Sex, Lügen & Einmachbohnen - Romy van Mader - E-Book

Sex, Lügen & Einmachbohnen E-Book

Romy van Mader

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Eine Partnervermittlerin erzählt 12 kurze Geschichten über die Liebe, oder was man dafür gehalten hat ... - Was macht ein Schornsteinfeger, wenn er nicht gerade Schornsteine putzt? - Wie kommt das Gebiss der netten Rentnerin von nebenan in unseren Garten? - Warum fühlt sich ein Manager auch in getragenen Strumpfhosen wohl? Finden Sie die Antworten in diesem amüsanten Jahresbestseller. Wir wünschen viel Freude mit dieser Schmunzelkost! Seit 14.10.2019 als BE.READ EBOOKS FOR FREE Ausgabe gratis!   BE.READ – EBOOKS FOR FREE ist ein Zusammenschluss freier Autoren, die ihre Werke im E-Book Format einschließlich des Kapitels ANREGENDE IMPULSE für alle Leser und Leserinnen gratis veröffentlichen. Ins Lebens gerufen wurde die Idee von der Autorin und Herausgeberin Romy van Mader.  

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 184

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Romy van Mader, Kerstin Eger

Sex, Lügen & Einmachbohnen

Geschichten über die Liebe, oder was man dafür gehalten hat ...

Für alle, die am frühen Morgen mit einem lachenden Gesicht aufstehen und für alle anderen auch ... BookRix GmbH & Co. KG81371 München

VORWORT

 

Liebe LeserInnen,

Sind Sie gespannt? Wunderbar! Dann lege ich mal freudig los. Ich bin Kerstin Eger und seit über zwei Jahrzehnten eine Partnervermittlerin mit Herz und für Herzen. In dieser Zeit habe ich so allerhand Geschichten von meinen Kundinnen und Kunden gehört und habe mit ihnen geweint, gescherzt und herzhaft gelacht. Irgendwann beschloss ich, von all diesen Gesprächen Notizen zu machen.

Liebe Leserinnen und Leser, Sie werden bestimmt öfter innehalten, weil Sie glauben, den einen oder anderen in den Erzählungen wiederzuerkennen. Dies ist nicht beabsichtigt, aber auszuschließen oder vermeidbar ist es mit Sicherheit nicht. Denn in jeder Wohnung, in jedem Haus spielen sich so manch´ kuriose und tragische Beziehungskomödie ab. Ganz egal, in welchem elitären Kreise oder in welcher ländlichen Umgebung ein jeder von uns verkehrt: Die Menschen und ihre Bedürfnisse sind nicht so unterschiedlich, wie mancher einer denken oder hoffen mag. Erzählt werden hier zwölf und nicht dreizehn heitere Alltagsanekdoten, die nur das Leben schreiben kann. Geschichten über Sex, Lügen und Einmachbohnen. Einmachbohnen? Ja, denn in einer von zwölf und nicht dreizehn Erzählungen spielen genau diese grünen Früchtchen eine nicht ganz „ungewichtige“ Rolle. Was können Sie noch erwarten? Natürlich konnte ich mir ein Fazit unter der einen oder anderen Geschichte nicht verkneifen.

Ein ganz großer Dank geht an all meine Kundinnen und Kunden, die mir ihr wohlwollendes Einverständnis zum Abdruck ihrer Geschichten gegeben haben. Abgesprochene kleine Veränderungen sind natürlich vorgenommen worden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht beabsichtigt.

 

Viel Spaß beim Lesen wünschen IhnenKerstin Eger & Romy van Mader

 

 

1 BULETTEN, KLEIDER UND HERR WUNDER

 

 

 

Diese Geschichte schien mir wahrlich unglaublich und ich musste mehrfach nachfragen, ob es sich hierbei um ein reales Erlebnis handelt. „Aber ja“, wurde mir versichert und ich schrieb mit dem Einverständnis meiner Kundin sogleich mit. Kopfschüttelnd lauschte ich ihr, während sie von dem Liebesirrpfad mit ihrer Internetbekanntschaft erzählte. Ich wusste damals noch nicht, dass dies erst der Anfang einer ganzen Reihe von unglaublichen Begegnungen und kuriosen Erzählungen sein würde. Das Leben treibt es mitunter sehr bunt, facettenreich und ist offensichtlich mit jeder Menge Ironie gespickt. So erzählte sie mir Folgendes…

 

Nachdem ich mich fast täglich fragte, ob diese nun mittlerweile einjährige Liaison noch Sinn ergab und was diese Beziehung mir bedeutete, sodass ich an ihr festhalte, passierte es. Der Klassiker. Ich kam früher als erwartet aus meiner Werbeagentur, parkte das Auto und schloss voller Vorfreude die Haustür auf. Kleider und Schuhe lagen wild durcheinander, Musik von Gloria Gaynor „I Am What I Am“ dröhnte in meinen Ohren und ich fragte mich: „Sandra, bist du hier richtig? Ist Besuch da? Etwa Frauenbesuch?“ Eine fiese kleine Angstattacke kroch meine Beine hoch, hämmerte in meinem Bauch und explodierte förmlich in meinem Kopf. Ich öffnete die Tür zu unserem Schlafzimmer und sah … Ich sah ihn. Ich sah Hermann in einem Minikleid, in meinem GUCCI-Minikleid! Vor meinem goldenen Barockspiegel drehte er sich von einer Seite zur anderen und sah anders aus als sonst. Ich schaute genauer hin. Trug er etwa Lidschatten und Lippenstift? Also, schminken konnte er sich ja, er sah so viel besser aus, endlich hatte er Profil, dachte ich bei mir. Und dann plumpste es, es barst förmlich aus mir heraus: „Oh Gott, Hermann, um Himmels willen! Wie siehst du denn aus? Was soll das? Du bist ja total pervers! Du krankes Schwein!“ Er erschrak und sank fast zu Boden, schaute mich mit weit aufgerissenen Augen an und stotterte irgendetwas von: „Es ist nicht so, wie es aussieht, Sandra! Schatzi!“ Ich winkte ab, drehte mich um und ging völlig aufgelöst und mit zittrigen Beinen in die Küche. Und eine Frage stach in meinem Kopf: „Sandra, das ist doch jetzt wirklich keine große Überraschung, oder?“

Frau Eger, ich war außer mir. Und glauben Sie mir, dieser Wutausbruch war mehr als nur berechtigt. Zumal ich zu bedenken gebe, dass wir seit einem Jahr außer Händchen halten nichts Intimes ausgetauscht hatten. Und vorweggenommen, Frau Eger, an mir lag das bestimmt nicht! Er wies mich ab mit den Worten: „Ein Mann will eine Frau erobern!“ oder „Ich bin jetzt noch nicht so weit!“ oder „Du scheinst mir sexsüchtig zu sein!“ oder „Unsere Beziehung ist etwas Besonderes, wir haben doch alle Zeit der Welt!“ Ich dachte mir, gut, Sandra, endlich mal ein Mann, der offensichtlich kein triebgesteuertes Wesen ist. Und so wartete ich weiter ab und redete mir die Zeit des Nicht-Alleinseins schön...

Nach einer Weile kam er dann in die Küche. Abgeschminkt und in Hemd und Hose stand er vor mir und versicherte mir: „Schatzi, das ist doch für eine Veranstaltung. Am Samstag findet in unserer Location eine Party für unseren schwulen Geschäftsführer statt. Und da hat sich unser Team diesen Verkleidungsspaß ausgedacht.“ Er sprach in seinem sonoren Singsang dann noch ungefähr eine Stunde auf mich ein. Ich weiß nicht mehr, ob es an seiner klangvollen Stimme lag oder an der Dauer seines Vortrages, jedenfalls hatte er es hinbekommen, mich zu besänftigen. Vorerst! Der Samstag kam. Er packte seine Barkeeper-Sachen und verabschiedete sich mit den Worten: „Schatzi, die Knöpfe an deiner Lederjacke habe ich befestigt. Die Jacke, Schatzi, kannst du jetzt wieder anziehen. Schatzi, bitte koche doch einige Buletten für mich, für heute Abend! Die schmecken immer so toll. Schatzi. Es wird spät! Tschüss, Schatzi!“ Ja, „Schatzi“ konnte er nicht oft genug sagen. War anscheinend dazu gedacht, mich für die intimlosen Stunden, Wochen, Monate zu entschädigen. Gut, die Knöpfe hatte er wahrlich perfekt angenäht. Sogar mit Gegenknöpfen an der inneren Nahtleiste. Vielleicht war er ja in einem Nähkurs. Haha. Ha! Hm. Ich wischte den Gedanken sogleich beiseite. Und ging dann in die Küche, um als Dankeschön für ihn zu kochen. Buletten. Große Buletten. Viele Buletten. Schmackhafte Buletten. Und dann hörte ich etwas. Ich hörte meinen Bauch. Ja, meine Bauchstimme. Gott, da war sie wieder. Frauen sollten immer auf ihren Bauch hören – und das tat ich dann auch! Ich schnappte mir seinen Laptop und probierte einige Passwörter aus. Und ich war drin. Drin in der Welt eines mir völlig unbekannten Mannes. Internetseiten taten sich auf mit nackten Männern, mit Männern in Kleidern, mit jungen Männern, mit alten Männern … Frauen? Fehlanzeige! Ich öffnete einen E-Mail-Ordner mit Namen „Amerita Wunder“. Anscheinend sein Fantasiename. Amerita Wunder, was für ein bekloppter Name! Nun, er sah ja vor einigen Tagen in meinem Kleid auch nicht weniger bekloppt aus. Passte also! Ich öffnete den Ordner. Die erste E-Mail. Und was ich da las, ich konnte es nicht fassen: „Lieber Amerita, die Stunden mit dir waren voller Ekstase. Ich wurde noch nie so verwöhnt. Lass es uns wieder tun! Gleich morgen. Lange und intensiv! Carsten.“ Ich lachte laut auf. Huch, war das etwa meine Stimme? Oh Gott. Das darf alles nicht wahr sein. Die zweite E-Mail mit dem Textlaut: „Du geile S***, ich spüre deinen Schw*** immer noch in mir! Nächsten Samstag bin ich wieder dein höriger Sklave! D.“, reichte mir, um die elektronische Welt von Amerita Wunder zu verlassen. Genug gelesen, dachte ich mir mit wieder versteinerter Miene. Doch eine mir bekannte E-Mail-Adresse blitzte mich an – sein offizieller Hermann-W.-E-Mail-Account. Ich bewegte den Pfeil der Maus über den Ordner und bestätigte meine Absicht mit einem schnellen Doppelklick. Und was ich da las, schürte in mir die blanke Wut: „Lieber Hermann, ich weiß, dass ich deinen Lebensstandard nicht finanzieren kann und dass das der Grund ist, warum du bei ihr wohnst. Das wissen wir beide! Und es entfacht in mir ein Verlangen, dich wachzurütteln und zu schütteln. Geld ist nicht alles! Denk darüber nach! Wir könnten eine wundervolle und innige Beziehung führen! Dein Robert.“ Ich weinte, ich schrie, ich schlug mir mehrfach mit der rechten Handfläche an die Stirn. Gott, wie blöde war ich doch! So unglaublich dämlich! Des Geldes wegen ist er bei mir! Schwul obendrein und ein vor allem überaus verlogenes Schwein! Ich rannte die Treppen hinunter und schrie und schimpfte. Versuchte, in mein Telefon einen Text zu hämmern. Leider hat mein Telefon ein für solche Situationen wahrlich undankbares „Kack-Touch-Display“, somit dauerte es etwas, bis ich die Zeilen fertig geschrieben hatte: „Ich weiß Bescheid! Arschloch! Du kannst deine Sachen abholen!! Meine Kleider aber bleiben ALLE hier! Und tschüss, Schatzi!“ Meine Kiefer presste ich mit aller Gewalt aufeinander, meine Lippen verschwanden irgendwo hinter meinen Zähnen und ich ging mit geballten Fäusten in die Küche. Ich schob die Terrassentür mit einem gewaltigen Ruck auf, sodass sie fast aus den Schienen sprang. Mit beiden Händen ergriff ich die gusseiserne Pfanne, ging fluchend auf die Terrasse und stellte sie auf dem Gartenstuhl ab. Ich atmete tief ein und wieder aus, stand für ungefähr fünf Minuten einfach nur da und atmete. Würzige, duftende Abendluft. Dann überlegte ich kurz, was wohl die Nachbarn sagen würden und schnappte mir die erste fettige Bulette. Noch einmal sog ich die Luft tief ein und warf das Ding mit einem weiten Schuss und einem lauten Schrei aufs benachbarte Feld. Und ich schmiss und schrie dabei anfangs voller Wut, später voller Freude. Wieder ein Griff in die Pfanne, den Arm nach hinten ausgestreckt und ein weiter Wurf. Platsch. Die Buletten werden den wilden Schweinen des Nachts bestimmt herrlich schmecken. Einen besonders großen Fleischball hielt ich zurück. So stand ich nun, beschaute mein Werk und blickte lächelnd ins Abendlicht.

„Sandra.“

Er war da. Er stand direkt hinter mir. Ich drehte mich um und er sank auf die Knie. In seinen Händen hielt er einen Strauß Blumen, natürlich von der „Tanke“. So einen mickrigen für immerhin noch 19 Euro. Für mehr langte sein Geld nicht. Langte es ja nie!

„Sandra, ich möchte dich heiraten!“

„Wie? Was?“, mein Mund öffnete sich leicht und meine Mundwinkel wurden wie von fremder Hand nach oben gezogen. Ich schaute auf ihn herab. Da war wieder sein Blick. Sein treudoofer Welpenblick. Aber nicht mehr mit mir, Amerita Wunder! Mit hochgezogenen Augenbrauen und einem zynischen Lächeln schaute ich ihn mir an. Er blinzelte verwirrt zu mir herauf und lächelte verkrampft. Mit tiefer und ruhiger Stimme sprach ich zu ihm: „Bleib genau so!“  Dann nahm ich die letzte, die besonders große Bulette in meine rechte Hand und rieb sie ihm inbrünstig in seine dämlich grinsende Visage! In seine fettige, verlogene „Hackfresse“! Mit jeder Umdrehung stieg ein Gefühl in mir empor. Ein Gefühl der Freiheit. Ich fühlte mich frei! Endlich frei! Frei von all seinen Lügen! Als nur noch Krümel in meiner Hand übrig waren und sein Antlitz dank Hack und Zwiebeln im Abendlicht ölig glänzte, verließ ich ihn mit den Worten: „In 10 Minuten bist du mit deinem Gerümpel aus meinem Leben verschwunden!“  Dann war es vorbei. Er fuhr. Ich köpfte eine Flasche Champagner und war frei und stolz auf diesen, meinen Schritt! Ich, eine Frau von 50 Jahren, fühlte mich wie neugeboren!

Ja, Frau Eger, dies war mein „Bulettenbefreiungsweitwurf“. Mein Haus gehört jetzt wieder mir allein. Und wenn ich mir rückblickend die Frage stelle, warum ich es nicht gemerkt hatte: Ganz einfach. Ich wollte es nicht merken. Ich hatte Angst. Angst vor dem Alleinsein. Doch diese Angst vernebelt mir nicht mehr länger mein Dasein. Ich sehe wieder klar und fühle mich stark und ich weiß, was ich will! Und glauben Sie mir, wenn ich sage, dass ich für vielerlei Verständnis aufbringen kann, nur nicht für hinterlistige und egoistische Lügner! Und nun, Frau Eger, sitze ich vor Ihnen. Ich bin bereit für einen Neuanfang!

 

 

 

2 DIE GEILE IRMGARD

 

 

 

Die Personen in dieser Geschichte können Sie ganz nach Ihrem Gutdünken einkleiden, ausschmücken und in beliebige Lebensjahre rücken. Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf. Denn würde ich ein bisschen mehr preisgeben, so könnte es sein, dass glasklar ist, um welche realen Personen es sich hierbei nur handeln kann. Wünsche müssen immer so genau wie möglich formuliert werden: „Ich wünsche mir, dass Oliver zu Hause bleibt, weil ihm in letzter Zeit sämtliche Energie verloren ging. Somit könnte ich alleine an die Ostsee fahren. Ich bedanke mich schon jetzt bei euch da oben für diese meine Wunscherfüllung! Danke!“

Mensch, das wäre was! Das könnten die schönsten sieben Tage seit Langem für mich werden. Ich am Strand und er krank zu Hause im Bett. Ist doch auch ganz nett?! Ich fuhr mit diesem frommen Wunsch ins Krankenhaus und legte mir schon mal die Worte zurecht: „Oliver, Du kannst doch ganz unmöglich mitfahren! Du bist doch viel zu schwach! Stornieren?Jetzt noch? Nein, da würden wir ja so gesehen drauf zahlen! Gönnst du mir das etwa nicht? Ich brauche auch mal Urlaub und deine Familie, insbesondere dein Bruderherz, wird dich schon gesund pflegen! Ich bringe dir auch einen besonders schönen Stein vom Strand mit! So einen Hühnergott, denn das ist ja das Mindeste, was ich für dich tun will, ähm, kann!“

Nach vier Tagen Krankenhaus war es dann so weit. Oliver war noch immer zu schwach und wurde auf eigenen Wunsch aus dem Krankenhaus entlassen. Sein großer Bruder mit seinem aristokratisch straff nach hinten gebundenen Weißblond-Schopf-Zopf, seiner übergroßen „Onassis-Brille“ und seinen goldenen, mit selbst designtem Familienwappen geprägten Manschetten, kam gleich mit. In der Hand hielt er eine lederne Reisetasche; es war seine eigene. Ich wartete gar nicht erst die verbleibenden Tage ab. Mit einem kurzen Telefonat verlegte ich die Abreise zwei Tage nach vorn. Das Bruder-Duo bekam es gar nicht mit. Ich war nämlich für sie L wie Luft. Seiner Familie war ich schon immer ein Dorn im Auge. Ich, ein aufmüpfiges Frauenzimmer, das zu oft widerspricht, zu laut und zu viel lacht und einfach nicht ruhig, nicht brav und nicht willenlos sein will. Ja, ja. Der „pseudo-adeligen“ Familie war ich kurzum nicht standesgemäß, nicht gesittet genug. Mittlerweile glaubte ich, dass Oliver mich nur geheiratet hatte, um seiner Familie eins auszuwischen. Das Einzige, das wirklich sehr praktisch an mir war und der einzige Grund wahrscheinlich, warum ich geradeso geduldet wurde: Ich bin diplomierte Restauratorin. Zu Festlichkeiten wurde ich gezwungenermaßen eingeladen, war da aber nie ein gern gesehener Gast. Und so beschloss ich, immer eine Ausrede parat zu haben, um den Festivitäten mit Anstand fernzubleiben. So war es das Beste für beide Seiten. Vor allem für mich. Denn schließlich ist das Leben zu kurz, um es mit Arschnüssen zu verplempern. Nach einer Woche Ostsee packte ich meine Sachen und fuhr wieder in Richtung „elbhängliches“ Anwesen.

„Habe ich Glück, bin ich allein“, sinnierte ich froh und lenkte meinen Mini in die Garage. Kaum angekommen, grummelte mein Magen. Hm, ich hatte meine Ehe eine ganze Woche lang verdrängt. Ich ließ die Koffer erst mal im Auto. Man weiß ja nie. Ich stieg die Treppe empor und schaute durch unsere Hecke. Ich sah ihn „aufgebahrt“ auf der Sonnenliege, schön oben ohne im Halbschatten unseres Nussbaums. Und rechts neben ihm lag sein Bruder. Sein weißblonder Zopf hing über den dunkelgrauen Rattansessel. Der Super-Anwalt war immer noch da! War ja klar! Gott sei Dank saßen die beiden mit dem Rücken zu mir. So konnte ich ohne gesehen zu werden ins Haus schweben. Tür auf. Pfui! Das riecht hier ja wie im Altersheim, nach Exkrementen, süßen Backwaren und 4711! Mein Duft schien wie ausgezogen. Zuerst ging ich in die Küche. Ich nahm mir ein Glas Leitungswasser und panschte dank der Scheiß Armatur (antik, tropfend, sinnlos) noch schön herum. Ich trank einen Schluck und schaute aus dem Küchenfenster auf das idyllische Brudergespann, wobei ich mich beinahe verschluckte. Das ist ja gar nicht sein Bruder! Das ist, das ist unsere Irmgard. Unsere Irmgard aus dem Nachbarhaus! Die uns immer mit Kuchen und Naschwerk versorgt. Was macht die denn da – und vor allem, wo ist ihre Hand? Ich ging näher zum Fenster und lugte zaghaft hinaus. Nahm noch einen Schluck. Oh Gott! Ich prustete das ganze Wasser an die Fensterscheibe. Das durfte nicht wahr sein! Irmgard, unsere „Kuchen-Irmi“, fummelte in der Hose meines ... ähm, meines Mannes herum! Die ist 81 Jahre alt! Die könnte seine Oma sein! Ich habe, ich muss, ich habe... Fieber! Wo ist der Wischlappen? Ich tupfte die Scheibe trocken und schaute erneut. Jetzt beugte sich Irmi über ihn, über seine Hose. Und er? Er wehrte sich nicht! Er nahm seinen mickrigen Piephahn aus der Hose und sie beschaute sich das rosa Kerlchen mit offenem Mund... Ich muss hier raus!! Dieser Mann hatte den Verstand verloren! Igitt! Wie ich mich vor ihm ekelte! Ich konnte das Glas nur mit halber Kraft zurück auf die Küchenplatte stellen. Ich tastete sogleich meine Oberlippe ab; ich bekam nämlich schnell Herpes, wenn ich mich ekelte. Nie wieder! Nie wieder darf mich dieses perverse Schwein anfassen! Nie wieder!! Ekelhaft! Widerlich! Und schwupps– kribbelte es auf meiner Oberlippe. Die erste Ekelblase! Na, super! Hiermit war also unsere Beziehung zerkrümelt. In winzig kleine Rührkuchenkrümel. Was sollte ich jetzt machen? Ich redete auf mich ein: „Immer schön ruhig bleiben! Ausflippen kannst du später noch! Klaren Kopf bewahren! Franziska, du nimmst jetzt dein Handy und knipst einfach mal ein paar schöne Fotos. Fotos von der geilen Irmi und deinem Mann! Wer weiß, wozu diese noch gut sind!“

Gesagt, getan. Danach steckte ich das Glas in die Geschirrspülmaschine, hinterließ einen Zettel und schwebte wieder aus dem Haus. Die Hecke entlang, die Stufen hinab und mit dem Auto los. Unterwegs rief ich meine Freundin Conny an und erzählte ihr alles: „Bitte behalte das alles für dich! Wann können wir uns sehen?“

Wenig später bei ihr zu Hause packte ich meine Sachen aus: „Conny, jetzt ahne ich auch, wie er eine Lebensmittelvergiftung bekommen hat.“

„Erzähl!“

„Stell dir bitte Folgendes vor: Während ich im Herrenhaus seiner Familie kostenlose Restaurierungsarbeiten durchführe, sitzt Oliver zu Hause an unserem antiken Tisch aus der Gründerzeit und wird von der geilen Irmgard gefüttert:‚Ein Happen für den kleinen Oliver. Der Oliver verzieht aber das Gesicht. Schmeckt es ihm etwa nicht? Na, noch ein Happen für seine geile Irmgard. Mündchen weit auf! So ist es fein! Wenn der kleine Oliver artig aufgegessen hat, dann bekommt er auch eine extra Portion Sahne auf den Teller gespritzt. Dafür wird seine Irmi schon sorgen und ordentlich die Tube drücken‘.“

„HAHAHA!“

“Lach nicht, Conny! Die Pointe kommt noch. Da nämlich die geile Irmgard vergessen hat, auf das Verfallsdatum zu achten, also auf das ihrer Lebensmittel, hat sich der arme Oliver den Magen verdorben und sich eine Woche lang die Seele aus dem Leib geschissen. Ha, ha, ha, ha!“

„Oh, Franziska, das ist ja eklig! Aber solange du noch darüber lachen kannst, ist ja alles in Butter! Ich sage nur Pflegestufe SEX. Hier! Trink erst einmal!“

„Danke für den Baldriantee. Und danke, dass ich bei dir wohnen darf!“

Ich war glücklich und reichte nach 9 Jahren endlich die Scheidung ein. In Connys großer Single-Wohnung bezog ich ein Zimmer und durfte nicht nur dieses, sondern gleich die gesamte Wohnung nach Herzenslust neu ausstaffieren. Als Restauratorin und Hobby-Innenarchitektin ging ich darin natürlich ganz auf. Und so nahm ich mein letztes Geld in die Hand und kaufte ein. Vier Etagen quälten sich die Möbelpacker und ich hinauf. Im Altbau gab es keinen Aufzug. Man kann nicht alles haben.

„Gut für die Fitness, so sparst du dir das leidige Sportstudio“, äußerte Conny und sie sollte recht behalten. Mit jedem Aufstieg verbesserte sich meine Kondition. Kaum waren Bett und Schrank aufgebaut und die Couch in meinem großen Zimmer nach meinem Wunsch aufgestellt, ging es auch schon los. Ich machte mich an den vollen Einkaufstüten zu schaffen und zog die neu erworbenen Silber- und Glasgefäße ans Tageslicht. Diese wurden gekonnt in unserer WG verteilt. Diversen anderen Schnickschnack platzierte ich drum herum. Das Schöne an diesen Dekorationsartikeln ist, dass sie einer Wohnung Persönlichkeit und den letzten Schliff verleihen. Und je nach Gusto kann man alles, und zwar ganz leicht, in ein anderes Licht rücken. Et voilà, sieht der Raum schon wieder ganz anders aus. Das werden Männer nie verstehen. So. Fertig! Aber irgendetwas fehlte. Etwas kolossal Wichtiges. Meine aufwendig restaurierten Gemälde! Kaum zu Ende gedacht, da klingelte mein Telefon. Oliver! Ich zog es vor, ihn auf meine Mailbox sprechen zu lassen.

„Hallo Franziska! Dass jetzt unsere Anwälte alles für uns klären, bitte schön! Aber deine Sachen kannst du wenigstens abholen kommen! Wenn du sie nicht mehr brauchen solltest, dann entsorge ich sie!“

Meine schönen Bilder! Ich rief sogleich zurück: „Oliver, bist du zu Hause? Ich würde jetzt bei dir vorbeikommen!“

„Ja. Aber beeil dich!“, antwortete er brummig und legte auf.

Oha. Hatte der eine Laune! Seit der ungewollten Beobachtung im Garten hatte ich mich kein einziges Mal mehr bei ihm blicken lassen. Ich parkte mein Auto wie gewohnt in unserer alten Garage und ging die Stufen hinauf. Er stand schon erwartungsvoll im Hauseingang. Die Arme über Kreuz. Der sah alles andere als gutmütig aus!

„Hallo!“ Ich bekam aber nur ein Brummen als Antwort.

„Ich bin so frei!“, und schon schob ich mich beherzt an ihm vorbei.

Etwas irritiert murmelte er: „Da stehen übrigens deine Kartons mit deinem ganzen Krempel. Kunst ist das ja nicht!“

Ha. Als würde er etwas davon verstehen! Ich biss mir auf die Lippe und fragte ihn vollkommen gelassen: „Kannst du starker Mann mir bitte beim Tragen helfen? Diese Kiste hier ist besonders schwer. Danke!“

Wortlos wuchtete er die schwere Kiste hoch. Nur ein „Oorrh“ entfuhr ihm unter dem Gewicht des Kartons. Selber schuld! Ich hätte meine Sachen anders gepackt! Ich ließ ihn vor mir die Stufen hinuntersteigen. Wenn das mal gut geht, dachte ich bei mir. Unten angekommen, ließ er die Kiste plötzlich auf den Boden knallen. Ich hatte noch drei Stufen zu gehen und beeilte mich.

„Du kleine Schlampe denkst wohl, dass dir irgendjemand glauben wird, was du gesehen hast!?! Das Einzige, was dir zusteht, ist hier in diesen Kisten! Ansonsten bekommst du überhaupt nichts. Gar nichts!“, brüllte er mit hochrotem Kopf. Während er wie ein Geisteskranker hinter mir tobte, sortierte ich erst mal meine Schätze, wickelte sie einzeln in flauschige Decken und legte sie ins Auto. Ich schloss die Heckklappe. Und dann kam mein Auftritt.

„Willst du mal lachen?“ Ich zog mein Handy aus der Manteltasche.