Science Fiction Doppelband 2003 - Margret Schwekendiek - E-Book

Science Fiction Doppelband 2003 E-Book

Schwekendiek Margret

0,0

Beschreibung

Dieser Band enthält folgende SF-Romane: (399XE) Galaktische Auslese (Ann Murdoch) Agentin für Catron (Margret Schwekendiek) Japha Pitala ist die beste Studentin ihres Jahrgangs und wünscht sich sehnlichst, den exklusiven Stab der Wissenschaftler, den Kosmotikern, zuzugehören. Ein Weg dorthin scheint es zu sein, sich vom Geheimdienst anwerben zu lassen. Sie kann nicht wissen, dass ihr Leben durch diesen Entschluss einen völlig anderen Verlauf nehmen soll. Auch als Agentin gehört sie zu den Besten, doch als sie völlig unverständliche Gefühle entwickelt, wird sie für den Geheimdienst nicht mehr tragbar.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 377

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ann Murdoch, Margret Schwekendiek

UUID: ea622a6f-d57f-40c5-9d47-896605921261
Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

Inhaltsverzeichnis

Science Fiction Doppelband 2003

Copyright

Galaktische Auslese

Erstes Kapitel: Ungewöhnlicher Besuch

Zweites Kapitel: Vertrauliche Gespräche

Drittes Kapitel: Vermittlungsversuche

Viertes Kapitel: Verrat ist eine Frage des Datums

Fünftes Kapitel: Geheimnisse

Sechstes Kapitel: Trügerische Ruhe

Siebtes Kapitel: Spurlos verschwunden

Glossar Schwarze Division

Agentin für Catron

Science Fiction Doppelband 2003

Margret Schwekendiek, Ann Murdoch

Dieser Band enthält folgende SF-Romane:

Galaktische Auslese (Ann Murdoch)

Agentin für Catron (Margret Schwekendiek)

Japha Pitala ist die beste Studentin ihres Jahrgangs und wünscht sich sehnlichst, den exklusiven Stab der Wissenschaftler, den Kosmotikern, zuzugehören. Ein Weg dorthin scheint es zu sein, sich vom Geheimdienst anwerben zu lassen. Sie kann nicht wissen, dass ihr Leben durch diesen Entschluss einen völlig anderen Verlauf nehmen soll. Auch als Agentin gehört sie zu den Besten, doch als sie völlig unverständliche Gefühle entwickelt, wird sie für den Geheimdienst nicht mehr tragbar.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker ( https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/ )

© Roman by Author / COVER A. PANADERO

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Twitter:

https://twitter.com/BekkerAlfred

Zum Blog des Verlags geht es hier:

https://cassiopeia.press

Alles rund um Belletristik!

Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!

Galaktische Auslese

Die Wormhole-Affäre - Band 4

von Ann Murdoch

Der Umfang dieses Buchs entspricht 125 Taschenbuchseiten.

Auf Tandor III versucht Generalmajor von Harthausen in Verhandlungen mit der Patrona eine Art Stillhalteabkommen zu erreichen, doch die Matriarchin erklärt ihm unverblümt, dass der Planet sich selbst wehren könnte – und würde. Auf Outer Circle landen mit einem ganz normalen Passagierschiff Mutanten. Sie werden von den meisten Menschen und besonders vom Ritterorden mit Verachtung und Abneigung empfangen. Caitlin de Valera will unbedingt den Verräter auf Kyria enttarnen, doch die verdächtigen Agenten haben keine Schwachpunkte in ihrem Leben.

Erstes Kapitel: Ungewöhnlicher Besuch

Am Info-Com war der Raumschiffsverkehr abzulesen. Die Ankunft von Passagierschiffen war immer eine spannende Angelegenheit, keiner konnte vorhersagen, welche Arten von Lebewesen für kurze Zeit die Station bevölkern würden. Niemand hatte Outer Circle als alleiniges Ziel im Auge, die Station S 7 war in der Regel nur ein Zwischenstopp. Doch selbst die Raumschiffe für die großen Rundreisen, die ihre Passagiere mit allen Annehmlichkeiten an Bord verwöhnten, hatten S 7-Outer Circle als attraktives Zwischenziel entdeckt und versuchten mittlerweile sogar Geschäftsbeziehungen aufzubauen. Was nichts anderes hieß, als dass sie einen Anteil am Umsatz erwarteten, wenn sie die Leute hierher flogen, sodass die Geschäfte an Bord angekurbelt wurden.

Alexa Dexter hatte das strikt abgelehnt. Auch wenn sie verpflichtet war, die Station so wirtschaftlich wie möglich zu führen, damit letztendlich sogar Geld an die Erde überwiesen werden konnte, so war sie doch nicht auf die Kreuzfahrtschiffe angewiesen. In keinem Fall wollte sie diese gierigen Geschäftemacher unterstützen.

Paul dachte ebenso, auch er hatte alle Vorstöße abgewehrt, an seinem Erfolg mit dem Last Vision andere finanziell zu beteiligen. Eine Zeit lang waren daraufhin gar keine Kreuzfahrtschiffe gekommen, doch die Bewohner der Erde und anderer Planeten hatten so viel über die Station gehört, und die Nachfrage war gestiegen, sodass Outer Circle doch wieder als Zwischenstation angeflogen wurde.

Es war auch für diesen Tag die Ankunft eines Passagiertransporters angemeldet. Die Solveig sollte um die Mittagszeit andocken, danach würden zahlreiche Passagiere das Zocalo überschwemmen. Eine Besonderheit gab es an diesem Tag dennoch, denn von diesem Schiff hatten vier Leute Outer Circle als Endziel angegeben. Welches mit Vernunft begabte Lebewesen würde freiwillig auf Outer Circle bleiben wollen? Laut den galaktischen Bestimmungen hatten diese vier Leute zusätzlich eine Besonderheit angegeben, sie waren Mutanten.

Die meisten Lebewesen fürchteten Mutanten. Sie konnten Gedanken lesen, einen fremden Willen beeinflussen, Gegenstände bewegen oder sogar Feuer entfachen, alles nur mit der Kraft des eigenen Geistes. Diese Angst war mit Sicherheit übertrieben, auch deswegen, weil die Überwachung der Mutanten streng und effektiv war. Die übersinnlich Begabten wurden galaxisweit in die Dienste verschiedener Regierungsstellen aufgenommen, wo man die Leute unter Kontrolle hatte. Im Gegenzug für die Einschränkungen wurden jedoch eine Reihe von Privilegien gewährt, wozu unter anderem günstige Raumflüge gehörten.

Hier auf Outer Circle waren nur selten Mutanten anzutreffen. Die wenigen, die bereits hier gewesen waren, behaupteten, dass die kosmischen Strahlen während einer Verwerfung ihre Kräfte beeinträchtigten und psychosomatische Beschwerden hervorriefen. Gleich vier Mutanten an Bord galten daher als Besonderheit.

Paul Meyers fand die Befürchtungen gegenüber den paranormal Begabten maßlos übertrieben. Sicher, es mochte Einzelfälle geben, in denen jemand mit seinen Kräften Missbrauch getrieben hatte. Im Allgemeinen ging mit dem Auftreten einer Mutation jedoch ein hohes Verantwortungsbewusstsein einher, so, als wollte die Natur einen Ausgleich für die Veränderung schaffen.

Paul kannte einige Mutanten und hatte viele Gespräche mit ihnen geführt und festgestellt, dass die meisten im Großen und Ganzen mit ihrem Leben zufrieden waren. Nicht alle Lebewesen hatten Angst, sodass die Partnerschaften mit normalen Partnern stattfanden. Die Kinder aus solchen Beziehungen besaßen nicht zwangsläufig mutierte Gene. Bisher hatte noch kein galaktisches Forschungsprogramm Anstrengungen unternommen, um Mutanten gezielt zu züchten und damit womöglich eine geheime Kampftruppe aufzustellen, jedenfalls niemand, von dem man wusste. Stattdessen herrschten so viel Vernunft und Einsicht, dass man die Übersinnlichen zu Aufgaben einsetzte, wo ihre Talente sinnvoll angewendet wurden.

Doch in letzter Zeit hatte es immer wieder Gerüchte gegeben, dass ausgerechnet auf der Erde Bestrebungen im Gang waren, eine Art Getto für die Mutanten einzurichten. Welchem Zweck das dienen sollte, war nicht ganz klar. Wollte man die Leute ausgrenzen, um sie dann komplett wegzusperren oder sogar Schlimmeres? Plante man die Aufstellung einer Fünften Kolonne? Oder gab es Überlegungen für ein Zuchtprogramm, mit dem die Gene kontrolliert verändert werden sollten, um einen Supermutanten zu erschaffen?

Alles Gerüchte natürlich, doch das Aufkommen solcher Gerüchte enthielt mit Sicherheit einen Kern Wahrheit.

Vier Mutanten auf Outer Circle – vier menschliche Mutanten.

Paul wurde neugierig und machte sich auf den Weg zum Empfangsbereich. Er fand es erstaunlich, wie viele Lebewesen das Raumschiff verließen. Die Solveig war ein Kreuzfahrtschiff der Oberklasse und bot jede erdenkliche Annehmlichkeit an Bord. Einen Tag würde das Schiff hier bleiben, und die meisten Passagiere wollten die Station besuchen.

„Chow Yun Son“, entfuhr es Paul, als er den schmächtigen Chinesen entdeckte. Er gehörte zu den Mutanten, die Meyers bereits kennengelernt hatte. Der unscheinbare schüchterne Mann mit den glatten schwarzen Haaren war Telekinet und konnte mit reiner Gedankenkraft tonnenschwere Gegenstände bewegen. Man hatte ihn oft zu Rettungseinsätzen angefordert, die ohne ihn viele Todesopfer gefordert hätten. Auch er erkannte den Barbesitzer und kam mit ausgestreckter Hand auf ihn zu.

„Welch eine Überraschung. Was machen Sie denn hier, Mr. Meyers?“

„Ich lebe schon länger hier und war überrascht, Ihren Namen auf der Liste zu finden.“

Ein breites Lächeln erschien auf dem runden Gesicht. „Dann haben Sie die drei anderen auch nicht übersehen?“

„Natürlich nicht.“

Son drehte sich um und blickte zwei Frauen und einen sehr jungen Mann an. „Jenny und Erica Grün, zwei Schwestern aus der britischen Region und Thaddäus bar Juda, ein Israeli.“

„Schön, Sie kennenzulernen“, sagte Paul und begrüßte die drei mit Handschlag, völlig ohne Berührungsängste. „Gibt es einen besonderen Grund, aus dem Sie uns hier draußen mit Ihrer Anwesenheit beehren?“

Son verbeugte sich unwillkürlich angesichts der Höflichkeit, die Paul an den Tag legte. Vier Sicherheitsbeamte tauchten wie aus dem Nichts auf.

„Die Kommandantin möchte mit Ihnen sprechen, bevor Sie Ihre Zimmer auf der Station aufsuchen“, erklärte einer von ihnen. Er fühlte sich unbehaglich, und das war ihm deutlich anzusehen, die Mutanten gaben mit keinem Zeichen zu erkennen, ob sie sich davon beleidigt fühlten.

„Selbstverständlich, es wird uns eine Freude sein.“ Die vier Mutanten begleiteten die Sicherheitsleute. Son drehte sich noch einmal um.

„Wir sehen uns später, Mr. Meyers.“

„Ich freue mich drauf, Sie finden mich im Last Vision, die Bar gehört mir.“

Nachdenklich blickte Paul ihnen hinterher.

„Befürchten Sie Probleme?“ Cornell Rraugh, der Halbmensch, war wieder einmal wie aus dem Nichts aufgetaucht und hatte unauffällig die kleine Szene beobachtet. Die Nachdenklichkeit von Paul war ihm nicht entgangen.

„Schwierigkeiten? Ich? Nein. Das Ganze geht mich auch gar nichts an, egal, aus welchem Grund die Mutanten hier sind. Ich war nur neugierig. Alles andere ist Sache von Oberst Dexter.“

„Solange die Mutanten gegen keine der Regeln verstoßen, gibt es keinen Grund für Einschränkungen oder permanente Beobachtung.“

„Wenn Sie so gut darüber Bescheid wissen, können Sie der Kommandantin sicher ein paar Ratschläge geben“, erklärte Paul sarkastisch.

„Oberst Dexter braucht keine Ratschläge von mir, sie ist erfahren und klug genug, um richtig vorzugehen. Trotzdem würde ich gern wissen, was die Mutanten ausgerechnet hierher getrieben hat.“

„Fragen Sie doch einfach“, riet Meyers. „Ob Sie allerdings die Wahrheit als Antwort erhalten, wage ich noch zu bezweifeln.“

„Mutant müsste man sein, dann könnte man die Gedanken der anderen lesen“, stellte Rraugh fest.

„Cornell, Sie schlagen doch nicht ernsthaft vor, gegen alle Regeln der Para-Kontrolle zu verstoßen?“

„Aber natürlich. Solange das Ganze nur eine Hypothese bleibt, kann ich alles vorschlagen.“

„Sie sind seltsam, aber irgendwie kann ich Sie trotzdem gut leiden. Kommen Sie mit in die Bar?“

„Gern, ich habe mich mittlerweile an den Geschmack der Getränke gewöhnt.“

„Sie trinken keinen Alkohol“, bemerkte Paul.

„Richtig. Mein Metabolismus verträgt ihn nicht besonders gut, obwohl ich ihn durchaus trinken kann. Doch ich gestehe, nach dem ersten Versuch, der fast in einer Katastrophe endete, habe ich nie wieder Alkohol angerührt.“

„Bemerkenswert. Wie äußert sich das bei Ihnen?“

„Eine Art Anfall, mit Gewalt gegen Gegenstände und mich selbst. Ich habe keine anderen Lebewesen angegriffen, da scheine ich eine große Hemmschwelle zu besitzen.“

„Auch das ist bemerkenswert“, meinte Paul. „Man sagt den Chrorr nach, dass sie selbst heute noch auf Leben und Tod in der Arena kämpfen. Wurden Sie konditioniert, um das Aggressionspotenzial zu senken?“

„Nein. Sehen Sie, mein Vater ist Mensch, und offenbar existiert in seinen Genen diese Hemmung. Ich bin froh darüber, denn dieser Anfall nach dem Alkohol hat mich sehr erschreckt.“

Während der kurzen Unterhaltung waren die beiden Männer wieder auf dem Zocalo angekommen. Rraugh blieb vor einem Laden stehen, in dem allerlei Souvenirs und Geschenkartikel angeboten wurden. Er deutete auf eine breite schwere Halskette aus massivem Gold von der Erde, die einen recht stolzen Preis trug.

„An der Bar hängt unter anderem ein Foto mit einem Mann, der eine solche Kette trug. Die Wahrscheinlichkeit von zwei solcher Schmuckstücke an diesem Ort ist eher gering. Oder sollte ich mich da irren?“

„Sie sind ein ausgesprochen guter Beobachter, Cornell. Gehören Sie zu einer Prüfungskommission?“ Wieder einmal versuchte Paul herauszubekommen, was den Alien hierher verschlagen hatte und welcher Aufgabe er nachging. Angesichts seiner Sicherheitseinstufungen musste er in der irdischen Militärhierarchie hoch stehen, doch weder Alexa Dexter noch Paul Meyers hatten bisher eine Antwort auf diese Fragen bekommen.

Rraugh lachte. „Sie geben nicht auf, nein?“

„Warum sollte ich? Mittlerweile betrachte ich das Ganze als kleinen Wettbewerb, immer unter der Voraussetzung, dass Sie es zugeben, wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege.“

„Wir werden sehen“, blieb Cornell auch weiterhin ausweichend. „Kommen wir zum Thema zurück. Sie kennen das Schmuckstück? Wem hat es gehört? Musste der Mann es verkaufen, um hier wieder wegzukommen? Der hier angezeigte Preis ist mehr als stolz, aber dennoch annähernd angemessen. Der Besitzer dürfte also genug Geld bekommen haben, um einen Weiterflug zu bezahlen.“

„Das ist eine lange Geschichte“, meinte Paul. „Der Besitzer dieser Kette brauchte keinen Rückflug mehr, wohin auch immer.“

Das Last Vision war auch zu dieser frühen Stunde gut besucht, wie Cornell Rraugh feststellte. Einige der Gäste erkannte er, doch das Publikum wechselte hier rasch. Mit jedem neuen Schiff kamen andere Lebewesen an, und die vier großen Andockbuchten waren ständig belegt, die kleinen Docks für Raumjachten hatten ebenfalls einen raschen Umschlag vorzuweisen. Die Dockarbeiter hatten jeden Tag aufs Neue eine Menge Arbeit, die Ladungen mussten schnell gelöscht werden, für viele Güter war Outer Circle aber auch nur Zwischenstation, die Waren wurden aufgeteilt und neu an Bord anderer Frachter vertäut. Alle diese Waren brachten der Station eine Menge an Einnahmen, von denen die Kosten für S 7 bezahlt wurden. Dazu zählten nicht nur der Betrieb und die Versorgung, sondern auch der Sold der militärischen Besatzung und die Forschungen, die in den Labors in 1 Tief durchgeführt wurden. Die Forschungen waren häufig die Grundlagen für die Entwicklung und Bereitstellung von Medikamenten und chemischen Produkten und brachten ebenfalls Einnahmen.

Doch zunächst mussten die Gelder vorgestreckt werden, seien es nun Material, Personal oder die Bereitstellung der Räumlichkeiten. Outer Circle war autark und lieferte sogar bemerkenswerte Geldmittel an die Regierung ab, damit konnte Alexa Dexter zufrieden sein. Trotzdem wurde seit gut einem halben Jahr der Druck aus dem Ministerium größer, die Einnahmen zu steigern. Auf der Erde wurde Geld gebraucht, und die Station war im übertragenen Sinne eine ertragreiche Milchkuh, die man kräftig melken konnte. Die Vorhaltungen der Kommandantin, dass man die Preisschraube nicht einfach nach oben drehen konnte, blieben unbeachtet. Der Minister verlangte stattdessen allen Ernstes, dass dann auf der Station selbst gespart werden musste. Es kam immer wieder zu harten Diskussionen, bei denen Alexa versuchte, Vernunft in die ganze Sache zu bringen. Sie bekam jedoch weitere Auflagen, die sie zu erfüllen hatte. Natürlich hatte sie auch mit Paul vertraulich darüber gesprochen. Er war nicht nur klug und lebenserfahren, er war auch Geschäftsmann, der Wirtschaftsberechnungen vornehmen konnte.

Paul war mit seinen Gedanken abgeglitten, und Cornell Rraugh hatte ruhig da gestanden und geduldig abgewartet, bis der Blick aus weiter Ferne zurückkehrte.

„Ich nehme mal an, besagter Besitzer der Kette hat das Zeitliche gesegnet“, setzte er das Gespräch fort, als habe es nie eine Unterbrechung gegeben.

„Richtig.“

„Wollen Sie mir die Geschichte erzählen?“

„Ach, warum eigentlich nicht? Die Story hat auf jeden Fall den Vorteil, dass sie wahr ist.“

„Was ist schon Wahrheit?“, meinte Rraugh abfällig. „Es handelt sich dabei in der Regel um die Aufzählung einiger Tatsachen, die durch einen sehr subjektiven Blickwinkel in einen persönlichen Kontext gezwungen werden.“

„Philosophischer Tiefgang für eine relativ harmlose Geschichte? Sie überraschen mich, Cornell. Aber ich bitte noch um etwas Geduld, hier wartet noch eine Menge Arbeit auf mich, doch ich denke, gegen Abend können wir uns zusammensetzen.“

„Sicher, Paul, ich richte mich da gern nach Ihnen.“ Rraugh schlenderte davon. Paul Meyers hatte tatsächlich noch einiges zu tun, und er zog sich dafür in seine eigenen Räumlichkeiten zurück. Er musste Bestellungen und Lieferungen überprüfen, schließlich benötigte das Last Vision eine Vielzahl an Produkten, um für jede Rasse die gewünschten Drinks oder Snacks bereitzustellen. Es gab nicht einen Händler, der alles vorrätig hatte, insgesamt waren es sechs Lieferanten, die allerdings auch exotische Zutaten wie zum Beispiel eingelegte Augen voltrovianischer Werwölfe oder noch lebende Springkakerlaken heranbrachten, eine wichtige Zutat für die Salate der Jugowiden.

Paul hatte günstige Lieferverträge ausgehandelt. Ihm war klar, dass die Preise steigen würden, sobald Alexa dem Druck nachgeben und die Gebühren anheben musste. Dadurch entstand der übliche Teufelskreis, denn auch die Restaurants und Geschäfte auf dem Zocalo würden ihre Preise erhöhen, damit kamen zunächst weniger Kunden, die Umsätze gingen zurück, und es bestand die Gefahr einer zwangsweisen Schließung, weil schließlich Gehälter und Mieten nicht mehr gezahlt werden konnten.

All das hatte die Kommandantin dem Ministerium bereits mehrmals erklärt, hatte aber kein Gehör gefunden.

Paul verglich die Lieferungen, die mit dem Passagierraumer als „Diplomatenfracht“ angekommen waren, und nickte zufrieden. Zigarren und echter sechzehn Jahre alter Whisky von der Erde und ein paar besondere Fischkonserven für Pauls eigenen Gebrauch.

Auch unter dem Deckmantel des Diplomatengepäcks kostete der Transport dieser Spezialitäten ein kleines Vermögen, und doch wurde in der Bar fast jeder Preis akzeptiert, was vielleicht auch daran lag, dass Meyers diese Extras nicht jedem Gast zukommen ließ.

Nachdem er hier alles überprüft hatte, führte er einige Gespräche mit verschiedenen Künstlern. Von Zeit zu Zeit musste er ein neues Programm auf der Bühne aufführen lassen. Die Zusammenstellung und Auswahl musste dem Geschmack des Publikums entsprechen, außerdem brauchte Meyers auf jeden Fall eine besondere Attraktion, so wie jetzt die tanzende Krakenfrau. Er würde den Kontrakt mit ihr gern verlängern, benötigte aber dennoch einen weiteren Spitzen-Akt. Durch Zufall fiel ihm eine Bewerbung in die Hände.

Eine Menschenfrau bot ein Retro-Programm an, das ihm gefiel. Ein aufreizender Tanz in einem übergroßen Champagnerglas, dazu kam ebenfalls irdische Musik, die unterschwellige Botschaften auszustrahlen schien. Der Bolero von Ravel galt intergalaktisch als universelles Musikstück, hatte im Zusammenhang mit einem erotischen Tanz jedoch eine fast hypnotische Wirkung. Paul akzeptierte das Honorar, er hätte auch mehr gezahlt, aber das sagte er natürlich nicht.

Etwas widerwillig ging er anschließend daran, die Einnahmen und Ausgaben abzugleichen und in das Steuerprogramm der irdischen Zentralregierung einzugeben. Die fällige Steuer wurde sofort berechnet, wobei Paul einen geringeren Steuersatz bezahlen musste als ein vergleichbares Lokal auf der Erde. Damit wurde den schweren Bedingungen Rechnung getragen, unter denen die Bar hier draußen im Weltraum betrieben wurde. Meyers fand trotzdem, dass er ziemlich hohe Abgaben leisten musste, aber wahrscheinlich dachte jeder andere Bürger genauso. Das Geld wurde automatisch von seinem Konto abgezogen, die Banken waren galaxisweit untereinander vernetzt, sodass jedes Konto von jedem Punkt der Milchstraße aus benutzt werden konnte.

Nachdenklich starrte Paul auf den Monitor, bis die Zahlen vor seinen Augen tanzten.

„Fühlst du dich nicht wohl? Hast du noch immer Probleme mit der Vergiftung?“, fragte Alexa Dexter überraschend. Sie war ganz normal durch die Tür hereingekommen, sie besaß uneingeschränkte Zugangsberechtigung, doch Paul war so in Gedanken versunken gewesen, dass er sie nicht bemerkt hatte.

Er blickte auf und lächelte sie an. „Wolltest du dich für eine Weile hierher zurückziehen? Dann werde ich dich allein lassen.“

„Soweit kommt es noch“, protestierte sie. „Es ist immerhin dein Apartment, und ich habe nicht vor, dich zu vertreiben. Ganz im Gegenteil, ich bin froh, dass du hier bist.“

Er kniff die Augen zusammen. „Hast du ein Problem?“

„Ja. Mir machen die Mutanten Sorgen. Was wollen die hier? Kein Mutant kommt ohne konkreten Auftrag nach Outer Circle. Wer also hat gleich vier Übersinnliche beauftragt, und was sollen die tun? Du weißt, dass diese Leute ein riesiges Chaos anrichten können. Du hast schon mit ihnen gesprochen, haben sie etwas Konkretes gesagt? Oder gibt es vielleicht Gerüchte, von denen ich noch nichts gehört habe?“

Er hob abwehrend die Hand. „Ich habe nichts erfahren, Alexa, und Gerüchte gibt es immer, die kann doch niemand ernst nehmen.“

Er sprach nicht von seinen Befürchtungen bezüglich eines Zuchtprogramms. Wahrscheinlich war auch das nur ein unhaltbares Gerücht.

Paul hatte noch nicht daran gedacht, dass es einen Auftrag mit einem konkreten Plan geben könnte. Aber Alexa war aufmerksam, sie kannte ihn lange und gut, sie spürte, dass da noch etwas war.

„Du hast also doch etwas gehört?“, hakte sie nach.

„Es geht die Rede, dass die Zentralregierung die Mutanten gezielt ausnutzen will, um den Supermutanten zu erschaffen.“

„Genetische Auslese? Auch gegen den Willen der Betroffenen? Das halte ich dann doch für unwahrscheinlich. Paul, wir leben doch nicht in einer Diktatur. Jeder Mensch hat seine persönlichen Rechte, und das gilt für Mutanten ebenso wie für körperlich oder geistig Behinderte. Die Menschenrechte sollen sogar für Politiker gelten, obwohl es Leute gibt, die deren Menschlichkeit bezweifeln.“

„Wer ist hier eigentlich der Zyniker?“, entfuhr es ihm, und er grinste. „Du hast natürlich recht mit deinen Einwänden. Ich sagte ja, es handelt sich um Gerüchte. Es wäre ein ziemlicher Einschnitt in die Verfassung nötig, alles andere wäre illegal.“

Sie seufzte. „Ich fürchte, das wäre das kleinste Problem. Also gut, ich will dich nicht länger aufhalten, du hast sicher noch einiges zu tun – und ich vermutlich auch.“

Er küsste sie zärtlich, und sie erwiderte die Liebkosungen leidenschaftlich, dann löste sie sich mit einem Ruck von ihm.

„Und führe mich nicht in Versuchung …“

„Warum eigentlich nicht?“, fragte er herausfordernd und streichelte sanft ihre Brüste.

„Weil ich … Ach, ganz einfach, ich bin im Dienst.“

„Du bist immer im Dienst, und das hat uns noch nie an irgendetwas gehindert“, stellte er fest. „Nun gut, ich werde also versuchen, etwas mehr herauszufinden über die Mutanten, aber mach dir nicht zu viele Hoffnungen. Ich bezweifle, dass sie mir etwas erzählen werden.“

„Zum Hoffnungen machen habe ich ohnehin keine Zeit.“ Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und huschte hinaus.

Zweites Kapitel: Vertrauliche Gespräche

„Generalmajor, ich melde, die Bergbauschiffe sind im Anflug und werden in etwa sechs Stunden die Station erreichen“, sagte Leutnant van Heel, der Adjutant des kommandierenden Offiziers der Schwarzen Division an Bord der Raumstation S 7.

Generalmajor Columban von Harthausen seufzte. Seiner Meinung nach ging der Generalstab in dieser Angelegenheit zu schnell vor. Er hatte seinen Bericht über das Gespräch mit der Matriarchin von Tandor III abgeschickt und insgeheim darauf gehofft, dass man von dort aus zunächst eine diplomatische Delegation schickte, die sich um etwas Verständnis bemühte und vielleicht ein Stillhalteabkommen erzielen konnte. Columban fürchtete ernsthafte Schwierigkeiten, seit er gesehen hatte, über welche Kräfte die Tandorer verfügten. Es war ihnen gelungen, auf dem Unterhaltungsdeck von Outer Circle, dem Zocalo, eine Beschwörung ihrer sogenannten Weltenmutter vorzunehmen. Die Folgen waren erstaunlich und bestürzend. Eine Eruption aus dem Nichts hatte stattgefunden, Steine und Lava hatten sich gebildet, das Chaos war unübersehbar geworden, und doch hatte sich die Lage dank der Disziplin an Bord erstaunlich schnell wieder beruhigt.

Von Harthausen schätzte nun allerdings die Tandorer und ihren Glauben als gefährlich ein. Offenbar teilte der Generalstab diese Bedenken nicht. „Ich werde mit dem Kommandanten der Minenmannschaft reden, allerdings will ich nicht, dass die Schiffe hier an der Station andocken. Sie sollen in respektvoller Entfernung halten und auf neue Befehle von mir warten. Bis dahin lassen Sie für mich einen Silverfighter fertig machen, Leutnant. Noch eines, ich will nicht, dass innerhalb der Schwarzen Division Gerüchte die Runde machen. Sie werden kein Wort über die Ankunft der Schiffe verlieren.“

„Aber es ist doch kein Geheimnis, welche Schiffe sich der Station nähern“, widersprach van Heel, ein meist gehorsamer und humorloser Offizier, vorsichtig.

Columban runzelte die Stirn. „Habe ich mich an irgendeiner Stelle unklar ausgedrückt, Leutnant? Die Kommandantin der Station weiß um den Begriff Vertraulichkeit, die Ankunft der Bergbauschiffe wird keinesfalls publik gemacht. Sie hingegen könnten eine Auffrischung in Bezug auf den Befehlsempfang vertragen.“

Der Adjutant, der bis zur Ankunft des Generalmajors ein enger Vertrauter von Generaloberst Weishaupt gewesen war, wurde blass.

„Auch mir ist der Begriff Vertraulichkeit nicht fremd“, erklärte er steif.

„Dann halten Sie sich daran. Ich will nicht jeden meiner Befehle mit Ihnen diskutieren.“ Columban bereute es mittlerweile, dass er den Leutnant auf seinem Posten belassen hatte. Zum damaligen Zeitpunkt wäre eine Abberufung einer Degradierung gleichgekommen, das wollte er van Heel nicht antun – noch nicht. Mürrisch führte der Adjutant die Befehle aus, dann führte er sein persönliches Tagebuch weiter, das er zu einem späteren Zeitpunkt an Generaloberst Weishaupt absenden wollte. Van Heel war ein fantasie- und humorloser Mann, der sich bestens darauf verstand, präzise formulierte Befehle auszuführen. Als Kommandeur wäre er eine Katastrophe, von Harthausen nahm sich vor, im Generalrat dafür zu sorgen, dass dieser Mann in der Hierarchie nicht weiter aufsteigen konnte.

Es war noch viel Zeit, bis er mit einem der kleinen Raumschiffe zu den Neuankömmlingen hinausfliegen würde. Er musste dem Kommandanten der Bergbaumannschaft genaue Instruktionen geben, die letztendlich helfen würden, das Verhältnis zu den Tandorern wie auch zu dem Planeten selbst erträglich zu gestalten.

Die Matriarchin hatte dem Generalmajor unmissverständlich klargemacht, dass Bergbau und damit die Ausbeutung des Planeten in keiner Weise toleriert werden würde. Mit Sabotage und Anschlägen auf die Besatzung der Minenschiffe war demnach zu rechnen. Es war Aufgabe der Schwarzen Division, die Sicherheit zu gewährleisten und die Urheber möglicher Anschläge aufzuspüren. Am besten wäre es natürlich, gäbe es erst gar keine Zwischenfälle.

Ein dringender Anruf. Noch einmal Caitlin de Valera. Kyria entwickelte sich zum Ärgernis. Wäre das System nicht aus gleich zwei Gründen so überaus wichtig, würde er es mit Vergnügen sich selbst und den Piraten überlassen. Doch noch blieb die Frage nach dem Verräter, den Caitlin in den eigenen Reihen vermutete. Wie sollte man ihn enttarnen? Natürlich konnte man die eingesetzten Agenten abziehen und sogar aus dem Dienst entlassen; doch zum einen würde man dabei auf die nicht beteiligten guten Außendienstler verzichten, zum anderen konnte die Abteilung Operative Kommunikation in keinem Fall Verrat tolerieren.

Columban verwünschte die Tatsache, dass er nicht selbst nach Kyria fliegen und sich um die Angelegenheit kümmern konnte. Die Agenten hierher zu bringen, würde zu viel Zeit kosten und überdies zu noch mehr Unruhe führen.

„Caitlin, man könnte meinen, Sie hätten Sehnsucht nach mir“, erklärte er aufgeräumt, weil er nicht gleich feststellen konnte, ob es sich um eine verschlüsselte Leitung handelte.

„Nun, Sir, ich bin immer dankbar für einen guten Rat von Ihnen, und ein Gespräch kann niemals schaden. Beides halte ich im Augenblick für angeraten. Diese Leitung ist sicher, falls Sie sich deswegen Gedanken machen.“

„Richten Sie Ilja Karpow meine besten Grüße aus, er hat ausgesprochen vorausschauend gehandelt, ein so gut ausgestattetes Schiff zu benutzen.“

„Er hat mitgehört und bedankt sich“, erwiderte die Koordinatorin der Abteilung Operative Kommunikation.

„Also gut, dem Austausch von Höflichkeiten ist genug Zeit gewidmet worden. Was kann ich Ihnen raten, Cate?“

„Ich habe die drei verdächtigen Agenten intensiv ausgefragt, Sir. Außerdem liegen mir die schriftlichen Berichte vor, von denen einige mit Sicherheit Disziplinarstrafen nach sich ziehen werden. Aber nichts deutet im Geringsten daraufhin, wer der Verräter ist. Im Augenblick weiß ich nicht weiter.“

Sie bemerkte das verhaltene Schmunzeln bei ihrem Vorgesetzten. War die Sache nicht viel zu ernst, um sich darüber zu amüsieren? Nun, niemand konnte Generalmajor von Harthausen in irgendeiner Form Leichtfertigkeit unterstellen. Der amüsierte sich eher über ihre offen zur Schau getragene Wut.

„Je mehr man sich in eine Sache verbeißt, um so schneller übersieht man das Naheliegende oder gar eine Lösung“, gab er zu bedenken.

„Wie soll ich das verstehen, Sir?“, fragte sie etwas verwirrt.

„Ach, Cate, liegt das nicht auf der Hand? Beschäftigen Sie sich mit etwas anderen. Lenken Sie sich von diesem Problem ab und suchen Sie sich ein anderes, wir haben schließlich noch genug davon. Ich bin überzeugt, dass Ihnen dann ganz plötzlich eine Erleuchtung kommt.“

Sie verzog das Gesicht. „Ein vermutlich kluger Ratschlag.“

„Sie glauben mir nicht, Caitlin de Valera?“

„Sagen wir, ich bin nicht überzeugt.“

„Wie kann eine so kluge und intelligente Frau nur so verbohrt sein?“ Noch immer zeigte er leichte Amüsiertheit.

„Ich bin nicht verbohrt“, fuhr sie auf. „Einer von diesen Kerlen hat das gesamte psychologische Personal und mich an der Nase herumgeführt. Das schreit nach Aufklärung.“

„Sie nehmen die Sache sehr persönlich, das ist meiner Koordinatorin nicht würdig“, bemerkte er. Sein Tonfall hatte sich verschärft.

Caitlin schluckte und senkte den Kopf. „Damit haben Sie wohl recht, Sir. Es tut mir leid, ich habe mich hinreißen lassen. Mit Sicherheit haben Sie recht. Gestatten Sie mir, Generaloberst Weishaupt das Kyria-System zu übergeben, während ich die Agenten ins Center bringe?“

„Das ist fürs Erste ein guter Vorschlag“, stimmte von Harthausen zu. „Ich gehe davon aus, dass Rufus Mendelssohn nicht einfach aufgeben wird. Es dürfte sinnvoll sein, die Kampfschiffe vor Ort zu belassen und neben den Reparatureinheiten auf Verstärkung zu warten. Generaloberst Weishaupt wird selbstständig entscheiden können, wie stark die militärische Absicherung sein sollte.“ Columban spürte, dass Caitlin de Valera noch etwas bewegte, aber nicht zu fragen wagte. Er ahnte, um was es sich handelte, schließlich hatte er keinen Dummkopf an diese Position gesetzt.

„Was ist es, Cate? Ihnen brennt doch etwas auf der Seele.“

Sie zeigte ein schräges Lächeln. „Warum ist es plötzlich so wichtig, Kyria zu besetzen? Ja, ich weiß, wir hatten bereits vor längerer Zeit die Agenten eingeschleust, der Plan lag also längst auf dem Tisch. Doch der Generaloberst war bereits auf dem Weg, das System militärisch zu übernehmen. Erst kurz zuvor wurde auch Tandor eingegliedert, und ich habe von Bestrebungen gehört, zwei weitere Systeme zu erobern. Das alles in sehr kurzer Zeit, Generalmajor. Außerdem gibt es Gerüchte, dass die Mutanten auf der Erde …“

Von Harthausen hob abrupt die Hand. „Genug jetzt, Caitlin. Sie gehören zu meinem engsten Stab, daher darf ich Ihnen einige Informationen zukommen lassen, aber ich erwarte, dass Sie danach kein Wort mehr darüber verlieren, bis die Sache wirklich spruchreif ist.“

„Seit wann reden wir über Selbstverständlichkeiten, Sir?“, fragte sie spröde.

„Seit diese Dinge in einem großen Zusammenhang zu sehen sind. Die Erdregierung hat beschlossen – selbstverständlich mit freundlicher Unterstützung unseres Generalrats –, die Expansionsbestrebungen beschleunigt voranzutreiben. Die Aliens breiten sich ungehemmt aus und sollten an die ihnen zustehenden Plätze verwiesen werden. Dazu ist es notwendig, die wichtigen Knotenpunkte in der Galaxis zu kontrollieren, die Wurmlöcher. Die Erde braucht neue Raumschiffe, ebenso wie der Orden. Dafür werden Rohstoffe benötigt, viele Rohstoffe.“

„Es wird Krieg geben“, wandte Caitlin sachlich ein. „Die Aliens werden nicht einfach zurückweichen.“

„Richtig, deshalb ist es umso wichtiger, dass wir die Wurmlöcher als Raumstraßen kontrollieren, sie dürfen keinesfalls weiterhin von jedermann ohne Kontrolle genutzt werden. Wir, der Orden, müssen die Kontrolle ausüben, ganz besonders dort, wo sich die Raumstraßen kreuzen. Außerdem sieht es aus, als könnten Wurmlöcher mit Verwerfungen auch anderweitig genutzt werden. Einige unserer Wissenschaftler glauben, sie könnten die Löcher programmieren.“

„Programmieren?“ De Valeras Gesicht war ein einziges Fragezeichen.

„Der Austrittspunkt kann unter Umständen durch technische Einrichtungen verändert werden“, gab Columban eines der größten Ordensgeheimnisse preis.

Caitlin schluckte. Sollte das wahr sein, konnte das die Eroberung der Galaxis auf eine völlig neue Stufe stellen. „Ich verstehe, Sir“, sagte sie mit rauer Stimme und sah stark beeindruckt aus. „Demnach ist es eine dringende Notwendigkeit, nicht nur Kyria unter unsere Aufsicht zu bringen, und auf S 7 sitzen Sie persönlich damit an einer höchst exponierten Stelle. Wird die Schwarze Division mit den Starwatch-Fliegern ausreichen, um das Wurmloch und Tandor zu halten?“

„Vorerst ja, denke ich. Deshalb muss die Geheimhaltung auch noch aufrechterhalten bleiben. Sollte Oberst Dexter davon erfahren, wäre das bereits eine Katastrophe. Natürlich würde sie sich zunächst mit dem Oberkommando in Verbindung setzen. Doch selbst ein Maulkorb von dort könnte nur bewirken, dass sie entgegen aller Regeln an die Öffentlichkeit geht – ohne Rücksicht auf ihre Karriere. Oberst Dexter ist der Menschheit gegenüber loyal – nicht unbedingt der Regierung –, aber leider teilt sie nicht unsere Ansichten über die Vorherrschaft der Menschen in der Galaxis, sie wird auch unsere Ziele nicht unterstützen. Irrigerweise glaubt sie an eine Daseinsberechtigung und Gleichwertigkeit aller galaktischen Völker. Sie behandelt Aliens genauso wie Menschen.“

„Eine wirklich absurde Ansicht“, bestätigte de Valera. „Darf ich noch fragen, in welchem Zeitrahmen diese Übernahmen der Wurmlöcher geplant sind? Handelt es sich dabei um eine konzertierte Aktion? Das wäre klug, denn die Aliens könnten sonst auf die Idee kommen …“

„Genug, Caitlin. Sie wissen schon jetzt mehr, als Sie eigentlich sollten. Kümmern Sie sich um Ihre Aufgaben. Sollte es Ihnen nicht gelingen, den Verräter zu enttarnen, werde ich mich später darum kümmern müssen. Allerdings bin ich der Ansicht, Sie werden das schaffen.“

„Ich werde jedenfalls mein Bestes tun, Sir, danke für das Vertrauen.“

Columban schaltete die Verbindung ab und fragte sich, ob es klug gewesen war, Caitlin einzuweihen. Innerhalb des Generalrats und des militärischen Oberkommandos der Erde, wie auch in engen Regierungskreisen, war der Plan mit der höchsten Geheimhaltungsstufe gesperrt worden. Die genaue Ausarbeitung der Expansion hatte neben den Ideen von Harthausens auch in den Händen erfahrener Strategen gelegen. Trotzdem gab es einige Unwägbarkeiten, eine davon war mittlerweile Tandor III.

Die Produktion von Raumschiffen erforderte maßlos viele Rohstoffe, der Bau neuer Einheiten war längst in vollem Gange, allerdings auf einem geheimen Planeten. Wie lange die Geheimhaltung noch aufrecht erhalten werden konnte, war fraglich, denn die ungeheuren Mengen, die mit Raumschiffen angeliefert wurden, mussten früher oder später andere Raumfahrer aufmerksam machen. Wären alle normalen Werften belegt worden, hätten längst Gerüchte die Runde gemacht. Doch die Planungen erstreckten sich bereits über viele Jahre.

In einem unbewohnten System waren alle technischen Anlagen aus dem Boden gestampft worden, die zur Massenproduktion von Kampfschiffen notwendig waren. Nach und nach hatte man die Anzahl der Ordensritter aufgestockt, um die Schiffe ausreichend zu bemannen. So gab es neben den Fabriken und Werften auch Kasernen, in denen die zukünftigen Raumsoldaten und Kommandeure ausgebildet und auf den Ordensgeist gedrillt wurden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Expansion offen ausgeführt werden konnte.

Das alles war trotzdem Zukunftsmusik. Im Augenblick machte Tandor III dem Generalmajor die größeren Sorgen. Dieses Volk war so völlig anders als alle anderen Aliens, dass man ihnen alles und nichts zutrauen konnte.

Die Minenschiffe mussten demnach alle Vorsicht walten lassen. Spontan beschloss von Harthausen, die Patrona noch einmal aufzusuchen und die Ankunft sowie den Aufbau der Bergbauschiffe vor Ort zu überwachen. Vier Schiffe von Starwatch sollten die Absicherung aus dem All übernehmen. Die wirkliche Gefahr kam jedoch aus dem Inneren des Systems selbst.

*

„Harry, ich denke, Sie sollten nach der Landung an Bord bleiben“, befahl Columban von Harthausen. Er hatte Leutnant Richter angefordert, um erneut einen Besuch auf Tandor III zu unternehmen. Noch befanden sich die beiden jedoch an Bord von Outer Circle, wo sie das geplante Vorgehen besprechen wollten.

„Sie wollen ganz allein zur Patrona gehen, Sir? Das kann ich nicht zulassen. Sie sind eine wichtige Persönlichkeit, das Risiko ist viel zu groß, dass Ihnen etwas zustößt“, widersprach Leutnant Henriette Richter, Kampfpilotin der Schwarzen Division und die einzige Begleitung für den Generalmajor.

Columban fürchtete nicht, dass ihm bei der Matriarchin der Tandorer etwas passieren könnte. Doch der Planet selbst war unberechenbar, wie er bei seinem ersten Besuch erlebt hatte. Um von vornherein deutlich zu machen, dass sein Besuch bei der Patrona friedliebender Natur war, wollte er allein mit Harry Richter landen und den Regierungssitz ganz allein aufsuchen. Dem widersprach Richter ganz energisch. Mindestens sechs Schiffe der Starwatch flogen jedoch im Weltall Patrouille, bei hoffentlich nicht auftauchenden Schwierigkeiten konnten sie sofort eingreifen. Columban zerbrach sich nicht den Kopf darüber, wo und wie die Schiffe helfen konnten, wenn sich der Planet selbst gegen die Eindringlinge wehrte.

Der Blick des Generalmajors streifte die aktuellen Meldungen der Station, dann stutzte er. „Mutanten sind an Bord?“, fragte ärgerlich. „Diese genetischen Missgeburten haben uns hier noch gefehlt. Warum erfahre ich das jetzt erst? Ich hätte der Landung von vornherein widersprochen.“

Der Generalmajor verabscheute die Mutanten, ganz besonders die menschlichen. Obwohl ihre Fähigkeiten vielleicht bei einigen Einsätzen von Vorteil wären, würde der Raumritterorden ihre Mitarbeit niemals gestatten. Genetische Fehler mussten ausgemerzt werden, am besten sogar noch vor der Geburt. Doch die Bestrebungen des Ordens, jeden Fötus auf derartige genetische Fehler zu untersuchen, war abgeschmettert worden.

Die Regierung selbst benutzte die geistigen Krüppel für eigene Zwecke, nachdem ein strenges Para-Gesetz erlassen worden war. Was taten Mutanten nun an Bord dieser Station? Stand ein Einsatz bevor, den die Regierung ohne die Schwarze Division unternehmen wollte? Nun, darüber würde man ihm sicherlich nichts sagen. Von der Erde hatte es bislang auch keine Nachricht dazu gegeben. Und doch – Alexa Dexter war eine kluge, verständige Frau. Sie würde diese Krüppel sicher nicht willkommen heißen …

Obwohl ihm die Zeit doch etwas knapp wurde, rief von Harthausen die Kommandantin der Station an und erhielt eine freundliche Abfuhr.

„Ich kann dazu nichts sagen, Columban. Die Mutanten sind freie Bürger der Erde und haben wie alle anderen auch das Recht, sich hier aufzuhalten. Solange keiner von ihnen gegen die Para-Vorschriften verstößt oder ein Befehl von der Erde eintrifft, sehe ich keinen Grund, um einzugreifen. Sie sollten es ebenso halten, Columban. Ich weiß, wie der Orden über Mutanten denkt, doch Sie sollten sie vorerst ignorieren.“

„Aus welchem Grund sind sie hier? Die fliegen doch nicht aus lauter Spaß in der Gegend herum.“

„Ich sagte schon, ich weiß es nicht, deshalb kann ich diese Frage nicht beantworten.“

„Informieren Sie mich bitte, sobald Sie etwas erfahren“, knurrte er unzufrieden.

Alexa zog die Augenbrauen hoch. „Ich bin nicht Ihre Untergebene.“

Von Harthausen beherrschte sich und zeigte eine reumütige Miene. „Sie haben natürlich recht, Alexa, entschuldigen Sie bitte“, brachte er lahm hervor.

Sie ging nicht darauf ein. „Die Mutanten müssen sich nicht einmal bei mir melden“, erklärte sie. „Dem Gesetz ist Genüge getan, indem sie ihre Anwesenheit angekündigt haben. Ein Grund muss nicht angegeben werden, es sei denn, es handelt sich um einen offiziellen Auftrag. Ganz sicher ist die Schwarze Division nicht davon betroffen, Columban. Noch einmal, ignorieren Sie die Übersinnlichen, beschwören Sie keinen Skandal herauf. Der Orden hat hier keine Sonderrechte, und eine Verfolgung oder ein Angriff auf die Mutanten müsste von mir geahndet werden.“

„Sie würden doch nicht gegen den Orden Anklage erheben?“, fragte er ungläubig.

„Ich müsste es jedenfalls versuchen. Wobei ich fürchte, dass jede Anklage niedergeschlagen wird. Machen Sie mir das Leben nicht schwerer als notwendig. Ich persönlich empfinde Ihre offen vorgetragene Abneigung als erschreckend.“

Von Harthausen zeigte nicht, ob er von diesen Worten getroffen war. „Sie haben jedes Recht auf eine eigene Meinung, Alexa. Ich werde versuchen, über diese Anwesenheit der genetischen Missgeburten hinwegzusehen. Sollte allerdings auch nur der geringste Vorfall geschehen, in den die geistigen Krüppel verwickelt sind, werde ich keine Zurückhaltung mehr kennen.“

„Ich habe verstanden, Generalmajor“, erwiderte Deuter kühl und schaltete ab.

Bis zum Eintreffen der Minenschiffe dauerte es noch mehr als fünf Stunden, hoffentlich Zeit genug, um einen kurzen Besuch auf Tandor III zu machen.

Drittes Kapitel: Vermittlungsversuche

Für Paul wurde es wieder Zeit, die Bar aufzusuchen. Am Eingang standen einige Besucher, die offenbar auf freie Plätze warteten. Um diese Uhrzeit? 20:00 Uhr Erdstandardzeit, das war im Allgemeinen die Ruhe vor dem Sturm.

Paul drängelte sich höflich durch die Menge und sah die beiden Houkies am Eingang stehen.

„Was ist hier los? Haben wir keinen Platz mehr im Last Vision?“, wollte er wissen.

„Stephen hat gesagt, wir sollen niemanden hereinlassen.“

Kopfschüttelnd ging Paul an den beiden vorbei und rasch auf die Theke zu. Es herrschte eine seltsame Atmosphäre im Last Vision, und Paul erkannte endlich auch, woran das lag. Ein Überraschungsbesuch des Ministers für Galaktische Angelegenheiten, Manuel da Lorca. Er musste mit einer Privatjacht gekommen sein, sonst wäre das regierungseigene Schiff offiziell gemeldet worden.

Damian Carter hatte in aller Eile seine Sicherheitsleute neu eingeteilt und sorgte so für die Sicherheit des prominenten Besuchers. Die Miene zeigte allerdings deutlich, was der Albino von diesem Besuch hielt.

Die Vorliebe von Manuel da Lorca für gut gemixte, exotische Getränke war allgemein bekannt, so war das Last Vision die richtige Anlaufstelle. Außerdem war hier die Bewachung relativ einfach durchzuführen, auch wenn ein Attentat nicht befürchtet werden musste.

Außer dem Minister, seinem zahlreichen Anhang und dem Sicherheitsdienst gab es keine weiteren Gäste in der Bar. Paul hoffte, dass der Umsatz ihn wenigstens ein bisschen dafür entschädigte, vorerst keine anderen Gäste bewirten zu können. Im Allgemeinen hatte er sich bisher nicht beklagen können, und das würde vermutlich auch heute nicht anders sein. Trotzdem war Meyers froh, wenn sich dieser Besuch nicht lange ausdehnte. Auch andere Lebewesen hatten ein Recht auf Unterhaltung und Getränke.

Manuel da Lorca war ein Mann in den Sechzigern, hochgewachsen und kerzengerade. Sein schmales Gesicht besaß ein scharfes Profil mit einer hervorstechenden Adlernase und unglaublich blauen Augen. Er wirkte absolut seriös und war das bei Verhandlungen und Befehlserteilung meistens auch. Doch er trank gern exotische Getränke mit dem gewissen Etwas, ohne deswegen Alkoholiker zu sein; dennoch war er einem Rausch nicht abgeneigt. Der Minister für Galaktische Angelegenheiten kümmerte sich im Normalfall nicht um die Stationen. Solange die Einnahmen regelmäßig flossen und die Beschwerden von „wichtigen Persönlichkeiten“, nicht überhandnahmen, redete er Oberst Dexter nicht in die Arbeit hinein.

In Pauls Gedanken schrillten jedoch sämtliche Alarmglocken. Vier Mutanten an Bord, der Druck auf Alexa, Mehreinnahmen zu erzielen, und der Minister auf einem unangemeldeten Besuch – das waren ein paar Zufälle zu viel. Hatte vielleicht auch noch Cornell Rraugh etwas damit zu tun? Der Halbmensch hütete seine Geheimnisse auch weiterhin, aber Manuel da Lorca war sein oberster Vorgesetzter, egal, aus welcher Abteilung man Rraugh geschickt hatte.

Paul zauberte ein freundliches Lächeln auf sein Gesicht und streckte die Hand aus.

„Herr Minister, welch ein seltener Besuch. Ich freue mich, Sie hier auf Outer Circle zu begrüßen.“

Meyers wurde hart am Arm herumgerissen, er blickte in zwei harte kalte Augenpaare.

„He, was soll das?“, protestierte er.

Da Lorca winkte seine Leibwächter unwillig zurück. „Lasst ihn los. Ich kenne Paul Meyers schon seit fast zwanzig Jahren, er ist bestimmt kein Attentäter. Ihr solltet nicht übertreiben.“

„Der Premierminister hat angeordnet, dass Sie unter allen Umständen zu schützen sind“, beharrte einer der beiden Männer.

„Ja, schon gut. – Paul, das tut mir leid, diese … äh … Herren sind etwas zu voreilig.“

Die beiden so ungleichen Männer reichten sich die Hand, und Meyers spürte eine starke innere Anspannung bei dem anderen.

„Kann ich Ihnen etwas Besonderes anbieten?“, fragte er.

Der Minister kniff die Augen zusammen. „Sie haben mal einen großartigen Cocktail in allen Farben des Regenbogens gemixt. So einen hätte ich gern noch mal. Außerdem würde ich gerne ein paar Worte mit meinem Freund Paul Meyers reden“, fügte er leiser hinzu und wechselte zum Vertraulichen.

„Die ganze Bar steht zu unserer Verfügung. Du kannst dir also aussuchen, wo wir uns hinsetzen und reden. Die Bildübertragung kann ich leider nicht ausschalten, doch wir werden nicht abgehört, das garantiere ich.“ Paul ging ebenfalls zum vertrauten Du über, das die beiden nur in privaten Situationen benutzten.

„Dann lass uns doch einfach hier an der Bar bleiben.“ Manuel wandte sich an seine Leibwächter. „Ich wünsche für ein paar Minuten nicht gestört und auch nicht bewacht zu werden. Gehen Sie bitte zum Eingangsbereich. Ich bin hier absolut sicher. Das gilt auch für euch“, forderte er seine Mitarbeiter auf, die einige Tische und Sitzgelegenheiten in Beschlag genommen hatten.

„Aber Herr Minister …“, begann eine Frau, verstummte aber sofort, als ein blauer Blitz aus den Augen des Mannes herausschoss. Die Leute entfernten sich.

„Du musst ein ernstes Problem haben“, bemerkte Paul.

„Das ist offensichtlich, nicht wahr? Ich werde dir die Kurzfassung erzählen. Auf direkten Befehl des Premierministers hin muss ich Planungen für eine schlagkräftige und unüberwindbare Mutantentruppe entwickeln. Die verschiedenen Fähigkeiten der Leute sollen gezielt für Kämpfe gegen unterschiedliche Gegner eingesetzt werden. Ich habe die starke Vermutung, dass der Raumritterorden in dieser Sache mitspielt, kann es aber nicht beweisen. Die meisten Mutanten sind natürlich nicht bereit, sich als Soldaten auf Abruf zu verpflichten, also musste ihnen viel Geld geboten werden. Geld, das in der Wirtschaftsbilanz der Erde möglichst nicht auftaucht.“

„Und deswegen wurde Oberst Dexter unter Druck gesetzt, die Einnahmen zu steigern“, wandte Paul ein und machte keinen Hehl daraus, dass Alexa ihm davon erzählt hatte. Der Minister kannte die persönliche Verbindung der beiden, sprach aber niemals darüber.

„Richtig, darauf muss ich auch weiterhin bestehen, mir bleibt keine Wahl.“

„Dazu möchte ich dir gleich noch etwas sagen, aber sprich erst einmal weiter.“

„Die Planung lief zunächst im Geheimen, dachte ich. Aber Mutanten lesen auch Gedanken, obwohl es streng verboten ist, doch wir wissen alle, dass man diese Fähigkeiten nicht einfach abschalten kann. Unsere Wissenschaftler behaupten, dass sie besonders starke Gedanken auffangen können, ohne gegen die Regeln zu verstoßen. Zwischen den Mutanten selbst kam es zu Auseinandersetzungen, die eskaliert sind, weil einige der Übersinnlichen behaupten, sie würden gegen ihren Willen eingesetzt. Im Ministerium und auch im Regierungs-Bürogebäude kam es zu schweren Verwüstungen, bevor sich die Gruppe der loyalen Soldaten zusammenfand. Die anderen hingegen legten sofort ihre Arbeit nieder und verschwanden aus der Überwachung. Die Anführer dieser Gruppe sind hier an Bord der Station, so jedenfalls haben es mir meine Informanten gemeldet.“

„Ich nehme an, man hat dich bedroht, sodass du extra gute Leibwächter brauchst? Du hast ein ernstes Problem, Manuel. Du willst es doch nicht etwa auf einen Krieg der Paranormalen ankommen lassen? Wenn ich dich richtig verstehe, wurden die Leute, die nicht gleich eingewilligt haben, ziemlich unter Druck gesetzt. Das halte ich für einen großen Fehler. Solche Sonderkommandos müssen freiwillig sein.“ Paul gab mit keinem Wort und keiner Miene zu erkennen, ob sich die Mutanten tatsächlich hier befanden.

„Du hast ja recht, ich fürchte, ich habe da einen Fehler gemacht“, stöhnte da Lorca.

„Dann würde es mich doch mal interessieren, wofür der Premierminister eine derart schlagkräftige Einsatztruppe benötigt. Die Erde führt keinen Krieg gegen ein galaktisches Volk, und für reine Agententätigkeiten dürften diese Leute wohl etwas zu gut bezahlt werden. Was ist da los?“

„Darüber kann ich dir nichts sagen.“

„Du willst es nicht sagen. In Ordnung, das kann ich besser akzeptieren als eine Lüge. Aber was willst du jetzt eigentlich von mir, Manuel? Wolltest du hier nur deine Sorgen abladen? Dann bist du auf jeden Fall richtig. Einen Rat aber könnte ich dir nicht geben. Meine persönliche Meinung dürfte für die Regierung wohl kaum eine Rolle spielen.“

Ein Lächeln zeigte sich auf dem strengen Gesicht des Ministers. „Du hältst das Sonderkommando für überflüssig, außer für den Fall einer konkreten Bedrohung.“

„Ja, es sei denn, die Erde möchte einen sinnlosen Krieg anzetteln. Dann sag mir nur frühzeitig Bescheid, damit ich diesen exponierten Ort verlassen kann.“

„Harte Worte, aber wahrscheinlich hast du aus deiner Sicht recht. Ich bin nicht hier, um dir meine Sorgen auf den Tisch zu legen – jedenfalls nicht nur. Ich möchte, dass du zwischen den Mutanten und dem Minister, also mir, die Vermittlung übernimmst.“

Meyers schwieg eine Weile, damit hatte er nicht gerechnet.

„Du musst verrückt sein“, sagte er dann langsam.

„Nein, ich bin verzweifelt, aber ich denke pragmatisch. Du bist nicht nur Unbeteiligter, du bist gegenüber den Menschen und der Erde loyal. Nicht gegenüber der Regierung, wie ich weiß. Du genießt dennoch das Vertrauen von beiden Seiten.“

„Glaubst du, mir mit schwammigen Komplimenten zu schmeicheln?“, unterbrach Paul schroff. „Wer sagt dir eigentlich, dass deine Informationen richtig sind?“

„Ich habe einen sicheren Agenten, der sich noch nie getäuscht hat.“

„Cornell Rraugh?“, fragte Paul überraschend schnell.

„Wer?“ Das klang ehrlich. Wusste er nichts von dem Halbmenschen? Wer hatte den dann geschickt? Egal, da Lorca schien es jedenfalls nicht zu sein.

„Cornell Rraugh“, wiederholte Meyers. „Ich dachte, du hättest ihn hierher geschickt, um nach dem Rechten zu sehen.“

„Nein, tut mir leid, der Name sagt mir nichts. Im Übrigen ist mein Agent schon länger hier.“ Auch er schützte seine Geheimnisse und machte nicht einmal eine Andeutung.

„Ich werde darüber nachdenken, Manuel. Ich möchte wissen, welche Konsequenzen sich für mich daraus ergeben. Du musst mir schon genau sagen, was du von mir erwartest, welche Befugnisse ich habe, und was ich den Mutanten anbieten kann und darf.“

„In Ordnung. Wirst du dann heute noch eine Entscheidung treffen? Du verstehst sicher, dass ich schnellstens zurückkehren muss.“

„Falls ich zusage, wird das zu meinen Bedingungen sein, und die lasse ich dich dann wissen.“

Da Lorca wirkte erleichtert. Er hatte seine Bitte vorgebracht und war guter Hoffnung, Erfolg zu haben. „Ich danke dir, dass du dir die Zeit für mich genommen hast.“

„Das gehört zu meinem Beruf“, erklärte Paul lächelnd. Er brachte den Minister bis an die Tür und erhielt einen großzügigen Kreditchip, mit dem er mehr als zufrieden sein konnte. Nun stürmten die Gäste ins Last Vision, Paul wurde mit Fragen gestürmt, verlor aber kein Wort über den unverhofften Besuch.

Es dauerte natürlich nicht lange, bis auch Cornell Rraugh am Tresen stand. Paul hatte nicht vergessen, dass er ihm eine weitere Geschichte erzählen wollte, doch er überlegte, wie er den Halbmenschen dabei zu einigen unbedachten Äußerungen veranlassen konnte. Sein Verdacht, dass es sich bei dem Informanten des Ministeriums um Rraugh handeln könnte, war noch längst nicht ausgeräumt. Aber nein, Cornell war viel zu klug, um auf plumpe Fragen hereinzufallen.

Paul überzeugte sich davon, dass in allen Inseln geordneter Betrieb herrschte und unter den Gästen keine störenden Elemente ihr Unwesen trieben.

„Haben Sie mit dem Minister gesprochen?“, fragte Paul dann in harmlosen Tonfall.

Rraugh blickte belustigt auf den Barbesitzer. „Ich? Wie kommen Sie denn darauf? Ich bin nicht so prominent wie Sie, dass der Minister für Galaktische Angelegenheiten den ganzen Betrieb blockiert, um ein vertrauliches Gespräch zu führen.“

„Sie sind wieder einmal bestens informiert.“

„Die ganze Station spricht von nichts anderem.“

„Dann hoffe ich, dass die Gesprächsthemen bald wieder etwas anderes zum Inhalt haben. Der Minister und ich kennen uns schon sehr lange, da ist es nicht ungewöhnlich, ein paar persönliche Worte zu wechseln.“

„Die Gesprächsthemen hier auf der Station wechseln sehr schnell, habe ich bemerkt.“

„Sie haben sicherlich auch sonst einiges bemerkt, Cornell. Aber nun gut, ich wollte Ihnen etwas erzählen.“ Als wäre es gar nicht anders möglich, wählte er für diese Erzählung eine besondere Musik aus, die seiner Meinung nach extrem gut zu der Geschichte passte. Nur wenig später erfüllten Klavierklänge und eine männliche Stimme von besonderem Ausdruck die Umgebung. Bohemian Rhapsody aus einer längst vergangenen Ära der Erdgeschichte. Die ungewöhnliche Stimme, das bizarre musikalische Arrangement, all das machte den Musiktitel zu einem der unvergleichlichen Klassiker der irdischen Musikgeschichte.

„Es war vor gut einem Jahr, als eine teure Privatjacht hier landete. An Bord befanden sich ein junger menschlicher Mann und zwei hübsche Frauen, denen man jedoch ihr Gewerbe ansehen konnte. Henry Cooper buchte die beste und teuerste Suite inklusive persönlicher Betreuung. Im Restaurant zahlte er die komplette Rechnung für alle Gäste, und schließlich kam er auch hierher. Es war gerade die Zeit einer Verwerfung, und dieses Schauspiel ist natürlich faszinierend, doch Henry interessierte es gar nicht. Er gab eine Lokalrunde nach der anderen aus, und als ich ihn auf die Kosten aufmerksam machte, lachte er mir ins Gesicht. Henry sah verdammt gut aus, gepflegtes Äußeres, teure Kleidung, Schmuck vom Feinsten. Darunter befand sich auch die Kette, auf die Sie aufmerksam geworden sind. Sie ist in der Tat ein kleines Vermögen wert, denn pures Gold von der Erde ist selten. Dabei geht es nicht einmal um das Material allein, sondern um die Kunstfertigkeit der Herstellung. Seine Kette stammte aus einer Zeit auf der Erde, die im russischen Protektorat als Oktoberrevolution bezeichnet wird. Die damalige herrschende Klasse ließ eine Menge hochwertiger Schmuckstücke anfertigen, auch wenn in den nachfolgenden Kriegen viel davon zerstört wurde oder spurlos verschwand. Was wiedergefunden wurde, kam ins Museum, bis auf einige wenige Teile aus Privatbesitz, die die Besitzer um keinen Preis hergeben wollten. Einiges muss in Henrys Familie gewesen sein, denke ich. Er war der letzte lebende Nachkomme und trug ein Geheimnis mit sich herum.“

„Chef, ein Gespräch für Sie. Der Mann behauptet, es wäre wichtig“, mischte sich Stephen ins Gespräch.

„Wer ist es?“

„Er wollte keinen Namen nennen, aber seine Stimme klang dringlich.“

Die Auswahl an möglichen Personen war nicht besonders groß.

„Entschuldigen Sie, Cornell, mir scheint, das ist wirklich wichtig.“ Das Gespräch lag nicht auf dem öffentlichen Info-Com, sondern auf der abgeschirmten Privatleitung. Paul zog sich in eine Nische zurück und schaltete den Bildschirm ein.

„Chow Jun Son, ich hätte es mir denken können.“

Das Gesicht des Mutanten drückte ein wenig Verlegenheit aus. „Ich wollte nicht allgemein publik machen, dass die Mutanten offen den Kontakt zu Ihnen suchen.“

„Warum nicht? Das kann doch jeder wissen, viele Leute suchen hier den Kontakt zu mir.“

„Vielleicht würden Sie dadurch Schwierigkeiten bekommen?“

„Dann sind es meine Schwierigkeiten, Son. Was kann ich für Sie tun, was so wichtig ist?“

„Sie haben mit dem Minister gesprochen. Ich nehme an, er hat Ihnen die jüngsten Vorfälle geschildert?“

„Nur das, was er für wichtig hielt. Auch er sucht den Kontakt zu jemandem, der gut zuhören kann.“