainingsempfehlungen für die Optimierung des visuellen Systems

5 Das Schnelligkeitstraining vorbereiten

Neuronales Warm-up

Sensorisches Warm-up

Neuromechanische Mobilisation

Den Fuß vorbereiten

Mechanische Komponenten der Oberkörperhaltung verbessern

Trainingsempfehlungen zur Vorbereitung des Schnelligkeitstrainings

6 Die Laufschnelligkeit verbessern

Laufen als grundlegende Bewegungsform

Beinarbeit – die Technikdrills

Die Armarbeit

Trainingsempfehlungen zur Verbesserung der Laufschnelligkeit

7 Situationsgebundenes Schnelligkeitstraining

Früher ist das neue Schneller

Athletische Grundstellungen

Translationsbewegungen

Reaktionsgeschwindigkeit

Wahrnehmungsgeschwindigkeit

Trainingsempfehlungen für das situationsgebundene Schnelligkeitstraining

Anhang

Autorenvita

Weiterführende Literatur

Verwendetes Material

Verwendete Apps

Übungsregister

1

Was ist Schnelligkeit?

Schnelligkeit – genetisch bedingt oder trainierbar?

Es gibt im Sport wohl nur wenig faszinierendere Phänomene als die Schnelligkeit. Die Fähigkeit, schnell, gewandt, präzise und mit hohen Geschwindigkeiten zu agieren, beeindruckt die meisten Menschen und prägt unser Verständnis von Sport. Schneller zu werden, ist ein Bedürfnis, das die meisten Sportler antreibt und eine wichtige Motivation zum Training ist. Doch ist das Schnelligkeitstraining im Vergleich zum Ausdauer- oder Krafttraining intensiver, komplexer, birgt ein hohes Verletzungsrisiko und zeichnet sich zusätzlich oft durch recht langsame Trainingsanpassungen aus. Es ist daher für viele Sportler ziemlich ernüchternd zu erleben, wie anstrengend das Training ist und wie lange es dauert, bis sie sich verbessern und nachhaltig schneller werden. Unzureichende Schnelligkeit ist im Sport jedoch ein leistungslimitierender Faktor, der zumindest in den allermeisten Sportarten unumstritten ist. Das Schnelligkeitstraining ist und war dementsprechend schon immer ein wichtiger Trainingsinhalt zur Entwicklung der Leistungsfähigkeit eines Sportlers. Dieses Buch soll nun helfen, diese wichtige Fähigkeit umfassender zu verstehen, und Möglichkeiten aufzeigen, wie Sie Ihr Schnelligkeitstraining und Ihre Schnelligkeitsleistung nachhaltig verbessern können.

Betrachtet man die Schnelligkeit im Sport aus einer wissenschaftlichen Perspektive, handelt es sich hierbei, wie Manfred Grosser es definiert, um »die Fähigkeit, aufgrund kognitiver Wahrnehmungsprozesse, maximaler Willenskraft und der Funktionalität des Nerv-Muskel-Systems (Koordination) höchstmögliche Reaktions- und Bewegungsgeschwindigkeiten unter bestimmten gegebenen Bedingungen zu erzielen«. Sicherlich gibt es neben dieser allgemeinen Definition noch weitere Punkte, die in der Wissenschaft betrachtet werden, die wichtigsten Aspekte sind in dieser Aussage jedoch enthalten.

Es gibt verschiedene Formen, wie Schnelligkeit in Erscheinung treten kann. So besitzen wir, motorisch betrachtet, reine und komplexe Erscheinungsformen der Schnelligkeit. Zu den reinen Schnelligkeitsformen zählen zum Beispiel Reaktionsschnelligkeit, Aktionsschnelligkeit und Frequenzschnelligkeit, also das Erzeugen maximaler Bewegungsfrequenzen, wie zum Beispiel die Schrittfrequenz beim Sprinten. In komplexen Schnelligkeitsformen haben die Komponenten Kraft und Ausdauer Einfluss auf die Erscheinungsform der Schnelligkeit. Hier spricht man dann zum Beispiel von Kraftschnelligkeit, Schnellkraft, Schnelligkeitsausdauer oder Schnellkraftausdauer. Diese Unterscheidungen sind für die wissenschaftliche Betrachtung notwendig. Für eine allgemeinere Betrachtung der Schnelligkeit, wie sie in diesem Buch zu finden ist, ist es zunächst einmal nur wichtig festzuhalten, dass Schnelligkeit in verschiedenen Formen in Erscheinung tritt und von der Situation und den Bedingungen abhängig ist, in der die Schnelligkeitsleistung erbracht werden soll.

Einer der sicherlich entscheidenden Aspekte für die Entfaltung von Schnelligkeit ist die Tatsache, dass von allen physischen Leistungsfaktoren Schnelligkeit mit Abstand die stärkste genetische Determination aufweist und nur um 15 bis 20 Prozent steigerbar ist.1 Das bedeutet: Wenn Sie maximal schnell werden möchten, sollten Sie sich Ihre Eltern weise auswählen, denn diese liefern die genetischen Voraussetzungen. Diese Aussage ist lustig gemeint, beinhaltet jedoch einiges an Wahrheit: Die Tatsache, dass Schnelligkeit genetisch determiniert ist, ist entscheidend und bestimmt, worauf der Fokus für das Training der Schnelligkeit gelegt werden sollte.

Die Konstanten und Variablen der Schnelligkeit

Motorische Schnelligkeit ist also an genetisch determinierte Faktoren gebunden. Dies sind insbesondere physiologische, also anatomisch strukturelle und konstitutionelle Eigenschaften des Sportlers. Weiteren Einfluss haben die Erdanziehungskraft, Reibung und Übertragung von Drehmomenten sowie die gegebenen Umweltbedingungen. Diese Faktoren sind durch Training nur bedingt beziehungsweise gar nicht beeinflussbar. Das ist eine Tatsache, mit der sich jeder Sportler abfinden muss. Es gibt natürlich sensible Phasen in der kindlichen Entwicklung, in denen es möglich ist, das Muskelfaserspektrum stärker hin zu den für Schnelligkeitsprozesse prädestinieren schnell kontrahierenden Muskelfasern zu verschieben. Dieses Buch ist jedoch für Sportler geschrieben, die dieser Phase bereits entwachsen sind. Die individuelle Schnelligkeitsausprägung kann allerdings unabhängig von den genetischen Grundlagen durch Training oft erheblich verbessert werden, da die Fähigkeit, maximale oder optimale Schnelligkeitsleistungen zu erbringen, in hohem Maße an technische Fertigkeiten gebunden ist.

Schaut man sich die gängige Trainingspraxis genauer an, so wird in den allermeisten Fällen viel Zeit für das Training der genetisch stark determinierten Komponenten aufgewendet, also die physiologisch-strukturellen und konstitutionellen Aspekte des Athleten, ohne zu beachten, dass diese langfristig nicht stark veränderbar sind und zur Kategorie der konstanten Bedingungen zählen. Natürlich ist ein Training der strukturellen Komponenten absolut notwendig und als Trainingsinhalt auch essenziell, insbesondere mit Blick auf die hohen physischen und strukturellen Belastungen, die durch ein Schnelligkeitstraining entstehen. Jedoch muss das langfristige Kosten-Nutzen-Verhältnis hinterfragt werden. Für die allermeisten Sportler ist es sicherlich effektiver, das Training stärker auf diejenigen Inhalte zu fokussieren, durch die sich langfristig mehr Veränderungen und eine Verbesserung der Schnelligkeitsentfaltung ergeben, anstatt zu versuchen, sich in den Punkten zu verbessern, die von vornherein in ihrem Potenzial genetisch bestimmt sind. Bei diesen Inhalten spricht man von variablen, durch Training veränderbaren Einflussfaktoren.

Inhalte des Schnelligkeitstrainings – die variablen Komponenten

Schnelligkeit ist in sehr hohem Maße abhängig von der Wahrnehmung, also der Aufnahme und Verarbeitung sensorischer Informationen, sowie den koordinativen und technischen Fertigkeiten des Sportlers. Vereinfacht gesagt kann jeder Aspekt, der die Wahrnehmung oder die koordinativen und technischen Grundlagen des Sportlers optimiert, auch die Schnelligkeitsleistung verbessern. Aus diesem sich in der Trainingspraxis täglich bestätigenden Fakt ergeben sich unendlich viele Möglichkeiten, wie die Schnelligkeit eines Menschen verbessert werden kann.

Schnelligkeit aus neurozentrierter Perspektive

Betrachtet man Schnelligkeit im Allgemeinen sowie die variablen Einflussfaktoren im Speziellen aus einer neurozentrierten Perspektive und stellt damit die bewegungssteuernden Aspekte des Gehirns in den Mittelpunkt, so geht es letztendlich darum, eine Bewegungsaufgabe optimal beziehungsweise maximal schnell zu lösen. Hierfür muss das Gehirn die Situation, in der die Bewegungsaufgabe erfolgen soll, klar erkennen, ein adäquates Bewegungsprogramm entwerfen, ausführen lassen und regulieren. Vor allem in kontextabhängigen Sportarten, wie in Mannschaftssportarten, sind das schnelle Wahrnehmen und Einordnen des Augenblicks schnelligkeitsentscheidende Faktoren. Je schneller die Situation analysiert, verstanden und eingeordnet werden kann, desto früher und schneller kann agiert oder reagiert werden.

Neurologie der Bewegung

Wie Bewegung funktioniert und wie sie situationsabhängig gesteuert und reguliert wird, sind entscheidende Fragen, wenn das Schnelligkeitsniveau unabhängig von den genetischen, konstitutionellen und anderen konstanten Einflussfaktoren verbessert werden soll. Wenn Sie sich schon einmal intensiver mit Bewegung auseinandergesetzt haben, so wissen Sie wahrscheinlich, dass Bewegung ausschließlich vom Gehirn reguliert und gesteuert wird und der Körper diese Bewegungsbefehle »nur« ausführt, nicht aber selbst initiiert oder veranlasst. Dieses Wissen über Bewegung eröffnet viele Möglichkeiten, das Schnelligkeitstraining an sich sowie die Rahmenbedingungen, die für Schnelligkeit notwendig sind, wie etwa die Wahrnehmung und die technischen Fertigkeiten, zu optimieren. Doch um diesen Ansatz und die daraus abgeleiteten Maßnahmen noch genauer zu verstehen, müssen wir uns mit den Gesetzmäßigkeiten, Arbeitsweisen und Prinzipien, nach denen das Gehirn den Körper und die Bewegung steuert, befassen.

Aufgaben und Arbeitsweisen des Gehirns

Das Gehirn hat in allererster Linie die Aufgabe, den Organismus am Leben zu erhalten. Um diese Aufgabe erfolgreich zu erfüllen, besitzt es die Fähigkeit und Kompetenz, anpassungsfähige, komplexe Bewegungen zu erzeugen und flexibel auf die sich verändernden Bedingungen der jeweiligen Situation zu reagieren. Die Interaktion mit der Umwelt wird also über situativ angepasste Bewegung erzeugt. Auch schnelle Bewegungen und das Erzeugen hoher Geschwindigkeiten sind als grundlegende Funktionen sowie als Mittel zu betrachten, um eine Aufgabe bestmöglich zu lösen.

Um sicher mit der Umwelt in Interaktion zu treten, ist es notwendig, eine Vorhersage über den Zustand der Umwelt und des eigenen Körpers sowie die Bewegung selbst, also über die eigene Lage und Stellung im Raum, die sogenannte Propriozeption, treffen zu können. Hierfür nimmt das Gehirn mittels Rezeptoren der Sinnesorgane Informationen aus der Umwelt, aus dem Körperinneren und aus der Bewegung auf. Diese Informationen werden zum Gehirn transportiert, dort integriert und miteinander abgeglichen. Nun kommt das Entscheidende und für die meisten Sportler Neue: Aufgrund dieser eingehenden sensorischen Informationen und deren Integration wird jetzt unmittelbar situationsspezifisch entschieden, wie die nächste Interaktion aussehen soll. Diese Interaktion mit der Umwelt erfolgt über Bewegung. Jede Bewegung ist also das Ergebnis einer Entscheidung, die das Gehirn trifft.

►Die Arbeitsweise des Gehirns und Nervensystems: Sie empfangen sensorischen Input, verarbeiten und integrieren diesen und antworten mit einer Bewegung.

Schnelligkeit ist eine Entscheidung des Gehirns

Wie viel Kraft, Stabilität oder Schnelligkeit in einer Bewegung erzeugt wird, ist primär abhängig von der Entscheidung, die das Gehirn getroffen hat, und zunächst einmal nicht bestimmt von den genetischen, physiologischen und konstitutionellen Bedingungen und dem Potenzial einer Person oder ihrer Muskulatur. Natürlich können die physiologischen und konstitutionellen Bedingungen sehr förderlich für die verschiedenen körperlichen Fähigkeiten sein, jedoch sind die Muskeln, die das Bewegungsprogramm ausführen, in erster Linie nur ausführendes Organ und zunächst nicht verantwortlich für das Ausmaß der Leistungsfähigkeit.

Alle eingehenden Informationen werden also vom Gehirn ausgewertet und überprüft. Fühlt sich Ihr Gehirn in der jeweiligen Situation sicher, sind Sie in der Lage, höhere Beschleunigungen zuzulassen und im besten Fall, wenn die technischen und koordinativen Grundlagen dies erlauben, diese auch optimal umzusetzen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen besteht also darin, dem Gehirn ausreichend Sicherheit während der Bewegung zu bieten. Man kann hier von Rahmenbedingungen sprechen, die gegeben sein sollten, um optimale körperliche Leistungsfähigkeit zuzulassen.

►Alle eingehenden Informationen werden in den alten Hirnarealen ausgewertet und auf ihre potenzielle Gefahr hin überprüft.

Stabilität als Rahmenbedingung für Schnelligkeit

Eine, wenn nicht die grundlegende Rahmenbedingung ist die sogenannte reflexive Stabilität und Kontrolle der Bewegung und Ihrer Haltung, also die Stabilität der Bewegungsausführung, die nicht der willentlichen Kontrolle unterliegt. Vor allem die Stabilität der Bewegung des Rumpfs, der Haltung und der Augen sind Beispiele für Bewegungen, die grundsätzlich ohne Ihr willentliches Zutun von Ihrem Gehirn reflexiv stabilisiert werden.

Wie in der Abbildung (Seite 14) dargestellt, ist der mit Abstand größte Teil der Informationen, die in den Körper laufen, für die Sicherung der Stabilität und Aufrechterhaltung der autonom ablaufenden Funktionen vorgesehen. Dies zählt in besonderem Maße für Schnelligkeitsprozesse, da hierbei enorm hohe Intensitäten entstehen. Die Kräfte, die zum Beispiel beim Sprinten erzeugt werden, betragen das circa Zehnfache des Körpergewichts pro Schritt und werden innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne (0,08 bis 0,11 Sekunden) generiert. Diese Belastungen werden in der Natur nur äußerst selten bis gar nicht gefordert und stellen grundsätzlich eine Gefahr für den Organismus da. Um unter diesen extrem hohen Belastungen regelmäßig trainieren zu können und Leistung zu erbringen, bedarf es einer bestmöglichen Entlastung des Systems. Ansonsten wird nicht nur die Schnelligkeitsleistung limitiert, es kommt auch schnell zu Überbelastungen oder Verletzungen. Daher ist es wichtig, Ihr System durch spezifisches Techniktraining und Optimieren der bewegungssteuernden Komponenten des Gehirns zu entlasten, um diese gewaltigen Belastungen auszuhalten und maximale Geschwindigkeiten zuzulassen.

►90 Prozent des kortikalen Outputs zielen darauf ab, den Körper während einer Bewegung zu stabilisieren und die autonomen Funktionen aufrechtzuerhalten. Lediglich 10 Prozent enthalten die Informationen zur Ausführung der willkürlichen Bewegung.

Das System auf die neuronalen Anforderungen vorbereiten

Die Bewegung muss, vor allem wenn sie sehr schnell ausgeführt wird, reflexiv bestmöglich stabilisiert und korrigiert werden. Diese autonom ablaufenden stabilisierenden Prozesse werden natürlich wie alle anderen Bewegungsanteile auch über sensorische Informationen, die in das Gehirn laufen, reguliert. Um Ihr Schnelligkeitstraining optimal zu gestalten, ist es daher wichtig zu wissen, welche sensorischen Informationen ausschlaggebend sind und welche Gehirnbereiche für diese reflexive Regulierung der Stabilität verantwortlich sind. Mit diesem Wissen können Sie dann gezielt Einfluss auf diese wichtige Rahmenbedingung nehmen. Mehr dazu in Kapitel 3 ab Seite 31.

Je schneller eine Bewegung abläuft, vor allem bei alternierenden Grundbewegungen wie dem Laufen, Radfahren oder Schwimmen, desto entscheidender sind die sogenannten zentralen Mustergeneratoren. Dies sind Gruppen von Nervenzellen, die Großteile dieser grundlegenden Bewegungen, über die wir nicht nachdenken, regulieren, wie etwa die Rhythmisierung der Arm- und Beinbewegung. Dies bedeutet, dass eine Laufbewegung, vor allem wenn Sie sich maximal schnell bewegen, über diese zentralen Mustergeneratoren mitbestimmt wird. Sie regulieren und rhythmisieren vor allem über sensorisches Feedback aus den Armen und Beinen die Bewegung bereits über das Rückenmark. Denn insbesondere bei Schnelligkeitsprozessen würde es zu viel Zeit in Anspruch nehmen, jeden Schritt im Gehirn willkürlich zu initiieren, zu regulieren und zu steuern. Daher ist es ein wichtiger Punkt in diesem Buch, Ihnen Wege vorzustellen, wie Sie Grundlagen schaffen, damit diese schnelligkeitsrelevanten Mustergeneratoren in der Lage sind, gut zu arbeiten.

Wahrnehmung als Grundlage schnellen Handelns

Die Wahrnehmung und Auswertung der sensorischen Informationen beeinflusst jedoch nicht nur die Bewegungsausführung. Auch der Bewegungsentwurf und, in kontextabhängigen Sportarten ganz entscheidend, die Handlungs- und Entscheidungsschnelligkeit hängen davon ab, welche Informationen dem Gehirn zur Verfügung stehen und wie diese ausgewertet werden. Die wichtige Fähigkeit, frühzeitig bestmöglich zu agieren und zu reagieren, wird also durch den sensorischen Input mitbestimmt. In diesem Zusammenhang ist das visuelle System von großer Bedeutung, da es den größten Teil der Informationen aus der Umwelt empfängt und auswertet. So wird dem Training dieses wichtigen Input-Systems ein gesamtes Kapitel gewidmet. Es bildet die Grundlage, auf der dann das weitere Wahrnehmungs- und Reaktionstraining (Kapitel 7, Seite 237) aufbaut. Auch für den »reinen« Schnelligkeitssport, wie Laufen oder Radfahren, bietet ein gut trainiertes visuelles System eine notwendige Basis, um eine gute Vorhersagbarkeit der Umwelt zu gewährleisten und optimale Bewegungsprogramme entwerfen und ausführen zu können.

Wie Sie gesehen haben, sind Schnelligkeitsausprägungen absolut spezifisch und immer auf einen situativen Kontext bezogen. In diesem Buch ist es daher nur möglich, Grundprinzipien und Rahmenbedingungen vorzustellen, die Ihr Gehirn in die Bereitschaft versetzen, hohe Geschwindigkeiten zuzulassen und zu initiieren. Es kann nicht die spezifische Arbeit innerhalb der jeweiligen Sportart ersetzen. Für diese benötigen Sie Ihren Fachtrainer oder eine Trainingsgruppe.

Wie dieses Buch zu nutzen ist

Dieses Buch bietet Ihnen Möglichkeiten, optimale Rahmenbedingungen für Ihr Schnelligkeitstraining zu schaffen. Hauptziel des Buches ist die Vorbereitung des Trainings sowie die Optimierung der Trainingswirkung durch neuronale und technische Komponenten. Für die allgemeine Vorbereitung der Trainingssession dient das neuronale Warm-up. Im Anschluss sollten in der Praxis die wichtigsten Komponenten der reflexiven Stabilität verbessert werden. Dies erfolgt immer unmittelbar, bevor es an das eigentliche Training der (Lauf-)Schnelligkeit geht. Das Training der Schnelligkeit selbst führt im Anschluss dazu, dass die Komponenten, die zuvor aktiviert wurden, nun nachhaltig trainiert und optimiert werden. Durch diese Reihenfolge ist also sichergestellt, dass Ihr Gehirn Ihr Schnelligkeitstraining nicht als Gefahr einstuft und Ihr Körper gut vorbereitet ist, die hohen Belastungen zu akzeptieren, um so schnellere und effektive Anpassungen und Wirkungen für alle beteiligten Systeme zu erzeugen.

Das Training des visuellen Systems dient natürlich auch der unmittelbaren Vorbereitung des Trainings, insbesondere im Mannschaftssport. Der Hauptzweck ist jedoch die langfristige Verbesserung des visuellen Systems. Im Gegensatz zu den Komponenten der reflexiven Stabilität sowie der anderen Aspekte, die zur Vorbereitung des Schnelligkeitstrainings dienen, die dann durch das Training selbst nachhaltige Verbesserungen erlangen, muss im Allgemeinen das visuelle System gezielter und separat trainiert werden, um hier nachhaltige Verbesserungen zu erwirken. In diesem Buch kommt dem Kapitel für das Training des visuellen Systems zur Verbesserung der Schnelligkeit daher eine Sonderstellung zu. Das visuelle System sollte, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen, als separater Trainingsinhalt, der beständig und langfristig aufgebaut wird, angegangen werden. Hier geht es also nicht nur um ein Aktivieren des visuellen Systems im Vorfeld des Schnelligkeitstrainings, sondern um dessen allgemeine, langfristige Verbesserung. Eine wichtige Grundlage zur Verbesserung des visuellen Systems ist die reflexive Stabilität des Körpers, des Kopfes und der Augen. Daher sind die Effekte aus dem Kapitel der reflexiven Stabilität nicht nur Grundlage und Voraussetzung zur Verbesserung der unmittelbaren Vorbereitung des Schnelligkeitstrainings, sondern auch essenziell, um das Training des visuellen Systems vorzubereiten.

Die Kapitelreihenfolge in diesem Buch ist daher bewusst so gewählt, dass sie diesem Aufbau folgt.

Die in Kapitel 2, »Assessments – schnelle Tests für nachhaltige Erfolge«, vorgestellten Assessments geben Ihnen ein wichtiges Instrument an die Hand, mit dessen Hilfe Sie überprüfen können, ob Ihr System ausreichend stabil ist, um den Belastungen eines Schnelligkeitstrainings Rechnung zu tragen. Weiterhin sollten Sie die Assessments nutzen, um die für Sie passenden Übungen der Kapitel auszuwählen beziehungsweise in ihrer Intensität für sich anzupassen.

In Kapitel 3, »Reflexive Stabilität und Bewegungskorrektur«, finden Sie eine Auswahl an Übungen, die die für die Stabilität wichtigsten Bereiche abdeckt. Diese Übungen sollten Sie nach der Vorbereitung auch innerhalb Ihres Schnelligkeitstrainings zwischenschalten, um so die reflexive Stabilität der Bewegung zu erhöhen, bevor die jeweiligen Komponenten des Schnelligkeitstrainings absolviert werden. Für dieses Kapitel ist es dringend notwendig, dass Sie die in Kapitel 2 vorgestellten Assessments nutzen. Bitte prüfen Sie hier jeweils, wo in Ihrer Stabilität Schwachstellen zu finden sind und welche der Übungen zur Verbesserung der reflexiven Stabilität und Bewegungskorrektur bei Ihnen ein positives Assessment ergeben. Diese Übungen sollten Sie dann als kurze Intervention zeitlich direkt vor Ihren eigentlichen Trainingsinhalten ausführen, um optimale Bedingungen für Ihr Training zu schaffen.

Es wurde bereits dargestellt, wie wichtig die Wahrnehmung über die Sinnesorgane ist, besonders in kontextabhängigen Sportarten. Es ist vor allem das visuelle System, über das Ihr Gehirn die wichtigsten und mit Abstand meisten sensorischen Informationen erhält. Jede Bewegung wird auf Basis visueller Informationen ausgerichtet. Das visuelle System liefert aber nicht nur die wichtigsten Informationen, die es Ihnen ermöglichen, optimal mit der Umwelt in Interaktion zu treten, es ist auch mit allen bewegungssteuernden Systemen im Gehirn verbunden und beeinflusst diese direkt oder indirekt in ihrer Funktionalität und Aktivität. Daher werden in Kapitel 4, »Das visuelle System optimieren«, ausgiebig Möglichkeiten gezeigt, dieses für die Schnelligkeit so entscheidende System zu trainieren und optimal vorzubereiten. Die Optimierung des visuellen Systems bildet quasi die Grundlage, um optimal schnell, stabil und sicher agieren zu können, und sollte in sämtlichen Bereichen langfristig aufgebaut und verbessert werden. Hierfür sollten Sie circa 3-mal pro Woche 20 Minuten aufwenden. Nutzen Sie die Assessments aus Kapitel 2, um sich Ihr persönliches Programm zusammenzustellen.

Das nächste Thema, dem sich dieses Buch eingehend widmet, ist die Vorbereitung auf das Schnelligkeitstraining. Erinnern Sie sich? Die Ausführung maximal schneller Bewegung beansprucht in höchstem Maße die zentralnervösen, mentalen und physischen Kapazitäten des Sportlers. Ein optimales Vorbereiten ist daher unerlässlich, um bestmögliche Ergebnisse aus dem Schnelligkeitstraining zu erreichen. Verschiedene Bereiche sollten im Vorfeld des Schnelligkeitstrainings beachtet werden. Eine der wichtigsten Komponenten ist die Verbesserung der sensorischen Informationen. Daher bildet das Sensory-Warm-up das Herzstück von Kapitel 5, »Das Schnelligkeitstraining vorbereiten«. Hinzu kommen Übungen zur gezielten Gelenkkontrolle und Verbesserung der neuromechanischen Bedingungen. Ein weiterer grundlegender Punkt für die Vorbereitung auf das Schnelligkeitstraining besteht darin, diejenigen Gehirnareale, die für wichtige Steuerungsprozesse zuständig sind, durch eine gezielte Verbesserung der Durchblutung in ihren Funktionen zu optimieren. Es werden Ihnen daher Wege gezeigt, wie Sie auf einfache Art und Weise im Vorfeld des Trainings über Atemtechniken und sensorische Informationen schnell und effektiv eine bessere Durchblutung dieser Areale bewirken können. Zusammen ergibt dies ein kompaktes Vorbereitungstraining, das Sie vor Beginn jedes Schnelligkeitstrainings komplett durchlaufen sollten.

In Kapitel 6, »Die Laufschnelligkeit verbessern«, finden Sie Übungen, mit denen sich die wichtigsten technischen Elemente der Laufbewegungen verbessern lassen. Die technischen Prinzipien, die vorgestellt werden, sind Grundprinzipien und können sowohl auf die Start- und Beschleunigungsarbeit als auch auf die Phasen der maximalen Geschwindigkeiten angewendet werden. Zur Veranschaulichung und Erklärung wird jedoch die Phase der maximalen Schnelligkeit in den Fokus genommen, da das Einhalten der Prinzipien hier die größte Wichtigkeit hat. Während der Beschleunigungsphasen im Sprint oder bei kontextbezogener Schnelligkeit ist lediglich die Impulssetzung unterschiedlich.

Im abschließenden Kapitel 7, »Situationsgebundenes Schnelligkeitstraining«, werden Sie in die entscheidenden athletischen Grundstellungen und Grundbewegungen der kontextbezogenen Schnelligkeit eingeführt. Diese ermöglichen es Ihnen, schnellstmöglich agieren oder auf die wichtigsten Situationen reagieren zu können. Abschließend folgen Übungen zur Verbesserung der Wahrnehmungs-, Entscheidungs- und Reaktionsschnelligkeit, die das Thema Schnelligkeit abrunden. Dazu finden Sie Anleitungen und Anregungen, die sich insbesondere im Mannschaftssetting gut umsetzen lassen.

Übersicht über die Inhalte der Kapitel

 

Zweck

Wann einsetzen

Kapitel 2: Assessments – schnelle Tests für nachhaltige Erfolge

Überprüfen der Stabilität Überprüfen der Effekte der einzelnen Übungen

im Vorfeld des Trainings, Auswahl der Übungen zur Verbesserung des Systems

Kapitel 3: Reflexive Stabilität und Bewegungskorrektur

Vorbereitung des Systems auf die Belastung durch das Schnelligkeitstraining

unmittelbar vor der Belastung

Kapitel 4: Das visuelle System optimieren

Langfristiger Aufbau des visuellen Systems

in gesonderten Trainingsblöcken, unabhängig vom eigentlichen Schnelligkeitstraining

Kapitel 5: Das Schnelligkeitstraining vorbereiten

Vorbereitung auf die neuronalen Anforderungen des Schnelligkeitstrainings

allgemeine Vorbereitung des Schnelligkeitstrainings

Kapitel 6: Die Laufschnelligkeit verbessern

Verbesserung der technischen Komponenten der Laufschnelligkeit

im Techniktraining oder als Haupttrainingsinhalt

Kapitel 7: Situationsgebundenes Schnelligkeitstraining

Verbesserung der neuronalen und technischen Komponenten kontextbezogener Schnelligkeit

im Techniktraining oder als Haupttrainingsinhalt

2

Assessments – schnelle Tests für nachhaltige Erfolge

Die Wirkweise der Assessments

Das Gehirn arbeitet in drei Schritten: Es nimmt sensorische Informationen auf, integriert und analysiert diese und entwirft daraufhin den Bewegungsplan, den es als Output zur Umsetzung an die verschiedenen Organe sendet. Diesen Output zu überprüfen, ist Ziel der Assessments. Assessments sind also kleine Tests, mit deren Hilfe Sie in der Lage sind zu kontrollieren, ob das, was Sie gerade tun, auch die gewünschte Wirkung zeigt. Dies ist besonders wichtig beim Schnelligkeitstraining, da hier, wie beschrieben, enorm große Belastungen auf den Körper und das Nervensystem wirken. Es gibt eine klare Priorität, wenn es um Bewegung geht: Stabilität hat immer Vorrang und ist die Grundlage jeglicher Bewegungseffizienz. Wie wichtig die Stabilität für unser Gehirn ist, können Sie schon daran erkennen, dass der größte Teil aller in den Körper laufenden Informationen dazu dient, den Körper zu stabilisieren (Abbildung Seite 14). Eine Verbesserung der Stabilität ist daher das erste und wichtigste Ziel, wenn Sie schneller werden möchten.

Stabilität als wichtigstes Assessment

Im Folgenden werden Ihnen verschiedene Assessments vorgestellt, mit denen Sie die derzeitige Qualität Ihrer Stabilität testen können. Nutzen Sie die Assessments, um vor dem Schnelligkeitstraining zu überprüfen, ob Ihr Nervensystem zum gegebenen Zeitpunkt bereit ist, hohen Belastungen ausgesetzt zu werden. Im besten Fall sind Sie in allen Bereichen beziehungsweise auf beiden Seiten stabil. Sollten sich in einem Bereich größere Defizite zeigen, so müssen diese mithilfe der Übungen aus Kapitel 3 (ab Seite 35) aufgearbeitet werden. Es ist natürlich sehr individuell, welche Ihre persönlichen neuronalen Schwachstellen sind, daher erhalten Sie verschiedene Assessments, die die wichtigsten Bereiche abdecken.

Die Wirkung der Übungen überprüfen

Mit den in diesem Kapitel vorgestellten Assessments können Sie weiterhin sämtliche Übungen dieses Buchs auf ihre Zielwirkung hin überprüfen. Die Stabilisierung des Oberkörpers ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um Schnelligkeit zuzulassen und das Schnelligkeitstraining erfolgreich umzusetzen. Daher sollte jede Intervention dazu führen, dass die Stabilisierung des Oberkörpers optimiert wird. Die Umsetzung der Überprüfung ist einfach: Sie testen durch ein ausgewähltes Assessment Ihre Stabilität, führen im Anschluss die ausgewählte Übung durch und testen abschließend noch einmal Ihre Stabilität anhand des Assessments. Führt die Ausführung der Übung zu besseren Ergebnissen im zweiten Durchgang des Assessments, können Sie die Übung in Ihr Training integrieren.

Überprüfung der Aktivität wichtiger Muskelgruppen

Zunächst wird die Stabilität beziehungsweise die muskuläre Aktivität des Oberkörpers in wichtigen Bewegungen als auch für spezifische Muskelgruppen überprüft. Alle Bereiche, die hier getestet werden, sind wichtig für die Stabilität des Oberkörpers. Hierfür möchte ich Ihnen eine Auswahl an Tests an die Hand geben, welche die Muskelaktivität in allen wichtigen Muskelgruppen ermittelt.

Assessment 1 – Rotationskraft testen

Der Anti-Rotationstest ist ein gutes Assessment, um die Stabilisierung und die Aktivität Ihrer Muskulatur bei Kräften, die rotatorisch auf den Rumpf einwirken, zu testen. Hier müssen Sie isometrisch, das heißt haltend, gegen den Zug des Trainingspartners arbeiten, um die Rotation zu verhindern. Dabei stabilisiert ein Trainingspartner Ihr Becken mit einer Hand, während die andere Hand den Zug in die Rotation ausführt. Wird ein Zug nach links ausgeübt, werden die Muskeln der rechten Körperrückseite und die Muskeln der linken Körpervorderseite aktiviert. Umgekehrt werden für einen Zug nach rechts die linke Körperrückseite und die rechte Körpervorderseite gefordert. Dies bedeutet, dass durch diesen Test auch die jeweils beteiligten Muskelgruppen überprüft werden.

► Anti-Rotationstest

Nehmen Sie einen schulterbreiten Stand ein und heben Sie Ihre Arme auf Schulterhöhe vor sich an. Drücken Sie Ihre Handflächen leicht gegeneinander. Ihr Trainingspartner steht rechts neben Ihnen und fixiert mit der linken Hand Ihr linkes Becken. Nun beginnt er, mit seiner rechten auf Ihrem linken Unterarm liegenden Hand Zug nach rechts aufzubauen. Wichtig ist, dass er die Kraft zunächst langsam aufbaut und erst, wenn er ein Gefühl für Ihre Kraft entwickelt hat, den Zug erhöht. Der Test sollte circa 5 Sekunden lang ausgeführt werden.

Im Anschluss wird die linke Seite getestet, indem Ihr Trainingspartner die Seite wechselt und mit der rechten Hand Ihre linke Hüfte fixiert und mit der linken Hand das Assessment, wie bereits beschrieben, ausführt. Vergleichen Sie die beiden Seiten miteinander. Merken Sie sich die schwächer aktive Seite, die dem Zug weniger standhalten kann, und verwenden Sie diese als Assessment für die Überprüfung der Übungen des Buchs.

Hinweis: Mit diesem Assessment lassen sich sowohl wichtige Flexionsmuster als auch die Extensionsfähigkeiten des Rumpfs überprüfen. Da die Stabilisierung des Körpers vor allem über diese Extensions- und Flexionsmuskulatur bewerkstelligt wird, ist dieses Assessment sicherlich eines der grundlegendsten und wichtigsten in diesem Buch.

Assessment 2 – Seitliche Stabilität testen

Nahezu jede Bewegung, insbesondere schnelle Bewegung, verlangt, dass Sie in der Lage sind, seitlich wirkenden Kräften optimal standhalten zu können. Dieses Assessment ermöglicht es Ihnen, gute Aussagen über die seitliche Stabilität des Körpers sowie über die Aktivität der Hüftmuskulatur zu treffen. Diese Muskulatur ist entscheidend für die Stabilität und Kontrolle des Beckens und der Hüfte und somit essenziell für eine gute Kraftübertragung und Lauftechnik.

Während des Stabilitätstests drückt Ihr Trainingspartner seitlich gegen Ihre Hüfte oder gegen Hüfte und Schulter. Ist diese seitliche beziehungsweise laterale Stabilität unzureichend, ist es nicht möglich, optimale Bewegungstechniken umzusetzen. Die Stabilität des Hüft- und Beckenkomplexes sollte daher vor jedem Training überprüft werden.

► Test der seitlichen Stabilität

Nehmen Sie einen hüftbreiten, stabilen Stand ein und beugen Sie Ihre Knie leicht. Ihre Wirbelsäule ist lang und nach oben ausgerichtet. Aus dieser Grundposition heraus drückt Ihr Trainingspartner gegen den oberen Bereich Ihres rechten Beckens und Ihre rechte Schulter, indem er Druck nach links zur Seite hin ausübt. Der Druck wird langsam aufgebaut und allmählich gesteigert. Wichtig hierbei ist, dass Sie nicht aktiv und willkürlich gegen den Druck arbeiten, sondern einfach versuchen, stabil stehen zu bleiben.

Im Anschluss wechseln Sie die Seite und führen die Übung, wie bereits beschrieben, auf der linken Seite durch. Vergleichen Sie die beiden Seiten miteinander. Merken Sie sich die weniger stabile Seite und verwenden Sie diese als Assessment für die Überprüfung der Übungen in den folgenden Kapiteln.

Alternativ kann der Druck auch nur über das Becken erfolgen. In diesem Fall wird statt der Stabilität des Oberkörpers stärker die globale seitliche Stabilität getestet.

Assessment 3 – Aktivität der Hüftbeugemuskulatur testen

Die Hüftbeugemuskulatur ist sicherlich eine der wichtigsten Muskelgruppen, wenn es darum geht, schnell zu laufen. Sie ist in alle Phasen der Beinarbeit eingebunden. Die Funktionalität dieser Muskulatur trennt bei den Sprintern die Spreu vom Weizen. Auch für dieses Assessment benötigen Sie einen Trainingspartner.

► Test der Hüftbeugekraft

Heben Sie aus einem engen Stand Ihr rechtes Bein an, bis Oberschenkel und Oberkörper einen Winkel kleiner als 90 Grad bilden. Ihr Knie ist über Hüfthöhe. Ihr Trainingspartner beginnt nun, mit der Hand von oben Druck auf das Knie auszuüben. Der Druck sollte zunächst sanft erfolgen und zunehmend stärker werden.

Im Anschluss wechseln Sie die Seite, sodass nun die Muskulatur auf der linken Körperhälfte getestet wird. Vergleichen Sie die beiden Seiten miteinander. Merken Sie sich die weniger stabile Seite, die dem Druck weniger standhalten kann, und verwenden Sie diese als Assessment für die Überprüfung der Übungen.

Tipp: Halten Sie sich bei der Übungsausführung für mehr Stabilität an einer Wand, einem Gegenstand oder Ihrem Trainingspartner fest.

Assessment 4 – Kraft der Bauchmuskulatur testen

Das Testen der Bauchmuskulatur gibt ebenfalls wichtige Hinweise auf die Stabilität und Funktionalität des Rumpfs und der Haltung. Die Muskulatur auf der Vorderseite des Körpers ist unter anderem wichtig für die Haltung der Oberkörpervorlage, die Ausrichtung der Beckenstellung und vieles mehr.

► Bauchkrafttest

Hinweis: Dieser Test sollte bei Frauen aufgrund der weiblichen Anatomie mit Umsicht ausgeführt werden. Bitte vergewissern Sie sich, ob die Positionierung der Arme auf Höhe der Brust in Ordnung ist.

Nehmen Sie eine Sit-up-Position ein, stellen Sie die Beine im 90-Grad-Winkel auf und verschränken Sie die Arme vor der Brust. Ihr Trainingspartner kniet links neben Ihnen und positioniert seine gebeugten Arme auf Ihrer Brust und Ihren Oberschenkeln knapp oberhalb der Knie. Üben Sie aus dieser Ausgangsposition heraus Druck gegen die Arme Ihres Trainingspartners aus. Dieser beginnt nun, langsam Gegenkraft aufzubauen und versucht, Sie in Richtung Boden zu drücken beziehungsweise Ihren Körper auseinanderzudrücken. Wichtig hierbei ist, die Kraft langsam aufzubauen und stetig zu steigern. Führen Sie den Test im Anschluss auf der anderen Seite aus, indem der Trainer nun rechts neben Ihnen kniet und, wie beschrieben, den Krafttest auf der rechten Seite ausführt. Merken Sie sich die weniger aktive, schwächere Seite und verwenden Sie diese als Assessment für die Überprüfung der Übungen in den folgenden Kapiteln.

Assessment 5 – Kraft der Gesäßmuskulatur testen

Abschließend empfiehlt es sich, die Aktivierung der Gesäßmuskulatur zu überprüfen. Die Gesäßmuskulatur ist der größte und stärkste Muskel im Hüftbereich und somit auch in wichtige Bewegungs- und Stabilisierungsprozesse involviert.

► Test der Gesäßmuskelkraft

Legen Sie in der Bauchlage die Stirn auf den Händen ab. Ihr Trainingspartner kniet rechts neben Ihnen. Winkeln Sie nun das rechte Bein an und heben Sie es vom Boden ab. Der Trainingspartner fixiert mit der rechten Hand das Becken und platziert die linke Hand knapp oberhalb der Kniekehle. Beginnen Sie aus dieser Position, Druck gegen die Hand des Partners aufzubauen, indem Sie versuchen, das Bein noch weiter anzuheben. Ihr Partner übt langsam Gegendruck aus und steigert diesen allmählich. Im Anschluss wechselt der Partner die Seite und Sie führen den Test auf der linken Seite durch. Merken Sie sich die weniger aktive, schwächere Seite und verwenden Sie diese als Assessment für die Überprüfung der Übungen in den folgenden Kapiteln.

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Reflexive Stabilität und Bewegungskorrektur

Die Rahmenbedingungen verbessern