Semiramis. Ein Märchen für Könige - Paul Althof - E-Book

Semiramis. Ein Märchen für Könige E-Book

Paul Althof

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Beschreibung

Der Leser taucht ein in die Welt der Königin Semirarmis in dem damals glänzendsten Ort der Welt, Babylon. Der allmächtigen Semiramis widersetzt sich Belnadin, der nur noch den Göttern dienen möchte. Aus seiner Bahn geworfen, wird er zum Feldherrn und später zum Gott Marduk. Jetzt begegnen sich Semiarmis und Marduk auf Augenhöhe. AUTORENPORTRÄT Die österr. Schriftstellerin u. Journalistin Alice Gurschner (1869-1944) wandte sich nach dem Studium der bildenden Künste in Italien und Paris dem Journalismus zu und schrieb unter dem Pseudonym Paul Althof für verschiedene in- und ausländische Zeitungen (u.a. "Wiener Tageblatt", "Wiener Fremdenblatt", "Neue Freie Presse", "Wiener Journal", "Deutsche Zeitung", "Berliner Börsenkurier"). Daneben veröffentlichte sie Romane, Novellen und dramatische Gedichte.

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Paul Althof

Semiramis

Ein Märchen für Könige

Saga

Tafel I.

Der Tempel der sieben Leuchten.

Die Sonne schlummerte auf den Mauern des Tempels so regungslos, wie Schlangen mittags schlafen. Babel schwieg unter einem flimmernden Dunstschleier, und leise klang die Ferne. Es war das Lied, das die Ströme, die Weizenfelder und die Palmengärten sangen, das Lied des Erdenfrühlings.

Belnadin hörte es nicht auf seiner Höhe, denn er betete.

Der Tempelturm ruhte auf sieben heiligen Stufen. Die erste war blau und nannte sich das Haus der Liebesgöttin Istar. Die zweite war schwarz und hiess das Haus Nindars oder das Haus des Todes. Die dritte, von gelber Farbe, war das Heiligtum des Sonnengottes Samas. Die vierte, von leuchtendem Weiss, hatten sie dem Mondgotte Sin geweiht. Die fünfte war das rote Haus des Kriegsgottes Nergal, die grüne und sechste beherrschte Nebo, der göttliche Bote, der die Menschen in das Land ohne Heimkehr führt. Auf der siebenten und höchsten Stufe strahlte das goldene Haus des Bel, in welchem sich der Jüngling Belnadin dem Dienste der Gottheit opferte.

Die Priester hatten ihn heraufgeleitet unter Beschwörungsworten und magischen Segenssprüchen. Sie hatten ihn mit einem kostbaren weissen Gewande bekleidet, ihm einen goldenen Brustschild angelegt, seine Stirn mit einem goldenen Reifen und die Arme mit Spangen geschmückt. Dann waren sie in ihre Wohnungen hinabgestiegen, und er war allein geblieben mit Gott.

In Belnadins grossen Augen wohnte die Andacht, auf seinen stummen Lippen sass der Wille, doch in seinem jungen Körper war die Kraft und die Wildheit des Panthers, die er mit der Macht seines Geistes zügelte.

Belnadin war stolz, darum wollte er den Göttern dienen, nicht den Menschen. Von woher er kam, wussten sie nicht. Er besass keinen Garten, kein Haus, kein Feld. Ein Adler, der ihn mit mächtigen Flügelschlägen umkreiste, war sein einziger Genosse.

Ein seltsam starkes Gefühl zog ihn zu Bel, dem Herrn des Himmels, dem König der Götter. In Stunden der Sammlung war ihm zuweilen eine Offenbarung geworden, die er keinem menschlichen Wesen, auch den Priestern nicht, verraten hatte: das Wissen, mit Bel vereinigt zu sein in unermesslicher Höhe und Klarheit.

Hier oben hatte er das Glück von neuem gefunden, das ihn über alles Geringe, Sterbliche und Erreichbare hinaustrug. Wie ein Weckruf hatte ihn hier die Frage getroffen: bin ich ein Teil Gottes oder wohnt Gott in mir?

Der Himmel rötete sich über der syrischen Wüste, und aus den Tiefen der Stadt krochen die Schatten zu den sieben heiligen Häusern empor. Nur Bels goldener Saal leuchtete noch über Babylon.

Ein Priester der Istar trat vor den Jüngling mit ehrerbietig übereinander gelegten Händen und sprach: „Patisi, es möge dir gefallen, deinen Fuss in das Haus der weissen Taube zu setzen. Unsere Königin, die Königin der vier Weltgegenden, die aus dem ruhmvollen Kampfe gegen die Meder heimgekehrt ist, hat von deiner Weisheit vernommen und lässt dich rufen.“

Belnadin schüttelte das Haupt: „Istarpriester, sage der Königin von Sumir und Akkad, der Priester Bels dürfe diese Nacht das Heiligtum Bels nicht verlassen.“

Doch nach einer Weile kehrte der Abgesandte zurück und hatte vier Sklaven und einen Tragstuhl mitgebracht.

„Patisi, die Königin der Königinnen weilt unten am Fusse des Turmes, am Altar der Göttin Istar und wünscht dein Angesicht zu sehen. Möge es dir gefallen, dich hinabtragen zu lassen.“

„Istarpriester, ich will beim Brandopfer die Gunst Bels herabbeschwören auf das Haupt der Königin von Babylon, doch sie wird mich nicht von Angesicht sehen. Und dir verbiete ich, meine Stille zu stören mit deinen Worten und deiner Gegenwart.“

Bekümmert schlich der Istarpriester von hinnen. Belnadin aber zündete das Opferfeuer an und warf wohlriechendes Harz in die Räucherschalen. Sorgfältig verschloss er dann den Eingang, und vor die goldene Statue Bels tretend, erhob er die Arme und sprach:

„Ich rufe dich, Geist des Himmels, Geist der Geister!

Ich beschwöre dich, grosser Gott Inlil!

Empfange das Opfer, das ich darbiete:

Weihrauch, Adlerleber und das Herz des Wüstenlöwen.

Und gib dafür Ruhm, Mut und göttliche Kraft ...

Der Königin von ...“

Er verstummte. Neben dem Abbild des Gottes stand eine Frau. Sie war durch das geheime Tor eingetreten, das nur die Belpriester kannten.

Langsam, wie im Kampfe gegen eine unabwendbare Macht, sank er nieder und berührte den Boden mit seiner Stirne. Und zum ersten Male klang eine weibliche Stimme klar und voll durch das Heiligtum Bels: „Ich wollte den sehen, der Semiramis den Gruss verweigert.“

Wo hatte er diese Stimme schon vernommen? In einem fernen Lande oder in einem fernen Leben?

„Du bittest nicht um Gnade,“ fuhr sie fort. „Ich kann dich töten lassen ...“ Belnadin erhob das Antlitz zu ihr „... oder dich mit Verbannung strafen. Du bittest nicht um Erbarmen?“

„Ich kann nicht bitten,“ entgegnete der Jüngling.

„Das weisse Gewand der Patist sollst du nicht mehr tragen. Den goldenen Saal Bels sollst du nicht mehr betreten. Auf das Meer sei verbannt. Ea, im Ozean, sei deine Zuflucht. Damkina, die Göttin der Wassertiefe rufe zu Hilfe. Ich kann Ströme aus dem Strombett ableiten und ihnen befehlen, dort zu fliessen, wo sie dem Lande nützen. Ich kann deinen Trotz ablenken und kehren wider die Feinde Babylons. Auf einem Floss wirst du stromabwärts fahren. In Bit-Imki wirst du meine Schiffe bereit finden, gegen das Küstenvolk Elams auszuziehen. Warum schüttelst du das Haupt, Belnadin? Du siehst nicht aus, wie einer, der vor Gefahren zurückbebt. Warum zernagst du deine Lippen, Belnadin? Du siehst nicht aus, wie einer, der sich der müssigen Verzweiflung hingibt. Rede zu mir.“

„Herrin, du wirst mich nicht zwingen, den Eid zu brechen.“

„Mein königlicher Wille löst jeden Eid auf.“

Da erhob sich der Jüngling, seine Augen funkelten.

„Du hassest mich?“ fragte sie ernst.

Er schwieg.

„Ich will dich wie einen Gefangenen vor meiner Sänfte einherführen lassen.“

Zwölf Sklaven hoben den elfenbeinernen Stuhl mit dem goldenen Schirmdach auf ihre Schultern und trugen die Königin den sanft abfallenden Zinnenweg hinab, der an den heiligen Häusern vorbeiführte. Vor den Toren warteten Priester und Andächtige, um sich bei dem Herannahen der Königin zu Boden zu werfen. Sie schwebte über den Häuptern der Menge hin, schlank, aufrecht, sich leise im Sessel wiegend. Ein weisses Hemd, mit goldenen Tauben durchwoben, floss an ihr nieder. Darüber trug sie das blaue sumerische Tuch, das quer über die Brust gelegt, auf dem Rücken gekreuzt und über die Schultern nach vorne geschlagen war, so dass die beiden Enden mit den Goldfransen bis auf ihre Füsse reichten. Ihren Schmuck bildete der dunkelblaue Stein Samdû, welcher der Istar heilig ist.

Voran schritten die Palastgarden und in ihrer Mitte Belnadin. Seine Brauen waren finster, sein Haupt erhoben.

Hinter der königlichen Sänfte gingen Dienerinnen und bewaffnete Männer. Ganz am Ende kauerte in einem Tragsessel der uralte Leibsklave Zabu. Er blickte aus seinem runzeligen Affengesicht verbissen in die Menge, klopfte mit seinem Stabe auf die Köpfe der Nächststehenden, dass sie zurückwichen und spornte zuweilen seine Träger zu einem humpelnden Laufschritt an, bis er an die Spitze des Zuges gelangte, um dort mit wohlgezielten Flüchen Viehtreiber und Karrenführer in die Nebengassen zu jagen.

Aus dem Menschengewimmel empor und von den Dächern der Häuser nieder klangen die Grüsse des Volkes an die Königin:

„Istar schütze dich! Samas lasse dich ewig leben! Rammân gebe dir Sieg und Ruhm!“ So erreichte der Zug den königlichen Palast am Euphratufer.

Belnadins Zorn war dahin. Eine tiefe Schwermut lähmte seine Gedanken. Er liess sich teilnahmslos in ein hohes Gemach führen, das nach dem Euphrat gelegen war.

Sklaven brachten ihm das Fleisch eines jungen Lammes, Brot, Honig, Früchte und Wein. Er liess Speise und Trank unberührt und starrte auf den Strom hinaus. Dort rüsteten sie ein Floss, und weiter gegen Borsippa lagen noch viele andere fahrbereit, die alle Bit-Imki zum Ziele hatten.

Die Sklaven bereiteten ihm ein Lager, stellten eine brennende Lampe zu Häupten desselben auf und brachten Gewänder und Waffen für den kommenden Tag.

Als es tiefe Nacht war, legte Belnadin seine weisse priesterliche Kleidung ab und tauchte in das Bad. Köstlich kühles Wasser, das zu- und abströmte, erfüllte das rote Steinbecken, und ihm war es, als spüle die Flut den Staub des Tages auch von seiner Seele.

Dann sass er lange und schaute zum gestirnten Himmel auf. Sein scharfes Auge fand den Stern Bels, er stand im Erdzeichen der Istar.

Von den Gärten der Königin her kamen Harfenlaute. Also wachte sie noch. Vielleicht in den Armen eines Mannes. Belnadin wusste, dass Semiramis ihre Liebe allnächtlich an einen anderen verschenkte, und dass der Erwählte einer Nacht am nächsten Morgen der Istar geopfert wurde.

Als die Harfentöne verstummten, warf sich Belnadin auf sein Lager und versuchte zu schlafen. Im Halbtraume sah er Semiramis. Ihr blaues Tuch war die Nacht, und als goldene Fäden glänzten die Sterne darin. Ihr Gesicht neigte sich über das seinige, und ihr schöner, sehnsüchtiger Mund fragte: „Warum hassest du mich, Belnadin?“

Tafel II.

Der Strom.

Seit Tagesanbruch war auf dem Euphrat Lärm und Getriebe. Die Rufe der Flossführer, die Schläge auf die Schultern der Rudersklaven, das Verladen der Krieger und Waffen, das Scheuen und Stampfen der pferde und Maultiere erfüllten die Luft mit einer spannenden Unruhe. Belnadin fühlte dieselbe wie etwas Fremdes, das von ihm Besitz nahm. Den Weihegruss an die aufgehende Sonne sprach er, ohne dem Sinn der Worte bewusst zu folgen. Unfreiwillig aus seiner Bahn gerissen, fand er noch kein festes Ziel für seine Gedanken. Unfreiwillig? Das war gestern. Lag denn nur eine Nacht zwischen gestern und heute? Woher kam diese fast freudige Ungeduld? Seine ruhende Kraft verlangte nach Kämpfen, seine furchtlose Jugend sehnte sich nach Gefahren.

Als er das grob gewebte Kleid des Kriegers auf dem blossen Leib fühlte, wusste er, dass es keine Rückkehr gab zu den einsamen Höhen des Priestertums.

Er wurde vor Allabana, den Oberfeldherrn, geführt. Mit ihm noch viele, die ihm fortan Genossen sein sollten. Sehnige Jünglinge, mit kalten, lauernden Augen, stiernackige Männer, Kriegsgefangene, deren schwere, langsame Schritte widerwillig dem Anruf gehorchten, geduckte Sklaven, die Fanghunden glichen, Stumpfsinnige, Abenteuerlustige und Hoffnungslose.

An Allabanas Seite sass ein hochschulteriger, feister Jüngling, faft noch Knabe, der königlichen Schmuck trug. Mit einer langen Stachelpeitsche klatschte er denjenigen ins Gesicht, die ihm nicht gefielen. Zweimal hatte er nach Belnadin gezielt, zweimal hatte er, von dessen Blick getroffen, den Arm sinken lassen.

„Ninyas, der Sohn der Semiramis.“

Belnadin hörte es murmeln. Es verursachte ihm Qual, zu erfahren, dass dieses missgebildete Geschöpf ein Sohn der Königin sei.

Da erscholl die harte Stimme des Feldherrn: „Wo ist der Priester Inlils, der sich Belnadin nennt? Er soll vortreten.“

„Ich bin es,“ sprach der Jüngling.

„Woher stammst du? Bis nun hast du es verschwiegen. Ich nehme keinen in das Heer auf, der nicht seine Abkunft nennt.“

„Ich komme aus Niffer.“

„Beugt man sich dort nicht vor dem Feldherrn?“

„Ich hoffe, Seite an Seite mit dir zu kämpfen, Allabana.“

„Vielleicht irrst du. Zwar hat die Königin befohlen, dass du auf dem Floss Allabanas fahren mögest, doch ich werde dir einen Platz unter den Rudersklaven zuweisen.“