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Romeo Montague und Julia Capulet verlieben sich auf den ersten Blick - doch ihre Familien sind durch einen jahrhundertealten Hass verfeindet. In nächtlicher Heimlichkeit lassen sie sich von Bruder Lorenzo trauen. Als Romeo in einen Streit zwischen den Familien verwickelt wird und Julias Vetter Tybalt tötet, muss er aus Verona fliehen. Julias Eltern, die von der heimlichen Ehe nichts ahnen, drängen ihre Tochter zur Hochzeit mit Graf Paris. In ihrer Not wendet sie sich an Bruder Lorenzo, der einen gewagten Plan ersinnt: Ein Schlaftrunk soll Julia scheintot erscheinen lassen, damit sie der Zwangsheirat entgeht. Das um 1595 entstandene Drama „Romeo und Julia“ von William Shakespeare zeigt, wie die bedingungslose Liebe zweier junger Menschen an einer Welt des Hasses und der starren Konventionen zerbricht.
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Seitenzahl: 122
Veröffentlichungsjahr: 2025
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William Shakespeare
Romeo und Julia
Deutsche Ausgabe
Copyright © 2024 Novelaris Verlag
1. Auflage
ISBN: 978-3-68931-178-0
Personen
PROLOG
Erster Aufzug
Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene
Zweiter Aufzug
Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene
Sechste Szene
Dritter Aufzug
Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene
Vierter Aufzug
Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene
Fünfter Aufzug
Erste Szene
Cover
Table of Contents
Text
ESCALUS, Prinz von Verona
GRAF PARIS, Verwandter des Prinzen
MONTAGUE und CAPULET, Häupter zweier Häuser, welche in Zwist mit einander sind
ROMEO, Montagues Sohn
MERCUTIO, Verwandter des Prinzen und Romeos Freund
BENVOLIO, Montagues Neffe und Romeos Freund
TYBALT, Neffe der Gräfin Capulet
EIN ALTER MANN, Capulets Oheim
BRUDER LORENZO, ein Franziskaner
BRUDER MARCUS, von demselben Orden
BALTHASAR, Romeos Diener
SIMSON Bedienter Capulets
GREGORIO Bedienter Capulets
ABRAHAM, Bedienter Montagues
PETER
Drei Musikanten
Ein Page des Paris
Ein Apotheker
Chorus
Ein Offizier
GRÄFIN MONTAGUE
GRÄFIN CAPULET
JULIA, Capulets Tochter
JULIENS Amme
Bürger von Verona. Verschiedene Männer und Frauen, Verwandte beider Häuser. Masken, Wachen und andres Gefolge.
Die Szene ist den größten Teil des Stücks hindurch in Verona; zu Anfange des fünften Aufzugs in Mantua.
Der Chorus tritt auf.
CHORUS
Zwei Häuser waren - gleich an Würdigkeit -
Hier in Verona, wo die Handlung steckt,
Durch alten Groll zu neuem Kampf bereit,
Wo Bürgerblut die Bürgerhand befleckt.
Aus dieser Feinde unheilvollem Schoß
Das Leben zweier Liebender entsprang,
Die durch ihr unglückselges Ende bloß
Im Tod begraben elterlichen Zank.
Der Hergang ihrer todgeweihten Lieb
Und der Verlauf der elterlichen Wut,
Die nur der Kinder Tod von dannen trieb,
Ist nun zwei Stunden lang der Bühne Gut;
Was dran noch fehlt, hört mit geduldgem Ohr,
Bringt hoffentlich nun unsre Müh hervor.
EIN ÖFFENTLICHER PLATZ
Simson und Gregorio, zwei Bediente Capulets, treten auf
SIMSON
Auf mein Wort, Gregorio, wir wollen nichts in die Tasche stecken.
GREGORIO
Freilich nicht, sonst wären wir Taschenspieler.
SIMSON
Ich meine, ich werde den Koller kriegen und vom Leder ziehn.
GREGORIO
Ne, Freund! deinen ledernen Koller mußt du bei Leibe nicht ausziehen.
SIMSON
Ich schlage geschwind zu, wenn ich aufgebracht bin.
GREGORIO
Aber du wirst nicht geschwind aufgebracht.
SIMSON
Ein Hund aus Montagues Hause bringt mich schon auf.
GREGORIO
Einen aufbringen, heißt: ihn von der Stelle schaffen. Um tapfer zu sein, muß man stand halten. Wenn du dich also aufbringen läßt, so läufst du davon.
SIMSON
Ein Hund aus dem Hause bringt mich zum Standhalten. Mit jedem Bedienten und jedem Mädchen Montagues will ich es aufnehmen.
GREGORIO
Der Streit ist nur zwischen unseren Herrschaften und uns, ihren Bedienten. Es mit den Mädchen aufnehmen? Pfui doch! Du solltest dich lieber von ihnen aufnehmen lassen.
SIMSON
Einerlei! Ich will barbarisch zu Werke gehn. Hab’ ich’s mit den Bedienten erst ausgefochten, so will ich mir die Mädchen unterwerfen. Sie sollen die Spitze meines Degens fühlen, bis er stumpf wird.
GREGORIO
Zieh’ nur gleich von Leder: da kommen zwei aus dem Hause Montagues.
(Abraham und Balthasar treten auf)
SIMSON
Hier! mein Gewehr ist blank. Fang’ nur Händel an, ich will den Rücken decken.
GREGORIO
Den Rücken? willst du Reißaus nehmen?
SIMSON
Fürchte nichts von mir!
GREGORIO
Ne, wahrhaftig! ich dich fürchten?
SIMSON
Laß uns das Recht auf unsrer Seite behalten, laß sie anfangen!
GREGORIO
Ich will ihnen im Vorbeigehn ein Gesicht ziehen, sie mögen’s nehmen, wie sie wollen.
SIMSON
Wie sie dürfen, lieber. Ich will ihnen einen Esel bohren; wenn sie es einstecken, so haben sie den Schimpf.
ABRAHAM
Bohrt Ihr uns einen Esel, mein Herr?
SIMSON
Ich bohre einen Esel, mein Herr.
ABRAHAM
Bohrt Ihr uns einen Esel, mein Herr?
SIMSON
Ist das Recht auf unsrer Seite, wenn ich Ja sage?
GREGORIO
Nein.
SIMSON
Nein, mein Herr! Ich bohre Euch keinen Esel, mein Herr. Aber ich bohre einen Esel, mein Herr.
GREGORIO
Sucht Ihr Händel, mein Herr?
SIMSON
Wenn Ihr sonst Händel sucht, mein Herr: ich stehe zu Diensten. Ich bediene einen eben so guten Herrn wie Ihr.
ABRAHAM
Keinen bessern.
SIMSON
Sehr wohl, mein Herr!
(Benvolio tritt auf)
GREGORIO
Sag: »Einen bessern«; hier kömmt ein Vetter meiner Herrschaft.
SIMSON
Ja doch, einen bessern, mein Herr.
ABRAHAM
Ihr lügt!
SIMSON
Zieht, wo ihr Kerls seid! Frisch, Gregorio! denk’ mir an deinen Schwadronierhieb! (Sie fechten)
BENVOLIO
Ihr Narren, fort! Steckt eure Schwerter ein;
Ihr wißt nicht, was ihr tut.
(Tybalt tritt auf)
TYBALT
Was? ziehst du unter den verzagten Knechten?
Hieher, Benvolio! Beut die Stirn dem Tode!
BENVOLIO
Ich stifte Frieden, steck’ dein Schwert nur ein!
Wo nicht, so führ’ es, diese hier zu trennen!
TYBALT
Was? Ziehn und Friede rufen? Wie die Hölle Hass’ ich das Wort, wie alle Montagues
Und dich! Wehr’ dich, du Memme! (Sie fechten)
(Verschiedene Anhänger beider Häuser kommen und mischen sich in den Streit; dann Bürger mit Knitteln)
EIN BÜRGER
He! Spieß’ und Stangen her! Schlagt auf sie los!
Weg mit den Capulets! Weg mit den Montagues!
(Capulet im Schlafrock und Gräfin Capulet)
CAPULET
Was für ein Lärm? – Holla! mein langes Schwert!
GRÄFIN CAPULET
Nein, Krücken! Krücken! Wozu soll ein Schwert!
CAPULET
Mein Schwert, sag’ ich! Der alte Montague
Kommt dort, und wetzt die Klinge mir zum Hohn.
(Montague und Gräfin Montague)
MONTAGUE
Du Schurke! Capulet! – Laßt los, laß mich gewähren!
GRÄFIN MONTAGUE
Du sollst dich keinen Schritt dem Feinde nähern.
(Der Prinz mit Gefolge)
PRINZ
Aufrührische Vasallen! Friedensfeinde,
Die ihr den Stahl mit Nachbarblut entweiht! –
Wollt ihr nicht hören? – Männer! wilde Tiere!
Die ihr die Flammen eurer schnöden Wut
Im Purpurquell aus euren Adern löscht!
Zu Boden werft, bei Buß’ an Leib und Leben,
Die mißgestählte Wehr aus blut’ger Hand!
Hört eures ungehaltnen Fürsten Spruch!
Drei Bürgerzwiste haben dreimal nun
Aus einem luft’gen Wort von euch erzeugt,
Du alter Capulet und Montague,
Den Frieden unsrer Straßen schon gebrochen.
Veronas graue Bürger mußten sich
Entladen ihres ehrenfesten Schmucks
Und alte Speer’ in alten Händen schwingen,
Woran der Rost des langen Friedens nagte,
Dem Hasse, der euch nagt, zu widerstehn.
Verstört ihr jemals wieder unsre Stadt,
So zahl’ eu’r Leben mir den Friedensbruch!
Für jetzt begebt euch, all ihr andern, weg!
Ihr aber, Capulet, sollt mich begleiten.
Ihr, Montague, kommt diesen Nachmittag
Zur alten Burg, dem Richtplatz unsres Banns,
Und hört, was hierin fürder mir beliebt.
Bei Todesstrafe sag’ ich: alle fort!
(Der Prinz, sein Gefolge, Capulet, Gräfin Capulet, Tybalt, die Bürger und Bediente gehen ab)
MONTAGUE
Wer bracht’ aufs neu’ den alten Zwist in Gang?
Sagt, Neffe, wart Ihr da, wie er begann?
BENVOLIO
Die Diener Eures Gegners fochten hier
Erhitzt mit Euren schon, eh’ ich mich nahte;
Ich zog, um sie zu trennen. Plötzlich kam
Der wilde Tybalt mit gezücktem Schwert,
Und schwang, indem er schnaubend Kampf mir bot,
Es um sein Haupt, und hieb damit die Winde,
Die unverwundet, zischend ihn verhöhnten.
Derweil wir Hieb’ und Stöße wechseln, kamen
Stets mehr und mehr, und fochten mit einander;
Dann kam der Fürst und schied sie von einander.
GRÄFIN MONTAGUE
Ach, wo ist Romeo? Saht Ihr ihn heut?
Wie froh bin ich! Er war nicht bei dem Streit.
BENVOLIO
Schon eine Stunde, Gräfin, eh’ im Ost
Die heil’ge Sonn’ aus goldnem Fenster schaute,
Trieb mich ein irrer Sinn ins Feld hinaus.
Dort, in dem Schatten des Kastanienhains,
Der vor der Stadt gen Westen sich verbreitet,
Sah ich, so früh schon wandelnd, Euren Sohn.
Ich wollt’ ihm nahn, er aber nahm mich wahr
Und stahl sich tiefer in des Waldes Dickicht.
Ich maß sein Innres nach dem meinen ab,
Das in der Einsamkeit am regsten lebt,
Ging meiner Laune nach, ließ seine gehn,
Und gern vermied ich ihn, der gern mich floh.
MONTAGUE
Schon manchen Morgen ward er dort gesehn,
Wie er den frischen Tau durch Tränen mehrte
Und, tief erseufzend, Wolk’ an Wolke drängte.
Allein sobald im fernsten Ost die Sonne,
Die all’erfreu’nde, von Auroras Bett
Den Schattenvorhang wegzuziehn beginnt,
Stiehlt vor dem Licht mein finstrer Sohn sich heim,
Und sperrt sich einsam in sein Kämmerlein,
Verschließt dem schönen Tageslicht die Fenster,
Und schaffet künstlich Nacht um sich herum.
In schwarzes Mißgeschick wird er sich träumen,
Weiß guter Rat den Grund nicht wegzuräumen.
BENVOLIO
Mein edler Oheim, wisset Ihr den Grund?
MONTAGUE
Ich weiß ihn nicht und kann ihn nicht erfahren.
BENVOLIO
Lagt Ihr ihm jemals schon deswegen an?
MONTAGUE
Ich selbst sowohl als mancher andre Freund.
Doch er, der eignen Neigungen Vertrauter,
Ist gegen sich, wie treu will ich nicht sagen,
Doch so geheim und in sich selbst gekehrt,
So unergründlich forschendem Bemühn,
Wie eine Knospe, die ein Wurm zernagt,
Eh’ sie der Luft ihr zartes Laub entfalten
Und ihren Reiz der Sonne weihen kann.
Erführen wir, woher sein Leid entsteht,
Wir heilten es so gern, als wir’s erspäht.
(Romeo erscheint in einiger Entfernung)
BENVOLIO
Da kömmt er, seht! Geruht uns zu verlassen!
Galt ich ihm je was, will ich schon ihn fassen.
MONTAGUE
Oh, beichtet’ er für dein Verweilen dir
Die Wahrheit doch! – Kommt, Gräfin, gehen wir!
(Montague und Gräfin Montague gehen ab)
BENVOLIO
Ha, guten Morgen, Vetter!
ROMEO
Erst so weit?
BENVOLIO
Kaum schlug es neun.
ROMEO
Weh mir! Gram dehnt die Zeit.
War das mein Vater, der so eilig ging?
BENVOLIO
Er war’s. Und welcher Gram dehnt Euch die Stunden?
ROMEO
Daß ich entbehren muß, was sie verkürzt.
BENVOLIO
Entbehrt Ihr Liebe?
ROMEO
Nein.
BENVOLIO
So ward sie Euch zu teil?
ROMEO
Nein, Lieb’ entbehr’ ich, wo ich lieben muß.
BENVOLIO
Ach, daß der Liebesgott, so mild im Scheine,
So grausam in der Prob’ erfunden wird!
ROMEO
Ach, daß der Liebesgott, trotz seinen Binden,
Zu seinem Ziel stets Pfade weiß zu finden!
Wo speisen wir? – Ach, welch ein Streit war hier?
Doch sagt mir’s nicht, ich hört’ es alles schon.
Haß gibt hier viel zu schaffen, Liebe mehr.
Nun dann: liebreicher Haß! streitsücht’ge Liebe!
Du Alles, aus dem Nichts zuerst erschaffen!
Schwermüt’ger Leichtsinn! ernste Tändelei!
Entstelltes Chaos glänzender Gestalten!
Bleischwinge! lichter Rauch und kalte Glut!
Stets wacher Schlaf! dein eignes Widerspiel! –
So fühl’ ich Lieb’, und hasse, was ich fühl’!
Du lachst nicht?
BENVOLIO
Nein! das Weinen ist mir näher.
ROMEO
Warum, mein Herz?
BENVOLIO
Um deines Herzens Qual.
ROMEO
Das ist der Liebe Unbill nun einmal.
Schon eignes Leid will mir die Brust zerpressen,
Dein Gram um mich wird voll das Maß mir messen.
Die Freundschaft, die du zeigst, mehrt meinen Schmerz;
Denn, wie sich selbst, so quält auch dich mein Herz.
Lieb’ ist ein Rauch, den Seufzerdämpf’ erzeugten,
Geschürt, ein Feu’r, von dem die Augen leuchten,
Gequält, ein Meer, von Tränen angeschwellt;
Was ist sie sonst? Verständ’ge Raserei,
Und ekle Gall’ und süße Spezerei.
Lebt wohl, mein Freund!
BENVOLIO
Sacht! Ich will mit Euch gehen:
Ihr tut mir Unglimpf, laßt Ihr so mich stehen.
ROMEO
Ach, ich verlor mich selbst; ich bin nicht Romeo.
Der ist nicht hier: er ist – ich weiß nicht wo.
BENVOLIO
Entdeckt mir ohne Mutwill, wen Ihr liebt!
ROMEO
Bin ich nicht ohne Mut und ohne Willen?
BENVOLIO
Nein, sagt mir’s ohne Scherz!
ROMEO
Verscherzt ist meine Ruh’: wie sollt’ ich scherzen?
O überflüss’ger Rat bei so viel Schmerzen!
Hört, Vetter, denn im Ernst: ich lieb’ ein Weib.
BENVOLIO
Ich traf’s doch gut, da ich verliebt Euch glaubte.
ROMEO
Ein wackrer Schütz’! – Und, die ich lieb’, ist schön.
BENVOLIO
Ein glänzend Ziel kann man am ersten treffen.
ROMEO
Dies Treffen traf dir fehl, mein guter Schütz’:
Sie meidet Amors Pfeil, sie hat Dianens Witz.
Umsonst hat ihren Panzer keuscher Sitten
Der Liebe kindisches Geschoß bestritten.
Sie wehrt den Sturm der Liebesbitten ab,
Steht nicht dem Angriff kecker Augen, öffnet
Nicht ihren Schoß dem Gold, das Heil’ge lockt.
Oh, sie ist reich an Schönheit; arm allein,
Weil, wenn sie stirbt, ihr Reichtum hin wird sein.
BENVOLIO
Beschwor sie der Enthaltsamkeit Gesetze?
ROMEO
Sie tat’s, und dieser Geiz vergeudet Schätze.
Denn Schönheit, die der Lust sich streng enthält,
Bringt um ihr Erb’ die ungeborne Welt.
Sie ist zu schön und weis’, um Heil zu erben,
Weil sie, mit Weisheit schön, mich zwingt zu sterben.
Sie schwor zu lieben ab, und dies Gelübd’
Ist Tod für den, der lebt, nur weil er liebt.
BENVOLIO
Folg’ meinem Rat, vergiß an sie zu denken!
ROMEO
So lehre mir, das Denken zu vergessen!
BENVOLIO
Gib deinen Augen Freiheit, lenke sie
Auf andre Reize hin!
ROMEO
Das ist der Weg,
Mir ihren Reiz in vollem Licht zu zeigen.
Die Schwärze jener neidenswerten Larven,
Die schöner Frauen Stirne küssen, bringt
Uns in den Sinn, daß sie das Schöne bergen.
Der, welchen Blindheit schlug, kann nie das Kleinod
Des eingebüßten Augenlichts vergessen.
Zeigt mir ein Weib, unübertroffen schön:
Mir gilt ihr Reiz wie eine Weisung nur,
Worin ich lese, wer sie übertrifft.
Leb wohl! Vergessen lehrest du mir nie.
BENVOLIO
Dein Schuldner sterb’ ich, glückt mir nicht die Müh!
(Beide ab)
EINE STRASSE
Capulet, Paris und ein Bedienter kommen
CAPULET
Und Montague ist mit derselben Buße
Wie ich bedroht? Für Greise, wie wir sind,
Ist Frieden halten, denk’ ich, nicht so schwer.
PARIS
Ihr geltet beid’ als ehrenwerte Männer,
Und Jammer ist’s um euren langen Zwiespalt.
Doch, edler Graf, wie dünkt Euch mein Gesuch?
CAPULET
Es dünkt mich so, wie ich vorhin gesagt:
Mein Kind ist noch ein Fremdling in der Welt,
Sie hat kaum vierzehn Jahre wechseln sehn.
Laßt noch zwei Sommer prangen und verschwinden,
Eh’ wir sie reif, um Braut zu werden, finden!
PARIS
Noch jüngre wurden oft beglückte Mütter.
CAPULET
Wer vor der Zeit beginnt, der endigt früh.
All meine Hoffnungen verschlang die Erde;
Mir blieb nur dieses hoffnungsvolle Kind.
Doch werbt nur, lieber Graf! Sucht Euer Heil!
Mein Will’ ist von dem ihren nur ein Teil.
Wenn sie aus Wahl in Eure Bitten willigt,
So hab’ ich im voraus ihr Wort gebilligt.
Ich gebe heut ein Fest, von alters hergebracht,
Und lud darauf der Gäste viel zu Nacht,
Was meine Freunde sind: Ihr, der dazu gehöret,
Sollt hoch willkommen sein, wenn Ihr die Zahl vermehret.
In meinem armen Haus sollt Ihr des Himmels Glanz
Heut nacht verdunkelt sehn durch ird’scher Sterne Tanz.
Wie muntre Jünglinge mit neuem Mut sich freuen,
Wenn auf die Fersen nun der Fuß des holden Maien
Dem lahmen Winter tritt: die Lust steht Euch bevor,
Wann Euch in meinem Haus ein frischer Mädchenflor
Von jeder Seit’ umgibt. Ihr hört, Ihr seht sie alle,
Daß, die am schönsten prangt, am meisten Euch gefalle.
Dann mögt Ihr in der Zahl auch meine Tochter sehn,
Sie zählt für eine mit, gilt sie schon nicht für schön.