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I will always love you. »Sehnsucht nach dir« von Bestseller-Autorin Marie Force ist ein prickelnder, in sich abgeschlossener Liebesroman und zugleich der fünfte Band der ›Lost in Love – Die Green-Mountain-Serie‹. Gibt es etwas Schlimmeres, als jemanden von ganzem Herzen zu lieben, der diese Gefühle nicht erwidert? Der 31-jährigen Ella Abbott ist dieser Schmerz seit vielen Jahren bekannt – seit sie sich als Mädchen in den wilden und gutaussehenden Gavin Guthrie verliebt hat. Schon mehrfach hat er sie abgewiesen. Nun hat sie sich endgültig geschworen, ihn nie wieder in ihr Herz zu lassen - obwohl Ellas Zuneigung und Unterstützung für Gavin von enormer Bedeutung sind, denn der Tod seines Bruders hat ihn völlig aus der Bahn geworfen. Aber in dieser einen Nacht ändert sich alles: Als die sonst so ruhige und warmherzige Ella Gavin wutentbrannt das erste Mal die Meinung sagt, gibt Gavin der Anziehungskraft, die er zu ihr verspürt nach – und auch Ella kann ihre Vorsätze nicht einhalten. Die beiden verbringen leidenschaftliche Stunden völliger Hingabe miteinander. Vielleicht kann die Sache zwischen ihnen ja doch funktionieren? Ella nimmt Gavin ein folgenreiches Versprechen ab und in den nächsten Tagen können die beiden ihre Hände kaum voneinander lassen. Erfüllt von prickelnder Begierde vergessen die beiden die Welt um sich herum völlig – bis die Vergangenheit Gavin einholt …. Die ›Lost in Love – Die Green-Mountain-Serie‹ Band 1: Alles, was du suchst Band 2: Kein Tag ohne dich Band 3: Mein Herz gehört dir Band 4: Schenk mir deine Träume Band 5: Sehnsucht nach dir Die Kurzgeschichten zu: Die ›Lost in Love – Die Green-Mountain-Serie‹ Kurzgeschichte 1: Endlich zu dir Kurzgeschichte 2: Ein Picknick zu zweit Kurzgeschichte 3: Ein Ausflug ins Glück Kurzgeschichte 4: Der Takt unserer Herzen Kurzgeschichte 5: Ein Fest für alle
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Seitenzahl: 435
MarieForce
Lost in Love - Die Green-Mountain-Serie 5
Gibt es etwas Schlimmeres, als jemanden von ganzem Herzen zu lieben, der diese Gefühle nicht erwidert? Der 31-jährigen Ella Abbott ist dieser Schmerz vertraut – seit sie sich als Mädchen in den wilden und gutaussehenden Gavin Guthrie verliebt hat. Schon mehrfach hat er sie abgewiesen. Nun hat sie sich endgültig geschworen, ihn nie wieder in ihr Herz zu lassen – obwohl Ellas Zuneigung und Unterstützung für Gavin von enormer Bedeutung sind, denn der Tod seines Bruders hat ihn völlig aus der Bahn geworfen. Als die sonst so ruhige und warmherzige Ella Gavin das erste Mal wutentbrannt die Meinung sagt, gibt Gavin der Anziehungskraft zwischen ihnen nach – und auch Ella kann ihre Vorsätze nicht einhalten. Die beiden verbringen leidenschaftliche Stunden völliger Hingabe miteinander. Vielleicht kann die Sache zwischen ihnen ja doch funktionieren? Erfüllt von prickelnder Begierde vergessen die beiden in den nächsten Tagen die Welt um sich herum völlig – bis die Vergangenheit Gavin einholt …
Die ›Lost in Love – Die Green-Mountain-Serie‹
Band 1: Alles, was du suchst
Band 2: Kein Tag ohne dich
Band 3: Mein Herz gehört dir
Band 4: Schenk mir deine Träume
Band 5: Sehnsucht nach dir
Band 6: Öffne mir dein Herz
Band 7: Jede Minute mit dir
Band 8: Ein Traum für uns
Band 9: Meine Hand in deiner
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
Als Marie Force Urlaub in Vermont, USA, machte, spürte sie sofort, dass diese wunderschöne, unberührte Landschaft die perfekte Kulisse für unwiderstehlichen Lesestoff bietet. Auf der Suche nach Souvenirs entdeckte sie in einer idyllischen Kleinstadt den Green Mountain Country Store und lernte dessen Besitzer kennen: eine moderne und sympathische Familie, die mit großer Freude heimische Produkte verkauft. Und schon sah Marie Force das Setting für die Romane vor sich. Fehlt nur noch die Liebe … aber die findet sich in Butler, dem fiktiven Städtchen in dieser Serie, zum Glück an jeder Ecke.
Die Bestsellerautorin lebt mit ihrer Familie in Rhode Island, USA.
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
Epilog
Danksagung
Leseprobe Band 6
1. Kapitel
2. Kapitel
Kummer ist der Preis,
den wir für die Liebe bezahlen.
Queen Elizabeth II.
Es sah ganz so aus, als würde sie auch diesen Samstagabend zu Hause verbringen. Also machte es sich Ella Abbott auf ihrem Sofa mit ihren zwei besten Freunden gemütlich – Ben und Jerry. In den vergangenen Wochen hatte sie ganz schön viel Zeit mit den beiden verbracht, und das würde sie vermutlich bitter bereuen, sobald sie das nächste Mal auf die Waage stieg. Aber war es nicht vollkommen egal, was die Waage sagte oder ob man Sport machte, wenn man schrecklichen Liebeskummer hatte?
Es fiel ihr ja schon schwer genug, jeden Morgen aufzustehen, zu duschen, ihr Haar zu föhnen und irgendetwas zu essen, das nach gar nichts schmeckte, um dann zur Arbeit zu gehen und dort einem gut funktionierenden Roboter gleich die Schicht zu überstehen.
So kämpfte Ella sich durch die Tage, setzte tapfer einen Fuß vor den anderen und wahrte ihr Pokerface, so gut sie konnte. Sobald sie allein war, sah die Sache anders aus. Aber das ging niemanden etwas an.
Ella grub den Löffel tief in einen neuen Becher Cherry Garcia – die einzig sichere Waffe gegen Liebeskummer. Ja, sie schlug sich den Bauch voll. Na und? Wenn sie sich nicht mehr wie der letzte Dreck fühlte, würde sie den Schaden schon irgendwie wiedergutmachen.
In den vergangenen Wochen hatte sie wohl oder übel akzeptieren müssen, dass aus ihr und ihrer großen Liebe Gavin Guthrie nie etwas werden würde.
»Und, wie geht es dir so?«, fragte sie ihren Eisbecher. »Bist du schon in der Akzeptanzphase angekommen?« Sie nahm einen weiteren Löffel voll Eiscreme und dann noch einen. »Nee, du steckst immer noch knietief in der Verleugnungsphase.«
Wenn er sie doch bloß nicht geküsst hätte. Wenn doch jener wunderschöne, perfekte Moment am Strand von Burlington während der Hochzeit ihrer Schwester Hannah im vergangenen Sommer nie passiert wäre. Verdammt nochmal, es wäre viel leichter, die Phase der Akzeptanz zu erreichen, wenn sie nicht wüsste, wie es war, Gavin zu küssen.
Zu sagen, dass es nur um diesen Kuss ging, wäre eine grobe Vereinfachung. Zwischen ihr und Gavin war viel mehr passiert, während die restliche Festgesellschaft dem Loblied lauschte, das Nolan seiner Braut sang. Sie hatte sich getraut, Gavin zu umarmen und ihn so darüber hinwegzutrösten, dass die Witwe seines verstorbenen Bruders wieder geheiratet hatte. Und dann … hatte er sie geküsst.
Der Kuss war rau gewesen, ungezähmt und leidenschaftlich. Es war der heißeste Kuss, den sie je bekommen hatte.
Während sie darüber nachdachte, strich sie sich gedankenverloren über ihre Lippen, die noch Stunden nach dem Kuss gekribbelt hatten. Den Rest des Abends hatte sie so tun müssen, als wäre alles in bester Ordnung. Als wäre die Welt noch dieselbe wie vor jenem Kuss.
Seitdem hatte sie diesen Augenblick noch zahllose Male Revue passieren lassen. Die Art, wie er sich an ihr festgeklammert hatte, als würde sie ihn in diesem Moment vor dem Ertrinken retten. Wie stürmisch seine Zunge ihren Mund erobert hatte, wie fest er seine Lippen auf ihre gepresst hatte … Sie hatten sich hinterher richtig wund angefühlt. Aber das war nicht schlimm – so hatte sie noch Tage später den Beweis dafür, dass sie sich nicht alles nur eingebildet hatte.
Gavin Guthrie hatte sie wirklich geküsst. Und dann war er einfach gegangen, als hätte dieser Augenblick nicht alles geändert. Er hatte sich so abrupt von ihr abgewandt, dass sie vollkommen verwirrt gewesen war. Und dann hatte er sich auch noch dafür entschuldigt, dass er sie geküsst hatte. Bei dem Gedanken daran, was er gesagt hatte, lief es ihr immer noch eiskalt über den Rücken. Verdammt, Ella. Es tut mir leid. Das hätte ich nicht tun sollen. Ich bin heute so am Ende, ich weiß nicht mehr, was ich tue. Entschuldige.
Und das war noch nicht alles gewesen. Nein, danach hatte er ihre Wange gestreichelt, ganz zärtlich, und hatte Dinge gesagt, die den Zauber dieser Berührung noch übertrafen. Du bist wunderschön, Ella. Innerlich wie äußerlich. Wenn ich das mit irgendjemandem zulassen könnte, wärst du die erste Person, die mir einfallen würde. Aber ich habe nichts, das ich dir geben könnte, und es wäre nicht fair dir gegenüber. Es wäre einfach nicht fair.
Und auch wenn er danach einfach gegangen war, hatten ihr sein Kuss und seine Worte Hoffnung gemacht. Dass das ziemlich dumm und naiv war, wusste sie – immerhin hatte sie ihn danach noch zweimal getroffen, und er hatte ihr beide Male zu verstehen gegeben, dass sie von ihm nichts erwarten könne und er sie nicht mit in das schwarze Loch hineinziehen wolle, zu dem sein Leben geworden war.
Als sie ihn zum ersten Mal nach dem Kuss wieder getroffen hatte, hatte er ihr erzählt, dass er nach der Hochzeit erneut in die tiefe Trauer gestürzt war, die er nach dem Tod seines Bruders Caleb durchlebt hatte, der im Irak auf eine Landmine getreten war. Auch wenn er sich sehr für Hannah und Nolan freute, die beide eng mit ihm befreundet waren, so hatte die Hochzeit doch alte Wunden aufgerissen. Zu wissen, dass er ganz allein war und es ihm so schlecht ging, brach Ella fast das Herz – mit jedem Löffel Eiscreme mehr.
Als ihr Telefon läutete, nahm sie das als willkommene Ablenkung von ihren trüben Gedanken. Gavin Guthrie hatte sie schon so oft abblitzen lassen, dass sie es nicht noch einmal versuchen würde – so gern sie auch würde. Wie gut, dass sie zu Ben & Jerry’s gegriffen hatte anstatt zum Alkohol! Wenn sie jetzt betrunken wäre, würde sie vielleicht etwas Dummes anstellen und noch einmal versuchen, ihn zu überzeugen.
Sie ging in die Küche und hob den Hörer ab. »Hallo?« Im Hintergrund konnte sie laute Musik und Stimmengewirr hören. Um ein Haar hätte sie aufgelegt, weil sie den Anruf für ein Versehen hielt.
»Hallöchen! Ich rufe vom Handy eines Mannes an, der Sie als seinen Notfallkontakt gespeichert hat.«
»Seinen was?«
Sofort dachte sie an ihren Bruder Wade. Er würde sie möglicherweise ihren Geschwistern in solchen Situationen vorziehen – aber Wade hatte doch gar kein Handy!
»Um wen geht es?«, fragte sie unsicher.
Wieder ging der Mann nicht auf ihre Frage ein, sondern fuhr unbeirrt fort. »Wäre gut, wenn Sie ihn schleunigst hier abholen, ehe ich die Cops rufe.«
Das Telefon zwischen Kinn und Schultern geklemmt, packte Ella die restliche Eiscreme in die Tiefkühltruhe und sah sich nach ihren Schuhen um.
»Wo sind Sie denn?«
»In der Red’s Bar an der 114. Ich gebe Ihnen eine halbe Stunde, dann will ich den Kerl hier nicht mehr sehen. Der macht nichts als Ärger! War mir schon in der Sekunde klar, in der er die Bar betreten hat. Der Typ war total auf Krawall gebürstet.«
»Ich bin sofort da! Machen Sie bitte nichts, ehe ich angekommen bin.«
»Dreißig Minuten!« Der Mann legte auf.
Eine Minute später saß Ella bereits im Wagen und hatte kurz darauf Butler hinter sich gelassen. Als sie auf die einspurige Brücke in der Nähe des Hauses ihrer Eltern zusteuerte, fiel ihr auf, dass niemand wusste, wo sie hinfuhr. Nicht, dass sie irgendjemandem Rechenschaft geschuldet hätte. Aber ein wenig ungewöhnlich war es schon, dass sie mitten in der Nacht allein in eine dubiose Bar fuhr.
In Ella regte sich der leise Verdacht, dass es sich bei jenem geheimnisvollen Pöbler um Gavin handeln könnte. Aber warum sollte er sie als Ansprechpartnerin für Notfälle angeben? Bis jetzt hatte sie, die kein Handy besaß, nicht einmal gewusst, dass das üblich war. Sie hatte nie darüber nachgedacht, sich eins zu kaufen – in Butler hatte man nirgends Empfang, und außerhalb kannte sie nicht viele Leute. Woher sollte Gavin überhaupt ihre Nummer haben?
Sofort verbannte sie diesen Gedanken aus ihrem Kopf.
Nein, sie durfte sich auf keinen Fall einbilden, dass sie durch die dunkle Nacht von Vermont brauste, um den Mann ihres Lebens zu retten. Vielleicht ging es ja um Lucas oder Landon? Ihre zwei jüngeren Brüder gingen gern auf Partys und waren bekannt dafür, sich Ärger einzuhandeln. Nichts Dramatisches, nur kleine Querelen. Auch wenn die zwei Ella in den Wahnsinn trieben, wussten sie, dass sie im Zweifelsfall immer auf sie zählen konnten.
Genauso war es mit Max, dem Jüngsten der zehn Abbotts. Aber da seine Freundin Chloe jeden Moment ihr Kind bekommen konnte, war er wahrscheinlich bei ihr in Burlington und wartete mit ihr darauf, dass es losging. Und würde er nicht am ehesten Chloe als Notfallkontakt angeben?
Ella hatte immer noch keinen blassen Schimmer, wen sie da abholen sollte, als sie bei Red’s ankam. Aha, scheinbar war der Schuppen eine richtige Bikerbar. Auf dem Parkplatz reihten sich die Motorräder aneinander, deren Chromlackierungen im Licht der Laternen glänzten.
Ella schluckte bei dem Gedanken daran, ganz allein in die Bar zu gehen. Wenn dieser miesepetrige Typ am Telefon nicht darauf bestanden hätte, dass sie innerhalb der nächsten halben Stunde zu erscheinen hatte, dann hätte sie Wade oder Charley bitten können mitzukommen. So war die Zeit viel zu knapp gewesen.
»Mach dir nicht in die Hosen, Mädchen«, flüsterte Ella sich selbst zu, während sie immer noch zögerte. Eines stand fest: Wer auch immer dieser Jemand war, der sie als Notfallkontakt gespeichert hatte – sie würde ihm gehörig die Meinung geigen.
Als sie auf die Eingangstür zulief, knirschte der Kies unter ihren Schuhsohlen. Drinnen herrschte ohrenbetäubender Lärm – lautes Gegröle und dröhnende Musik. Wie konnten die Leute es hier länger als fünf Minuten aushalten? Außerdem war es ganz schön dunkel. Da alle Scheinwerfer auf die Band gerichtet waren, die auf einer Bühne am anderen Ende des Raums auftrat, konnte sie kaum ihre eigenen Füße erkennen.
»Kann ich helfen, Süße?«, hörte sie einen Mann mit tiefer Stimme fragen.
»Ich bin auf der Suche nach dem Barbetreiber oder sonst jemandem, der mich angerufen und gebeten haben könnte, einen Gast abzuholen.« Sie wagte einen Blick nach oben und stellte fest, dass der Mann riesengroß war. Bestimmt knappe zwei Meter, ein Tier von einem Mann! Ella war sich nicht sicher, ob sie vor ihm fliehen oder ihn bitten sollte, sie hier drin zu beschützen.
»Da lang.« Er griff nach ihrem Arm und führte sie durch die schwitzende, tanzende Meute.
Während sie sich durch die Menschen boxten, spürte Ella immer wieder Hände auf ihrem Körper, die sie sofort wegschlug. Ansonsten bemühte sie sich, ihren Beschützer nicht aus den Augen zu verlieren, bis sie in einem Büroraum ankamen, der ganz hinten in einer dunklen Ecke lag.
Als Ella eintrat, entdeckte sie Gavin sofort. Er befand sich in einem heftigen Streit mit einem rothaarigen Mann – wahrscheinlich war das der ominöse Red, der namensgebende Besitzer der Bar.
»Ich hab doch gar nix gemacht!«, lallte Gavin. »Hatte nur ’n paar Drinks! Wo is’ das Problem?«
»Ich weiß, was du in der Bar am anderen Ende der Straße gemacht hast. Du bist hier nicht willkommen!«
»Ich hab meine Getränke bezahlt wie alle anderen auch. Du kannst mich nich’ einfach rausschmeißen!« Er machte taumelnd einen großen Schritt auf den Rotschopf zu.
»Gavin«, sagte Ella.
Wie zur Salzsäule erstarrt sah er Ella an, die neben dem Riesen stand. Der war wahrscheinlich geblieben, um nichts zu verpassen.
»Was machst du hier?«, fragte er in viel sanfterem Tonfall.
»Sie haben mich angerufen, damit ich dich abhole.«
»Warum dich?«
»Habe ich mich auch gefragt.«
»Würden Sie ihn bitte hier rausschaffen?«, sagte der Besitzer erschöpft zu Ella. »Wir wollen hier wirklich keinen Ärger.«
»Lass uns gehen, Gavin.« Obwohl er offensichtlich stockbetrunken, total zerzaust und neben der Spur war, war er immer noch umwerfend. Und fuchsteufelswild! Er warf Red einen letzten finsteren Blick zu, dann ging er zu Ella und dem Riesen.
Der reichte ihm sein Mobiltelefon.
»Ich weiß jetzt, wer Sie sind. Wollte nur sagen, dass es mir leidtut«, meinte er.
Diese versöhnlichen Worte trieben Ella beinahe die Tränen in die Augen. Auch Gavin schienen sie ein wenig milder zu stimmen. Er sank merklich in sich zusammen, als er sich daran erinnerte, weshalb er überhaupt zu trinken begonnen hatte.
»Danke.« Er legte Ella die Hand auf den Rücken und schob sie hinter dem Riesen zur Tür hinaus, der ihnen einen Weg durch die Menge bis zum Ausgang bahnte.
Als Gavin auf seinen Truck zusteuerte, sah Ella den Riesen hilfesuchend an. Sofort lief er Gavin nach und packte ihn am T-Shirt.
»Kumpel, du kannst nicht mehr fahren. Lass die Lady ans Steuer, ja?«
»Lass mich in Ruhe!« Gavin versuchte, den Riesen abzuschütteln, allerdings ohne Erfolg. »Niemand hat dich gebeten, sie anzurufen.«
»Wenn auf mich zu Hause eine Frau wie die hier warten würde, würde ich mich nicht in solchen Kaschemmen herumtreiben.«
»Das ist nicht meine Freundin.«
Ella wandte sich schon zum Gehen, um nicht mit anhören zu müssen, was als Nächstes kam – schließlich ging es ihr schon dreckig genug. Am liebsten hätte sie Gavin stehengelassen. Sollte er doch zusehen, wie er allein zurechtkam. Aber sie brachte es nicht übers Herz und hörte stattdessen zu, wie der Riese besänftigend auf Gavin einredete.
»Tu uns einfach den Gefallen und lass dich von ihr fahren, okay?«
»Was geht’s dich an, wie ich nach Hause komme?«
»Gehört nun mal zu meinem Job, dafür zu sorgen, dass die Gäste sicher in ihren Bettchen landen. Steig einfach in ihr Auto, dann müssen wir nicht länger diskutieren!«
»Na schön.« Gavin torkelte hinüber zu Ella, die ihm mit verschränkten Armen entgegensah. Sie zog ihren Schlüsselbund hervor, um ihren weißen Honda CR-V aufzuschließen.
Gavin ließ sich auf den Beifahrersitz plumpsen und knallte die Tür zu.
»Vielen Dank für deine Hilfe!«, sagte Ella zu dem Riesen.
»Kein Problem. Er ist ein lieber Kerl, der gerade ein bisschen auf Abwegen ist. Ich hoffe, er kommt wieder klar, ehe es richtig übel wird.«
»Das hoffe ich auch!«
»Also, schönen Abend dir.«
Ella stieg ins Auto und hätte um ein Haar ihren Schlüsselbund fallen lassen, weil ihre Hände so stark zitterten.
»Du musst mich nicht fahren«, meinte Gavin. »Ich kann mir auch ein Taxi nehmen.«
»Macht mir nichts aus.«
Ella startete den Motor und bog aus dem Parkplatz, um zurück nach Butler zu fahren. Die Fahrt verlief schweigend, und je näher sie Gavins Haus kamen, desto schwieriger wurde es für Ella, ihre Neugier zu zügeln. Sie hätte Gavin liebend gern gefragt, wieso sie seine Kontaktperson für Notfälle war. Nur, wozu sollte das gut sein? Er hatte ihr schon zweimal einen Korb gegeben, und das würde heute auch nicht anders sein. Also war es das Beste, wenn sie ihn einfach zu Hause absetzte und sich den Rest ersparte.
Aber … wie sollte es ihr gelingen, danach alleine heimzufahren und ihn sich aus dem Kopf zu schlagen, wo sie doch jetzt wusste, dass er sich in brenzligen Situationen an sie wenden wollte? Warum ausgerechnet sie?
Sie parkte vor dem Blockhaus am anderen Ende des Grundstücks seines Holzfällereibetriebs und stellte den Motor ab. Sie erinnerte sich daran, wie sie vor ein paar Monaten schon einmal hergekommen war, nachdem er nach einem Streit in einer anderen Bar festgenommen worden war. Damals hatte er sie einfach weggeschickt.
»Danke fürs Heimbringen. Und sorry für die Umstände.«
»Ist schon okay.«
Er langte nach dem Türgriff. Würde er jetzt wirklich aussteigen – und das war es dann?
»Gavin?«
»Ja?«
»Warum hast du mich als deinen Notfallkontakt gespeichert?«
Hoffnung ist die Fähigkeit,
in der Dunkelheit an das Licht zu glauben.
Desmond Tutu
Er sah sie lange an, ehe er schließlich das Schweigen brach.
»Kannst du vielleicht für eine Minute mit reinkommen?«
»Ich weiß nicht, ob …«
»Sorry. Wahrscheinlich warst du gerade mit irgendwas beschäftigt und musstest alles stehen und liegen lassen, um mir aus dem Schlamassel zu helfen.«
»Ich hatte gerade ein Date, ja.« Dass es sich dabei um ein Sofadate mit Ben & Jerry’s handelte, ging ihn ja nichts an.
»O Gott, El. Tut mir leid! Würde mich freuen, wenn du jemanden kennengelernt hättest, der dich auf Händen trägt.«
»Wirklich? Ist das dein Ernst?«
»Natürlich! Ich will, dass es dir gutgeht, das weißt du doch.«
»Wenn das so ist, dann …« Nein, ich werde das jetzt nicht sagen. Er braucht nicht zu wissen, dass mich niemand so glücklich machen könnte wie er – selbst wenn er mich immer wieder abblitzen lässt.
»Dann was?«
»Nichts. Ist egal.«
»Komm mit rein. Wir sollten uns unterhalten.«
Obwohl sie innerlich ein kleines Freudentänzchen aufführte, schüttelte Ella den Kopf.
»Wenn du mir wieder nur erklären willst, warum das zwischen uns nie etwas werden wird, dann kann ich darauf verzichten. Das hast du mir schon ein Dutzend Mal eingehend erläutert.«
»Darum geht es mir jetzt aber nicht.«
Geh mit. Bitte!, schrie ihr Herz. Steig aus dem Auto und folge dem Mann deiner Träume in dieses Blockhaus!
Ella hatte schon immer der Stimme ihres Herzens vertraut, aber dieses Mal funkte noch eine andere Instanz dazwischen: ihr Verstand. Und der schrie: RENN! Renn weg, ehe er dir wieder weh tut!
»Bitte, Ella.«
Wenn er so mit ihr sprach, hatte ihr Verstand leider nicht den Hauch einer Chance. Sie langte nach dem Türgriff.
Als sie sich vor dem Wagen trafen, war Gavin immer noch ein wenig wacklig auf den Beinen, während sie felsenfest davon überzeugt war, gerade einen riesigen Fehler zu machen. Gavin legte die Hand auf ihren Rücken und schob sie sanft die Stufen hinauf. Und in diesem Moment wusste sie, dass jeder Widerstand zwecklos war.
Warum musste er nur auf eine solch unvollkommene Weise … vollkommen sein? Warum nur musste er all das sein, wovon sie immer geträumt hatte – während er zusätzlich noch höllisch sexy war?
Manchmal hatte sie den Eindruck, dass es das Beste wäre, wenn sie ihre Gefühle ihm gegenüber abtöten würde, weil sie diesen Zustand nicht mehr ertrug. Dabei wusste sie, dass es nicht in ihrer Hand lag – dass sie das, was sie für ihn empfand, nun mal nicht leugnen konnte. Es war ein Teufelskreis, und ein frustrierender noch dazu.
Wie oft sollte sie sich noch von ihm weh tun lassen? Eigentlich war sie doch selbst schuld – schließlich hatte er ihr immer wieder gesagt, dass sie sich keine Hoffnung machen sollte. Sie machte ihm keinen Vorwurf, immerhin war er ehrlich gewesen. Aber sie nahm es sich selbst übel, dass sie sein Nein nicht akzeptierte.
Während sie die Stufen hinaufstieg, bemühte sie sich, ihre Erwartungen an den Abend herunterzufahren. Es würde nichts passieren, sie würden nur reden. Sie würde so lange bleiben, bis sie sicher sein konnte, dass bei ihm alles wieder okay war, und dann würde sie alleine nach Hause fahren, so wie immer.
Dieses Mal würde sie sich das Herz nicht brechen lassen. Auf keinen Fall.
Gavin langte um sie herum und öffnete die Tür, die nicht abgesperrt gewesen war. Als er dabei leicht ihre Schulter streifte, überkam sie dieses ganz bestimmte Gefühl, das nur er in ihr auslösen konnte. Nur dieser Mann konnte durch eine simple Berührung wie diese ihren ganzen Körper zum Kribbeln bringen. Wie wäre es wohl, wenn er –?
Nein, so etwas darfst du nicht einmal denken! Auf keinen Fall! Oder?
Auch wenn sie es eigentlich besser wusste, sehnte sie sich danach, ihm nahe zu sein, jede Sekunde mit ihm auszukosten – obwohl das irgendwie ganz schön jämmerlich war.
Sie trat vor ihm ein, und als die Tür mit einem lauten Knall hinter ihr ins Schloss fiel, fühlte sich ihre Entscheidung plötzlich wie eine sehr schlechte Idee an. Immerhin hatte sie das letzte Mal, als sie ihn hier besucht hatte, bei der Arbeit alles stehen lassen müssen und hatte den ganzen Heimweg über fürchterlich geweint – weil er sie weggeschickt hatte.
»Ich, ähm, sollte besser gehen.«
»Eigentlich wollte ich uns einen Kaffee machen. Kann ich dich überzeugen, auf eine Tasse zu bleiben?«
Wenn sie jetzt Kaffee trank, würde sie die ganze Nacht kein Auge zumachen und immer wieder darüber nachdenken, was passiert war. »Klar. Warum nicht.«
Gavin hatte deutliche Schwierigkeiten, Wasser in die Kaffeemaschine zu füllen. Er zielte, goss und traf daneben. Ella erschien das ziemlich symptomatisch für die ganze vertrackte Situation, und normalerweise hätte sie das zum Lachen gebracht. Aber an unerwiderter Liebe war leider überhaupt nichts komisch. Sie war genauso deprimierend, wie all die Liebeslieder und Filme es behaupteten.
»Setz dich doch. Bin gleich wieder da.« Er verschwand im Flur, der wahrscheinlich in sein Schlafzimmer und das Bad führte.
Ella konnte nur mit Mühe den Wunsch unterdrücken, ihm nachzugehen, endlich alles offen auszusprechen oder einfach über ihn herzufallen. Irgendetwasmusste doch passieren! Um sich ein wenig abzulenken, durchforstete sie die Schränke nach Tassen. Dann holte sie Kaffeesahne aus dem Kühlschrank, schnupperte daran, um zu sehen, ob sie noch gut war, und machte sich auf die Suche nach Löffeln. Gavin trank seinen Kaffee immer mit einem Schuss Kaffeesahne und einem Teelöffel Zucker. Woher sie das wusste, war ihr selbst nicht klar. Sie hatte den sexy Bruder ihres verstorbenen Schwagers eben immer schon genau im Auge behalten – und langsam konnte sie tatsächlich schon auf mehrere Jahrzehnte Erfahrung zurückblicken.
Wie jämmerlich!
Die ganze Zeit über hatte sie sich mit anderen Männern verabredet, hatte mit einigen von ihnen sogar geschlafen.
Mit keinem aber war es ihr so ergangen wie mit Gavin. Es genügte schon, wenn er den Raum betrat, in dem sie sich aufhielt – so wie jetzt. Er war in ein T-Shirt und eine Jogginghose geschlüpft, hatte sich das Gesicht gewaschen und scheinbar auch die Zähne geputzt, wie der leichte Minzduft vermuten ließ, der ihn umgab. An seinen dunklen Haarspitzen glitzerten Wassertropfen, und sein leichter Dreitagebart weckte in ihr den Wunsch, ihr Gesicht an seines zu drücken.
Das Piepen der Kaffeemaschine riss sie aus ihren Tagträumen. Nein, sie würde nicht auf ihr wild pochendes Herz hören, sondern sich eine Tasse Kaffee gönnen und dann schleunigst nach Hause fahren.
Gavin hatte im Grunde selbst keine Ahnung, was er sich dabei gedacht hatte, als er Ella in sein Haus gebeten hatte. Himmel, er konnte sich ja kaum daran erinnern, wie er sie als Notfallkontakt in seinem Handy gespeichert hatte – immerhin fühlte sich sein Leben schon seit längerem so an, als befände es sich im permanenten Ausnahmezustand.
Er wollte sie zwar nicht mit in sein Schlamassel hineinziehen, konnte aber andererseits den Gedanken nicht ertragen, sich jetzt schon von ihr zu verabschieden. Mit Ella zu sprechen war für ihn, als würde er die frischeste, klarste Bergluft einatmen. Als würde warmes Sonnenlicht auf die trostlose, öde Landschaft scheinen, zu der seine Seele mittlerweile verkümmert war. Und es wurde nicht besser. Als er gestern Nacht hellwach in seinem Bett gelegen hatte, war ihm plötzlich eines aufgegangen: Ella abblitzen zu lassen hatte alles nur noch schlimmer gemacht. Dass sie seine Einladung auf eine Tasse Kaffee eben nur höchst widerwillig angenommen hatte, konnte er ihr wahrlich nicht verübeln. Ella mochte vieles sein, aber dumm ganz sicher nicht. Und sich auf ihn einzulassen wäre nun mal alles andere als klug.
Er goss den Kaffee in die Tassen, die sie auf den Küchentresen gestellt hatte, gab ein wenig Sahne und ein halbes Päckchen Zucker in ihre Tasse. Er konnte sich nicht genau entsinnen, woher er wusste, wie sie ihren Kaffee am liebsten mochte. Immerhin kannte er sie und die restliche Abbott-Familie schon fast sein Leben lang. Er und sein Bruder Caleb waren eng mit Ellas Brüdern Hunter und Will befreundet gewesen, seit die Guthries nach Butler gezogen waren und er und Caleb die fünfte und sechste Klasse besucht hatten. Als sie auf die Highschool kamen, hatte Caleb begonnen, sich mit Hannah zu verabreden, und seitdem hatten die Familien immer viel Kontakt zueinander gehabt. Besonders in der schweren Zeit nach Calebs Tod.
Gavin schob den Gedanken an seinen Bruder so schnell wie möglich weg. Er hatte genug von dieser Trauer, die ihn immer noch daran hinderte, das Leben auch nur eine Nanosekunde lang zu genießen. Seit Calebs Hund gestorben war und Hannah wieder geheiratet hatte, war alles noch schwieriger geworden. Das Leben ging eben weiter, auch wenn man es manchmal kaum fassen konnte. Und vielleicht war es an der Zeit, dass auch er selbst wieder nach vorn schaute.
Er konnte sich aber kein Leben vorstellen, in dem Ella überhaupt nicht mehr vorkam; und er hatte einiges wiedergutzumachen, was sie betraf. Wann also, wenn nicht jetzt?
Gavin reichte Ella die Tasse und ließ sich neben ihr auf einen Stuhl sinken.
»Hör zu, Ella … Ich wollte dir sagen, dass –«
Sie hob die Hand, um ihn aufzuhalten. »Bitte nicht. Ich will das alles nicht noch einmal hören.«
»Woher weißt du denn, was ich sagen will?«
»Weil«, meinte sie widerstrebend, »du mir das alles schon mal haarklein erläutert hast. Und irgendwann kriegt eine Frau von so viel Zurückweisung wirklich Komplexe.«
»Eleanor, schau mich an.« Sie zuckte leicht zusammen und sah ihn aus ihren großen braunen Augen an, die nichts verbergen konnten. Ihre Lippen waren vor Überraschung leicht geöffnet. Er hatte mindestens tausendmal über ihren Kuss am Strand von Burlington nachgedacht, und die Vorstellung, wie sie sich mit einem anderen Mann verabredete, ließ ihn richtig panisch werden. »Ich wollte dich nicht abblitzen lassen. Ehrlich, es hatte überhaupt nichts mit dir zu tun. Es ist mir wichtig, dass du das weißt.«
»Wenn du meinst …«
»Und wie! Jedes Mal, wenn wir uns in den vergangenen Monaten begegnet sind, bin ich nur deswegen auf Abstand gegangen, weil ich musste. Nicht, weil ich wollte.«
Ella schien sich gerade mehr für ihre Kaffeetasse zu interessieren als für das, was er sagte. Kein Wunder.
»Was ist heute Abend passiert?«
»Heute Abend«, meinte er seufzend, »wurde mir klar, dass mein Ruf mich langsam verfolgt. Ich habe mit einem Kollegen ein paar Bierchen getrunken und dann beschlossen, auf dem Heimweg bei Red’s noch einen Absacker zu trinken.
Ich habe gerade was an der Bar bestellt, als Red reinkam und eine riesige Szene gemacht hat – wegen dem, was in der anderen Bar passiert ist. Ich habe versucht, ihn zu besänftigen und habe ihm versichert, dass ich keinen Ärger machen will, aber er hat mir nicht zugehört. Irgendwie kam dieser Riese dann an mein Handy. Den Rest der Geschichte kennst du, denke ich.«
»Und wie wolltest du nach Hause kommen?«
»Ich bin nicht bescheuert, Ella, auch wenn ich vielleicht den Eindruck mache. Ich wollte mir ein Taxi nehmen.«
Sie sprang auf, und ihre Augen funkelten vor Zorn. »Wenn der Türsteher dich nicht aufgehalten hätte, dann wärst du in dein Auto gestiegen. Lüg mich nicht an, Gavin!«
»Das hätte ich doch nie gemacht. Eher wäre ich zu Fuß gegangen.« Als sie ihm einen skeptischen Blick zuwarf, fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. »Ich weiß ja, wonach es ausgesehen hat. Aber der Typ hat mich einfach total genervt, als er sich in meine Angelegenheiten eingemischt hat!«
»Irgendjemand muss diesem beschissenen Wahnsinn doch ein Ende bereiten!«
Wow. In all den Jahren, die er sie kannte, hatte er die süße Ella Abbott noch nie so schreien gehört – geschweige denn fluchen! Und das bei neun Geschwistern!
Irgendwie wirkte Ellas erhobene Stimme wie eine kalte Dusche. Ja, er war aufgewacht. Gavin legte seinen Arm um ihre Taille und zog sie an sich.
Ella schien vollkommen verdutzt.
»Die einzige Person, von der ich will, dass sie sich einmischt, bist du.«
Und dann küsste er sie. Endlich. Seit er sie am Strand zum ersten Mal hatte schmecken dürfen, hatte er solche Sehnsucht danach gehabt … Tja, so wie Ella zu viel Zurückweisung nicht ertrug, so hielt er eben dieser Versuchung nicht länger stand.
Plötzlich spürte Gavin einen heftigen Schubs. Ella hatte ihn derart fest gegen die Brust gestoßen, dass das Signal selbst in seinem lustvernebelten Gehirn ankam.
Sie riss sich los, und auf einmal wurde ihm klar, dass sie den Kuss ganz und gar nicht genossen hatte.
»Hör auf!« Sie rieb sich mit dem Unterarm über den Mund, als müsste sie ihn wegwischen. Autsch, das tat weh.
»Was soll das, Gavin?«
»Ich dachte, das wäre ziemlich offensichtlich.« Wenn er schon ihren Mund nicht haben konnte, dann würde er sich eben ihrem Hals zuwenden. Der war immerhin auch schon Teil zahlreicher Phantasien gewesen, die er von Ella gehabt hatte. Aber auch darauf schien sie keine Lust zu haben.
»Lass das, Gavin! Was auch immer das für ein Spielchen sein soll, ich bin raus.« Die Tränen in ihren Augen sprachen eine andere Sprache, aber sie wandte sich dennoch von ihm ab und machte sich auf den Weg zur Haustür.
Er rannte ihr nach und presste die Hand an die Tür.
»Bleib. Geh nicht, bitte.« Er senkte die Stimme. »Bitte.«
Sie ließ die Schultern hängen und drückte ihre Stirn an die Tür. Gavin legte von hinten die Arme um sie. »Komm her.«
Ella drehte sich um und erwiderte seine Umarmung. Er zog sie an sich und legte sein Kinn auf ihren Kopf. Und plötzlich hatte er das Gefühl, dass vielleicht doch alles gut werden würde.
»Wenn du mich zum Narren hältst, Guthrie, dann bringe ich dich eigenhändig um! Glaub mir, dank meiner sieben Brüder bin ich dazu ohne weiteres in der Lage!«
Gavin gluckste. Wow. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er zum letzten Mal gelacht hatte.
»Werde ich mir merken!« Er drückte sie fest an sich und fuhr mit seinen Lippen über ihr Haar, das diesen leichten Schimmer hatte. Irgendwie faszinierte ihn dieser Anblick immer wieder.
»Ich meine es ernst, Ella.«
»Aber was … wird das?«, fragte sie zögernd. Und er konnte ihre Sorge verstehen. Sie hatte allen Grund, vorsichtig zu sein.
»Ich gebe zum ersten Mal zu, dass ich dich brauche. Und dass ich genug davon habe, gegen das anzukämpfen, was seit Jahren zwischen uns –«
»Gavin?«
»Ja?«
»Sei still, und küss mich.«
Liebeskummer besteht aus zwei Teilen.
Dem Verlust und einem neuen Lebensentwurf.
Anne Roiphe
Das ließ Gavin sich nicht zweimal sagen. Er küsste sie leidenschaftlich, während sie sich an ihn klammerte wie eine Ertrinkende. Plötzlich machte er sich von ihr los.
»Was war das für ein Mann, mit dem du heute dein Date hattest?«
Ella dachte einen Moment nach, ehe sie loslachte. »Die Männer, mit denen ich mich getroffen habe, heißen Ben und Jerry.«
»Es sind zwei?«
»Hui, du musst wirklich ein paar Bier zu viel erwischt haben. Ben und Jerry? Na, klingelt’s bei dir?«
»Eiscreme!«, stieß er erleichtert hervor.
»Gott sei Dank. Ich dachte schon, das Bier hätte deine letzten grauen Zellen gekillt!«
»Du hast doch gesagt, dass du ein Date hattest …«
»Hat das etwa deinen Sinneswandel bewirkt?«, fragte sie und versuchte, sich aus seinem Griff zu lösen.
»Nein. Gott, nein! Hat mich zwar höllisch eifersüchtig gemacht, aber gerade geht es nur um dich und mich.«
»Du warst eifersüchtig? Ehrlich?«
»Total.«
Einen Moment lang versanken sie im Blick des anderen.
»Nur weil ich dich immer wieder von mir weggestoßen habe, heißt das nicht, dass ich dich nicht bei mir haben wollte, El.«
»Wenn du nur mit mir spielen willst, dann …«
»Will ich nicht. Ich bin nur schrecklich müde.« Er nahm sie bei der Hand und zog sie hinter sich her zum Sofa. »Ich kann das nicht mehr.«
»Was meinst du damit?«, fragte sie leise, obwohl sie vor der Antwort ein wenig Angst hatte.
Wieder fuhr er sich mit der Hand durchs Haar, während er offensichtlich nach den richtigen Worten suchte.
»Das hier«, meinte er schließlich. »Dieses Leben in der Vergangenheit. Ich kann die Gegenwart gar nicht richtig genießen, so leer fühle ich mich. So hoffnungslos und so traurig. Ich halte es einfach nicht mehr aus – und Caleb wird davon auch nicht wieder lebendig.«
Ella blinzelte die Tränen weg und griff nach seiner Hand. Er lehnte sich an sie und legte seinen Kopf auf ihre Schulter, während Ella seinen Kopf streichelte. Wenn ihr doch bloß etwas einfallen würde, womit sie ihn aufheitern könnte!
»Du bist nicht allein, Gavin. Du musst das nicht allein durchstehen.«
»Ich will dich nicht mit mir in den Abgrund ziehen.«
»Und ich bin viel stärker, als du denkst.«
»Ich weiß.«
»Also, was sollen wir tun?«
»Ich würde vorschlagen, wir überstürzen erst mal nichts und lassen die Dinge einfach auf uns zukommen.«
»Ich weiß nicht, ob ich das kann.« Sobald sie die Worte laut ausgesprochen hatte, biss Ella sich auf die Zunge. Da bot Gavin ihr tatsächlich das an, wovon sie immer geträumt hatte, und sie knallte ihm so etwas vor den Latz! Hatte sie vollkommen den Verstand verloren?
Sie holte tief Luft und beschloss, für das zu kämpfen, was sie sich immer gewünscht hatte.
»Ich kann nicht einfach abwarten, was passiert. Dieses Risiko kann ich bei dir nicht eingehen.«
»Mehr habe ich leider nicht zu bieten.«
»Doch Gavin, das hast du! In dir steckt so viel mehr, das nach außen drängt. Hast du nicht selbst gesagt, dass du endlich wieder das Leben genießen willst? Lass dich entweder ganz auf mich ein – oder lass es bleiben. Halbe Sachen funktionieren nicht für mich.«
Gavin stützte die Ellbogen auf seine Knie und starrte ins Leere.
»Als ich letztes Mal hier war«, sagte sie zögernd, »weil du in diesen Streit geraten bist …«
»Was meinst du damit?«
»Es hat Wochen gedauert, bis ich mich davon wieder erholt hatte. Hat verdammt weh getan.«
»Ella …«
»Ich will dir damit kein schlechtes Gewissen machen. Aber bitte versteh, warum ich mich auf keine halben Sachen mehr mit dir einlassen kann.«
»Ich habe Angst, dass ich dir über kurz oder lang weh tun werde.«
»Du bist ein Mann«, neckte sie ihn. »Natürlich wirst du das.«
»Du weißt schon, wie ich das meine«, erwiderte er lächelnd.
»Vielleicht ist das hier nicht der richtige Zeitpunkt.« Als sie das sagte, breitete sich Panik in ihr aus. Aber sie musste auf sich aufpassen. Auch wenn sie und Gavin gerade ein gutes Stück vorangekommen sein mochten, so befanden sie sich doch immer noch auf verdammt dünnem Eis.
»Darf ich etwas sagen, das vielleicht extrem unfair klingt, wenn man die unterschiedlichen Signale bedenkt, die ich gesendet habe?«, fragte er.
»Ähm, okay.« Sie wusste nicht, ob sie nur nervös war oder auch … furchtbar neugierig.
»Ich habe dir erzählt, wie dreckig es mir nach Homers Tod und Hannahs Hochzeit ging, weil plötzlich wieder all der Schmerz hochgekommen ist, den ich wegen Caleb hatte. Es war tatsächlich wieder genauso schlimm wie damals – außer in den Momenten, wenn du bei mir warst oder bist. Nur dann wird es besser.«
Was sollte Ella darauf antworten? Das war wahrscheinlich das Bedeutsamste, das Gavin je zu ihr gesagt hatte. Bei dem Gedanken daran, welche Überwindung ihn das gekostet haben musste, schluckte sie.
»Ich brauche dich, Ella. Und ich kann dich nicht länger auf Abstand halten, wenn es mir so viel besser geht, wenn du da bist. Kann sein, dass es egoistisch von mir ist, wenn ich dich in meinen Mist mit hineinziehe, aber ich kann nicht anders.«
Ella wusste, dass sie jetzt nicht mehr einfach gehen konnte. Ganz egal, wohin diese Entscheidung führen würde.
»Wenn du mich fragst, ob ich mich auf eine feste Beziehung einlassen würde, dann würde ich ja sagen. Ich brauche dich in meinem Leben, und ich werde dafür alles tun, was nötig ist.«
Die Alarmglocken in ihrem Kopf begannen zu schrillen, aber Ella überhörte sie, so gut sie konnte. Er brauchte sie? Würde alles dafür tun, damit es klappte? Das war doch was, oder etwa nicht?!
»Ich … ich sollte lieber gehen«, stotterte sie, obwohl das das Letzte war, was sie tun wollte. »Es ist schon spät.«
»Bleib.«
O Gott. Ella war kurz davor zu hyperventilieren. Sie sollte eine ganze Nacht mit Gavin Guthrie verbringen? Sie brauchte dringend Sauerstoff. Einen klaren Kopf. Oh, und eine Zahnbürste natürlich!
»Ella? Alles okay bei dir?«
»Ja, alles wunderbar. Ich habe nur gerade überlegt, was ich morgen so zu tun habe. Ich bin … zum Abendessen verabredet. Mit meiner Familie.« Himmel, Ella, er bittet dich doch nicht darum, bei ihm einzuziehen! Was hat denn das olle Sonntagsessen damit zu tun? Da wartest du ewig auf eine solche Gelegenheit, und dann vermasselst du alles! »Also, wir treffen uns erst später.«
»Und am Morgen hast du nichts vor?«
Bis auf ein paar Erledigungen … »Nein.«
»Super! Also bleibst du?«
»Ich … ähm … klar. Okay.« Das letzte Wort klang wie ein Quietschen, das sie schnell mit einem nervösen Hüsteln zu übertönen versuchte. Sie benahm sich wirklich wie eine Jungfrau kurz vor dem ersten Mal!
Andererseits fragte einen der absolute Traummann auch nicht jeden Tag, ob man die Nacht mit ihm verbringen wollte.
Plötzlich war sie viel aufgeregter als in jener Nacht, in der sie ihre Unschuld verloren hatte.
»Das macht dich total nervös, stimmt’s?«, fragte er.
»Was? Nein, gar nicht!«
Er lächelte wissend, als würde er ihr kein Wort glauben. Dann stand er auf und reichte ihr seine Hand. »Komm. Lass uns einen Schlafplatz für dich finden.«
Als er das Licht ausknipste und sie Hand in Hand in sein Schlafzimmer gingen, hätte Ella sich am liebsten Luft zugefächelt, um sich ein wenig abzukühlen.
Langsam wurde ihr fast ein wenig schlecht, und das war wirklich das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte! Hör auf, alles zu Tode zu analysieren! Du wirst nicht mit ihm schlafen, nur bei ihm. Aber was, wenn er davon ausgeht, dass ihr miteinander schlaft? Hast du die entsprechenden Signale vielleicht doch gesendet? Hyperventilierst du?
Das Flanellhemd, das er vorhin noch getragen hatte, lag auf dem Schlafzimmerboden.
»Ich werde einfach dein Hemd tragen«, sagte sie und hob es auf.
»Das Bad ist da drüben, und in dem Schränkchen sollten noch Ersatzzahnbürsten sein. Gib Bescheid, falls du sie nicht findest!«
»Okay, danke.« Ella verschwand im Bad und war froh, einen Moment lang allein zu sein. Wenn er so tat, als wäre das hier alles selbstverständlich, dann würde sie das ja wohl auch hinbekommen.
Schnell schlüpfte sie aus ihren Stiefeln, Jeans und Pullover. Kurz zögerte sie zwar, legte dann aber auch ihren BH ab, weil sie sowieso nicht schlafen konnte, wenn sie einen trug. Sie zog das Flanellhemd an, das ihr bis zu den Oberschenkeln reichte und nach Gavin roch. Ella atmete tief ein und genoss seinen Duft.
Ja, es hatte sie ganz schön erwischt, und die Nacht würde es nicht besser machen. Mit zitternden Fingern knöpfte sie das Hemd zu, verknöpfte sich und begann von vorn.
Im Badschränkchen fand sie statt einer Zahnbürste eine große Packung Kondome. Noch ungeöffnet. Extra-large.
Großer Gott! Was ging es sie an, was für Kondome er kaufte? Okay, schaden konnte die Info im Grunde nicht. Aber wieso denn gleich eine große Packung? Was hatte er bloß vor?
»Such die Zahnbürste, Ella«, befahl sie sich leise selbst. Zu schade, dass sie ihn nicht fragen konnte, für wen er all die Kondome gekauft hatte … Sie entdeckte die Zahnbürste doch noch und drückte ein wenig von seiner Extraweiß-Zahnpasta drauf. Kein Wunder, dass er ein solch perfektes Lächeln hatte! Gleichzeitig fühlte sie sich wie eine Spionin oder Stalkerin.
Als sie die Flasche mit Rasierwasser sah, konnte sie nicht anders, als daran zu schnuppern und einmal genießerisch aufzuseufzen. Gucci Black. Hach. Stell die Flasche wieder hin, putz deine Zähne und hör auf, dich wie ein Freak zu benehmen!
Ella hasste es, wenn die Vernunft wieder einmal ihre Tagträume zerstörte. Widerwillig putzte sie ihre Zähne und bürstete ihr Haar.
Dann betrachtete sie sich lange im Spiegel, um die nötige Gelassenheit zu erlangen, die sie für eine Nacht mit Gavin brauchte. Wäre auch zu dumm, wenn sie alles vermasseln würde, nur weil sie sich wie ein liebestolles Hündchen benahm!
Wie aber sollte man sich vollkommen ungezwungen und normal verhalten, wenn man neben Gavin Guthrie im Bett lag? Vermutlich würde sie diese Nacht nicht überleben.
Als sie zurück ins Schlafzimmer kam, wartete eine neue Herausforderung auf sie: Gavin saß auf dem Bett und trug nichts als eine Boxershorts. Auwei.
»Mach’s dir gemütlich«, sagte er und schlenderte an ihr vorbei. »Bin gleich wieder da.«
Wenn er jetzt in das Schränkchen sah, würde er merken, dass die Kondompackung nicht mehr am selben Platz stand. Und wenn schon! Sie würden sie sowieso nicht benutzen. Oder vielleicht doch? Was er sich wohl von dieser Situation erhoffte? Und was, wenn er mit einem schmutzigen Grinsen und der Packung Kondome in der Hand zurückkam, um animalischen Sex mit ihr zu haben?
Ehe sie in Ohnmacht fallen konnte, kroch Ella eilig ins Bett und zog die Decke bis an ihr Kinn. Irgendwie wollte sie aber auch nicht wie eine Mumie aussehen, wenn er zurückkam, also legte sie sich auf die Seite und genoss den Duft seines Kissens. Moment. Lag sie vielleicht auf seiner Hälfte? Auf welcher sollte sie schlafen?
Lustige Vorstellung, dass sie in ihrer ersten Nacht mit Gavin einen Herzinfarkt erleiden könnte. Auf jeden Fall ergäbe es eine nette Anekdote, wenn sie deswegen die Nacht in einer Notaufnahme verbringen müssten.
Ihre steifen Brustwarzen rieben am weichen Flanellstoff. Scheinbar war ihr ganzer Körper bereits hellwach und aufgeregt. Und als Gavin schließlich das Licht löschte und neben ihr unter die Laken schlüpfte, war ihr so heiß, als säße sie in einer finnischen Sauna.
Eigentlich hatte sie gedacht, dass sie es hinbekommen würde. Dass sie ihm nahekommen und notfalls die Konsequenzen tragen könnte, falls Gavin es sich doch noch einmal anders überlegen würde. Wie aber sollte sie es verkraften, wenn er sich gegen sie entschied, nachdem sie die Nacht miteinander verbracht hatten? Nein, das würde sie nicht ertragen.
Ella beschloss gerade, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden, als Gavin den Arm um sie legte und sie an sich zog. Und das war’s, die Entscheidung war getroffen. Sie würde bleiben.
Die Hoffnung ist das Federding, das in der Seel’ sich birgt und Weisen ohne Worte singt und niemals müde wird.
Emily Dickinson
Ella hatte keine Ahnung, was sie mit ihren Händen machen sollte. Oder mit ihren Beinen. Oder mit ihrem restlichen Körper. Wahrscheinlich dachte Gavin jetzt, dass sie noch nie mit einem Mann geschlafen hatte, obwohl das wirklich nicht stimmte! Aber eigentlich spielte das keine Rolle. Denn nichts hatte ihr je so viel bedeutet wie dieser Augenblick.
»Entspann dich, El. Ich bin’s, dein alter Kumpel Gavin!«
Ella kicherte. »Stimmt, ist ja nicht weiter wild, mit seinem Kumpel im Bett herumzuliegen.«
»Sorry, dass du wegen mir so viel durchmachen musstest.«
»Gavin …«
»Lass mich ausreden. Du musst wissen, dass es mir wirklich nicht leichtgefallen ist, Abstand zu dir zu halten. Weder am Strand noch an jenem Abend, als du dich nach meiner Festnahme um mich gekümmert hast. Auf Wills Hochzeit wollte ich unbedingt mit dir tanzen, ich wollte dich berühren … Gott, du hast so wunderschön in diesem goldenen Kleid ausgesehen. Ich habe mich gar nicht an dir sattsehen können.«
»Sorry, dass ich nein gesagt habe.«
»Ach, das hat mich nicht weiter überrascht. Du hattest ja allen Grund dazu.« Er streichelte über ihren Rücken, und Ella begann sich ein wenig zu entspannen. »Du weißt schon, dass du dir eine wandelnde Katastrophe ausgesucht hast, ja?«
Seine Ausdrucksweise brachte Ella zum Lachen. »Ich denke, wenn man sich ein bisschen Mühe gibt, könnte aus dieser wandelnden Katastrophe ein richtiges Prachtstück werden.«
»Glaubst du?«
»O ja! Aber ein paar Bedingungen gibt es schon.«
»Und die wären?«
»Keine Barbesuche mehr. Keine Prügeleien. Viel weniger Alkohol.«
»Was noch?«
»Wenn es dir dreckig geht, kommst du zu mir und erzählst mir davon. Du versuchst nicht, es auf irgendeine selbstzerstörerische Weise allein zu klären – durch ein Besäufnis oder eine Schlägerei zum Beispiel.«
»Ich bin keine besonders angenehme Gesellschaft, wenn es mir schlecht geht, glaub mir. Sei froh, wenn du dann nicht in meiner Nähe sein musst.«
»Das will ich aber. Habe ich doch gerade gesagt.«
»Ella … du hast keine Ahnung, wovon du sprichst!«
»Das denkst du doch nicht wirklich nach all der Zeit, oder? Ich weiß genau, was du meinst, und trotzdem haben es all deine düsteren Prophezeiungen noch nicht geschafft, mich zu vergraulen. Also versuch es gar nicht erst.«
»Du hast was Besseres verdient.«
»Kann sein.«
Sein raues Lachen brachte auch sie zum Lächeln.
»Aus irgendeinem seltsamen Grund will ich dich aber trotzdem.«
»Ich Glückspilz!«
»Versau es nicht.«
»Ich bin leider ein bisschen aus der Übung. Ist immerhin eine Weile her, seit ich die letzte feste Freundin hatte.«
»Oh, Moment, wie hieß sie noch mal – Dalia? Was ist das überhaupt für ein Name?«
Gavin strich über ihren Arm und griff nach ihrer Hand. »Sei nicht so fies, Tiger.«
»Was ist eigentlich aus ihr geworden?«
»Sie kam nach Calebs Tod nicht mehr mit mir klar. Eine Weile hat sie es versucht, und als sie damit aufgehört hat, ist es mir nicht mal richtig aufgefallen. War mir wohl nicht wichtig genug.«
Auch wenn Ella damals drei Kreuze gemacht hatte, als die Frau verschwunden war, tat sie ihr jetzt fast ein bisschen leid.
»Gab es seitdem noch jemanden?«
»Ach, so dies und das, aber nichts Ernstes. Dafür haben mir die Kapazitäten gefehlt. Ich habe mich auf die Arbeit und meine Eltern konzentriert und darauf, irgendwie durch den Tag zu kommen.«
»So kann man nicht leben, Gav. Das weißt du, oder?«
»Zu mehr war ich nicht in der Lage.«
»Ich würde mir auch nie anmaßen zu behaupten, dass ich wüsste, wie es dir nach Calebs Tod ging. Es muss schrecklich sein, seinen Bruder oder seine Schwester zu verlieren, besonders wenn man ansonsten keine Geschwister hat. Der Tag, an dem er gestorben ist, war auch der schlimmste meines Lebens.« Gavin drückte ihre Hand.
»Es tut immer noch weh, an ihn zu denken. Er war einer der tollsten Menschen, die mir je begegnet sind.«
»Danke, Ella«, sagte er mit rauer Stimme. »Es hilft mir sehr, zu wissen, dass er so vielen Leuten etwas bedeutet hat.«
»Wir haben ihn sehr geliebt, ja. Aber …«
»Ah, wusste ich’s doch!«
»Er würde es absolut schrecklich finden, wenn er wüsste, dass sein Tod dein Leben ruiniert hat. Natürlich habe ich ihn nicht so gut gekannt wie du, aber da bin ich mir ganz sicher.«
Ein tiefer Seufzer war seine einzige Antwort.
Ella zwang sich weiterzusprechen. Das hier war wichtig. »Niemand kann ihn je ersetzen oder die Lücke füllen, die er in deinem Leben hinterlassen hat. Trotzdem bringt es ihm nichts, wenn du seinetwegen das Leben nicht mehr genießt, Gavin. Vielmehr wäre es fast eine Beleidigung für ihn, wenn du all die Jahre, die ihm nicht mehr vergönnt waren, nicht nutzen würdest. Du solltest für euch beide leben!«
»Klingt ganz so, als hättest du schon öfter drüber nachgedacht.«
»Habe ich auch. Kennst du das, wenn dir was passiert, du aber nicht spontan darauf reagieren kannst und dir erst viel zu spät einfällt, was du sagen wolltest?«
»Jep.«
»Nun, mir ist das immer passiert, wenn ich dich gesehen habe. Mal fiel mir die Antwort am nächsten Tag, manchmal aber auch erst in der Woche darauf ein.«
Gavin ließ ihre Hand los und legte seine Hände um ihr Gesicht.
Ella hielt den Atem an – und plötzlich spürte sie seine Lippen auf ihrem Mund. Sanft und verführerisch. »Kann ich absolut unterschreiben, was du da gesagt hast.« Noch ein Kuss. »Mein Bruder wäre total sauer auf mich und würde mir ganz schön die Meinung geigen. Und er würde sagen, dass ich meine schmutzigen Pfoten von dir nehmen und mich aufs Sofa verkrümeln soll!«
»Würde er nicht!«
»Doch. Ich fand dich schon damals ziemlich süß.«
Ella war selbst überrascht, wie wütend sie Gavins Worte machten. »Sag das nicht, das ist doch Quatsch.« Sie wollte sich von ihm losreißen, aber er hielt sie fest.
»Ist es nicht! Als wir auf dem College waren und Caleb schrecklich in Hannah verliebt war, da wollte ich dich fragen, ob wir mal ausgehen. Aber du bist noch zur Highschool gegangen, und er hat gesagt, dass ich die Finger von dir lassen soll, weil du zu jung und unschuldig für mich bist. Recht hatte er.«
»Wie bitte? Hatte er gar nicht!« Es machte Ella fuchsteufelswild, diese Details aus der Vergangenheit zu erfahren.
»Wahrscheinlich hat er befürchtet, dass er Ärger mit Hannah kriegt, wenn das mit uns schiefgeht. Er hat mir unter Androhung von Schlägen verboten, dich auch nur anzusehen!«
»Das kann ich mir nicht anhören. Ich … ich sollte gehen.« Doch noch ehe sie sich aufrichten konnte, hatte er sich auch schon auf sie gelegt, so dass seine Erektion sich an ihren Bauch drückte.
»Geh nicht. Bitte!«
»All die Zeit«, sagte Ella und konnte nur mit viel Mühe die Tränen zurückhalten. »Ich will mir gar nicht vorstellen, was wir alles verpasst haben.«
»Wir sind doch jetzt beisammen. Uns gehört die Gegenwart – und die Zukunft. Es besteht immerhin die kleine Chance, dass ich es nicht total vermassle.« Er küsste sie wieder, dieses Mal schon stürmischer.
Ella schlang die Arme um seinen Hals und gewährte seiner Zunge Einlass in ihren Mund. Auch wenn sie hoffnungslos verwirrt war, konnte sie an nichts anderes mehr denken als an diesen leidenschaftlichen Kuss. Es gab nur das Hier und Jetzt mit dem Mann, nach dem sie sich so lange verzehrt hatte. Ihr Körper schien in Flammen zu stehen. Sie schlang ihre Beine um seine Hüfte und sehnte sich nach Erlösung.
Als könnte er spüren, was sie brauchte, presste Gavin sich rhythmisch an sie und begann, das Flanellhemd aufzuknöpfen. Sie hätte ihn aufhalten sollen, ehe er noch weiterging. Sie waren beide überhaupt nicht auf die Situation vorbereitet, aber sie wollte ihn viel zu sehr, um jetzt aufhören zu können.
Ohne von ihrem Mund abzulassen, schob Gavin das Hemd über ihre Schultern und presste sich an sie, so dass seine Brusthärchen an ihren Brustwarzen kitzelten. Ella stöhnte laut auf. Es war vollkommen verrückt. Sie wollte diesen Mann mehr, als sie je irgendetwas in ihrem Leben gewollt hatte.
Er keuchte auf. »Gott, Ella …« Gavin vergrub sein Gesicht in ihrem Nacken und atmete ein paarmal tief ein und aus.
Sie malte kleine Kreise auf seinen muskulösen Rücken und ließ ihre Hand immer weiter hinunterwandern, so dass Gavin unter ihren Fingerspitzen erschauerte. Als sie am Bund seiner Boxershorts angekommen war, befand sie sich in der Zwickmühle: weitermachen oder aufhören?
Jahrelang hatte sie den sexy Hintern in seiner Jeans bewundert – da konnte sie jetzt nicht widerstehen, seine prallen Pobacken zu streicheln.
»Verdammt«, flüsterte er und atmete laut aus. »Ella.«