Seldas Haus - Larissa von Buchwaldt - E-Book

Seldas Haus E-Book

Larissa von Buchwaldt

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Beschreibung

"Alles beginnt mit diesem Brief..." Eines Tages kommt die elfjährige Selda mit einer seltsamen Vorahnung nach Hause. Dort erfährt sie durch den Brief einer mysteriösen Tante eine ungeheuerliche Neuigkeit: Selda ist die Erbin eines Hauses - irgendwo wo auf dem Land! Auf den Spuren von Tante Pola werden Selda, ihre Brüder und die Freundin Coco durch jeden Winkel der verwunschenen Villa geführt. Wer war Tante Pola? Und ist ihre Vertraute Rosamunde wirklich eine Hexe? Die Veränderungen auf dem Wandbild im Turmzimmer kann nur Selda sehen. Hat das mit ihrem verborgenem Talent zu tun oder mit der Elster, die plötzlich an den unterschiedlichsten Orten erscheint? Als Selda dann noch erkennt, was der sonderbare Junge im Wald vorhat und gleichzeitig ein wertvolles Erbstück verschwindet, stehen die Kinder vor Herausforderungen, die sie nur durch mutige Entscheidungen und echten Zusammenhalt bewältigen können. Werden Sie es schaffen?

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Seitenzahl: 252

Veröffentlichungsjahr: 2023

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www.seldashaus.de

Für Larissa, die sieben Generationen vor ihr und die sieben Generationen nach ihr

„Wenn du nach Innen schaust, bist du riesig. Du kannst Dinge sehen, die kein anderer sehen kann.“Angaangaq Angakkorsuaq

INHALT

Die Vorahnung

Die Ankunft

Das Haus

Die Entscheidung

Der Junge

Das Versprechen

Das Wandbild

Das Rätsel

Die Überraschung

Der Schatz

Das Licht

Das Talent

Die Katastrophe

Die Bedrohung

Die Suche

Die Warnung

Das Feuer

Die Waldfrau

Die Versöhnung

Die Wahrheit

1

DIE VORAHNUNG

Es war auf dem Schulweg, an einem sonnigen Nachmittag im April, als Selda die große Neuigkeit durch ein bedeutsames Kribbeln und Bibbeln in ihrer Bauchgegend angekündigt wurde.

Immer dann, wenn Seldas Bauch sich zugleich voll und leer anfühlte, ahnte das blonde Mädchen, dass eine wichtige Veränderung bevorstand.

Selda verabschiedete sich schneller als gewohnt von ihrer Freundin Coco und schob erwartungsvoll die schwere Haustür ihres Wohnhauses in der Kitzkystraße auf.

Coco, die gleich im Haus nebenan wohnte, rief ihr noch eilig nach: „Bis morgen!“

Doch Selda hörte sie schon nicht mehr.

Im zweiten Stock angekommen, sperrte sie die Wohnungstür auf und steckte zunächst nur den Kopf durch den Türspalt, um hineinzulauschen in die kleine Wohnung, die ihr vertrautes Zuhause war, seitdem sie denken konnte.

Selda hörte ihre älteren Brüder Hans und Onno in deren gemeinsamem Zimmer und am Ende des Flurs auch die Stimme ihres Vaters Max, der, wie üblich, viel zu laut in seinem Arbeitszimmer telefonierte. Auf der Kommode gegenüber der Wohnungstür brannten zwei große Kerzen in Windlichtern aus Glas. Auf diese Weise wurde der dunkle Flur in eine gemütliche Höhle verwandelt und hieß jeden willkommen, der die Wohnung betrat. Wenn die Kerzen brannten, wusste Selda sogleich, dass ihre Mutter Ellie zu Hause war.

Das seltsame Gefühl in Seldas Bauch verstärkte sich, es schwoll nun zu der Größe eines aufgeblasenen Luftballons an. Etwas lag in der Luft, sie war sich ganz sicher.

„Mamo?“ Selda ging, ohne ihre Jacke oder die Schuhe auszuziehen, direkt in das Wohnzimmer, wo sie ihre Mutter vermutete. „Bist du da? Mamooo?“

Selda erhielt keine Antwort und ging deshalb ein paar Schritte weiter in das Wohnzimmer hinein. Sie erschrak ein wenig, denn plötzlich stand sie in einer Teepfütze und den Scherben von Mamos wertvoller Lieblingstasse. Was war hier los?

Alles sah wie immer aus und doch war Selda sich sicher, dass etwas passiert war.

Sie versuchte es noch einmal: „Mamo? Bist du da?“

Ihre Mutter aber antwortete nicht. Stattdessen drang Mamos Stimme dumpf aus der Küche zu Selda hinüber. Während sie telefonierte, schien sie die Welt um sich herum vergessen zu haben.

Warum um alles in der Welt telefoniert Mamo in der Küche, während hier ihre liebste Tasse zerbrochen auf dem Teppich liegt? Neugierig sah Selda sich nach einer Erklärung um. Welches Telefonat konnte jetzt wichtiger sein, als die zerbrochene Tasse? Was ist passiert? Was ist die Neuigkeit?

Auf Ellies Schreibtisch hatte jemand schon eine Lampe angeknipst, die Wohnung war manchmal etwas dunkel.

Auf dem roten Sofa sah Selda einen großen Stapel mit ungeöffneter Post. Das ist ja seltsam!, dachte sie und griff sogleich nach einem hellblauen Briefumschlag, der ihren Namen trug, geschrieben in einer altmodischen Handschrift.

Ein handgeschriebener Brief? An mich? Seldas Bauch kribbelte jetzt ein wenig mehr und das war das Zeichen, dass sie auf der richtigen Spur war. Mit einem Finger fuhr sie über ihren Namen und drehte den Brief um. Auf der Rückseite stand:

von Pola

Der Umschlag war überraschend schwer. Selda ertastete darin einen länglichen Gegenstand.

In Sekundenschnelle ordnete Selda ihre zarten Wahrnehmungen. Sie war sich sicher, dass die zerbrochene Tasse, Mamos Telefonat hinter verschlossener Tür und dieser Brief miteinander zu tun hatten. Das eine wäre ohne das andere nicht möglich gewesen. Bestimmt würden durch diesen Brief die erahnten Neuigkeiten gelüftet werden. Wieder kribbelte und bibbelte es ungeduldig in Seldas Bauch. Sie überlegte ganz kurz, ob sie zu Mamo in die Küche gehen sollte, doch ihre Neugierde und dieses Gefühl, diese Gewissheit, dass sie jetzt gleich etwas Wichtiges erfahren würde, hielten sie davon ab.

Ob ich den Brief aufmachen darf? Selda hatte Zweifel, ob es in Ordnung war, den Brief einfach zu nehmen.

Aber Selda war eben Selda und konnte ihre Neugierde nicht mehr bändigen.

„Ich will das jetzt wissen! Ich will wissen, was diese Neuigkeit ist!“, flüsterte sie. Bevor noch irgendein Einwand in ihr laut werden konnte, bevor entweder Mamo, Papo oder gar Hans und Onno ins Wohnzimmer kommen würden, wollte sie erfahren, was in dem Brief an sie stand und wer eigentlich diese mysteriöse Pola war, denn Selda hatte noch nie von ihr gehört.

Vorsichtig nahm sie den Brieföffner ihrer Mutter und schlitzte den Umschlag geschickt an einer Längsseite auf. Heraus fiel zunächst ein langer, silberner Schlüssel. Selda hob ihn auf und betrachtete ihn genau. Noch nie hatte sie so einen schönen, kunstvoll verzierten Schlüssel gesehen. Der silberne Griff bestand aus zwei verschlungenen Buchstaben: M und M. Selda behielt ihn in der Hand, während sie den Brief behutsam entfaltete und zu lesen begann:

Plönau, den 15. Dezember

Liebe Selda,

manchmal erlebt man im Leben

außergewöhnliche Überraschungen

und später einmal wirst Du erzählen

können, dass Dir als Kind solch eine

Überraschung widerfahren ist.

Alles beginnt mit diesem Brief.

Selda sah auf. Ihr Herz klopfte jetzt so laut, jemand musste das hören! Aber Mamo telefonierte immer noch in der Küche und schien die Zeit vergessen zu haben. Selda fühlte sich hineingezogen in den Brief, regelrecht angezogen von der Schönheit dieser Worte und von dem Anblick der fremden, geschwungenen Handschrift.

Vorsichtig strich sie über ein Foto, das ebenfalls in das Kuvert gelegt worden war. Es zeigte eine ältere, zarte Dame mit hochgesteckten, grauen Haaren in einem blumigen Seidenkleid. Sie stand, eine Hand in die Hüfte gestützt, vor einer blauen Haustür, zu ihren Füßen saß eine grau getigerte Katze, die eindringlich in die Kamera blickte.

Selda fühlte eine gewisse Nähe zu dieser fremden Frau. War das Pola? Sie sah so freundlich aus und nett und auch ein wenig einsam. Schnell las Selda weiter:

Du hast bestimmt noch nie von mir gehört.

Ich bin die jüngere Schwester Deiner Großmutter

Trolly. Jetzt aber bin auch ich eine alte Dame.

Deine Mutter wird sich nicht an mich erinnern.

Ich hatte sie nur wenige Male als Baby auf dem Arm,

danach haben wir uns nie wieder gesehen. Meine

Kräfte lassen nach. Es ist Zeit, dieser Welt Auf

Wiedersehen zu sagen. Das soll Dich, liebe Selda,

jedoch nicht traurig machen, denn ich hatte ein gutes

Leben. Und das Leben ist so, nicht wahr? Irgendwann

verliert unser Körper seine Kräfte und wir verlassen

ihn. Ich bin ganz sicher, dass wir nach dem Tode an

einen schönen Ort kommen. Wenn du diesen Brief

erhältst, bin ich schon dort.

Selda schluckte. Das war nicht wirklich, was sie unter einer guten Nachricht verstand. Sollte das ein schlechter Witz sein? Verstand sie die Verfasserin des Briefes richtig? Selda wollte nicht glauben, dass diese Pola, die ihr so nett vorkam, anscheinend nicht mehr lebte.

Leise sagte Selda zu sich, aber eigentlich zu Tante Pola: „Warum schreibst du mir?“, und las eilig weiter. Sie konnte nicht glauben, was Pola ihr im nächsten Abschnitt des Briefes mitteilte…

Als Selda die letzte Zeile gelesen hatte, wusste sie sich nicht anders zu helfen, als laut zu schreien. Ihre ganze Familie musste unbedingt gleichzeitig informiert werden, dass es eine unglaubliche Neuigkeit gab! Selda rief so laut sie konnte:

„Hiiiiiiiiiiilfe!“

Der Schrei half, denn schon im nächsten Moment stürzte Seldas Vater Max mit aufgerissenen Augen den Flur entlang, die Brüder Hans und Onno schossen beinahe gleichzeitig aus ihrem Zimmer und Seldas Mutter Ellie stand innerhalb von Sekunden neben ihrer Tochter.

„Um Gottes Willen, Selda! Was ist los?“ Mamo fasste Selda an den Schultern, tastete ihren Kopf ab und suchte ihre Tochter mit ihrem fürsorglichen Blick ängstlich nach einer möglichen Verletzung ab.

„Alles in Ordnung, keine Verletzung!“, japste Ellie und sah Selda fragend an. „Was ist nur passiert? Warum schreist du so?“

Auch Max, Hans und Onno warteten auf eine Erklärung. Selda blickte allen grinsend ins Gesicht und sagte stolz:

„Ich habe ein Haus geerbt!“

„Ja, genau!“, spottete Hans und deutete an, das Wohnzimmer sofort wieder zu verlassen. Max hielt ihn zurück. Hans war 14 und fand seine kleine Schwester oft ein wenig nervig. Abweisend verschränkte er nun die Arme vor seiner Brust und gab Selda dadurch zu verstehen, dass er die Behauptung für einen seltsamen Scherz hielt und ihr nicht auf den Leim gehen würde.

„Wirklich! Ich habe ein Haus geerbt!“, wiederholte Selda, die versuchte, ernst zu bleiben, aber wegen der ganzen Aufregung albern giggelte.

Max blickte Selda forschend an. Sie konnte erkennen, dass er es doch für möglich hielt, zumindest ein kleines bisschen.

Onno, der jüngere der beiden Brüder, jedoch nur ein Jahr älter als Selda selbst, fragte aufgeregt: „Von wem? Von wem? Warum?“

Noch bevor sie ihm antworten konnte, nahm Ellie Selda den Brief aus der Hand, warf einen schnellen Blick darauf und sagte dann mit gespielter Strenge: „Hast du in meiner Post geschnüffelt?“

Selda war sich jetzt plötzlich nicht sicher, ob sie einen riesigen Fehler gemacht hatte. „Aber auf dem Umschlag stand doch mein Name.“

Mamo war anscheinend nicht böse. „Selda sagt die Wahrheit! Sie hat tatsächlich ein Haus geerbt! Von Pola, sie war Trollys Schwester, somit also meine Tante. Ich kannte sie gar nicht.“

„Aber wieso weißt du das schon, Mamo?“, fragte Selda nun sichtlich erstaunt.

„Heute kam mit einem Kurier ein Päckchen von einem Anwalt. Darin war der hellblaue Umschlag an dich und ein förmlicher Brief an mich, der mich informiert hat, dass du die Erbin eines Hauses bist.“

Jetzt fielen Hans und Onno über Selda her und jeder versuchte, den Brief zuerst in die Hände zu bekommen.

„Stopp!“, schaltete Max sich ein. „Hört sofort auf! Selda soll den Brief selbst vorlesen. Für uns alle. Natürlich nur, wenn du möchtest, Selda!“

Ellie lächelte und gab ihrer Tochter Polas Brief zurück. Selda stellte sich nun voller Stolz vor ihre staunende Familie und las vor, was sie selbst noch gar nicht glauben konnte.

Ich möchte Dir mitteilen, dass ich Dir mein Haus

vererbe. Das Haus ist schon sehr alt, es gibt einen

großen Garten. Hinter dem Garten liegen Felder und

Wiesen und ein wunderschöner Wald. Im Haus selbst

lebt noch ein Kater. Er heißt Jones. Sonst ist hier

niemand.

Ihr werdet hier bestimmt ein schönes Leben haben!

Leb wohl,

Deine Tante Pola

Selda wartete einen kleinen Moment bevor sie erwartungsvoll aufblickte, denn das stille Staunen ihrer Familie genoss sie sehr.

Max erholte sich als erster von dem Schock. „Das kann ich einfach nicht glauben!“

„Ich auch immer noch nicht, es ist wirklich vollkommen verrückt.“ Ellie nahm ihre Tochter in den Arm.

„Warum haben wir noch nie etwas von dieser Tante Pola gehört?“ Hans wollte eine Erklärung.

Onno rief unternehmungslustig: „Ist doch egal! Wann fahren wir hin? Gleich morgen? Wo ist das Haus? Wo ist Seldas Haus?“

„Ja! Morgen! Lasst uns morgen fahren! Wir haben doch ein paar Tage Ferien! Wir müssen da sofort hin!“, rief Selda erwartungsvoll.

„Jetzt wartet mal! Das geht mir hier alles zu schnell“, bremste Max die Stimmung, „ich habe morgen ganz viele Termine.“ Er rupfte sich die Haare, das machte er immer, wenn er ratlos war. Dann nahm er den Brief aus Seldas Hand und verschwand in der Küche. Ellie folgte ihm.

„Lasst uns packen!“, rief Hans, „Wir fahren morgen ganz bestimmt!“

„Was macht dich da so sicher?“, fragte Selda mit etwas gedämpfter Stimmung.

Onno war der Meinung seines Bruders: „Weil Papo alles dafür tun wird, seine Termine abzusagen. Er will doch auch sofort zu dem Haus. Er liebt Häuser!“

Selda lächelte zufrieden, denn es stimmte: Papos Leidenschaft waren Häuser, ganz besonders aber liebte er alte Häuser.

Hans und Onno hatten das Wohnzimmer schon verlassen, Selda jedoch schlich in Richtung Küche und drückte ihr Ohr an die Tür.

Was haben sie so heimlich noch zu besprechen? Es ist doch mein Haus, dachte sie. Gab es da noch mehr Neuigkeiten? Selda konnte nicht verstehen, was die Eltern sagten und zog sich deshalb zurück in ihr kleines Zimmer. Es war jetzt schon fast dunkel, sie knipste ihre Schreibtischlampe an und schrieb aufgeregt eine Nachricht an Coco, denn Coco musste als Erste wissen, was hier los war.

Liebe Coco,

es gibt Neuigkeiten! Ich habe eben erfahren, dass ich

ein Haus geerbt habe! Von einer Tante Pola. Niemand

von uns ist ihr je begegnet. Mehr weiß ich noch nicht.

Wenn ich morgen nicht da bin, dann sind wir

hingefahren.

Tschüss!

Deine Selda

Selda faltete die kleine Karte an ihre Freundin und legte sie in das Körbchen, das an einer Seilbahn vor ihrem Fenster hing. Cocos Zimmer war im benachbarten Haus genau gegenüber von Seldas Zimmer, nur der Innenhof trennte die Freundinnen. Letztes Jahr hatten sie, mit der Hilfe von Papo, eine Seilbahn zwischen ihren Fenstern gebaut. So konnten sie sich über den Hof hinweg Nachrichten schicken. Manchmal wurden allerdings auch die Meerschweinchen von Coco hinübergefahren, was Mamo immer ein wenig waghalsig fand.

* * *

Am nächsten Tag, schon um sechs Uhr morgens, fuhren sie tatsächlich los. Mamo und Papo hatten das Auto noch am Abend gepackt. Hans, Onno und Selda mussten sich nur noch anziehen und frühstücken. Doch Selda bekam keinen Bissen herunter, die Aufregung war zu groß. Das Dorf Plönau, wo Tante Pola zu Hause gewesen war, lag einige Stunden entfernt. Hans und Onno hatten es sich mit Kissen gemütlich gemacht und waren schnell wieder eingeschlafen, nicht aber Selda. Niemals hätte sie wieder einschlafen können, denn ihre Neugierde auf das Haus war riesig. Selda blickte schweigend aus dem Fenster und dachte an den Traum, den sie letzte Nacht gehabt hatte.

Hatte sie von Polas Haus geträumt? In ihrem Traum war Selda mit einem Hund in einem Wald spazieren gegangen. Sie waren einem engen Trampelpfad gefolgt, der von unzähligen, dünnen Buchen gesäumt war, die eine Art Korridor bildeten. Die jungen Bäume sahen aus wie lange, blattlose Ruten, die um jeden Preis versuchten, in der Höhe etwas vom Sonnenlicht zu ergattern. Auf dem Waldboden ergab sich ein schönes Muster aus Licht und Schatten. Der Hund lief immer wieder voraus und wartete dann bellend auf Selda. Sie verstand, dass er ihr etwas zeigen wollte. Plötzlich öffnete sich der Korridor und Selda sah mitten im Wald ein kleines Haus auf einer riesigen Lichtung stehen. Am Ende der Lichtung saß eine Frau auf einer Bank. Sie winkte Selda zu. Oder dem Hund? Denn im nächsten Moment bellte er und lief zu der Frau hinüber. Selda wollte den Hund zurückrufen, aber sie hatte plötzlich keine Stimme mehr und merkte, dass sie sich nicht an den Namen des Hundes erinnerte. Das war das Ende des Traumes, denn in diesem Moment hatte Ellie sie behutsam geweckt.

Während die Sonne aufging und die Häuser der Stadt an Selda vorbeisausten, dachte sie über die Bedeutung des Traumes nach. Habe ich in dem Traum mein Haus gesehen? Haben wir jetzt ein Haus im Wald? Und hat mir da Pola zugewunken? Bekommen wir endlich einen Hund?

Als sie die Fahrt unterbrachen, um ein kleines Picknick auf einer Wiese zu machen, begann Ellie zu erzählen, was sie von Tante Pola wusste. „Meine Mutter Trolly, also eure Großmutter, hatte eine viel jüngere Schwester. Ihr Name war Pola. Pola wurde gar nicht in Deutschland geboren, sondern in Brasilien, wie ich ja auch. Ich war ein kleines Baby, als meine Eltern mit mir von Südamerika nach Deutschland zurückgingen. Aber das wisst ihr ja.

Trolly hat mir nie, mit keinem einzigen Wort jemals von Pola erzählt. Bis gestern wusste ich gar nicht, dass ich eine Tante hatte. Ich habe ja noch mit diesem Anwalt telefoniert, der Selda den Brief von Pola geschickt hat. Er erzählte mir, dass Pola die letzten 30 Jahre in Deutschland lebte.“

Ellie seufzte jetzt leise und fügte noch hinzu: „Ich hätte sie gerne getroffen. Ich wünschte, ich könnte Trolly fragen, warum sie mir nie von ihrer Schwester erzählt hat und wie Pola so gewesen ist.“

Selda hatte einen Kloß im Hals, denn sie konnte spüren, wie traurig Mamo immer noch war, weil Trolly vor zwei Jahren gestorben war.

„Es ist wohl so, dass meine Mutter und Pola keinen Kontakt zueinander hatten“, sagte Ellie nachdenklich.

„Weißt du, warum?“, fragte Onno, der gerne immer alles ganz genau wissen wollte.

„Und warum sie ausgerechnet Selda das Haus vererbt hat? Warum hast Du es nicht bekommen, Mamo?“ Hans wollte es besser verstehen.

„Ist es nicht egal, wem das Haus jetzt gehört? Es gehört uns allen!“, mischte Selda sich schnell ein. Sie fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, dass ihre Brüder leer ausgegangen waren.

„Das werden wir vermutlich alles in Plönau herausfinden!“ Max, der jetzt weiterwollte, hatte sich schon von der Picknickdecke erhoben.

Selda ging es wie ihrem Vater. „Genau! Lasst uns fahren! Ich will endlich nach Plönau, endlich zu Tante Polas Haus!“

Alle waren einverstanden und packten schnell die wenigen Sachen zusammen. Zwei Stunden Fahrt lagen noch vor ihnen und Selda wusste nicht, wie sie das noch aushalten sollte. Glücklicherweise übermannte sie die Müdigkeit dann doch, und als sie wieder aufwachte, begann das Abenteuer von Seldas Haus.

2

DIE ANKUNFT

Kurz vor Plönau wurde Selda wieder wach, gähnend blinzelte sie aus dem Fenster. Auch Hans und Onno waren aufgewacht. Auf einer Landstraße fuhr das Auto jetzt durch eine ländliche Gegend. Sie kamen an Bauernhöfen, Pferdekoppeln und weiten Feldern vorbei.

Im Dörfchen Plönau entdeckte Selda einen Reiterhof, einen alten Spielplatz, einen Tante-Emma-Laden und eine alte Kirche, gebaut aus Feldsteinen. Hier und da gab es eine Koppel, auf der Pferde oder Kühe, vereinzelt sogar Schafe weideten. Die Häuser waren meistens aus Backstein, viele waren mit Reet gedeckt, in den ordentlichen Vorgärten blühten die ersten Osterglocken. Außergewöhnlich schön war die Dorfstraße, eine Allee aus blühenden Apfelbäumen.

„Wann sind wir endlich da? Ich halte es jetzt nicht mehr aus!“ Aufgeregt rutschte Selda auf ihrem Platz hin und her. „Wo ist es denn jetzt? Wo ist das Haus?“

„Ich verstehe das auch nicht. Es müsste hier am Ende der Straße sein. Es soll in der Kurve liegen, das letzte Haus des Dorfes“, murmelte Max und blickte etwas ratlos um sich.

„War da kein Straßenname dabei? Keine Hausnummer?“, wunderte sich Ellie.

„Doch – aber siehst du hier ein Straßenschild?“ Max war nun etwas genervt, die Fahrt schien ihn erschöpft zu haben.

„Aber wir sind im richtigen Dorf?“, löcherte Ellie ihren Mann.

„Ja, sicher! Was denkst du denn?“ Max rollte mit den Augen.

Alle sahen sich suchend um. In der Kurve am Ende des Dorfes entdeckten sie nur zwei hohe Linden und drum herum hohe, wild gewachsene Rosen und stachelige Brombeeren, außerdem andere dichte Sträucher. Weder ein Haus war zu sehen noch ein Tor oder ein Weg, der zu einem Haus hätte führen können.

„Können wir nicht einfach aussteigen?“, schlug Selda ungeduldig vor, „Vielleicht finden wir es leichter zu Fuß?“

„Es sieht hier einfach nur nach Ende aus. Nach dem Ende des Dorfes. Hier ist kein Haus, Selda!“ Onno war enttäuscht.

„Ende der Welt trifft es eher. Was für ein Kuhkaff!“, antwortete Hans spöttisch.

„Du bist richtig blöd, Hans.“ Selda hieb ihm mit dem Ellenbogen in die Seite.

Hans aber hörte nicht auf, sie zu ärgern: „Das war alles ein Witz. Wahrscheinlich war Tante Pola verrückt und das Haus gibt es gar nicht.“ Er kicherte, denn ab und zu machte es ihm Spaß, Selda zu ärgern.

Ellie drehte sich um und strafte Hans mit einem strengen Blick.

„Wir parken jetzt erst einmal und dann gehen wir zu dem Bauernhof, an dem wir gerade vorbeigekommen sind. Die Leute dort werden ja bestimmt wissen, wo eure Tante Pola gelebt hat“, schlug Max beschwichtigend vor.

„Wir sind in Plönau und deshalb werden wir auch dein Haus gleich finden, Seldalein.“ Ellie zwinkerte Selda zu.

„Ja, Mamo. Ich weiß, wir sind ganz nah.“

Selda und die anderen stiegen aus dem Auto und streckten ihre steifen Glieder von der langen Fahrt.

„Wettrennen! Komm, Hans, wir laufen zum Hof!“, schlug Onno vor und schon waren die beiden Brüder losgelaufen.

„Wartet auf mich!“ Selda galoppierte ihren Brüdern empört hinterher. Sie war schnell, gleichzeitig standen die Geschwister vor einer grauen Holztür.

Onno klopfte höflich an. Da aber niemand öffnete, traten sie einfach ein und sahen nun in einer langen Reihe aufgestellt mindestens zwanzig Kühe. Eine Kuh wurde gerade von zwei Männern untersucht, dabei stand, mit etwas Abstand, ein Junge, der etwa so alt wie Hans zu sein schien.

„Nanu?! Wir haben euch gar nicht kommen hören“, sagte einer der Männer mit einem herzlichen Lächeln. „Ich bin Volker Voght. Was macht ihr hier auf dem Voght-Hof und wie können wir euch helfen?“

„Wir suchen unser Haus!“, schoss es aus Selda heraus.

Hans knuffte sie in die Seite.

„Wir, also wir ...“ Onno stotterte kurz und musste neu beginnen: „Wir sind Onno, Hans und Selda. Und Selda hat hier ein Haus geerbt. Von einer Tante. Wir kannten sie gar ...“

„Mal langsam“, unterbrach der alte Bauer die Kinder, „Ihr habt ein Haus geerbt in diesem Dorf?“

„Ja!“ Das war Ellies Stimme, Selda drehte sich erleichtert um. Ellie und Max waren inzwischen in den Stall gekommen und stellten sich erst einmal freundlich vor: „Guten Tag! Wir sind Max und Eleonora Maret. Die drei hier sind unsere Kinder.“

Max streckte dem Bauern seine Hand freundlich entgegen.

Auch Ellie begrüßte Herrn Voght mit einem Lächeln. „Pola Langelütje war meine Tante. Kannten Sie sie? Sie hat unserer Tochter ihr Haus vererbt.“

„Ach ja? Das passt zu Pola.“ Der Bauer schmunzelte. „Natürlich kannten wir sie. Wer kannte sie nicht? Ich wusste nicht, dass sie Familie hat. Herzlich willkommen in Plönau!“

„Danke. Es wundert mich nicht, dass sie nicht von uns erzählt hat. Wir kannten uns leider gar nicht. Ich habe gestern erst durch einen Anwalt …“, erklärte Ellie entschuldigend. Es schien ihr peinlich zu sein, dass sie ihre Tante nie getroffen hatte.

„Wo ist denn jetzt dieses Haus? Wo ist mein Haus?“ Selda konnte die Anspannung nicht mehr aushalten.

Bauer Voght beugte sich lächelnd zu Selda. „Komm, ich zeige es dir, es ist ganz nah!“

Der ältere Mann, der viel größer als Max und doppelt so breit wie er war, ging mit Selda aus dem Stall, die Jungs folgten den beiden. Max und Ellie bildeten das Schlusslicht. Wie bei einer kleinen Prozession liefen sie die paar hundert Meter vom Hof der Voghts zurück zu ihrem Auto.

„Ihr seid doch eigentlich schon da!“, lachte der Bauer und zwinkerte Selda zu.

„Aber wo denn?“ Selda konnte immer noch nichts sehen und platzte jetzt fast vor Neugierde.

„Da! Seht doch! Ich habe etwas gefunden!“, schrie Onno im gleichen Moment und zeigte auf einen fast vollständig zugewachsenen Trampelpfad hinter der rechten Linde. Ein paar Meter weiter hinten im Dickicht, fast vollkommen zugewachsen, hing ein schmales Metalltor schief in den Angeln. Vor langer Zeit hatte es wohl mal einen blauen Anstrich gehabt.

Bauer Voght, der ihnen stumm gefolgt war, räusperte sich und sagte: „Ich lasse euch jetzt besser mal alleine. Wenn ihr etwas braucht – ein Mittagessen, eine Dusche, ein Bett, ein Glas frische Milch – kommt einfach zu uns auf den Hof. Es wäre mir eine Freude und meiner Familie auch.“ Er schüttelte Selda galant die Hand. „Ich gratuliere dir zu dieser Erbschaft, junge Dame!“

Dann drehte er sich mit einer angedeuteten Verbeugung um und ging pfeifend zurück zu seinem Hof.

Sie blickten ihm kurz nach und zwängten sich dann, einer nach dem anderen, durch den schmalen Gang aus Gestrüpp und Dornen und fanden sich jetzt in einer kleinen Allee aus Linden wieder, vier auf jeder Seite. Der Weg vor ihnen war von Unkraut überwuchert, jedoch nicht der Blick auf Tante Polas Haus. Selda erblickte das Haus als erste und sie blieb wie angewurzelt stehen. Mit offenem Mund starrte sie auf das Haus, das jetzt ihr gehören sollte, denn es war so ganz anders, als sie es sich vorgestellt hatte.

„Mamo! Papo! Seht ihr das? Das Haus!“

Ellie schlug die Hände vor ihrem Gesicht zusammen.

Max murmelte etwas Unverständliches und griff dann nach Seldas Hand. Als er sich vom ersten Schrecken erholt hatte, sagte er: „Was hast du nur für ein Glück?“

Hans und Onno erholten sich am schnellsten von der Überraschung und rannten durch das hohe Gras. Auf der Wiese standen Obstbäume, die gerade zu blühen begannen, und überall sah man weiße und gelbe Osterglocken um die Wette leuchten.

„Das ist das schönste Haus, das ich jemals gesehen habe!“, brach es aus Selda heraus. Und wahrlich: Seldas Haus war nicht etwa eine kleine Kate im Wald, wie Selda geträumt hatte, sondern eine riesige, verwunschene, alte Villa mit graublauer Fassade, einer blauen Haustür und vielen, vielen Fenstern.

Auf der linken Seite des Hauses stand ein Turm mit einem schiefen Wetterhahn auf der Spitze. Selda fielen seine besonders großen Fenster sofort auf. Sie erkannte auch, dass das ganze Haus im Sommer dicht bewachsen sein würde. Überall rankten Kletterpflanzen empor, die ihre Blüten und Blätter noch in zarten Knospen versteckten. Rechts vom Turm lag der Hauptteil des Hauses. Ein langgestrecktes Gebäude mit vier Fenstern im ersten Stock.

Die blaue Haustür war unter einer überdachten Veranda versteckt. Die meisten der blau gestrichenen Fensterläden hingen schief herunter und drohten, beim nächsten Sturm herunterzufallen.

„Max, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Sag du etwas“, flüsterte Ellie.

Selda blickte zwischen ihren Eltern hin und her.

„Puh. Also, es wäre ein ziemlich großes Ferienhaus, Liebes“, sagte Max gespielt ernst. Dann lachte er laut auf und drückte Seldas Hand ganz fest. Selda drückte zurück und riss sich im nächsten Moment los, um endlich bei ihrem Haus anzukommen.

„Kommt! Schnell!“, rief sie ihren Eltern zu und lief Hans und Onno hinterher. Selda rannte so schnell sie nur konnte. Die bunten Farben des Frühlings sausten an ihr vorbei und alles fühlte sich so leicht und richtig an, so als ob sie geradewegs in ein Gemälde gelaufen wäre. Die Jungs standen schon vor den Stufen und warteten auf ihre Schwester.

Als Selda atemlos bei ihnen ankam, betraten sie gemeinsam die großzügige Veranda. Neben der blauen Haustür lehnte ein verrostetes Damenrad, es hatte zwei Platten und war bestimmt schon lange nicht mehr in Gebrauch.

„Das könnte ja für mich passen“, lachte Selda und freute sich, denn ihr Fahrrad zu Hause mochte sie nicht besonders, hatte sie es doch von Hans geerbt. Vor der Haustür, neben einer alten Fußmatte, entdeckten die Kinder auch ein paar verstaubte Gummistiefel, einer war umgefallen und lag auf der Seite. Die Stiefel waren sehr klein. Selda wären sie nur ein wenig zu groß gewesen. Ob sie Pola gehört hatten?

„Gerade so, als ob Tante Pola noch hier wäre“, sagte Selda.

Max und Ellie waren nun endlich auch vor der Tür angekommen. Ellie suchte zitternd nach dem Schlüssel in ihrer Handtasche. „Ich habe noch nie, Kinder, noch nie etwas so Seltsames gemacht. Ich fühle mich ein bisschen wie eine Einbrecherin. Ihr nicht?“, sagte Ellie ehrfürchtig und doch mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

Tante Pola ist noch hier, dachte Selda. Da war wieder dieses Gefühl von dem vollen Bauch, der sich aber auch leer anfühlte, es war diese Vorahnung, dieses Kribbeln und Bibbeln, das sie niemals hätte beschreiben können.

„Spürt ihr das auch?“, wollte Selda von ihrer Familie wissen.

„Was meinst du?“ fragte Hans.

„Pola ist irgendwie noch hier. Sie will wissen, ob wir wirklich gekommen sind, zu ihrem Haus.“

„Wie soll das denn gehen?“, polterte Hans, der jetzt ungeduldig geworden war und endlich das Haus von innen sehen wollte.

Selda rollte mit den Augen. „Nur weil wir Tante Pola nicht sehen können, heißt es nicht, dass sie nicht da ist! Sie ist ja gerade erst gestorben! Vielleicht ist ihre Seele noch hier. Vielleicht wartet sie, ob wir wirklich gekommen sind, zu ihrem Haus.“

Selda war vollkommen überzeugt von dem, was sie fühlte. Eine zarte Gänsehaut breitete sich in ihrem Nacken aus. Sie wertete das als Bestätigung.

Onno nickte Selda zu. „Ich spüre das nicht, aber ich glaube das gerne, Selda.“

Feierlich übergab Ellie nun den verschnörkelten Haustürschlüssel an ihre Tochter und lächelte sie dabei verschwörerisch an: „Du sperrst auf! Es ist Dein Haus.“

Stolz nahm Selda den silbernen Schlüssel in die Hand. Er fühlte sich kühl und glatt an, abermals lief ihr ein Schauer über den Rücken.

„Gut! Ich mache jetzt die Tür auf.“

Genau in dem Moment, als Selda den Schlüssel in das Schloss steckte, sprang eine graue Katze auf die Veranda, maunzte laut und schmiegte sich an ihre Beine.

„Jones!“, rief Selda und freute sich.

„Wenn das kein gutes Omen ist“, sagte Max und gab ihr einen behutsamen Stups. „Los, Selda! Du musst jetzt die Tür aufmachen. Pola wollte es doch so. Wir dürfen nicht mehr warten.“

Einen kurzen Moment war es zwischen ihnen total still, niemand tat auch nur einen Atemzug.

Dann war Selda bereit und sie sagte mit fester Stimme: „Ja. Ich gehe. Jetzt, jetzt öffne ich die Tür von Polas Haus.“

Und Selda schob die schwere Holztür auf und tat den ersten Schritt in ihr neues Leben. Denn was zu dem Zeitpunkt keiner sagte und Selda doch jetzt schon hoffte: Sie würden hier leben. Dieses Haus, Seldas Haus, war ihr neues Zuhause.

3

DAS HAUS

Selda, dicht gefolgt von ihrer Familie und dem grauen Kater, trat nun in eine große Halle.

Mit offenem Mund ließ sie die ersten Eindrücke auf sich wirken. Die Eingangshalle hatte sehr hohe Wände, aus dem Treppenhaus fielen bunte Sonnenstrahlen wie breite, staubige Balken herein, die sich in den Kristallen eines alten Deckenleuchters zerstreuten und ein buntes Muster auf den Holzboden zeichneten.

Alle Türen, die von der Halle abgingen, waren geschlossen. Trotz der Sonne wirkte es etwas düster, denn die Wände und Türen waren mit dunklem Holz verkleidet, das elektrische Licht funktionierte nicht. Links vom Eingang führte eine breite Holztreppe nach oben. Die Sonnenstrahlen waren bunt eingefärbt, weil im Treppenhaus, das sah Selda als sie etwas weiter in den Raum hineingetreten war, ein riesiges Fenster aus buntem Glas eingelassen war. An der rechten Seite der Halle stand eine lange, blaue Bank aus Holz, auf der der Kater Jones nun majestätisch Platz nahm. Von dort aus verfolgte er Selda mit seinem eindringlichen Blick. Über der Bank hing ein rechteckiges, farbenfrohes Gemälde. Zwischen zwei hohen Doppeltüren gegenüber der Haustür sahen sie einen offenen Kamin, zwei Ohrensessel standen auf einem alten Teppich einladend davor.