Schnitzel Surprise - Markus Heitz - E-Book

Schnitzel Surprise E-Book

Markus Heitz

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Beschreibung

"Bares für Gares" - Bestseller-Autor Markus Heitz entfacht mit dieser Persiflage auf alle Koch- und Backshows im TV ein bitterbös-komisches Küchenfeuerwerk! Thomas "Thom" Mann ist Inhaber des "Manni's Schnitzeleck", in dem noch die 80er herrschen. Der Mittvierziger war einst der beste Koch-Azubi seines Jahrgangs, hatte ein eigenes Restaurant und den ersten Stern in Griffweite. Doch dann endete der steile Aufstieg im "Schnitzeleck", wo die Gerichte "Schnitzeltod in Venedig" und "Der Frittenberg" heißen. Thom droht das finanzielle Ende, als mit Max ein junger, findiger TV-Produzent auf ihn aufmerksam wird, der ihn in den Mittelpunkt von neuen Koch-Show-Formaten stellt. Was im Internet als Test am besten läuft, soll zur Primetime ins TV! Schon ist der verschuldete Thom erzwungenermaßen mitten drin im Kochzirkus: Er soll bei  "Restaurantretter am Limit" eine möglichst schlechte Figur machen, eine Koch-Kuppel-Show moderieren, sich "um Topf und Kragen" kochen, bei "Kitchen Machinista" Küchengeräte testen. Und vieles Absurde mehr. Das volle Küchenchaos ist bereits vorprogrammiert, inklusive eines fiesen Lebensmittelkontrolleurs, der absichtlich Ärger im "Schnitzeleck" macht. Dabei hat Thom nicht mit seinem sechzigjährigen Azubi gerechnet, der alle möglichen Lebensmittelallergien hat, oder mit der Systemgastronomie genau gegenüber, die ihm die Kunden abspenstig macht – und deren Filialleitung ausgerechnet Sabine ist, seine Ex. Was kann da überhaupt noch helfen? Genau – ein Musical.

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Seitenzahl: 320

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Markus Heitz

Schnitzel Surprise

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Thomas „Thom“ Mann ist Inhaber des "Manni’s Schnitzeleck“. Nach Beinahe-Stern und Restaurantpleite endete sein steiler Aufstieg hier, wo die Gerichte „Schnitzeltod in Venedig“ und „Der Frittenberg“ heißen.

Thom droht das finanzielle Ende, als mit Max ein junger, findiger TV-Produzent auf ihn aufmerksam wird, der ihn in den Mittelpunkt von neuen Koch-Show-Formaten stellt. Der Plan: Was im Internet als Test am besten läuft, soll zur Primetime ins TV!

Schon ist der verschuldete Thom erzwungenermaßen mittendrin im Kochzirkus: Küchengerätetests, Kochkuppelshow, absurde Rezeptideen, Kindergartenbrutzelbesuch und vieles mehr. Das Netz feiert ihn, den „Katastrophenkoch“. Wird nun alles besser?

Doch weder hat Thom mit dem fiesen Lebensmittelkontrolleur gerechnet, der ihm Ärger macht, noch mit seinem sechzigjährigen Azubi, der alle möglichen Lebensmittelallergien hat. Oder mit der Systemgastronomie genau gegenüber, die ihm die Kunden abspenstig macht – und deren Filialleitung ausgerechnet Sabine ist,

seine Ex.

Was kann da überhaupt noch helfen? Genau – ein absurdes Musical.

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de

Inhaltsübersicht

Widmung

Vorwort

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KAPITEL 1

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KAPITEL 2

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KAPITEL 3

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KAPITEL 4

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KAPITEL 5

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KAPITEL 6

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KAPITEL 7

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KAPITEL 8

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KAPITEL 9

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KAPITEL 10

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KAPITEL 11

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KAPITEL 12

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KAPITEL 13

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KAPITEL 14

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KAPITEL 15

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KAPITEL 16

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KAPITEL 17

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KAPITEL 18

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KAPITEL 19

Zitat

KAPITEL 20

Zitat

KAPITEL 21

Das Schnitzel des Todes

Dramatis Personae

MUSIKNUMMERN

BÜHNENAUFBAU

Das Schnitzel des Todes

1. AKT

SZENE 1

SZENE 2

SZENE 3

SZENE 4.1

SZENE 4.2

SZENE 4.3

SZENE 5

SZENE 6

SZENE 7

SZENE 8

2. AKT

SZENE 1

SZENE 2.1

SZENE 2.2

SZENE 3

SZENE 4.1

SZENE 4.2

SZENE 5

SZENE 6

REZEPTE

Wiener Schnitzel

Das Frühstücksschnitzel »bei Tiffany’s«

Tonkatsu

Aus dem TV-Konzept von Sat7 Vox TL Kochen mit Zootieren (verworfen)

Meerschweinchen peruanische Art

Emu-Medaillons mit Pesto

Marinierte Krokodilsteaks

Lamasteaks

Gebratene Schlange

Aus dem TV-Konzept von Sat7 Vox TL Was Oma damals kochte (verworfen)

Salatsauce à la diable

Salatsauce Ravigote

Türkischer Gurkensalat

Perigord-Salat

Makkaronisalat

Pariser Kartoffelsalat

Aus dem TV-Konzept von Sat7 VoxTL Wovor sich Omma schon ekelte (verworfen)

Kuheuter

Hirnsuppe

DESSERT & GESÖFF

Schnitzeleis (des Todes), Privatrezept von Thomas Mann

Die Eisklippe (des Todes), Privatrezept von Thomas Mann

Aus dem TV-Konzept von Sat7 VoxTL Was Oma damals kochte (verworfen)

Chokoladensuppe

Nuß-Crême

Chaudeau

Limonade

Punsch-Royal

Nachwort

Für alle, die das Kochen lieben,

die das Essen lieben,

die hungrig nach Neuem sind,

denen Kochshows auf die Nerven gehen – oder die sie lieben.

 

Mein Dank geht natürlich an sämtliche TV-Köchinnen und -Köche sowie diverse Formate rund um Kochen, Backen und Garen. Ihr habt mir viele gute, lehrreiche, lustige und einige schlechte Stunden beschert. Wie das beim Essenzubereiten eben so ist.

Vorwort

Die Idee zum Buch schleppe ich seit Jahren mit mir herum. – Ein Satz, den man oft von mir liest, ich weiß. Sehr oft.

In diesem Fall ist es eine Idee aus dem Jahr 2011.

Seit Alfred Bioleks extrem erfolgreichem Alfredissimo! sind sie fester und großer Bestandteil von TV-Sendern und Streaming-Diensten: unterhaltsame Koch- und Backsendungen, überall und in verschiedensten Formaten. Von mitmachen bis mitschämen – alles ist dabei.

Es ging sogar so weit, dass Tim Mälzer zwischenzeitlich das Ende der Standard-Kochshows verlangt hatte (hat er wirklich: am 22.3.2009 bei SPIEGEL Online).

Was fehlte trotz allem? Also zumindest mir?

Genau: Eine bitterbös-lustig-liebevolle Parodie auf Kochshows.

Und was ist deutscher als deutsch, obwohl die Erfindung österreichisch ist? – Das Schnitzel.

Damit war klar, dass mein Buch nur Schnitzel Surprise heißen kann.

Jetzt hoffe ich, dass so etwas den Leserinnen und Lesern auch gefehlt hat.

 

Damit es aber nicht bei schnödem Lesekonsum bleibt, habe ich noch was angefügt.

Zum einen das Küchen-Musatirical zum privaten Selbstvertonen: Das Schnitzel des Todes. Blättern Sie ruhig mal nach hinten. Nur zu! Der Titel? Die Eingeweihten erinnern sich womöglich an den Tannenbaum des Todes und wissen, was gemeint ist. Dreckig, böse und gemein.

Ich bin gespannt, wie mögliche Songs klingen, und werde mich regelmäßig auf verschiedenen Social-Media-Plattformen danach umschauen. Sie können die Lyrics auch dezent auf die Melodie rücken, wenn Reim und Länge nicht gänzlich passen.

Außerdem sind ein, zwei Rezepte für Essen und Getränke dabei, basierend auf den TV-Formaten, die in der Geschichte vorkommen. Ganz ohne geht es eben nicht.

Oh, und die Erweiterung für jede Eiskarte eines Cafés: die Eisklippe (des Todes, natürlich).

Somit ist das Büchlein voll mit Unterhaltung, Kulinarik und Musik!

Nur die Melodien, die müssen Sie selbst basteln.

 

Nun wünsche ich guten Appetit bei Schnitzel Surprise – und ich schwöre: Es ist mit Hingabe zubereitet. Wenn ich was anrichte, dann mit viel Liebe.

Und dass mir ja kein Lachen im Hals stecken bleibt!

 

Markus Heitz,

im Sommer 2023

»Wenn ein Architekt einen Fehler macht, lässt er Efeu darüber wachsen.

Wenn ein Arzt einen Fehler macht, lässt er Erde darauf schütten.

Und wenn ein Koch einen Fehler macht, gießt er ein wenig Sauce darüber und sagt, dies sei ein neues Rezept.«

 

Paul Bocuse,

französischer Spitzenkoch und Begründer der Nouvelle Cuisine

KAPITEL1

Wer anderen ein Schnitzel klopft, wird selbst zum Tier

THERAPIETAGEBUCH

 

Ich soll das schreiben, hat meine Therapeutin gesagt. Aufschreiben. Alles.

Würde mir helfen, hat sie gesagt. Und könnte mir bei der bevorstehenden Verhandlung wegen schwerer Sachbeschädigung inneren Halt geben.

Tja.

Dann mach ich das mal.

Aber wenn ich merke, dass das alles nur Quatsch ist, lass ich es.

Die Verhandlung, das wird eh ein Spaß … Dabei bin ich das Opfer, wirklich! Bin provoziert worden. Vom Sender und von Max.

Und richtig abgezockt! Wie sollte ich da ruhig bleiben?

Also, das war in Wahrheit nämlich so …

Shit, das ist doch super! Sie werden verfilmt, Herr Mann! Nein, wir werden verfilmt!«

Thom saß Max, dem jugendlichen TV-Producer sämtlicher bisheriger Vorkommnisse, im kleinen Aufenthaltsraum von Studio 3 gegenüber.

Vorkommnisse. Anders konnte Mittvierziger Thom diese aufgezeichneten Test-Episoden quer durch die Koch- und Backsendungen nicht bezeichnen, abgesehen vielleicht von Unfall oder Shit Show. Wenigstens hatte es Unterhaltungswert und ihm ein Einkommen beschert, das seine Schulden reduzierte. Wenn auch nicht tilgte.

Und was sie nicht alles gemacht und angedacht hatten!

The Löffelchen, Bäcker sucht Frau, Restaurantretter am Limit, German Streetfood – was Deutschland wirklich isst, SchmeckDown - Wrestling Cooking, Um Topf & Kragen, Durchfall oder Durchstart, The Masked Chefs Sing Along, Sanftes Töten: Besuch im Schlachthof, Kitchen Machinista – Küchengeräte im Test, Deadly Cooking, Die Essensflüsterer: Tier vs. Pflanze … und vieles mehr. Den Titel Fart Food hatte er verweigert, obwohl es um Bohnen, Erbsen und Linsen gegangen wäre. Alles hatte Grenzen.

Wenn auch keine sehr engen. Für Deadly Cooking hätten sie ihn beinahe nach Japan geflogen und Fugu zubereiten lassen. Ohne Vorbereitung und Ausbildung. Um ein Haar wäre er zudem dank SchmeckDown beim Wrestling in den USA gelandet. Im Ring. Was für ihn als Laien ähnlich tödlich wie Fuguverzehr gewesen wäre.

Thom, charismatisch, Durchschnittsmann mit braunen Haaren im Standardkurzschnitt und gewinnendem Lächeln, kam das alles gerade sehr absurd vor.

Max nicht. Niemals.

Max war 25, frisch von der Filmakademie, überambitioniert und freakig, von der Frisur bis zu den Klamotten. Irgendwas zwischen Hipster und Schlunz. Für Thom waren alle Menschen, die sich außerhalb der Wohnung oder des Sportbereichs in Trainingskleidung bewegten, einfach nur Schlunz.

Doch Max kam beim jüngeren Publikum verdammt gut an.

Er war genau der Richtige für sämtliche überdrehten Formate, die sie bislang quotenstrategisch und erfolgreich für den Privatsender Sat7 VoxTL in die Testphase gebracht hatten. Obwohl Thom bis heute nicht wirklich verstand, wie die Millionen Views auf Social Media passiert waren. Diese Bildschirmküchenunfälle begeisterten offenkundig alle unter Zwanzigjährigen.

Thoms defizitäres Mann’is Schnitzeleck verkaufte hingegen kein einziges Essen mehr als vorher – dabei hatte er lediglich dafür bei dem TV-Kram überhaupt mitgemacht. Sich breitschlagen lassen wie ein Schnitzel, um seinen Laden und sich vor dem Ruin zu retten.

»Na ja, Verfilmung. Ich weiß nicht«, entgegnete Thom unsicher.

Eigentlich war er froh, dass es fast vorbei war. Gleich begann die Aufzeichnung des Formats Plus 1 Panade, in dem es – o Wunder – um panierte Lebensmittel ging, um die man keine Panade erwartete. Suppe zum Beispiel. Oder Butter. Kuchen. Pasta. Und Markklößchen. Noch fünf weitere Testsendungen, danach endete sein Vertrag mit dem Sender.

»Keine Angst. Sie werden von jemand anderem gespielt. Jemand, der zwanzig Jahre jünger ist. Wir haben einen französischen Kitchenfluencer gefunden mit mehr als anderthalb Millionen Follower auf Insta. Und auf TikTok das Doppelte.« Max lächelte, als wäre Thom zu dämlich für das alles.

»Aha.« Alleine für das Wortspiel um Kitchen und Influencer hätte er Max gerne mit dem Kopf in den Pizzateig gedrückt, bis Blasen aufstiegen, die nicht von der Hefe stammten.

»Ist nix Persönliches. Nur wegen des Zielpublikums. Und Auslandslizenzen. Wir haben schon Anfragen.« Max lachte meckernd und falsch wie eine billige Spielzeugfigur, der die Batterie ausging. »Kommen Sie! Was wollen Sie mehr? Sie sind bereits international bekannt als Desaster Chef und Catastrophy Cook. Also übersetzt –«

»Desasterküchenchef und Katastrophenkoch. Is klar.« Thom nickte dabei so langsam, dass Max die stumme, unflätige Beleidigung hätte erkennen müssen.

»Ich hab hier meine erste Drehbuchversion. Sat7 VoxTL gefällt’s. Ist eine Mischung aus Stromberg, mega Erfolg, und Der kleine Mann, leider quotenmäßig bissl abgekackt«, sagte Max, begeistert von sich selbst. »Nur mal das Intro. Ist das geil, oder was?« Er schob ihm die Handvoll Blätter zu. »Das ist größer als jedes Scheiß-Küchen-Koch-Sonst-was-Format! Damit versenken wir KitchenImpossible beim nächsten Deutschen Fernsehpreis in der Heißluftfritteuse! Das wird der Grimme-Preis!«

Thom nahm die Blätter und las, ohne dass er Max korrigierte, denn: In einer Heißluftfritteuse konnte man nichts versenken.

 

BARES FÜR GARES

- Skript/Serial -

INTRO

*Close-up, schnelle Schnitte

Einkaufswagen rollt durch generischen Discounter.

Nacheinander werden eine Palette Blaubeeren, Champignonkistchen und Quarkpackungen aus dem Rabattregal wegen knappem MHD hineingeworfen. Das Datum ist der aktuelle Tag.

Danach kommen einige Flaschen günstiger Wodka rein.

– Schnitt –

*Close-up

In geschwungener Handschrift wird auf eine abgeranzte Tafel unter Tagesempfehlung mit quietschender Kreide Folgendes geschrieben:

 

Frischer, gesunder Blaubeerquark

LECKER!

– Schnitt –

*Close-up

In einer Küche werden die Champignons auf die Anrichte geschüttet. Ein paar fallen auf den Boden und werden wieder auf die Anrichte gelegt, schwarze Erdkrümel mit mehrmaligem feuchtem Pusten entfernt.

*Kamera zieht auf.

Azubi macht Wasser für das Waschen der Pilze klar.

Held kommt dazu: »Was habe ich dir gesagt?« Zeigt aufs Wasser. »Pilze niemals waschen! Sonst geht der Geschmack ab.«

Azubi: »Aber die sind …« Deutet erklärend auf die schwarzen Krümel.

Held: »Das bisschen Erde schadet keinem. Die großen Brocken machst du weg. Bau ’ne dunkle Soße, dann fällt das nicht auf.« Geht weiter.

Azubi betrachtet die Pilze – und pustet wieder auf einen Krümel, hustet dabei.

Held aus dem Off: »Und wenn du fertig bist, füll den Billigwodka in die Nobelflaschen um!«

– Schnitt –

*Close-up

Wieder die abgeranzte Tafel.

Unter

Frischer, gesunder Blaubeerquark

LECKER!

 

wird jetzt mit quietschender Kreide hingekritzelt:

 

handgepflückte Keller-Champis

an dunkler Biersoße

im Pannenkuchen

LECKER, LECKER!

– Schnitt –

*Totale

Flug durch leeren Gastraum, der aus den Achtzigern stammt.

Schwenk auf zwei Typen Ende vierzig. Sie sitzen an der Theke, bestellen Bier.

 

Held: »Hunger, Männer? Leckere Pilzpfanne …«

Mann 1: »Lass mal. Hab schon gegessen.« Zeigt hinter sich. – Kurzer Kamerazoom durchs Fenster auf den Fastfood-Laden, der brechend voll ist – »Zwei Burger.«

Held verzieht das Gesicht »Ach, die machen doch nix frisch. Alles nur aufgetauter Mist. Mein Koch gibt sich solche Mühe, und ich war extra auf dem Markt heute Morgen!«

Mann 2: »Also gut, ich nehm eine.«

Held strahlt und schreit die Bestellung in die Küche: »Einmal Pannenpilze!«

– Schnitt –

*Close-up & schnelle Schnitte + passende Geräusche, Küche

Azubi macht den Pfannkuchen // streut noch Glutamat-Pulver in die Pilzpfanne // rührt einmal durch // klatscht alles auf den Teller // fegt lose Petersilie von der Anrichte auf das Essen und trägt es raus. Findet im Gehen noch einen Pilz am Boden, hebt ihn auf und drapiert ihn obendrauf.

– Schnitt –

*Totale Gastraum

Azubi stellt Gericht Gast 2 hin: »Mahlzeit! Pilzpannenkuchen.«

Gast 2 schaut auf das Essen, schnuppert dran: »Riecht lecker! Wie bei meiner Omma.« Bekommt von Held Besteck gereicht, das nicht poliert ist. »Sogar mit Deko-Pilz.«

Held nimmt Edel-Wodkaflasche in die Hand: »Freut mich! Hier, der geht aufs Haus.«

Gast 2 grinst und trinkt sofort, beginnt zu essen.

Gast 1: »Sach mal, wieso machst du keine Burger? Das läuft wie dumm, und du hättest mal wieder Besucher um zwölf. Also dann, wenn man Hunger hat.«

Held: »Burger. Bin ich Ami, oder was?«

Gast 1: »Dann sag doch Bouletten …«

Gast 2 mit vollem Mund: »Franzose isser auch nich.«

Azubi neugierig: »Schmeckt’s?«

Gast 1: »Wenn er so fragt, hätte ich an deiner Stelle Angst, Martin.«

Gast 2: »Nee, is lecker. Merkt man halt, dass es frisch gemacht ist.«

Held: »Sag ich doch.« Stellt ihm noch ein Glas Wodka hin.

 

INTRO ENDE

 

Thom hob den Blick. Entsetzt. »Das soll ich sein?«

»Jau. Na, ja. Irgendwie«, sagte Max. »Ein bisschen. Vielleicht. Nicht so richtig. Aber doch schon.«

»Ich bin in dem Skript null sympathisch! Und schon gar nicht … so!«

»Na und?« Max zuckte mit den schmalen Schultern. »Wir haben unser gemeinsames Scripted Reality TV hinter uns gelassen, Herr Mann. Jetzt ist die Fiction dran. Da geht alles.«

»Es basiert aber auf mir. Die Leute werden denken –«

»Ah, ah«, machte Max verneinend und hob den gereckten Zeigefinger. »Das ist was Eigenständiges! Das ist die Serie Bares für Gares! Steht doch oben.«

Thom zog die dunklen Brauen zusammen. »Aber Sie haben gesagt, ich werde verfilmt.«

»Na, nicht so richtig«, wiegelte Max ab. »Sagen wir: Sie sind meine Inspiration gewesen. Mehr nicht. Meine Küchenmuse. Kitchen Muse. Auch ein guter Titel, eigentlich. Besser als Desaster Chef und Catastrophy Cook, oder?«

Langsam dämmerte es Thom: Inspiration und Musen musste man nicht bezahlen. »Keine Beteiligung für mich, richtig?«

Max lächelte verkniffen. »Nö.«

»Die ganzen Kochbücher, die danach kommen?«

»Nö.«

»Merchandise, Küchenzubehör und so was? Pfannenkollektion? Mini-Sammelfiguren? Kuschelschnitzel?«

»Nö«, sagte Max zum dritten Mal nonchalant. »War die Idee des Senders«, fügte er leiser hinzu. »Die wollen halt keinen Stress, wenn es um Lizenzparteien geht.« Dann lachte er die Schuld schlecht rüber zu Sat7 VoxTL. »Ey, tut mir echt leid, dass Ihr Vertrag aufgehoben ist und die restlichen Sendungen nach unserem Panade-Format nicht stattfinden. Sehen Sie es doch positiv: Sie haben mehr Zeit für eigene PR.«

»Was?«, blökte Thom vor Überraschung. »Aber der Boss sagte vor Kurzem noch in der Kantine zu mir –«

»Oh«, machte Max peinlich berührt. »Ich dachte, Sie hätten die Kündigung schon?«

»Scheiße, nein! Weswegen? Weil ich meine eigenen Vorstellungen …?«

»Der Justiziar hat festgestellt, dass Sie gegen Vertragsvereinbarungen verstoßen haben.«

»Ich bin doppelt raus?« Thom fühlte, wie seine innere Fritteuse beständig hochheizte. Seine Schulden waren längst nicht gänzlich getilgt und würden es durch den Rauswurf auch so bald nicht sein.

»Bei unserem Vertrag und bei Bares für Gares, ja. Wir sind fertig mit Ihnen.« Max lächelte, als habe er Thom eben eine Million Euro geschenkt statt ihn unter die Schuldenguillotine geschoben. »Aber Sie haben den Fame von Social Media. Damit können Sie doch Geld auf den ganzen Plattformen machen. Kooperationen und so.« Er beugte sich vor. »Danke, Herr Mann. Wirklich, danke! Für die Inspiration und die vielen lustigen Stunden …«

»… bei denen ich mich zum Affen gemacht habe. Von dem Fame wird aber nix mehr übrig sein« – Thom hob das Skript in die Höhe – »wenn ich so dargestellt werde. Alle werden denken, ich wäre ein Arschloch! Und meine Schulden sind auch noch nicht abbezahlt.«

»Ach, das wird schon. Ist außerdem die Rohversion der Serie. Der Sender hat noch nicht entschieden, ob der Held im Verlauf der Serie sympathisch oder unsympathisch erscheinen soll. Kann man im Schnitt noch retten. Alte Filmweisheit.« Max nahm sich ein Schnittchen von der Catering-Platte. »Viele Arschlöcher sind berühmt. Da kommt es auf Sie auch nicht mehr an.« Er hielt im Zubeißen inne. »Äh. Das war jetzt nicht so gemeint.«

Der Lautsprecher im Aufenthaltsraum knackte. »Herr Mann, bitte ins Studio drei. Wir beginnen in fünf Minuten.«

Jetzt fühlte Thom sich nicht nur falsch dargestellt – sondern auch noch verraten und verarscht. Ausgebootet. Von Max und von Sat7 VoxTL. Weil er unbequem zu werden drohte und man ihn ersetzen wollte, wurde er weggeworfen wie eine verdorbene Zutat.

Das verlangte nach Rache. Instant. Heiß serviert.

Wie gut, dass die Folge von Plus 1 Panade live gesendet wurde. Auf verschiedenen Kanälen. Für Tausende Zuschauerinnen und Zuschauer. Thom würde zum Abschied beweisen, dass man alles panieren konnte. Die Studioeinrichtung. Max. Dessen beschissenes Skript. Jedes Utensil und Teil, das er in die Finger bekam.

Und danach würde er ins Senderbüro von Doktor Wilhelm-Jörn von Schmofler marschieren, mit einer Schubkarre voller Semmelbrösel, Mehl und Ei. Ganz sicher konnte er den betrügerischen Boss an den Haaren durch die Schlotze ziehen und auf die Sonnenbank im Aufenthaltsraum zwei legen. Drei Kilo Butterschmalz, höchste Stufe. Bis es knusprig roch und die Schreie verstummt waren.

»O Shit, Mann!« Max kaute und betrachtete ihn nachdenklich. »Was machen Sie denn plötzlich für ein Gesicht?«

»Wie denn?«

»Erinnert mich an die Szene in Shining. Als der Psycho durch die eingeschlagene Tür grinst.« Max schauderte.

»Ist nur inneres Glück, das nach außen scheint.« Federnd sprang Thom auf die Beine und dehnte sich wie ein Sportler vor dem Wettkampf. »Auf zur letzten Sendung!«

»Sie sind jetzt nicht angepisst wegen Bares für Gares?«

»Nö«, sagte er und imitierte Max’ Tonfall.

»Oder wegen des Rauswurfs?«

»Nöhö.« Nein, er war gerade nicht angepisst.

Im Gegenteil.

Seine Laune stieg. Pure grimmige Freude auf das Panademassaker. So etwas hatte das Internet noch nicht gesehen. Man würde danach Tapeten und Rauputzmischungen in diesem Muster herstellen, das stand fest. Und das Design nach ihm benennen. Oder Panada Galore. Mit dem Slogan: Oh, wie schön ist Panada. Oder lieber Panademie? Dazu als Maskottchen ein lustiger Panda mit gleichem Muster auf dem Bauch. Der Panadabär.

Der Irrsinn formte sich hinter Thoms Stirn. Er verstand Jack Torrance plötzlich sehr, sehr gut.

»Heute bekommen die Zuschauer was geboten.« Thom klatschte einmal in die Hände. »Das können Sie mir glauben.«

Max legte die angebissene Schnitte langsam zurück auf die Platte. »Wie meinen Sie das?«

»Erleben Sie dann. Hautnah.« Thom wandte sich zur Tür des Aufenthaltsräumchens. Er durfte nicht zu früh ausrasten, sonst würde der Sender versuchen, ihn aufzuhalten. »Bis gleich! Nicht verpassen. Ich habe eine Überraschung für Sie.« Wieder das Kichern. »Sie sind nämlich auch eine Inspiration, wissen Sie?« Auf dem Gang blieb er kurz stehen und riss sich zusammen. »Wie viel Semmelbrösel sind noch im Zutatenlager? Wissen Sie das zufällig?«

»Zwei Säcke voll.«

»Cornflakes auch?«

»Jaaa«, antwortete Max schleppend und langsam misstrauisch werdend.

»Eier?«

»Zehn Steigen. Aber die braucht Promibacken nachher.«

»Alles klar. Wird reichen.« Thom eilte los. Promibacken. Klingt wie die Arschbacken von Prominenten, dachte er.

Vor seinem inneren Auge sah er den Panadabär, der ihm übertrieben fröhlich zuwinkte und eine Panierstraße mit menschengroßen Schüsseln aufbaute.

Thoms irres Grinsen breitete sich aus.

Szene aus TÖKENTOOK (Wortspiel für »Thekentalk«, Sat7 VoxTL, Format verworfen)

Halbglatzen-Martin: »Und dann hammse Tim Mälzer gefragt, ob man denn als Fernsehkoch überhaupt kochen können muss.«

Schnurrbart-Stefan: »Was hat er gesagt?«

Halbglatzen-Martin: »Nö.«.

KAPITEL2

Man(n) nehme …

THERAPIETAGEBUCH

 

Habe mir das jetzt nochmals durchgelesen.

Nein, so kann ich nicht anfangen. Das erweckt nicht den richtigen Eindruck.

Also, schon, aber … ich muss einige Episoden dieser Zusammenarbeit mit dem Sender vor Gericht aufgreifen, damit die Zusammenhänge deutlich erkennbar werden.

Womit fange ich an?

Am besten mit dem Einstieg. So wird klar, wie arg die mich bei Sat7 VoxTL verarscht haben und warum ich bei Plus 1 Panade so ausgerastet bin.

Panadabär.

Ich find’s immer noch lustig …

Thom stand hinter der Theke und polierte keine Gläser.

Tat er nie. Sein Schnitzeleck war eine Kneipe, in der es leckere Schnitzel gab, und kein Restaurant. Das war der feine Unterschied. Wie Wirtshaus und Gasthaus. Er blieb Wolf Haas und seinem Roman Knochenmann für immer dankbar für diese Unterscheidung und den deutlichen Hinweis, wie die Prioritäten in den jeweiligen Etablissements aufgeteilt waren.

Statt Gläser zu polieren, las Thom lieber verschiedene neue Soßenrezepte auf seinem Smartphone. Er suchte im Internet nach etwas, das seine Schnitzel nach vorne brachte.

Indisch stand bei ihm gerade hoch im Kurs: Spicy Panade mit Kurkuma und feiner Currymischung, dazu ein Chutney, das jedes schnödes Preiselbeergematsche ausstach. Oder lieber einen Mango-Lassi-Espuma auf einem Extrateller?

»Noch ’n Pils?«, fragte Thom seine beiden Stammgäste ohne aufzuschauen. Er kannte den Takt, mit dem die Männer tranken, die etwas älter waren als er.

Halbglatzen-Martin, 48 Jahre, im Holzfällerhemd, der Highway to Hell von AC/DC nach vier Bier auf der Jukebox drückte. Und Schnurrbart-Stefan, 47 Jahre, in ärmelloser Jeansjacke, der mit Slice me nice von Fancy nach sechs Bier konterte. Zusammen waren sie Da MetaldiscBro’s und fanden sich sehr lustig.

Ansonsten herrschte entspannte Leere im Gastraum, der Achtzigerjahre-Flair verströmte wie sonst kaum ein Laden der Stadt. Elvira- und Indiana-Jones-Flipper, Samantha-Fox- und KISS-Poster, Billardtisch mit grüner Bespannung und Ditschstellen von Queues, ein blinkend dudelnder Geldspielautomat, eine zerfledderte Dartscheibe und daneben ein elektrischer Dartautomat. Alles seit den Achtzigern. Originaler ging es nicht. Hier war Stranger Things nach wie vor »normale Dings«, wie Stefan es nannte.

Und doch kam so gut wie niemand Neues. Weder aus der Generation A bis Z noch die Snowflakes, die Boomer oder wie sie alle hießen. Thom vergaß die Bezeichnungen immer.

»Klar«, sagte Martin zum Pils.

»Immer«, stimmte Stefan zu.

»Läuft.« Thom nahm den Gästen die benutzten, leeren Gläser ab und befüllte sie neu. Sein Beitrag zum Wassersparen. »Hunger, Männer? Lecker Pilzschnitzel.«

»Lass mal. Hab schon gegessen. Bei deiner Ex.« Martin zeigte hinter sich auf den Fastfood-Laden, der brechend voll war. »Zwei Burger. Macht sie gut.«

Thom verzog das Gesicht, das für seinen Geschmack bereits zu viele Falten hatte. »Ach, Sabine kocht doch nix frisch. Alles nur aufgetauter Convenience-Mist und Fritteusenfraß. Mein Küchenazubi gibt sich solche Mühe. Und ich war extra auf dem Markt heute Morgen!« Er machte die Gläser über den Eichstrich voll und stellte sie auf die Deckel vor den Männern. Die Schaumkrone balancierte am Rand, ohne überzulaufen. »Kräutersaitlinge, Steinpilze und Pfifferlinge. Und Morcheln. So eine Soße habt ihr noch nie gegessen.«

Stefan nickte und rieb sich über den grauen Schnauzer. »Also gut, ich nehm eins.«

Thom strahlte. Damit konnte seine Kreation zeigen, was sie draufhatte. »Einmal Pilzschnitzel de luxe«, rief er, sodass ihn sein Azubi Boris in der Küche hörte.

»Du und deine Angebernamen immer«, sagte Martin und gluckste.

»Du weißt doch, dass er der beste Kochlehrling vor vielen, vielen Jahren war«, begann Stefan und senkte die Stimme. »Damals. Zu einer anderen Zeit.«

»Ah, nicht wieder die alte Leier«, erwiderte Thom im Versuch, ihn aufzuhalten. »Du klingst wie der Märchenonkel aus der Hölle.«

Passend dazu tönten wuchtige Schläge aus der Küche. Das Schnitzelfleisch wurde verprügelt.

»Thomas Paul Mann schloss als Jahrgangsbester ab.«

Rums.

»Hatte sein eigenes Restaurant und war auf dem Weg zum ersten Stern.«

Rums, rums.

»Doch dann endete der steile Aufstieg von Thomas Paul Mann …«

Rums, rums, rums – »AUA!« – es schepperte – »Verdammte Scheiße, ey« – rumsrumsrums.

»… im Schnitzeleck. Wo die Gerichte Schnitzeltod in Venedig und Der Frittenberg heißen«, sprach Stefan, als kommentierte er eine Dokusendung. »So traurig.«

»Kein Salz in die Wunde, bitte.« Thom füllte die Biergläser noch einmal auf.

Er gab sich wirklich Mühe, das Beste aus seinem Namen zu machen. In der Schule hatte er mal etwas von Thomas Mann gelesen und nervig gefunden, mehr aber auch nicht. Dafür mussten dessen Romantitel jetzt für die Karte herhalten. Rache wurde heiß serviert.

Er gönnte sich außerdem den Spaß, mal Mannis, mal Mann’is, dann wieder Manni’s oder Manns’is auf Werbung, die Außentafel, die Website und bei Social Media zu schreiben. Genitivapostrophenapokalypse für jeden radikalen Grammatikalen.

Es war sein letzter verzweifelter Versuch, über einen veritablen Shitstorm etwas Aufmerksamkeit und Kundschaft zu generieren.

Aber auch darüber ärgerte sich im Netz niemand.

Gescheitert. Wie bei so vielem. Wie seine Ehe mit Sabine, die gegenüber dem Schnitzeleck einen Asia-Burgerladen als Systemgastronomie betrieb. Asian & burgerZ – from A to Z, prangte Thomas nun täglich entgegen.

Zuletzt scheiterte er auch bei der Bank, die noch 250000 Euro von ihm zurückhaben wollte, und davor beim Finanzamt. Nochmals hunderttausend.

Plus diverse private Kredite bei Freunden und Verwandten.

Das war immer sein Problem: große und gute Pläne, miese Umsetzung im Detail, famoses Scheitern.

Du blöder, sympathischer Verlierer, hatte ihn einst ein Freund tituliert und nochmals fünftausend Euro geliehen.

»Ach, wisst ihr, mit solchen Bezeichnungen kann ich einen Euro mehr verlangen«, gab Thom zurück und schenkte eine Runde Apfelkorn aus. Den süßen, originalen, wie in den Achtzigern. Nicht den sauren Müll oder eine von den Dutzend neuen Sorten, die niemand brauchte. Kopfweh ging auch althergebracht. »Mehr Gewinn.«

»Du meinst, bei deinen vielen Gästen?«, fragte Stefan und drehte sich zusammen mit Martin ostentativ auf dem Hocker um.

Die Blicke der drei Männer schweiften durch die Leere, und der Spielautomat dudelte seinen elektronisch-blechernen Achtzigerjahre-Lockruf ins Nichts.

Thom seufzte. »Prost.« Er hob das Schnapsglas. »Schwupp, schluck, weg!«

»Prost«, erwiderten Stefan und Martin unisono. »Schwupp, schluck, weg!«

Klack, klack, klack landeten die Gläschen geleert und umgedreht auf der Theke.

»Ach, übrigens. Nächsten Monat sperr ich zu«, eröffnete Thom. »Privatinsolvenz.«

Todesstille. Schockstarre.

In diese öffnete sich die Tür zur Küche, und Boris trat mit dem Teller herein.

Er war sechzig, ausgebildeter Koch und wurde von allen Azubi genannt, weil ihm oft die gleichen Fehler am Herd passierten wie einem Anfänger. Feuer in der Küche, Feuer in der Abzugshaube, Feuer an Boris. Alles schon da gewesen. Die langen silbernen Haare trug er konsequent im Haarnetz, die Unterarme strotzen vor alten blassblauen Tätowierungen.

Sofort verbreitete sich der leckere Duft des Pilzschnitzels de luxe. Neben dem goldgelb gebratenen Kalbsschnitzel lagen noch zwei Saitlinge, paniert und zubereitet wie das Fleisch.

»Mahlzeit!«, sagte Boris. Sein kleiner Finger zeigte bläuliche Spuren einer Quetschung. »Pilzschnitzel.«

»De luxe«, fügte Thom hinzu.

»Plus ein Euro«, kommentierte Martin und nahm seinen Kamm aus der Hemdtasche, um die Haare rund um die Halbglatze liebevoll nach unten zu striegeln. Manierismus und Hingabe zum Resthaar.

Stefan betrachtete das Essen. »Boah, riecht lecker!« Er bekam von Thom Besteck gereicht, das konsequent nicht poliert wurde. »Sogar mit Deko-Pilz.« Schnell war ein Stück abgeschnitten, und er kostete.

Martin klaute sich einen der panierten Saitlinge, und die goldene Hülle knusperte zwischen seinen Zähnen.

»Scheiße. Du kannst unmöglich zumachen«, sagte Stefan mit vollem Mund. »Das ist geil! Wo soll ich so was herbekommen?«

»Der Pilz auch!«, steuerte Martin bei. »Wo sind die ganzen Vegetarier? Die müssten dir die Bude deswegen einrennen.«

»Wir machen was im Internet. Eine Petting-tion«, schlug Stefan essend vor.

Thom grinste. »Super Name für die Rettung eines Streichelzoos. Oder Nachtklubs.«

»Was ist falsch mit den Menschen?«, regte sich Martin auf. »Wieso essen die keine Schnitzel?«

»Die essen schon. Aber nicht hier«, sagte Boris trocken.

Martin kratzte sich am lichten Kopf. »Sach mal, wieso machst du keine Burger, wenn es doch alle wollen? Das läuft wie dumm bei deiner Ex. Und du hättest mal wieder Besucher um 12 Uhr.«

Thom setzte zu einer Antwort an, als sich die Eingangstür öffnete.

Alle wandten sich überrascht um. Das hatte es um diese Zeit seit Wochen nicht mehr gegeben.

Über die Schwelle kam ein junger schlunz-hipstiger Mittzwanziger, dahinter eine schlunzige Kamerafrau und ein Tonmännchen im Anzug, an dessen Mikroangel ein LED-Scheinwerfer befestigt war; Letztere wirkten wie Abiturienten. Auf all ihren Shirts prangte: Sat7 VoxTL.

»Endlich«, entwischte es Martin, und er steckte den Kamm weg. »Ich dachte schon, die kommen nie.«

Stefan rempelte ihm kichernd in die Seite.

»Moment!« Thom starrte die beiden an. »Was habt ihr …?«

»Ah, der Herr Mann.« Der junge Hipster mit der wirren Frisur kam auf den Tresen zu. Auf seinen Zügen spiegelte sich Begeisterung. »Irre! Sieht genauso aus wie in Ihrer Bewerbung. Die Achtziger are alive! Mit bisschen angeranztem Zombieflair. Ziemlich authentisch.«

»Welche Bewerbung?«

»Nicht durchdrehen jetzt, Thom«, raunte Martin. »Ich hab das für dich gemacht.«

»Also, Sie sind perfekt. Bin überzeugt. Wir ziehen das mit Ihnen durch.« Der junge Mann lehnte sich an den Tresen. »Ich bin Max. Redakteur von Sat7 VoxTL. Sie haben sich bei uns beworben. Als Kandidat für Restaurantretter am Limit. Wir sind hier für ein paar unverfälschte Cam-Impressionen, bevor wir alles auf Vordermann gebracht haben. Und das Vorgespräch.« Nebenbei nahm er die Kneipenkarte und überflog sie. Gleich darauf lachte er laut. »Echt? Der Frittenberg?« Er hielt es der Kamerafrau hin. »Frauke, film das ab. Das ist Quotengold.«

Die Linse erfasste Die Schnitzelbrocks, Schnitzel des Hochstaplers Erich Krull, Der Wille zum Schnitzel, Schnitzel in Weimar, Der kleine Herr Schnitzel und viele andere Namen, bei denen das Literarische Quartett schreiend Reißaus genommen hätte.

»Haben Sie mal Germanistik studiert?« Max feixte.

»Nee. Wikipedia.« Thom machte drei Apfelkorn für die Crew fertig. »Ich mach aber nicht mit. In vier Wochen ist dicht.«

»Ich hab Ihnen geschrieben«, gestand Martin zerknirscht. »Da hat mir der Vogel hinterm Tresen aber noch nicht gesagt gehabt, dass er so überschuldet ist, dass er schließen muss.«

»Aha.« Max sah Thom an. In den Augen entstand etwas Unheiliges. »Schulden, ja?«

»Jepp. Wer nix wird, wird gescheiter Wirt.« Thom hob den Apfelkorn und prostete in die Runde. »Und scheitert.«

»Isses denn viel?«

»Was geht Sie das an?«

»Sind ein paar Hunderttausend«, schaltete sich Martin ein und nahm das Essen des Saitlings wieder auf.

»Mmh. Ich glaube, ich hab eine Bombenidee.« Max zückte sein Smartphone, schnappte sich ein Glas und telefonierte, trank dabei den ausgegebenen Schnaps. »Hey, Ute. Gib mir mal den Boss.«

»Was hat er denn vor?« Stefan stibitzte das Freigetränk des Tonmännchens, das nicht schnell genug gewesen war.

Schon stand Max wieder motiviert an der Theke. »Herr Mann, ich darf Ihnen im Namen von Sat7 VoxTL einen Vorschlag machen?«, fragte er feierlich.

»Dürfen Sie. Aber interessiert mich nicht.«

»Für einen Monat Arbeit mit mir übernimmt der Sender Ihre Schulden. Bei wem auch immer Sie die haben«, eröffnete der angeschlunzte Hipster.

»Geil!« Martin schwenkte das Saitlingstück mit der Gabel. »Los, zusagen, Thom!«

»Nee. Das wird irgend so ein Z-Promis-in-der-Scheiße-Format sein«, spielte Stefan die Gegenstimme. »Wo du dich zum Deppen machen musst. Um Klopapier rangeln und so was.«

»Nein, das nicht.« Max lächelte. »Ich bin auch Redakteur für neue Formate bei Sat7 VoxTL. Wir haben da verschiedene Back- und Kochsendungen auf Halde, die wir gerne im Internet testen würden. Mit Ihnen. Was die beste Quote bringt, schieben wir ins TV. Mit Ihrem Hintergrund als Koch und fast Sterne-Küchenchef sind Sie optimal. Kompetenz in Reinform.«

»Ah, Versuchskaninchen«, übersetzte Stefan abwertend. »Doch der Depp im Netz.«

»Aber bezahlt wie ein Boss«, warf Martin ein.

»Mmh«, machte Thom.

Es klang okay. Außerdem war es verlockend. Der Sender hatte nicht einmal nachgefragt, wie hoch die Schulden genau waren. Diese beschissenen Verbindlichkeiten endlich, endlich loszuwerden kam einem Lottogewinn gleich, und danach konnte er mit dem Schnitzeleck so richtig durchstarten. Tierisch, vegetarisch, vegan, die ganze Palette. Marketingkonzept mit allem Pipapo. Und Pu und Pe.

»Das kriege ich schriftlich?«, hakte Thom nach.

»Mit Vertrag und allem«, bestätigte Max. »Außerdem erhalten Sie eine Beteiligung an den Aus- und Verwertungen, die ins TV gehoben werden. Übersetzt: Auslandslizenzen, Merchandise, Kochbücher mit Ihnen. Das volle Programm. On top zum Schuldenabbau.«

»Scheiße, Thom! Wehe, du machst das nicht!« Martin deutete auf die goldenkrustige Kracherpanade. »Das Schnitzeleck ist zu gut. Und der Fame treibt dir die Leute in die Bude. Ich mach den Merch-Stand! Du brauchst Kuschelschnitzel! Und denk an deinen Azubi. Du hast eine Verpflichtung für den Jungen.«

»Der Junge ist über sechzig. Der geht vor mir in Rente.« Thom sah zu Stefan und wartete auf etwas Negatives.

Aber sein Schnauzbartkumpel spießte ein Schnitzelstück auf und biss ab, dass es knusperte und knisterte.

Also schlug Thom in Max’ ausgestreckte Hand ein.

So nahm das Unheil seinen Lauf.

Die 15 bekanntesten Kochsendungen im deutschen Fernsehen:

 

Grill den Henssler

Die Küchenschlacht

Das perfekte Dinner 

Grill den Profi

The Taste

Kitchen Impossible

Gewusst wie: Rachs 5€-Küche

Böhmi brutzelt

Mein Lokal, Dein Lokal

MasterChef Deutschland

Wer kann, der kann! / Nailed it! Germany

Rosins Restaurants – Ein Sternekoch räumt auf!

Die Ernährungs-Docs

Kochen mit Martina und Moritz

Ready to beef!

 

TV Spielfilm, 2022

KAPITEL3

All kitchen engines running

THERAPIETAGEBUCH

 

So. Damit ist mal geklärt, was mir der Sender damals eigentlich versprochen hat.

Aber dann kam raus, dass Sat7 VoxTL mir pro Sendung lediglich 20000 Euro von meinen Schulden abtrug. Je nach Menge der Views und Klicks kam noch was drauf.

Fand ich trotzdem okay.

Das habe ich mitgemacht, weil der Sender ja ungesehen für alle meine Schulden hatte geradestehen wollen. Konnte ich verstehen.

Also wurde der Vertrag über zwanzig Testformate von mir unterschrieben.

Außerdem haben die ersten Shows echt Spaß gemacht. Gebe ich zu.

Wie die hier …

Wir gehen vor, wie besprochen, Herr Mann.« Max, in seinem üblichen legeren Outfit, schob Thom sanft ins ausgeleuchtete kleine Studio 3, in dem eine generische, moderne Küche aufgebaut worden war. Auf der Anrichte und den Tischen daneben stapelten sich Zutaten und verschiedenste Apparaturen. Bei manchen ließ sich nicht einmal im Ansatz erkennen, wofür man die Gerätschaften nutzen könnte. »Sie machen nichts anderes, als die Dinger nach den Angaben Ihres Hosts zu testen.«

»Alles klar.« Thom, den sie in eine Art weiße Latzhose mit zwei Dutzend Firmenlogos gesteckt hatten, fand das Konzept von Kitchen Machinista gar nicht verkehrt. Endlich wurde der Zubereitungsplunder, den man oft gar nicht brauchte, einer echten Prüfung unterzogen. Außerdem gab es weder Skript noch Text für ihn. Leicht verdientes Schuldenabbaugeld. »Wer ist es denn?«

»Eine Kücheninfluencerin. Hat inzwischen ein eigenes Studio, eigene Produkte und eigene Fertigbackmischungen und so was.« Max deutete auf die markierte Stelle hinter dem Küchentresen am Boden. »Dahin. Und viel Spaß.«

»Habe ich.« Thom zog seine weiße Kochjacke über und glatt, rückte die dämliche weiße Mütze auf seinem Kopf zurecht, auf die man bestanden hatte, und begab sich auf Position. Ein bisschen kam er sich vor wie der Chefkoch aus der Muppet Show, es fehlten noch ein Schnauz und der Akzent. Doch nach den ersten zwei Testformaten Bäcker sucht Frau und Durchfall oder Durchstart? war es eine Wohltat, keine Texte lernen zu müssen.

Die Alliterationsmoderationstexte der Kuppelshow hatten Thom Kopfschmerzen bereitet. »Der knusprige Klaus«, »der sesamsüße Steffen« oder »die dinkelstarke Dagmar« waren nichts gegen die »roggige Rebekka«, die gern Rock hörte und selbigen trug. Wortspieltriple aus der Hölle.

Die Großaufnahmen vom gemeinsamen Teigkneten hatten zwischen Töpfern und Sexmassagetipps rangiert, und natürlich dudelte darunter der Soundtrack von Ghost – Nachricht von Sam. Das gegenseitige neckische Bewerfen mit Mehl endete mit einem Sanitätseinsatz: Staublunge, verklebte Lider und eine spontane allergische Reaktion auf die Trockenhefe, die jemand aus der Requisite voreilig untergemischt hatte. Die Internetcommunity stimmte gegen Bäcker sucht Frau, bescheinigte dem Format aber viel Lustiges.

Durchfall oder Durchstart? wurde leider durchgehend zu Durchfall. Die Kandidatinnen und Kandidaten hatten exotisch-abgefahrene Zutaten mit deutscher Küche kreuzen sollen. Die eigens eingeflogenen Produkte, von ultrascharfen Chilis über Kotzfrucht bis bestialisch stinkendem Dosenhering und mehr, hatten jeden Magen rebellieren lassen. Durchfall folgerichtig auch bei der Abstimmung. Shit Show eben.

»Geht gleich los«, sagte die Regie über Lautsprecher ins Studio. »BakyAnn ist nochmals kurz in die Maske.«

BakyAnn. Wie kamen die Influencer und Influencerinnen nur immer auf ihre Namen?

Ein bisschen Angst hatte Thom vor The Masked Chefs Sing Along, bei dem er als mannsgroßes Kälbchen verkleidet einen Gast-Song singen sollte. Angeblich entweder Chop Suey! von System of a Down oder Flesh for Fantasy von Billy Idol.

Das Konzept hatte man aus The Masked Singer geklaut: Unter den Outfits steckten berühmte Köchinnen und Köche, die das Ganze flankieren sollten. Die Fischgrillvorrichtung sei angeblich Tim Mälzer oder Steffen Henssler, die Kasserolle mit der Butterflocke Horst Lichter, und für den Ingwertopf suchte man noch jemanden. Cornelia Poletto wollte man in den Raviolo stecken und Viktoria Fuchs in den Schwarzwälder Schinken. Das musikalische Stelldichein, der Kessel Buntes namhafter Rührerinnen und Brutzler.

Es interessierte Thom kein Stück.

Seine Moderations- und Erklärungstexte für Sanftes Töten: Besuch im Schlachthof hatte er bereits zu Hause liegen. Dokutainment, gesponsort von der Fleischkonsumlobby, um die Flexitarier zurück an die Wursttheke zu locken, von der sie sich beim Liebäugeln mit Kartoffeln, Nudeln und Couscous entfernt hatten.

Ob die Strategie aufging, das Töten als total friedlichen Vorgang des beschleunigten Einschlafens darzustellen, bezweifelte Thom.

»Bin da, bin da«, sagte BakyAnn und trat durch die rechte offene Seite des Sets in den Küchenaufbau. Sie war Mitte zwanzig und aufgemacht wie eine Hausfrau aus den Sechzigern, allerdings von oben bis unten tätowiert, was einen schönen optischen Bruch ergab. Thom gefiel es. »Entschuldigung«, rief sie zu allen. »Mir ist eine Naht gerissen. Musste schnell getackert werden. Kann losgehen.«

»Wo denn?« Thom sah keine kaschierte Stelle an ihrem makellosen Outfit.

BakyAnn deutete an ihre rechte Brust. »Die sind neu. Hab mich zu viel bewegt.«

»Okay, ihr Lieben«, kam es aus der Regie. »Wir fangen mit dem Toastmaster ZeroHero an. Thom, du nimmst die Geräte bitte immer, die BakyAnn dir nennt, und stellst sie vor euch. Reagiere einfach nur auf das, was sie sagt. Klar?«

»Klar«, antworteten beide.

Ein Jingle erklang, das Intro von Kitchen Machinista tönte aus dem Off zusammen mit der Sprecherstimme: »In der heutigen Folge: Kombigeräte – sinnlos oder sinnvoll?« Die fahrbaren drei Kameras im Studio begannen mit dem Verschiebeballett, um diverse Winkel anzubieten. Totale, Details, Close-up, Gesichter. »Wie immer mit der hinreißenden BakyAnn und Co-Host Thom the Mann. Eine Schnitzellegende.«

Die Kameras stellten ihr Schwirren ein.

»Schön, dass ihr wieder mit dabei seid«, grüßte BakyAnn in die Linse vor sich. »Heute habe ich mir einen starken Mann eingeladen: den Thom! Entschuldige das Wortspiel. Schön, dass du da bist.«

Er nickte in die zweite Kamera, die hohe Kochmütze rutschte auf den braunen Haaren. »Bin schon gespannt, BakyAnn.«

»Dann fangen wir doch gleich an, Thom.«

»Aber sicher, BakyAnn.«

»Schnappen wir uns den Toastmaster ZeroHero, Thom.«

»Wie gerne, BakyAnn.« Er nahm den klobigen Toaster, der mindestens vier, fünf Kilogramm wog.