Shadow of the Night - Jadelyn Summer - E-Book

Shadow of the Night E-Book

Jadelyn Summer

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Beschreibung

Alina Evans tritt eine Zeitreise an, um die Zukunft ihrer Welt und die der Menschen zu retten. Zwischen vielen Fabelwesen wird sie auf eine Probe gestellt, zwischen Freundschaft und Liebe.

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Inhaltsverzeichnis

PROLOG

KAPITEL EINS

KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

KAPITEL VIER

KAPITEL FÜNF

KAPITEL SECHS

KAPITEL SIEBEN

KAPITEL ACHT

KAPITEL NEUN

KAPITEL ZEHN

KAPITEL ELF

KAPITEL ZWÖLF

KAPITEL DREIZEHN

KAPITEL VIERZEHN

KAPITEL FÜNFZEHN

KAPITEL SECHZEHN

KAPITEL SIEBZEHN

KAPITEL ACHTZEHN

KAPITEL NEUNZEHN

Auf diesen Moment, dass er nie enden wird!

KAPITEL ZWANZIG

KAPITEL EINUNDZWANZIG

DANKE

PROLOG

Düstere Wolken ziehen sich in einer bedrohlichen Formation über der Schule für Magier und Wesenheiten zusammen. Obwohl es spät am Abend ist, ist dieses Schauspiel deutlich zu erkennen. Der helle Mond verschwindet langsam hinter einer undurchdringlichen Decke aus Dunkelheit. Lautes Donnergrollen ertönt und grelle Blitze zucken immer wieder auf den Boden des Waldes nieder, der die Schule umgibt. Panisch rennen viele Schüler durch das Internat, verzweifelt auf der Suche nach einem sicheren Versteck. Ein Bild des Schreckens tut sich für sie auf.

Mit verlorenem Blick beobachtet Alina Evans die hellen Blitze, die unaufhörlich in den feuchten Boden einschlagen und sich langsam der Schule nähern. Der Ausblick vom Turm war für sie schon immer von unbeschreiblicher Schönheit, selbst inmitten dieses Krieges. Sollte sie wirklich alle hier zurücklassen? Sollte sie sich allein dieser Bedrohung stellen? Die Worte ihres ehemaligen Schulleiters, Redolf Hawk, hallen in ihrem Kopf wider.

„Erfülle deine Aufgabe gewissenhaft und klug. Wenn die Zeit gekommen ist, musst du auf dein Gefühl hören, um weiterzukommen. Und ich bitte dich: Niemand darf von deiner wahren Identität erfahren, besonders nicht Er.“

Was bedeutet das alles? Was soll sie überhaupt an diesem Ort tun? Seit wann vertraut Redolf Hawk einer Hexe? Er war wirklich ein alter törichter Narr. Ein lauter Knall holt sie plötzlich in die

Realität zurück. Ihre grünen Augen richten sich sofort auf den dunklen Himmel, der das Heulen eines Wolfes ankündigt.

„Es ist so weit …“, flüstert sie leise vor sich hin, während sie einen Brief fest an ihren Körper drückt. Ein leises Miauen lässt sie abrupt herumfahren und sie entdeckt sofort ihre verschollene Katze.

„Mai …“, haucht sie leise, während die Katze schnurrend auf sie zugeht und sich an sie schmiegt. Alina hatte gedacht, dass sie ihre Katze nie wiedersehen würde, denn seit dem Tod von Hawk war ihre kleine vierbeinige Freundin spurlos verschwunden. Erleichtert, ihre kleine Gefährtin wiederzusehen, nimmt sie Mai auf den Arm, nachdem sie den Brief sicher in ihrer Hose verstaut hat.

„Lass uns das gemeinsam angehen“, sagt sie zu dem Tier, bevor sie einen kleinen Spiegel aus ihrer rechten Hosentasche holt, den sie einst von ihrem früheren Schulleiter erhalten hat. Behutsam stellt sie ihn an einer nassen Wand ab und lässt ihren Zeigefinger langsam darüber kreisen. Mit einer fließenden Bewegung aus dem Handgelenk murmelt sie leise einen Zauberspruch, der den Spiegel vergrößert. In voller Pracht steht er schließlich vor ihr, was die junge Schülerin zum Staunen bringt. Der Spiegel ist an den Rändern mit goldenen Ranken verziert, die sich wie Schlangen um den Rahmen winden. Mit einem letzten tiefen Atemzug nimmt sie noch einmal Sauerstoff in ihre Lungen auf, bevor sie ernst zu ihrem Spiegelbild blickt. Wie ein leises Lied flüstert sie dem Spiegel zwei lateinische Worte zu. Obwohl sie weiß, dass sie eine ausgezeichnete Hexe ist, sogar besser als eine gewisse Lea Harrison aus ihrer Klasse, wiederholt sie die Worte immer wieder. Schon immer hatten sie sich in einem Konkurrenzkampf befunden. Sei es in Bezug auf Noten oder in der Kunst der Magie, sie waren stets in einen Wettstreit verwickelt, um herauszufinden, wer die beste Hexe in der Schule war. Dennoch hat sie Bedenken, dass dieser Zauber nicht wirkt. Es ist schwierig, alte Magie zu verwenden, um in der Zeit zu reisen. Selbst ein erwachsener, erfahrener Zauberer hätte seine Probleme dabei.

Doch gerade als sie aufgeben will, weiten sich überrascht ihre Augen, als sie sieht, dass ihr Spiegelbild immer mehr verblasst und schließlich ganz vor ihren Augen verschwindet. Sofort fasst sie sich mit der freien Hand an ihre Kette mit dem hellblauen Mondstein, der mit einem silbernen Streifen wie eine Schlange umrundet ist. Immer wieder sagt sie diese Worte deutlich vor sich hin, woraufhin sie sich langsam auf den Spiegel zubewegt.

Kurz bevor sie ihn erreicht, stockt sie und sieht zweifelnd zu Mai.

„Schaffen wir das? Wenn nicht …“ Leicht dreht sie den Kopf nach rechts, wo sie viele Wölfe und schwarze Gestalten erblickt, die die Schule verwüsten. „… dann ist diese Welt verloren“, setzt sie ihren Satz leise fort, wobei ihre Augen einen traurigen Glanz bekommen. Ermutigend betatscht eine kleine warme Pfote ihre Wange, woraufhin ein leises Miauen kommt. Mit einem zarten Lächeln schaut Alina sie an.

„Du hast recht … Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, stimmt‘s?“

Nachdem Mai ein leises Brummen von sich gegeben hat, macht sie einen großen Schritt in den magischen Spiegel hinein. Sofort fängt der Stein um ihren Hals an zu leuchten und pocht, als gäbe es kein Morgen. Eine unmenschliche Hitze breitet sich in ihrem Körper aus, während sich um sie herum alles dreht und ihr langsam, aber sicher übel wird, wobei es ihrer jungen Katze nicht anders ergeht. Nach endlos langer Zeit hören die Verzerrungen um sie herum auf. Erschöpft kracht Alina auf einen kalten Steinboden. Schwer atmend liegt sie dort, die Augen fest geschlossen aus Angst, sich auch nur ein kleines bisschen zu bewegen.

„Wenn ich jetzt aufstehe, muss ich mich übergeben! Hätte ich gewusst, dass es schlimmer ist, als durch ein Portal zu gehen, dann hätte ich es nicht gemacht!“ Plötzlich spürt sie etwas Feuchtes an ihrer Wange, das sie immer wieder anstupst und aus ihren Gedanken reißt.

„Nicht jetzt, Mai …“, murmelt sie, während sie ihre Übelkeit niederkämpft. Gekränkt setzt sich die Katze hin, woraufhin sie neugierig den Blick durch den Gang gleiten lässt. Plötzlich hört sie Schritte, die langsam auf sie und ihre Besitzerin zukommen. Mit einem Miauen und mehrmaligen Anstupsen versucht sie, ihr Frauchen zum Aufstehen zu bewegen, jedoch ohne Erfolg.

„Lass es, Mai!“, murmelt die nur sauer. Alina muss nachdenken, wie es weitergehen soll. Als Erstes muss sie zum Schulleiter, Dr. Scharbs, und dann … Ja, was hatte Schulleiter Hawk noch mal zu ihr gesagt? Nur langsam kann sie sich seine Worte ins Gedächtnis rufen, wobei sich das kurze Gespräch vor ihren Lidern widerspiegelt.

„Wenn Sie es schaffen, durch den Spiegel in die Vergangenheit zu gelangen, dann bitte ich Sie, unverzüglich zu Direktor Scharbs zu gehen und ihm diesen Brief zu überreichen. Darin ist alles über Ihre neue Identität vermerkt. Es ist sehr wichtig, denken Sie daran. Sie sind eine Hexe, die durch einen Krieg von der Grenze Frankreichs zu uns gekommen ist. Ihre Eltern sind gestorben, als Sie noch sehr jung waren, darum hat sich Ihre Tante, Hannah Lefèvre, um Sie gekümmert. Die ist während des Krieges leider spurlos verschwunden. Aus Angst sind Sie zur Schule geflüchtet, da sie weit vom Kriegsgebiet weg liegt. Haben Sie das so weit verstanden?“ Mit fragenden blauen Augen blickt der Mann über seine Brille hinweg zu ihr. „Aber was ist, wenn es nicht funktioniert?

Wenn ich enttarnt werde? Oder wenn …“ „Keine Sorge, Miss Evans, vertrauen Sie mir. Außerdem sind Sie eine kluge und talentierte Hexe. Ihnen würde in so einer Situation sicherlich etwas einfallen, meine

Liebe.“

Seine Worte wirken beruhigend auf das junge Mädchen, bevor er sich von seinem Stuhl erhebt und auf sie zugeht. „Nachdem Sie beim Direktor waren, beginnt Ihre Mission. Sie müssen …“

Als sie ohne Vorwarnung von ihrer Katze gekniffen wird, hören ihre Gedanken augenblicklich auf.

„Verdammt, Mai!“, schimpft sie wütend, bevor sie die Augen halb öffnet. Verschwommen nimmt sie ihr kleines Seelentier wahr, das sie besorgt mustert. Was hat sie so plötzlich?

„Sie sollten besser auf Ihre Katze hören“, vernimmt sie auch schon eine kühle Stimme vor ihr, woraufhin sie erschrocken hochfährt. Ihre grünen Augen mustern den Jungen vor ihr, der nur einen Meter hinter Mai steht. Sein grauer Anzug mit Krawatte passt perfekt in die Zeit, in der sie jetzt offenbar angekommen ist. Hat es wirklich funktioniert? Ist sie im Jahr 1944? Ihr Blick gleitet von seiner Garderobe hoch zu seinem Gesicht. Seine schwarzen Haare mit leichten Locken sind ordentlich gekämmt. Ihre grünen Augen bleiben jedoch an seinen braunen hängen, die sie trotz der Unnahbarkeit, die sie ausstrahlen, faszinieren. Ein eisiger Schauer läuft ihr über den Rücken. Wie kann eine einzelne Person nur so etwas ausstrahlen?

„Gut, Alina, reiß dich jetzt zusammen, du bist stark und kannst dich allen beweisen!“, versucht sie sich selbst zu ermutigen, was ihr auf die Beine hilft. Langsam richtet sie sich auf, woraufhin sie kurz zu Mai blickt, die nun still neben ihr sitzt.

„Ich habe Sie hier noch nie gesehen, wer sind Sie?“ Obwohl es eine Frage ist, klingt sie nicht sehr interessiert. Selbstsicher stellt sie sich vor ihn hin und strafft ihren Rücken, wobei sie ihn genauso ansieht wie er sie, ohne jegliches Lächeln oder einen Hauch von Emotion. Auch wenn sie jetzt Jahrzehnte in der Vergangenheit ist, heißt das noch lange nicht, dass sie von jetzt auf gleich ihren Charakter ändert und wie eine Puppe jeden anlächelt.

„Mein Name ist Alina Lefèvre, ich bin eine neue Schülerin.“ Kurz gleiten seine braunen Augen über das junge Mädchen, das gut einen Kopf kleiner ist als er selbst. Einige Zeit stehen sie stumm voreinander.

‘Hoffentlich funktioniert es …‘, denkt sie sich leicht panisch, bevor sie einen Schock bekommt, als sie seinen Namen vernimmt. „Freut mich, Sie kennenzulernen. Mein Name ist Luke Drewn.“

KAPITEL EINS

Kann das tatsächlich sein? Ist er wirklich Luke Drewn? Der zukünftige schwarze Magier der Unterwelt, der sich mit den Wölfen und Gestaltwandlern verbündet und großes Unheil anrichtet, indem er alle anderen Hexen verdammt? Das kann nicht wahr sein. Ein derart unschuldig aussehender Junge kann doch nicht zu einem solch blutrünstigen Monster werden, das ganze Familien zerstört! Seine braunen Augen durchdringen sie tief, während sie wie gelähmt zu ihm aufblickt. Nur mit großer Anstrengung gelingt es ihr, wieder kühle Luft in ihre Lungen zu saugen, die sie dankbar einatmet. Kann eine so alte Macht der Magie jemanden dermaßen außer Kontrolle bringen, dass ihm das Leid aller Menschen gleichgültig ist? Hat sie ihn so sehr übermannt, dass er nicht einmal mehr weiß, wer er wirklich ist und welches Leid er der armen Welt zufügt? Offensichtlich wird ihm all das egal sein, das weiß sie, weil sie seine zukünftige Entwicklung kennt.

Doch was hat ihn dazu gebracht? Niemand wird einfach so zu einer solch finsteren Gestalt. Es muss etwas mit ihm geschehen sein, aber was nur? Fragen über Fragen, die sie alle beantworten muss, um die Zukunft zu retten. Sie wird es schaffen, da ist sie sich gewiss! Egal, wie weit sie gehen muss, sie wird alles zum Guten wenden. Kaum eine Sekunde später wird sie schmerzhaft aus ihren Gedanken gerissen, als Mai sich mit voller Wucht in ihre Wade krallt.

„Aua! Verdammt, Mai, was soll das?“, faucht sie ihre Katze

wütend an, die sie vielsagend ansieht.

„Super, Alina! Wirklich, unauffälliger geht es nicht!“, tadelt sich das junge Mädchen selbst und würde sich eine Ohrfeige geben, wenn sie könnte. Schnell wendet sie sich wieder Luke zu, der sie keinen Moment aus den Augen gelassen hat und genau beobachtet.

„Es tut mir leid. Ich muss mich für mein

Verhalten entschuldigen. In meiner alten Heimat ist der Umgangston etwas anders“, versucht sie mit einem entschuldigenden Lächeln ihre Unsicherheit zu überspielen. Sie hätte sich besser informieren sollen, besonders über diese Zeit, in der man sich anders benimmt, spricht und sich kleidet. All das hat sie bisher vermasselt!

Er sieht sie immer noch schweigend an, der richtige Zeitpunkt, um die Flucht zu ergreifen. Unter seinem Blick fühlt sie sich einfach unbehaglich, als würde er alles durchschauen und sie genau studieren.

„Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden, Mister Drewn.

Ich muss noch zum Schulleiter gehen und einige spezielle Dinge klären“, erklärt sie höflich und nickt ihm zu, bevor sie sich abwendet, um zu gehen. In diesem Moment legt sich eine Hand auf ihre Schulter, die trotz ihrer Wärme einen eisigen Schauer durch ihren ganzen Körper jagt. Sie hat noch nie erlebt, dass ihr Körper sie so stark warnt.

„Ich werde Sie begleiten, Miss Lefèvre. Ich kann es nicht verantworten, dass Sie sich in diesem Internat verlaufen.“

Seine Stimme soll offenbar fürsorglich klingen, doch ein bestimmter Unterton macht diesen Eindruck zunichte. Innerlich seufzend begleitet Alina ihn durch die vielen Gänge des Internats.

Im Mittelalter war dieser Ort ein prächtiges Schloss, das von Königen bewohnt wurde. Nach unzähligen Kriegen gegen andere Reiche wurde es größtenteils zerstört, bis sich die verschiedensten Wesen zusammenschlossen und daraus ein Internat errichteten, um über viele Generationen hinweg ihre guten Absichten zu verwirklichen. Die Gründer wollten damals, dass Kinder unterschiedlicher Spezies in Frieden mit anderen Kindern aufwachsen, ganz ohne Streit oder Vorurteile:

Werwölfe, Vampire, Magier und Gestaltwandler gemeinsam in einer Schule, die sie lehrt, respektvoll mit anderen zusammenzuleben. Natürlich verlief zu Beginn nicht alles friedlich, aber im Laufe der Jahrhunderte hatte sich vieles zum Besseren gewandelt. Langsam näherten sich die unterschiedlichsten

Schüler einander an und es entstanden enge Freundschaften. Alles lief genau so, wie es von den Älteren geplant war, bis er hier auftauchte: Luke Drewn, ein Wesen, das so selten ist, dass es nicht einmal in den Geschichtsbüchern erwähnt wird. Nur in einem uralten Buch in der Bibliothek hatte sie etwas darüber gefunden. Sie war mehr als überrascht von den Informationen, die es enthielt.

Ein Luminaratas. Jemand mit unglaublichen Fähigkeiten, die schnell außer Kontrolle geraten können, wenn man niemanden hat, der einem hilft, sie zu beherrschen. Es spricht eine antike, ausgestorbene Sprache, die nur von wenigen verstanden wird, und besitzt eine primitive, aber überaus mächtige Energie, die normalerweise nur den erfahrensten Zauberern zugänglich ist. Mit seiner beeindruckenden Geschwindigkeit, seinem scharfen Geruchsund Sehsinn erinnert es sowohl an die Fähigkeiten von Werwölfen als auch an die von Vampiren. Diese Kombination macht das Wesen faszinierend und zugleich beängstigend für alle, die mit ihm in Kontakt kommen. Es hat die einzigartige Fähigkeit, die Gedanken anderer zu manipulieren und sogar auszulöschen, wenn es seine Kräfte vollständig entwickelt und unter Kontrolle hat. Gedankenverloren laufen sie schweigend nebeneinander her, wobei das leise Tippeln der Pfoten von Mai zu hören ist. Alina hat offensichtlich sein Misstrauen geweckt, was für sie nicht allzu überraschend ist. Welche neue Schülerin liegt schon mitten im Schuljahr plötzlich auf dem Boden, während draußen der Vollmond scheint?

„Es hätte mich gewundert, wenn er nicht misstrauisch geworden wäre“, grübelt sie, während sie Lukes scharfen Blick auf sich spürt.

Mit einem leisen Brummen rennt die junge Mieze los und biegt in den nächsten Korridor ein, was er mit gerunzelter Stirn quittiert. Dieses Tier scheint genauso eigenartig zu sein wie seine Besitzerin. Für einen kurzen Moment schließt er die Augen, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf seine vorherigen Gedanken richtet. Er spürt, dass mit dieser Person etwas nicht stimmt. Ihre ungewöhnlichen Kleider und ihr plötzliches Erscheinen werfen Fragen auf. Normalerweise wird es angekündigt, wenn jemand Neues in die Schule kommt, doch keiner hat ein Wort über sie verloren. Für ihn Grund genug, mehr über sie und ihre Herkunft herauszufinden.

„Mai!“, ruft sie sofort und er schaut zu Alina, die wütend ihre Katze anfunkelt, die zu ihr geeilt kommt.

Der kleine schwarze Teufel rennt mit erstaunlicher Geschwindigkeit auf sein Frauchen zu. Mit einer schnellen Bewegung nimmt sie ihr Tier auf den Arm, während einige ihrer welligen Haare nach vorne über ihre Schulter fallen.

„Du kannst nicht einfach hier herumlaufen, wenn du dich nicht auskennst“, weist sie Mai eindringlich zurecht, in der Hoffnung, dass diese den Grund versteht. Mai legt sofort entschuldigend die Ohren nach hinten und sieht sie reumütig an. Die Hexe spürt deutlich, dass Luke sie weiterhin beobachtet. Ihr Körper reagiert mit einem eisigen Schauer. Hat er womöglich etwas bemerkt? Wie soll sie nur die Zeit hier überstehen und all die Probleme angehen? Glücklicherweise ist es nicht mehr weit bis zum Büro des Schulleiters. Keinen Wimpernschlag später stehen sie vor einer großen hölzernen Tür, die sich nach zweimaligem Klopfen öffnet, und sie treten zusammen ein. Ein älterer Mann mustert die beiden Jugendlichen vor ihm. Seine katzengrünen Augen schielen über eine halbmondförmige Brille hinweg.

„Was kann ich für Sie tun, Mister Drewn und Miss …?“ Seine Augen gleiten fragend über das Mädchen, das trotz allem, was es bereits erlebt hat, überrascht ist. Vor ihr sitzt schließlich der längst verstorbene Schulleiter Dr. Scharbs, der Vorgänger von Herrn Hawk. Obwohl sie nur allzu gut weiß, dass sie in der Vergangenheit ist und viele Überraschungen erleben wird, ist die Situation für sie neu und befremdlich. Schnell kramt sie einen Brief aus ihrer Tasche und überreicht ihn Scharbs. „Ich wollte Ihnen diesen Brief von meiner alten Schule geben. Darin sind meine Noten und andere wichtige Unterlagen enthalten.“, eilig rattert sie ihr auswendig gelerntes Sprüchlein herunter, während die Augen des Mannes jede Zeile gründlich lesen. Minutenlang umhüllt Schweigen die Schüler, während Alinas Blicke ab und zu auf Luke ruhen. So, wie er dasteht und den Schulleiter beobachtet, könnte man meinen, er könne kein Wässerchen trüben. Doch sie weiß leider, dass er auch anders kann. Auch wenn es noch fünfzig Jahre dauern wird, ist er bereits jetzt eine Gefahr für jeden. Ein Räuspern lässt sie wieder aufblicken. „Nun, Miss Lefèvre. Wie Sie sicherlich wissen, ist dies hier eine besondere Schule, in der Magier, Gestaltwandler, Werwölfe und Vampire zusammenleben.“ Würdevoll erhebt sich der alte Mann und geht um sein Pult herum. „Diese Schule, LaFour, wurde vor über 600 Jahren erbaut, voller Liebe und Hingabe von unseren Gründern. Sie soll die Werte jedes einzelnen Wesens vermitteln und für Frieden sorgen“, sein Blick ist ernst, während seine Augen sie wie Dolche durchbohren.

„Bevor wir zu den wichtigsten Dingen kommen, möchte ich Ihre Kräfte testen. Ich werde Ihnen danach erklären, warum.“ Noch bevor sie die Worte registrieren und reagieren kann, wird sie von einem lilafarbenen Energiestrahl getroffen, der plötzlich wie aus dem Nichts kommt.

Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, hält sie die Hand vor ihren Körper und blockt ihn gekonnt ab. Je länger sie beschossen wird, desto stärker werden die Angriffe. Am Rande bemerkt sie, wie genau sie von Luke beobachtet wird, während Dr. Scharbs zufrieden nickt und interessiert zuschaut. Minutenlang hält sie diese Prozedur durch, bis sie am Ende ihrer Geduld ist. Gerade als sie sich aufrichtet und den nächsten Angriff erwartet, der keine Sekunde später auf sie zukommt, streckt sie langsam ihren rechten Arm aus und schickt selbst einen Zauber. Mit einem lauten Knall explodieren die beiden Zauber miteinander und entfachen bunte Feuerfunken.

Mit einem schwachen Lächeln sieht sie ihnen zu, wie sie sachte durch den Raum tanzen, ehe sie verglühen.

„Wahrlich beeindruckend“, staunt der ältere Mann, ehe er sich wieder auf seinen Sessel setzt.

„Nun denn. Ihre Kraft ist ähnlich wie die eines meiner besten Schüler.“

Kurz gleiten seine Augen zu Luke, der wieder an Alina herangetreten ist.

„Es wird Sie sicherlich überraschen, dass Sie anders eingeteilt werden als all die anderen Schüler“, ohne die Augen von ihr abzuwenden, redet er weiter.

„Sie werden sich einen Turm mit Mister Drewn teilen, da Sie ähnlich viel Potenzial wie er besitzen und es dadurch nur besser werden kann. Nun denn, ich bitte Sie, Ihre Gemächer aufzusuchen und sich den Rest des Abends mit den Räumlichkeiten vertraut zu machen. Außerdem müssen wir uns noch einmal zusammensetzen, bevor die Sommerferien beginnen.“

Mit einem Nicken gibt sie zu verstehen, dass sie seine Anweisungen befolgen wird.

„Willkommen in LaFour, der Schule für alle Wesen der Welten“, verabschiedet er sie mit einem Lächeln.

Nachdem die schwere Tür ins Schloss gefallen ist, führt Luke sie zuerst in den Gemeinschaftsturm. Staunend sieht sie sich in dem großen Raum um, während sie sich langsam um die eigene Achse dreht. Ein dunkelblauer Teppich bedeckt den gesamten Boden und der Kamin spendet eine angenehme Wärme. Vor dem Kamin steht ein großes Sofa, auf dem einige Bücher liegen, die Mai vorsichtig beschnuppert.

„Ihr Zimmer ist dort drüben. Es sollte bereits komplett eingerichtet sein. Das Bad befindet sich hier“, erklärt er und deutet dabei auf die jeweiligen Orte.

„Ich wünsche Ihnen eine angenehme Nacht, Miss Lefèvre“, mit einer leichten Verbeugung wendet er sich von ihr ab und betritt sein eigenes Zimmer. Nachdem er verschwunden ist, eilt sie so schnell wie möglich in ihr neues Zimmer und wirft sich erschöpft auf ihr blaues Himmelbett, welches die Hälfte des ganzen Zimmers einnimmt. Die Zimmer werden immer aufs Neue liebevoll für den jeweiligen Schüler eingerichtet, der darin wohnt.

Genauso wie es bei ihr geschehen ist.

Verschiedene Blumen zieren die Wände als Dekoration, während sich goldene Ranken über ihre Zimmertür erstrecken. Obwohl dieser Raum in einem schlichten Grünton gehalten wurde, birgt er dennoch so viel Wärme. Mai kommt schnurrend zu ihr und Alina streichelt ihr verzweifelt über den Kopf.

„Oh, Mai, wie soll ich das alles bloß überstehen, ohne aufzufliegen?“

KAPITEL ZWEI

Die Nacht vergeht für Alina wie im Flug, bis sie durch ein vertrautes Schnurren geweckt wird. Noch vollkommen verschlafen erhebt sich die junge Hexe aus ihrem Bett und erblickt sofort ihre kleine Katze, die sich fröhlich um ihre Beine schlängelt.

„Wenigstens bin ich nicht allein in dieser Zeit“, flüstert sie eher zu sich selbst als zu ihrer kleinen Freundin. Mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen nimmt sie Mai hoch. Fest umklammert sie das schwarze Tier, bevor sie es wieder auf dem Boden absetzt.

„Dann wollen wir uns mal fertig machen!“

So schnell hat sie sich noch nie in ihrem Leben frisch gemacht und ihre Schuluniform angezogen, als sie sich stolz in ihrem Spiegelbild betrachtet. Nervös streift sie sich eine Haarsträhne hinter das Ohr, bevor sie ihr Zimmer verlässt und in die Gänge der Schule verschwindet. Die vielen Schüler machen ihr schon seit einer Ewigkeit nichts mehr aus. Der ganze Tumult hat auch seine Vorteile. Man ist unsichtbar vor neugierigen Blicken, gerade wenn man neu auf einer Schule ist. An ihrem Ziel angekommen, betritt sie den Speisesaal. Viele der Schüler sind in kleine Gruppen eingeteilt, was das Aussuchen eines geeigneten Platzes erschwert.

„Hier her!“, euphorisch winkt eine Schülerin Alina zu, die mit neuem Mut sich zu dem Tisch gesellt.

„Du musst die Neue sein, Alina Lefèvre. Ich bin Cassandra

Gibbison, aber nenn mich bitte Cassy.“

„Freut mich, dich kennenzulernen, Cassy“, schweigend essen die beiden unterschiedlichen Wesen ihr Frühstück, während Alina ihrem Gegenüber ab und zu einen neugierigen Blick zuwirft.

Nach einem reichhaltigen Essen geht sie mit neuem Mut und frischer Energie zu ihrer ersten Unterrichtsstunde, der „Geschichte der Werwölfe“.

Sie ist überrascht, als sie ihren alten Lehrer, Professor Keon, am Pult erblickt.

Einen kurzen Moment steht sie starr in der

Tür des Klassenzimmers, ohne auch nur eine Sekunde ihre grünen Augen von ihm abzuwenden. Sie kann es nicht fassen, dass der Professor schon damals hier unterrichtet hat.

Natürlich wurde erzählt, dass Keon bereits früher an dieser Schule war, aber dass dies schon über fünfzig Jahre zurückliegt, hätte sie wirklich nicht gedacht. Auch in der Vergangenheit kann man also etwas Neues dazulernen. Das gesteht sie sich ein. Eine schon bekannte Stimme hinter ihr reißt sie aus ihren Gedanken.

„Es wäre schön, wenn Sie nicht im Weg stehen würden, Miss Lefèvre.“ Sie weiß nicht, warum, aber ein eiskalter Schauer jagt plötzlich über ihren Rücken. Wundern dürfte es sie nicht. Es ist der dunkle Magier, der im Moment nur ein Schüler dieser Schule ist und noch längst nicht über die Macht verfügt, die er in Zukunft haben wird. Kurz nimmt sie einen tiefen Atemzug, bevor sie sich zu ihm umdreht. Mit einem gespielt freundlichen Lächeln sieht sie ihn an.

„Es tut mir unsagbar leid, Ihnen im Weg zu stehen. Zukünftig werde ich Eure Hoheit vorher um Erlaubnis fragen und auf Ihre Befehle warten.“ Nach diesem Satz wendet sie sich zufrieden von ihm ab und setzt sich in die zweite Reihe, wo noch ein Tisch frei ist, ohne zu sehen, wie er ihren Körper mit seinen braunen Augen bedrohlich mustert. Für einen kurzen Moment leuchten seine Augen rot auf. Alina fühlt sich trotz allem sicher in der Schule. Denn keiner darf wissen, was für ein Wesen Luke tatsächlich ist. Das wäre für ihn ein zu hohes Risiko, das weiß sie. Keiner kann genau sagen, was mit solchen Wesen passieren wird, wenn sie sich zeigen.

Zu groß ist die Angst von der unbekannten Macht.

Nachdem das junge Mädchen sich gesetzt hat, wird ihr erst klar, was sie zu ihm gesagt hat. „Wie lebensmüde bin ich eigentlich?! Ich kann ihn doch nicht so angehen!“, wenn sie könnte, würde sie ihre Hände vors Gesicht schlagen. „Jetzt bin ich erst recht auf seiner Todeslist … Ich werde hier nie lebend herauskommen.“ In ihren eigenen Gedanken gefangen, bemerkt sie nicht, wie sich ein talentierter Zauberer neben sie setzt.

„Für Ihre Verhältnisse haben Sie ein großes Mundwerk, Miss“, hört sie Luke sagen, der abwesend einige Schüler in der ersten Reihe mustert. Fragend hebt Alina den Kopf. Warum setzt er sich neben sie? Hat er nicht seine Freunde oder besser gesagt seine Anhänger? Wenn sie darüber nachdenkt, hat sie noch keinen von seinen Gefolgsleuten gehört oder gesehen. Merkwürdig …

„Ich würde Ihnen raten, vorsichtiger mit Ihren Worten umzugehen. Bei manchen Leuten würden Sie dafür nicht gerade sanft behandelt werden.“ Während er diese Worte über die Lippen bringt, sieht er ihr fest in die Augen, wobei ein kaltes Lächeln sein Gesicht ziert. „Es liegt ganz bei Ihnen.

Wenn Sie wünschen, kann ich Sie davor bewahren.“ Als sie den Mund öffnet, um etwas zu fragen, wird sie von ihrem Lehrer unterbrochen.

„So, meine lieben Schüler, wie ihr wisst, beginnen wir die heutige Stunde damit, wie es dazu gekommen ist, dass …“, gerade als Keon in seinen Redefluss kommt, bemerkt er Alina, die ihn stumm ansieht. „Oh, wer sind Sie denn, Miss …?“, er hält kurz inne und betrachtet das Mädchen interessiert.

„Miss Lefèvre, Sir“, antwortet sie mit einem Lächeln, das dem Professor ein fröhliches Lachen entlockt.

„Nun dann, Miss Lefèvre, was verschafft uns die Ehre, dass Sie uns hier in dieser wunderbaren Schule aufsuchen?“

Ihr war klar, dass diese Frage von ihm kommen würde, dennoch spürt sie eine leichte Panik. Kurz schluckt sie ihre Nervosität herunter, bevor sie mit fester Stimme antwortet:

„Ich bin aus meiner alten Heimat geflohen, da meine Tante verschwunden ist.“ „Was ist denn mit Ihren Eltern? Wohnen Sie nicht bei Ihnen?“, fragt er neugierig, ohne Rücksicht auf Alina zu nehmen. Sie ist einiges von diesem Lehrer gewohnt, aber seine Neugier ist schrecklich. „Sie sind damals gestorben“, antwortet sie, weiterhin ohne rot zu werden.

Stille verbreitet sich für einige Sekunden im Klassenraum und Alina kann nur innerlich die Augen verdrehen.

‘Also, man kann es auch übertreiben‘ , denkt sie sich.

„Das tut mir sehr leid, Miss. Wenn ich fragen darf: Was ist mit ihnen passiert?“, mustert er sie neugierig, so wie alle ihre Mitschüler, was ihr sichtlich unangenehm ist. Was soll sie jetzt sagen? Eine Lüge, die nicht durchschaut wird? Doch bis jetzt hat sie noch nicht darüber nachgedacht. Nicht, dass sie sich verplappert. Bei ihrem großen Mundwerk ist das leider nicht so unwahrscheinlich. Schnell nimmt sie all ihren Mut zusammen und sieht mit gut gespielter trauriger Miene auf den Tisch.

„Ich möchte nicht darüber sprechen … Die Erinnerung daran ist zu schmerzhaft. Ich hoffe, Sie verstehen das, Professor.“

„Oh, natürlich. Es tut mir leid, dass ich Sie dazu gedrängt habe“, entschuldigt sich Professor Keon und wendet sich mit einem Räuspern von dem braunhaarigen Mädchen ab, um dann weiter über die Werwölfe zu dozieren. Nur zu deutlich kann sie den durchdringenden Blick ihres Sitznachbarn spüren, was in ihr ein merkliches Unbehagen hervorruft.

Er weiß, dass ihre Traurigkeit nur gespielt ist, und staunt, wie gut sie lügen kann. Jedoch ist es ihr Fehler zu glauben, dass niemand Wahrheit und Lüge auseinanderhalten kann. Er als ein spezielles Wesen besitzt eine Fähigkeit, den Herzschlag des jeweiligen anderen zu spüren. Fast wie Wölfe kann er gewisse Sachen fühlen und spüren. Angst, Sorge, Wahrheit, Lüge. Als Professor Keon sich von ihr abwendet, atmet sie tief aus und ihr Herz beruhigt sich. Die Frage ist nur: Warum lügt sie? Immer mehr interessiert ihn, was sie verbirgt und wer sie wirklich ist. Denn irgendetwas stimmt mit ihr ganz und gar nicht und er wird bald herausfinden, was ihr großes Geheimnis ist. Doch um an sie heranzukommen, muss er wohl andere Geschütze auffahren.

Als die Unterrichtsstunde endet, nutzt Alina die Zeit bis zur nächsten Stunde, um in ihr Zimmer zu gehen und nach ihrer Katze zu sehen. Als sie den Gemeinschaftsraum des Turmes betritt, spürt sie plötzlich eine unangenehme Präsenz hinter sich. Mit einer schnellen Bewegung dreht sich das Mädchen um und blickt sofort in zwei braune Augen.

„Miss Lefèvre, was tun Sie hier? Gleich haben wir Unterricht“, verlangt er Auskunft, woraufhin sie sich selbstsicher vor ihm aufbaut, obwohl sie sich unter seinem Blick mulmig fühlt.

„Ich wollte schnell nach Mai schauen. Wenn sie allein ist, macht sie oft viel Unsinn“, erklärt sie. Kurz gleiten ihre grünen Augen hin zu seinen Lippen, die ein schwaches Grinsen bilden.

„Ich glaube, das ist nicht nötig.“, schon als Luke den Raum betritt, weiß er, dass sie dort nicht allein sind. Sein Blick wandert hinter Alina, die es ihm gleichtut und ihren Augen nicht trauen will. Gemütlich liegt ihre Katze auf dem Tisch und schlummert vor sich hin, wobei ein leises Schnurren zu hören ist.

„Mai!“, ruft das junge Mädchen aufgebracht aus. Keine Sekunde später schreckt das Tier auf und sieht aufgeregt durch den Raum, bis es seine Besitzerin erkennt und sofort auf sie zurennt. Mit einem leisen Brummen schlängelt sie sich um Alinas Beine, um sie zu beruhigen, was ihr aber nicht gelingt.

„Was machst du hier?! Wie bist du überhaupt aus meinem Zimmer gekommen?!“, will Alina wütend von der kleinen Katze wissen, die sie nur entschuldigend anblickt.

Amüsiert beobachtet Luke dieses Schauspiel. Er muss sich eingestehen, dass er noch nie jemanden gesehen hat, der seine Katze so zurechtweist.

„Man kann dich keine Sekunde allein lassen!“, ruft Alina aus, als sie versucht, ihre Katze auf den Arm zu nehmen, aber das Tier sprintet durch den Raum. Geschickt springt Mai über das Sofa und dann über den Tisch, wo sie eine Schale mit Süßigkeiten umstößt. Entsetzt streckt Alina den Arm aus, um ihr Haustier zu erreichen. Mit einer einfachen Handbewegung belegt sie es mit einem Schwebezauber, was es mit einem kläglichen Maunzen quittiert. „Pech.“ Innerlich kocht Alina vor Wut, während sie mit ihrer kleinen Gefährtin zurück in ihr Zimmer geht. Nachdem sie die Katze abgesetzt hat, schließt sie die Tür und spricht einen Schutzzauber, damit die Tür verschlossen bleibt.

„So sollte sie nicht mehr herauskommen …“, flüstert Alina sich selbst leise zu, bevor sie ihre Stirn erschöpft gegen die verschlossene Tür lehnt.

„Mai, du machst es mir nicht gerade leicht …“

„Miss, wir müssen zurück zum Unterricht, die Professoren sind nicht immer nachsichtig“, sagt plötzlich eine Stimme hinter ihr und Alina fährt erschrocken herum, um in seine Augen zu schauen, die einen ungewöhnlichen Glanz besitzen. „Natürlich, dann lassen Sie uns gehen“, antwortet sie mit einem Lächeln und geht voran, dicht gefolgt von Luke. Es ist unheimlich, ihn im Rücken zu wissen.

Wer weiß, was er mit ihr anstellen könnte.

Alina hat ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend, fast wie eine Warnung, dass er etwas im Schilde führt. Aus dem Augenwinkel beobachtet sie den jungen Magier, der regungslos geradeaus blickt und sie nicht einmal beachtet.

„Einige Schüler haben von den vielen Geheimnissen erzählt, die angeblich in dieser Schule verborgen sind.

Könnten Sie mir mehr darüber verraten?“, fragt sie, obwohl sie nicht genau weiß, warum sie das tut. Aber die Stille zwischen ihnen fühlt sich so unangenehm an. Vielleicht könnte sie, wenn sie geschickt vorgeht, etwas herausfinden, das ihr weiterhelfen würde. Sie wartet geduldig auf seine Antwort, die jedoch auf sich warten lässt. ‘Dieser Junge ist wirklich nicht sehr gesprächig‘, denkt sie, kurz davor, mit sich selbst zu sprechen.

Überraschenderweise antwortet er dann doch.