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Komödien und Tragödien, dazu ein Band mit Sonetten: Das ist das reiche Schaffen von William Shakespeare, der vor rund vierhundert Jahren das großartigste Dramenwerk der Weltliteratur schuf. Dieser Band versammelt es in reicher Auswahl: Komödien wie 'Ein Sommernachtstraum' und 'Viel Lärm um nichts', Tragödien wie 'Romeo und Julia' und 'Macbeth', Königsdramen und das lyrische Schaffen. Die kongenialen Übersetzungen von Schlegel, Tieck, Wolf Graf Baudissin und Gustav Wolff gelten bis heute als Klassiker ihres Metiers und bereiten große Lesefreude.
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Seitenzahl: 1811
William Shakespeare
Aus dem Englischen von Wolf Graf Baudissin, August Wilhelm von Schlegel, Dorothea Tieck und Gustav Wolff
Anaconda
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© 2013 Anaconda Verlag, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München. Umschlagmotiv: William Shakespeare, Radierung von Johann Lindner (1839–1906) nach dem sog. Chandos-Porträt, Richard Burbage (um 1567–1619) zugeschrieben (heute London, National Portrait Gallery), Foto: akg-images, Berlin Umschlaggestaltung: Druckfrei. Dagmar Herrmann, Köln ISBN 978-3-7306-9145-8V002 www.anacondaverlag.de
KÖNIG EDUARD DER VIERTE
EDUARD
,
Prinz von Wales,
Söhne des Königs
nachmals König Eduard der Fünfte
RICHARD
,
Herzog von York
GEORG
,
Herzog von Clarence
Brüder des Königs
RICHARD
,
Herzog von Gloster,
nachmals König Richard der Dritte
Ein junger SOHN des Clarence
HEINRICH, Graf von Richmond, nachmals König Heinrich der Siebente
KARDINAL BOURCHIER, Erzbischof von Canterbury
ERZBISCHOF VON YORK
BISCHOF VON ELY
HERZOG VON BUCKINGHAM
HERZOG VON NORFOLK
GRAF VON SURREY, sein Sohn
GRAF RIVERS, Bruder der Gemahlin König Eduards
MARQUIS VON DORSETundLORD GREY, ihre Söhne
GRAF VON OXFORD
SIR RICHARD RATCLIFF
LORD HASTINGS
SIR WILLIAM CATESBY
LORD STANLEY
SIR JAMES TYRREL
LORD LOVEL
SIR JAMES BLUNT
SIR THOMAS VAUGHAN
SIR WALTER HERBERT
SIR ROBERT BRAKENBURY, Kommandant des Towers
CHRISTOPHER URSWICK, ein Priester
EINANDRER PRIESTER
LORD MAYOR VON LONDON
SHERIFF VON WILTSHIRE
ELISABETH, Gemahlin König Eduards des Vierten
MARGARETA, Witwe König Heinrichs des Sechsten
HERZOGIN VON YORK, Mutter König Eduards des Vierten, Clarences und Glosters
ANNA, Witwe Eduards, Prinzen von Wales, Sohnes König Heinrichs des Sechsten; nachmals mit Gloster vermählt
Eine junge TOCHTER des Clarence
LORDS und andres GEFOLGE; zwei EDELLEUTE, ein HEROLD, ein SCHREIBER, BÜRGER, MÖRDER,BOTEN, GEISTER, SOLDATEN etc.
Die Szene ist in England.
London. Eine Straße.
GLOSTERtritt auf.
GLOS.: Nun ward der Winter unsers Missvergnügens
Glorreicher Sommer durch die Sonne Yorks;
Die Wolken all, die unser Haus bedräut,
Sind in des Weltmeers tiefem Schoß begraben.
Nun zieren unsre Brauen Siegeskränze,
Die schart’gen Waffen hängen als Trophän;
Aus rauem Feldlärm wurden muntre Feste,
Aus furchtbarn Märschen holde Tanzmusiken.
Der grimm’ge Krieg hat seine Stirn entrunzelt,
Und statt zu reiten das geharn’schte Ross,
Um drohnder Gegner Seelen zu erschrecken,
Hüpft er behänd in einer Dame Zimmer
Nach üppigem Gefallen einer Laute.
Doch ich, zu Possenspielen nicht gemacht,
Noch um zu buhlen mit verliebten Spiegeln;
Ich, roh geprägt, entblößt von Liebesmajestät,
Vor leicht sich drehnden Nymphen mich zu brüsten;
Ich, um dies schöne Ebenmaß verkürzt,
Von der Natur um Bildung falsch betrogen,
Entstellt, verwahrlost, vor der Zeit gesandt
In diese Welt des Atmens, halb kaum fertig
Gemacht, und zwar so lahm und ungeziemend,
Dass Hunde bellen, hink ich wo vorbei;
Ich nun, in dieser schlaffen Friedenszeit,
Weiß keine Lust, die Zeit mir zu vertreiben,
Als meinen Schatten in der Sonne spähn
Und meine eigne Missgestalt erörtern;
Und darum, weil ich nicht als ein Verliebter
Kann kürzen diese fein beredten Tage,
Bin ich gewillt, ein Bösewicht zu werden
Und feind den eitlen Freuden dieser Tage.
Anschläge macht ich, schlimme Einleitungen,
Durch trunkne Weissagungen, Schriften, Träume,
Um meinen Bruder Clarence und den König
In Todfeindschaft einander zu verhetzen.
Und ist der König Eduard treu und echt,
Wie ich verschmitzt, falsch und verräterisch,
So muss heut Clarence eng verhaftet werden,
Für eine Weissagung, die sagt, dass G
Den Erben Eduards nach dem Leben steh.
Taucht unter, ihr Gedanken! Clarence kommt.
CLARENCEkommt mitWACHEundBRAKENBURY.
Mein Bruder, guten Tag! Was soll die Wache
Bei Euer Gnaden?
CLAR.: Seine Majestät,
Besorgt um meine Sicherheit, verordnet
Mir dies Geleit, mich nach dem Tower zu schaffen.
GLOS.: Aus welchem Grund?
CLAR.: Weil man mich Georg nennt.
GLOS.: Ach, Mylord, das ist Euer Fehler nicht,
Verhaften sollt er darum Eure Paten.
Oh, vielleicht hat Seine Majestät im Sinn,
Umtaufen Euch zu lassen dort im Tower.
Doch was bedeutet’s, Clarence? Darf ich’s wissen?
CLAR.: Ja, Richard, wenn ich’s weiß: denn ich beteure,
Noch weiß ich’s nicht; nur dies hab ich gehört,
Er horcht auf Weissagungen und auf Träume,
Streicht aus dem Alphabet den Buchstab G
Und spricht, ein Deuter sagt’ ihm, dass durch G
Enterbung über seinen Stamm ergeh;
Und weil mein Name Georg anfängt mit G,
So denkt er, folgt, dass es durch mich gescheh.
Dies, wie ich hör, und Grillen, diesen gleich,
Bewogen Seine Hoheit zum Verhaft.
GLOS.: So geht’s, wenn Weiber einen Mann regieren.
’s ist Eduard nicht, der in den Tower Euch schickt;
Mylady Grey, sein Weib, Clarence, nur sie
Reizt ihn zu diesem harten Äußersten.
War sie es nicht und jener Mann der Ehren,
Ihr guter Bruder, Anton Woodeville,
Die in den Turm Lord Hastings schicken ließen,
Von wo er eben heute losgekommen?
Wir sind nicht sicher, Clarence, sind nicht sicher.
CLAR.: Beim Himmel, niemand ist es als die Sippschaft
Der Königin und nächtliche Herolde,
Des Königs Botenläufer zu Frau Shore.
Hörtet Ihr nicht, wie sich, demütig flehend,
Lord Hastings um Befreiung an sie wandte?
GLOS.: Demütig klagend ihrer Göttlichkeit,
Ward der Herr Oberkämmerer befreit.
Hört an, ich denk, es wär die beste Art,
Wenn wir in Gunst beim König bleiben wollen,
Bei ihr zu dienen und Livree zu tragen.
Die eifersücht’ge, abgenutzte Witwe
Und jene, seit mein Bruder sie geadelt,
Sind mächtige Gevatterfraun im Reich.
BRAK.: Ich ersuch Eur Gnaden beide zu verzeihn,
Doch Seine Majestät hat streng befohlen,
Dass niemand, welches Standes er auch sei,
Soll sprechen insgeheim mit seinem Bruder.
GLOS.: Ja so! Beliebt’s Eur Edeln, Brakenbury,
So hört nur allem, was wir sagen, zu:
Es ist kein Hochverrat, mein Freund. Wir sagen,
Der König sei so weis wie tugendsam
Und sein verehrtes Ehgemahl an Jahren
Ansehnlich, schön und ohne Eifersucht;
Wir sagen, Shores Weib hab ein hübsches Füßchen,
Ein Kirschenmündchen, Äugelein und wundersüße Zunge
Und dass der Kön’gin Sippschaft adlig worden.
Was sagt Ihr, Herr? ist alles das nicht wahr?
BRAK.: Mylord, ich bin bei allem dem nichts nutz.
GLOS.: Nichtsnutzig bei Frau Shore? Hör an, Gesell:
Ist wer bei ihr nichtsnutzig als der eine,
Der tat es besser insgeheim, alleine.
BRAK.: Als welcher eine, Mylord?
GLOS.: Ihr Mann, du Schuft; willst du mich fangen?
BRAK.: Ich ersuch Eur Gnaden zu verzeihn, wie auch
Nicht mehr zu sprechen mit dem edlen Herzog.
CLAR.: Wir kennen deinen Auftrag, Brakenbury,
Und wolln gehorchen.
GLOS.: Wir sind die Verworfnen
Der Königin und müssen schon gehorchen.
Bruder, lebt wohl! Ich will zum König gehn,
Und wozu irgend Ihr mich brauchen wollt,
Müsst ich auch Eduards Witwe Schwester nennen,
Ich will’s vollbringen, um Euch zu befrein.
Doch diese tiefe Schmach der Brüderschaft
Rührt tiefer mich, als Ihr Euch denken könnt.
CLAR.: Ich weiß es, sie gefällt uns beiden nicht.
GLOS.: Wohl, Eur Verhaft wird nicht von Dauer sein:
Ich mach Euch frei, sonst lieg ich selbst für Euch.
Indessen habt Geduld.
CLAR.: Ich muss; leb wohl!
Clarence mit Brakenbury und der Wache ab.
GLOS.: Geh nur des Wegs, den du nie wiederkehrst,
Einfält’ger Clarence! So sehr lieb ich dich,
Ich sende bald dem Himmel deine Seele,
Wenn er die Gab aus unsrer Hand will nehmen.
Doch wer kommt da? der neu befreite Hastings?
HASTINGStritt auf.
HAST.: Vergnügten Morgen meinem gnäd’gen Herrn!
GLOS.: Das gleiche meinem lieben Kämmerer!
Seid sehr willkommen in der freien Luft.
Wie fand Eur Gnaden sich in den Verhaft?
HAST.: Geduldig, edler Herr, wie man wohl muss;
Doch hoff ich denen Dank einst abzustatten,
Die schuld gewesen sind an dem Verhaft.
GLOS.: Gewiss, gewiss! und das wird Clarence auch:
Die Eure Feinde waren, sind die seinen
Und haben Gleiches wider ihn vermocht.
HAST.: Ja, leider wird der Adler eingesperrt,
Und Geir und Habicht rauben frei indes.
GLOS.: Was gibt es Neues draußen?
HAST.: So Schlimmes draußen nichts wie hier zu Haus.
Der Fürst ist kränklich, schwach und melancholisch,
Und seine Ärzte fürchten ungemein.
GLOS.: Nun, bei Sankt Pauli die Neuigkeit ist schlimm.
O er hat lange schlecht Diät gehalten
Und seine fürstliche Person verzehrt.
Es ist ein Herzeleid, wenn man’s bedenkt.
Sagt, hütet er das Bett?
HAST.: Er tut’s.
GLOS.: Geht nur voran, ich folge bald Euch nach.
Hostings ab.
Er kann nicht leben, hoff ich; darf nicht sterben,
Eh Georg mit Extrapost gen Himmel fährt.
Ich will hinein und ihn auf Clarence hetzen
Mit wohlgestählten Lügen, trift’gen Gründen;
Und wenn mein tiefer Plan mir nicht misslingt,
Hat Clarence weiter keinen Tag zu leben.
Dann nehme Gott in Gnaden König Eduard
Und lasse mir die Welt, zu hausen drin.
Denn dann heirat ich Warwicks jüngste Tochter.
Ermordet’ ich schon ihren Mann und Vater,
Der schnellste Weg, der Dirne gnugzutun,
Ist, dass ich selber werd ihr Mann und Vater.
Das will ich denn, aus Liebe nicht sowohl
Als andrer, tief versteckter Zwecke halber,
Die diese Heirat mir erreichen muss.
Doch mach ich noch die Rechnung ohne Wirt;
Noch atmet Clarence, Eduard herrscht und thront:
Sind sie erst hin, dann wird die Müh belohnt.
Ab.
London. Eine andre Straße.
KÖNIG HEINRICH DES SECHSTEN LEICHEwird in einem offnen Sarge hereingetragen,EDELLEUTEmit Hellebarden begleiten sie; hierauf PrinzessinANNAals Leidtragende.
ANNA: Setzt nieder eure ehrenwerte Last –
Wofern sich Ehre senkt in einen Sarg –,
Indessen ich zur Leichenfeier klage
Den frühen Fall des frommen Lancaster.
Du eiskalt Bildnis eines heil’gen Königs!
Des Hauses Lancaster erblichne Asche!
Blutloser Rest des königlichen Bluts!
Vergönnt sei’s, aufzurufen deinen Geist,
Dass er der armen Anna Jammer höre,
Die Eduards Weib war, deines Sohns, erwürgt
Von jener Hand, die diese Wunden schlug.
In diese Fenster, die sich aufgetan,
Dein Leben zu entlassen, träufl ich, sieh!
Hilflosen Balsam meiner armen Augen.
Verflucht die Hand, die diese Risse machte!
Verflucht das Herz, das Herz hatt, es zu tun!
Verflucht das Blut, das dieses Blut entließ!
Heilloser Schicksal treffe den Elenden,
Der elend uns gemacht durch deinen Tod,
Als ich kann wünschen Nattern, Spinnen, Kröten
Und allem giftigen Gewürm, das lebt.
Hat er ein Kind je, so sei’s missgeboren,
Verwahrlost und zu früh ans Licht gebracht,
Des gräulich unnatürliche Gestalt
Den Blick der hoffnungsvollen Mutter schrecke,
Und das ein Erbe seiner Bosheit sei!
Hat er ein Weib je, nun, so möge sie
Sein Tod um vieles noch elender machen,
Als mich mein junger Ehgemahl und du! –
Kommt nun nach Chertsey mit der heil’gen Last,
Die von Sankt Paul wir zur Bestattung holten,
Und immer wenn ihr müde seid, ruht aus,
Derweil ich klag um König Heinrichs Leiche.
Die Träger nehmen die Leiche auf und gehen weiter.GLOSTERtritt auf.
GLOS.: Halt! ihr der Leiche Träger, setzt sie nieder!
ANNA: Welch schwarzer Zaubrer bannte diesen Bösen
Zur Störung frommer Liebesdienste her?
GLOS.: Schurken, die Leiche nieder! Bei Sankt Paul,
Zur Leiche mach ich den, der nicht gehorcht!
ERST. EDELM.: Mylord, weicht aus und lasst den Sarg vorbei.
GLOS.: Schamloser Hund! steh du, wenn ich’s befehle;
Senk die Hellbarde nicht mir vor die Brust,
Sonst, bei Sankt Paul, streck ich zu Boden dich
Und trete, Bettler, dich für deine Keckheit.
Die Träger setzen den Sarg nieder.
ANNA: Wie nun? ihr zittert, ihr seid all erschreckt?
Doch ach! ich tadl euch nicht: ihr seid ja sterblich,
Und es erträgt kein sterblich Aug den Teufel. –
Heb dich hinweg, du grauser Höllenbote!
Du hattest Macht nur über seinen Leib,
Die Seel erlangst du nicht: drum mach dich fort.
GLOS.: Sei christlich, süße Heil’ge! fluche nicht!
ANNA: Um Gottes willen, schnöder Teufel, fort,
Und stör uns ferner nicht! Du machtest ja
Zu deiner Hölle die beglückte Erde,
Erfüllt mit Fluchgeschrei und tiefem Weh.
Wenn deine grimm’gen Taten dich ergötzen,
Sieh diese Probe deiner Metzgerein. –
Ihr Herrn, seht, seht! des toten Heinrichs Wunden
Öffnen den starren Mund und bluten frisch. –
Erröte, Klumpen schnöder Missgestalt!
Denn deine Gegenwart haucht dieses Blut
Aus Adern, kalt und leer, wo kein Blut wohnt:
Ja, deine Tat, unmenschlich, unnatürlich,
Ruft diese Flut hervor, so unnatürlich. –
Du schufst dies Blut, Gott: räche seinen Tod!
Du trinkst es, Erde: räche seinen Tod!
Lass, Himmel, deinen Blitz den Mörder schlagen!
Gähn, Erde, weit und schling ihn lebend ein,
Wie jetzo dieses guten Königs Blut,
Den sein der Höll ergebner Arm gewürgt!
GLOS.: Herrin, Ihr kennt der Liebe Vorschrift nicht,
Mit Gutem Böses, Fluch mit Segen lohnen.
ANNA: Bube, du kennst kein göttlich, menschlich Recht;
Das wildste Tier kennt doch des Mitleids Regung.
GLOS.: Ich kenne keins und bin daher kein Tier.
ANNA: O Wunder, wenn ein Teufel Wahrheit spricht!
GLOS.: Mehr Wunder, wenn ein Engel zornig ist! –
Geruhe, göttlich Urbild eines Weibes,
Von der vermeinten Schuld mir zu erlauben
Gelegentlich bei dir mich zu befrein.
ANNA: Geruhe, gift’ger Abschaum eines Manns,
Für die bekannte Schuld mir zu erlauben,
Gelegentlich zu fluchen dir Verfluchtem.
GLOS.: Du, schöner, als ein Mund dich nennen kann!
Verleih geduld’ge Frist, mich zu entschuld’gen.
ANNA: Du, schnöder, als ein Herz dich denken kann!
Für dich gilt kein Entschuld’gen, als dich hängen.
GLOS.: Verzweifelnd so, verklagt ich ja mich selbst.
ANNA: Und im Verzweifeln wärest du entschuldigt
Durch Übung würd’ger Rache an dir selbst,
Der du unwürd’gen Mord an andern übtest.
GLOS.: Setz, ich erschlug sie nicht.
ANNA: So wären sie nicht tot;
Doch tot sind sie, und, Höllenknecht, durch dich.
GLOS.: Ich schlug nicht Euren Gatten.
ANNA: Nun wohl, so lebt er noch.
GLOS.: Nein, er ist tot, und ihn schlug Eduards Hand.
ANNA: Du lügst in deinen Hals; Margreta sah
In seinem Blut dein mördrisch Messer dampfen,
Das du auch wandtest gegen ihre Brust,
Nur deine Brüder schlugen es beiseit.
GLOS.: Ich war gereizt von ihrer Lästerzunge,
Die jener Schuld legt’ auf mein schuldlos Haupt.
ANNA: Du warst gereizt von deinem blut’gen Sinn,
Der nie von anderm träumt’ als Metzgerein.
Hast du nicht diesen König umgebracht?
GLOS.: Ich geb es zu.
ANNA: Zugibst du’s, Igel? Nun, so geb auch Gott,
Dass du verdammt seist für die böse Tat!
O er war gütig, mild und tugendsam.
GLOS.: So taugt er, bei des Himmels Herrn zu wohnen.
ANNA: Er ist im Himmel, wo du niemals hinkommst.
GLOS.: Er danke mir, der ihm dahin verholfen:
Er taugte für den Ort, nicht für die Erde.
ANNA: Du taugst für keinen Ort als für die Hölle.
GLOS.: Ja, einen noch, wenn ich ihn nennen darf.
ANNA: Ein Kerker.
GLOS.: Euer Schlafzimmer.
ANNA: Verbannt sei Ruh vom Zimmer, wo du liegst.
GLOS.: Das ist sie, Herrin, bis ich bei Euch liege.
ANNA: Ich hoff es.
GLOS.: Ich weiß es. – Doch, liebe Lady Anna,
Um aus dem raschen Anlauf unsers Witzes
In einen mehr gesetzten Ton zu fallen:
Ist, wer verursacht den zu frühen Tod
Der zwei Plantagenets, Heinrich und Eduard,
So tadelnswert wie der Vollzieher nicht?
ANNA: Du warst die Ursach und verfluchte Wirkung.
GLOS.: Eur Reiz allein war Ursach dieser Wirkung,
Eur Reiz, der heim mich sucht’ in meinem Schlaf,
Von aller Welt den Tod zu unternehmen
Für eine Stund an Eurem süßen Busen.
ANNA: Dächt ich das, Mörder, diese Nägel sollten
Von meinen Wangen reißen diesen Reiz.
GLOS.: Dies Auge kann den Reiz nicht tilgen sehn;
Ihr tätet ihm kein Leid, stand ich dabei.
Wie alle Welt sich an der Sonne labt,
So ich an ihm: er ist mein Tag, mein Leben.
ANNA: Nacht schwärze deinen Tag und Tod dein Leben.
GLOS.: Fluch, hold Geschöpf, dir selbst nicht: du bist beides.
ANNA: Ich wollt, ich wär’s, um mich an dir zu rächen.
GLOS.: Es ist ein Handel wider die Natur,
Dich rächen an dem Manne, der dich liebt.
ANNA: Es ist ein Handel nach Vernunft und Recht,
Mich rächen an dem Mörder meines Gatten.
GLOS.: Der dich beraubte, Herrin, deines Gatten,
Tat’s, dir zu schaffen einen bessern Gatten.
ANNA: Ein bessrer atmet auf der Erde nicht.
GLOS.: Es lebt wer, der Euch besser liebt als er.
ANNA: Nenn ihn.
GLOS.: Plantagenet.
ANNA: So hieß ja er.
GLOS.: Derselbe Name, doch bei bessrer Art.
ANNA: Wo ist er?
GLOS.: Hier.
Sie speit nach ihm.
Warum speist du mich an?
ANNA: Wär es doch tödlich Gift, um deinethalb!
GLOS.: Niemals kam Gift aus solchem süßen Ort.
ANNA: Niemals hing Gift an einem schnödem Molch.
Aus meinen Augen fort! du steckst sie an.
GLOS.: Dein Auge, Herrin, hat meins angesteckt.
ANNA: O wär’s ein Basilisk, dich tot zu blitzen!
GLOS.: Ich wollt es selbst, so stürb ich auf einmal,
Denn jetzo gibt es mir lebend’gen Tod.
Dein Aug erpresste meinen salz’ge Tränen,
Beschämt’ ihr Licht mit kind’scher Tropfen Fülle,
Die Augen, nie benetzt von Mitleidstränen:
Nicht, als mein Vater York und Eduard weinten
Bei Rutlands bangem Jammer, da sein Schwert
Der schwarze Clifford zückte wider ihn;
Noch als dein tapfrer Vater wie ein Kind
Kläglich erzählte meines Vaters Tod
Und zehnmal innehielt, zu schluchzen, weinen,
Dass, wer dabeistand, nass die Wangen hatte
Wie Laub im Regen: in der traur’gen Zeit
Verwarf mein männlich Auge milde Tränen,
Und was dies Leid ihm nicht entsaugen konnte,
Das tat dein Reiz und macht’ es blind vom Weinen.
Ich flehte an nie weder Freund noch Feind,
Nie lernte meine Zunge Schmeichelworte:
Doch nun dein Reiz mir ist gesetzt zum Preis,
Da fleht mein stolzes Herz und lenkt die Zunge.
Sie sieht ihn verächtlich an.
Nein, lehr nicht deine Lippen solchen Hohn:
Zum Kuss geschaffen, Herrin, sind sie ja.
Kann nicht verzeihn dein rachbegierig Herz,
So biet ich, sieh! dies scharf gespitzte Schwert;
Birg’s, wenn du willst, in dieser treuen Brust
Und lass die Seel heraus, die dich vergöttert:
Ich lege sie dem Todesstreiche bloß
Und bitt, in Demut kniend, um den Tod.
Er entblößt seine Brust, sie zielt mit dem Degen nach ihm.
Nein, zögre nicht: ich schlug ja König Heinrich,
Doch deine Schönheit reizte mich dazu.
Nur zu! Denn ich erstach den jungen Eduard:
Sie zielt wieder nach seiner Brust.
Jedoch dein himmlisch Antlitz trieb mich an.
Sie lässt den Degen fallen.
Nimm auf den Degen oder nimm mich auf.
ANNA: Steh, Heuchler, auf! Wünsch ich schon deinen Tod,
So will ich doch nicht sein Vollstrecker sein.
GLOS.: So heiß mich selbst mich töten, und ich will’s.
ANNA: Ich tat es schon.
GLOS.: Das war in deiner Wut.
Sag’s noch einmal, und gleich soll diese Hand,
Die deine Lieb aus Lieb erschlug zu dir,
Weit treuere Liebe dir zulieb erschlagen;
Du wirst an beider Tod mitschuldig sein.
ANNA: Kennt ich doch nur dein Herz!
GLOS.: Auf meiner Zunge wohnt’s.
ANNA: Vielleicht sind beide falsch.
GLOS.: Dann meint’ es niemand treu.
ANNA: Nun wohl, steckt ein das Schwert.
GLOS.: Gewährst du Frieden mir?
ANNA: Das sollt Ihr künftig sehn.
GLOS.: Darf ich in Hoffnung leben?
ANNA: Ich hoffe, jeder tut’s.
GLOS.: Tragt diesen Ring von mir.
ANNA: Annehmen ist nicht geben.
Sie steckt den Ring an.
GLOS.: Sieh, wie der Ring umfasset deinen Finger,
So schließt dein Busen ein mein armes Herz;
Trag beide, denn sie sind ja beide dein.
Und wenn dein treuster Diener eine Gunst
Erbitten darf von deiner gnäd’gen Hand,
So sicherst du sein Glück ihm zu für immer.
ANNA: Was ist es?
GLOS.: Dass Ihr dies traur’ge Werk dem überlasst,
Der größ’re Ursach Leid zu tragen hat,
Und Euch sogleich nach Crosby-Hof begebt;
Wo ich, nachdem ich feierlich bestattet
In Chertsey-Münster diesen edlen König
Und reuevoll sein Grab genetzt mit Tränen,
Mit aller schuld’gen Ehr Euch will besuchen.
Aus mancherlei geheimen Gründen, bitt ich,
Gewährt mir dies.
ANNA: Von ganzem Herzen, und es freut mich sehr
Zu sehn, dass Ihr so reuig worden seid. –
Wessel und Berkley, kommt, begleitet mich.
GLOS.: Sagt mir Lebwohl.
ANNA: ’s ist mehr, als Ihr verdient,
Doch weil Ihr Euch zu schmeicheln mich gelehrt,
So denkt, ich sagte schon Euch Lebewohl.
Prinzessin Anna mit zwei Edelleuten ab.
GLOS.: Nehmt auf die Leich, ihr Herrn.
ZW. EDELM.: Nach Chertsey, edler Lord?
GLOS.: Nein, zu den Karmelitern; dort erwartet mich.
Der Zug mit der Leiche ab.
Ward je in dieser Laun ein Weib gefreit?
Ward je in dieser Laun ein Weib gewonnen?
Ich will sie haben, doch nicht lang behalten.
Wie? ich, der Mörder ihres Manns und Vaters,
In ihres Herzens Abscheu sie zu fangen,
Im Munde Flüche, Tränen in den Augen,
Der Zeuge ihres Hasses blutend da;
Gott, ihr Gewissen, all dies wider mich,
Kein Freund, um mein Gesuch zu unterstützen,
Als Heuchlerblicke und der bare Teufel,
Und doch sie zu gewinnen! alles gegen nichts!
Ha!
Entfiel so bald ihr jener wackre Prinz,
Eduard, ihr Gatte, den ich vor drei Monden
Zu Tewksbury in meinem Grimm erstach?
Solch einen holden liebenswürd’gen Herrn,
In der Verschwendung der Natur gebildet,
Jung, tapfer, weis und sicher königlich,
Hat nicht die weite Welt mehr aufzuweisen:
Und will sie doch ihr Aug auf mich erniedern,
Der dieses Prinzen goldne Blüte brach
Und sie verwitwet’ im betrübten Bett?
Auf mich, der nicht dem halben Eduard gleichkommt?
Auf mich, der hinkt und missgeschaffen ist?
Mein Herzogtum für einen Bettlerpfennig,
Ich irre mich in mir die ganze Zeit:
So wahr ich lebe, kann ich’s gleich nicht finden,
Sie findt, ich sei ein wunderhübscher Mann.
Ich will auf einen Spiegel was verwenden
Und ein paar Dutzend Schneider unterhalten,
Um Trachten auszusinnen, die mir stehn.
Da ich bei mir in Gunst gekommen bin,
So will ich’s auch mich etwas kosten lassen.
Doch schaff ich den Gesellen erst ins Grab
Und kehre jammernd dann zur Liebsten um.
Komm, holde Sonn, als Spiegel mir zustatten
Und zeige, wenn ich geh, mir meinen Schatten. Ab.
Ebendaselbst. Ein Zimmer im Palast.
KÖNIGIN ELISABETH, LORD RIVERSundLORD GREYtreten auf.
RIV.: Seid ruhig, Fürstin: bald wird Seine Majestät
Sich wieder im erwünschten Wohlsein finden.
GREY: Es macht ihn schlimmer, dass Ihr’s übel tragt:
Um Gottes willen also, seid getrost
Und muntert ihn mit frohen Worten auf.
ELIS.: Was würde mir begegnen, wär er tot?
GREY: Kein ander Leid als solches Herrn Verlust.
ELIS.: Solch eines Herrn Verlust schließt jedes ein.
GREY: Der Himmel schenkt’ Euch einen wackern Sohn,
Wenn er dahin ist, Tröster Euch zu sein.
ELIS.: Ach! er ist jung, und bis zur Mündigkeit
Führt über ihn die Aufsicht Richard Gloster,
Ein Mann, der mich nicht liebt noch wen von euch.
RIV.: Ist’s ausgemacht, dass er Protektor wird?
ELIS.: Es ist beschlossen, noch nicht ausgemacht:
Allein es muss sein, wenn der König abgeht.
BUCKINGHAMundSTANLEYtreten auf.
GREY: Da sind die Lords von Buckingham und Stanley.
BUCK.: Eur königlichen Gnaden Heil und Glück!
STAN.: Gott mög Eur Majestät erfreun wie ehmals!
ELIS.: Die Gräfin Richmond, lieber Mylord Stanley,
Sagt auf Eur gut Gebet wohl schwerlich amen.
Doch, Stanley, ob sie Euer Weib schon ist
Und mich nicht liebt, seid, bester Lord, versichert,
Ich hass Euch nicht um ihren Übermut.
STAN.: Messt, ich ersuch Euch, keinen Glauben bei
Den Lästerungen ihrer falschen Kläger;
Und würde sie auf gült’gen Grund verklagt,
Tragt ihre Schwäche, die gewiss entsteht
Aus kranken Grillen, nicht bedachter Bosheit.
ELIS.: Saht Ihr den König heute, Mylord Stanley?
STAN.: Wir kommen, Herzog Buckingham und ich,
Grad eben jetzt von Seiner Majestät.
ELIS.: Was ist für Anschein seiner Bessrung, Lords?
BUCK.: Die beste Hoffnung, Eur Gemahl spricht munter.
ELIS.: Gott geb ihm Heil! Bespracht ihr euch mit ihm?
BUCK.:
Ja, gnäd’ge Frau: er wünscht den Herzog Gloster
Mit Euren Brüdern wieder auszusöhnen
Und diese mit dem Oberkämmerer
Und hieß vor Seiner Hoheit sie erscheinen.
ELIS.: Wär alles gut! Doch das wird nimmer sein:
Ich fürchte, unser Glück hat seine Höh.
GLOSTER, HASTINGSundDORSET treten auf.
GLOS.: Sie tun mir Unrecht, und ich will’s nicht dulden.
Wer sind sie, die beim König sich beklagen,
Ich sei, man denke, hart und liebt sie nicht?
Beim heil’gen Paul, der liebt ihn obenhin,
Wer so sein Ohr mit Zankgerüchten anfüllt.
Weil ich nicht schmeicheln und beschwatzen kann,
Zulachen, streicheln, hintergehn und kriechen,
Fuchsschwänzelnd wie ein Franzmann und ein Aff,
So hält man mich für einen häm’schen Feind.
Kann denn ein schlichter Mann nicht harmlos leben,
Dass nicht sein redlich Herz misshandelt würde
Von seidnen, schlauen, schmeichlerischen Gecken?
GREY: Mit wem in diesem Kreis spricht Euer Gnaden?
GLOS.: Mit dir, der weder Tugend hat noch Gnade.
Wann kränkt ich dich? wann trat ich dir zu nah?
Und dir? und dir? Wann einem eurer Rotte?
Die Pest euch allen! Unser gnäd’ger Fürst –
Den Gott erhalte, besser, als ihr wünscht! –
Kann kaum ein Atemholen ruhig sein,
Dass ihr ihn nicht mit wüsten Klagen stört.
ELIS.: Bruder von Gloster, Ihr missnehmt die Sache.
Der König hat, auf eignen höchsten Antrieb,
Und nicht bewogen durch ein fremd Gesuch,
Vielleicht vermutend Euren innern Hass,
Der sich in Eurem äußern Tun verrät,
Auf meine Kinder, Brüder und mich selbst,
Zu Euch gesandt, damit er so erfahre
Die Ursach Eures Grolls und weg sie schaffe.
GLOS.: Ich weiß es nicht – die Welt ist so verderbt,
Zaunkön’ge hausen, wo’s kein Adler wagt.
Seit jeder Hans zum Edelmanne ward,
So wurde mancher edle Mann zum Hans.
ELIS.: Schon gut! man kennt die Meinung, Bruder Gloster:
Ihr neidet mein und meiner Freunde Glück.
Gott gebe, dass wir nie Euch nötig haben!
GLOS.: Gott gibt indes, dass wir Euch nötig haben;
Denn unser Bruder ist durch Euch verhaftet,
Ich selbst in Ungnad und der Adel preis
Der Schmach gegeben, da man hohe Posten
Täglich verleiht, mit Ehren die zu krönen,
Die gestern keine Kron im Beutel hatten.
ELIS.: Bei dem, der mich zu banger Höh erhob
Von dem zufriednen Los, das ich genoss!
Ich reizte niemals Seine Majestät
Wider den Herzog Clarence, war vielmehr
Ein Anwalt, welcher eifrig für ihn sprach.
Mylord, Ihr tut mir schmählich Unrecht an,
Da Ihr mich falsch in solchen Argwohn bringt.
GLOS.: Ihr könnt auch leugnen, dass Ihr Schuld gehabt
An Mylord Hastings neulichem Verhaft.
RIV.: Sie kann’s, Mylord; denn –
GLOS.: Sie kann’s, Lord Rivers? Ei, wer weiß das nicht?
Sie kann noch mehr als dieses leugnen, Herr:
Sie kann Euch helfen zu manch schönem Posten,
Dann leugnen ihre Hand im Spiel dabei
Und alles nennen des Verdienstes Lohn.
Was kann sie nicht? Sie kann – ja traun! sie kann –
RIV.: Was kann sie, traun?
GLOS.: Was kann sie traun? Mit einem König traun sich,
Und der ein Junggesell, ein hübscher Bursch.
Hat Eure Großmama so gut gefreit?
ELIS.: Mylord von Gloster, allzu lang ertrug ich
Eur plumpes Schelten und Eur bittres Schmähn.
Ich melde Seiner Majestät, beim Himmel,
Den groben Hohn, den ich so oft erlitt.
Ich wäre lieber eine Bauernmagd
Als große Königin mit der Bedingung,
Dass man mich so verachtet und bestürmt.
Ich habe wenig Freud auf Englands Thron.
KÖNIGIN MARGARETAerscheint im Hintergrunde.
MARG.: Das wen’ge sei verringert, Gott, so fleh ich!
Denn mir gebührt dein Rang und Ehrensitz.
GLOS.: Was? droht Ihr mir, dem König es zu sagen?
Sagt’s ihm und schont nicht; seht, was ich gesagt,
Behaupt ich in des Königs Gegenwart.
Ich wag es drauf, zum Tower geschickt zu werden.
’s ist Redenszeit: man denkt nicht meiner Dienste.
MARG.: Fort, Teufel! Ihrer denk ich allzu wohl.
Du brachtest meinen Gatten um im Tower
Und meinen armen Sohn zu Tewksbury.
GLOS.: Eh Ihr den Thron bestiegt und Eur Gemahl,
War ich das Packpferd seines großen Werks,
Ausrotter seiner stolzen Widersacher,
Freigebiger Belohner seiner Freunde;
Sein Blut zu fürsten, hab ich meins vergossen.
MARG.: Ja, und viel bessres Blut als seins und deins.
GLOS.: In aller Zeit wart Ihr und Grey, Eur Mann,
Parteiisch für das Haus von Lancaster;
Ihr, Rivers, wart es auch. – Fiel Euer Mann
Nicht zu Sankt-Albans in Margretas Heer?
Erinnern muss ich Euch, wenn Ihr’s vergesst,
Was Ihr zuvor gewesen und nun seid;
Zugleich, was ich gewesen und noch bin.
MARG.: Ein mörderischer Schurk, und bist es noch.
GLOS.: Verließ nicht Clarence seinen Vater Warwick,
Ja, und brach seinen Eid – vergeh ihm Jesus!
MARG.: Bestraf ihn Gott!
GLOS.: Um neben Eduard für den Thron zu fechten!
Zum Lohn sperrt man den armen Prinzen ein.
Wär doch mein Herz steinhart wie Eduard seins,
Wo nicht, seins weich und mitleidsvoll wie meins!
Ich bin zu kindisch töricht für die Welt.
MARG.: So fahr zur Hölle und verlass die Welt,
Du Kakodämon! Dort ist ja dein Reich.
RIV.: Mylord von Gloster, in der heißen Zeit,
Woran Ihr mahnt, der Feindschaft uns zu zeihn,
Da hielten wir an unserm Herrn und König,
Wie wir an Euch es täten, wenn Ihr’s würdet.
GLOS.: Wenn ich es würde? Lieber ein Hausierer!
Fern meinem Herzen sei’s, es nur zu denken.
ELIS.: So wenig Freude, Mylord, wie Ihr denkt,
Dass Ihr genösst als dieses Landes König:
So wenig Freude, mögt Ihr denken auch,
Dass ich genieß als dessen Königin.
MARG.: Ja, wenig Freud hat dessen Königin:
Ich bin es und bin gänzlich freudenlos.
Ich kann nicht länger mich geduldig halten.
Sie tritt vor.
Hört mich, Piraten, die ihr hadernd zankt,
Indem ihr teilt, was ihr geraubt von mir!
Wer von euch zittert nicht, der auf mich schaut?
Beugt euch der Königin als Untertanen,
Sonst bebt vor der Entsetzten als Rebellen. –
Ha, lieber Schurke! wende dich nicht weg!
GLOS.: Was schaffst du, schnöde Hexe, mir vor Augen?
MARG.: Nur Wiederholung des, was du zerstört;
Das will ich schaffen, eh ich gehn dich lasse.
GLOS.: Bist du bei Todesstrafe nicht verbannt?
MARG.: Ich bin’s, doch größre Pein find ich in meinem Bann,
Als mir der Tod kann bringen, weil ich blieb.
Den Gatten und den Sohn bist du mir schuldig –
Und du das Königreich – ihr alle Dienstpflicht;
Dies Leiden, das ich habe, kommt euch zu,
Und alle Lust, die ihr euch anmaßt, mir.
GLOS.: Der Fluch, den dir mein edler Vater gab,
Als mit Papier die Heldenstirn du kröntest
Und höhnend Bäch aus seinen Augen zogst
Und reichtest, sie zu trocknen, ihm ein Tuch,
Getaucht ins reine Blut des holden Rutland:
Die Flüch, aus seiner Seele Bitterkeit
Dir da verkündigt, sind auf dich gefallen,
Und Gott, nicht wir, straft deine blut’ge Tat.
ELIS.: Ja, so gerecht ist Gott zum Schutz der Unschuld.
HAST.: O es war die schnödste Tat, das Kind zu morden,
Die unbarmherzigste, die je gehört ward!
RIV.: Tyrannen weinten, als man sie erzählte.
DOR.: Kein Mensch war, der nicht Rache prophezeite.
BUCK.: Northumberland, der’s ansah, weinte drum.
MARG.: Wie? fletschtet ihr die Zähne, wie ich kam,
Bereit schon, bei der Gurgel euch zu packen,
Und kehrt ihr nun all euren Hass auf mich?
Galt Yorks ergrimmter Fluch so viel im Himmel,
Dass Heinrichs Tod, des süßen Eduards Tod,
Des Reichs Verlust, mein wehevoller Bann
Genugtut bloß für das verzogne Bübchen?
Dringt denn ein Fluch die Wolken durch zum Himmel?
Wohl! trennt die schweren Wolken, rasche Flüche! –
Wo nicht durch Krieg, durch Prassen sterb eur König,
Wie Mord des unsern ihn gemacht zum König!
Eduard, dein Sohn, der jetzo Prinz von Wales,
Statt Eduard, meines Sohns, sonst Prinz von Wales,
Sterb in der Jugend, vor der Zeit, gewaltsam!
Du, Königin statt meiner, die ich’s war,
Gleich mir Elender überleb dein Los!
Lang lebe, deine Kinder zu bejammern!
Sieh eine andre, wie ich jetzo dich,
Gekleidet in dein Recht wie du in meins!
Lang sterbe deines Glückes Tag vor dir,
Und nach viel langen Stunden deines Grams,
Stirb weder Mutter, Weib, noch Königin!
Rivers und Dorset, ihr saht zu dabei –
Auch du, Lord Hastings –, als man meinen Sohn
Erstach mit blut’gen Dolchen: Gott, den fleh ich,
Dass euer keiner sein natürlich Alter
Erreich und plötzlich werde weggerafft!
GLOS.: Schließ deinen Spruch, verschrumpfte, böse Hexe!
MARG.: Und ließ’ dich aus? Bleib, Hund, du musst mich hören.
Bewahrt der Himmel eine schwere Plage,
Die übertrifft, was ich dir weiß zu wünschen,
O spar er sie, bis deine Sünden reif,
Dann schleudr er seinen Grimm herab auf dich,
Den Friedensstörer dieser armen Welt!
Dich nage rastlos des Gewissens Wurm!
Argwöhne stets die Freunde als Verräter,
Und Erzverräter acht als Busenfreunde!
Dein tödlich Auge schließe nie der Schlaf,
Es sei denn, weil ein peinigender Traum
Dich schreckt mit einer Hölle grauser Teufel!
Du Missgeburt voll Mäler! wühlend Schwein!
Du, der gestempelt ward bei der Geburt.
Der Sklave der Natur, der Hölle Sohn!
Du Schandfleck für der Mutter schweren Schoß!
Du ekler Sprössling aus des Vaters Lenden!
Du Lump der Ehre! du mein Abscheu –
GLOS.: Margreta!
MARG.: Richard!
GLOS.: He?
MARG.: Ich rief dich nicht.
GLOS.: So bitt ich um Verzeihung; denn ich dachte,
Du riefst mir all die bittern Namen zu.
MARG.: Das tat ich auch, doch Antwort wollt ich nicht.
O lass zum Schluss mich bringen meinen Fluch!
GLOS.: Ich tat’s für dich: er endigt in Margreta.
ELIS.: So hat Eur Fluch sich auf Euch selbst gewandt.
MARG.: Gemalte Kön’gin! Scheinbild meines Glücks!
Was streust du Zucker auf die bauch’ge Spinne,
Die dich mit tödlichem Geweb umstrickt?
Törin! du schärfst ein Messer, das dich würgt;
Es kommt der Tag, wo du herbei mich wünschest
Zum Fluchen auf den giftgeschwollnen Molch.
HAST.: Schließ, Wahnprophetin, deinen tollen Fluch,
Erschöpf nicht, dir zum Schaden, die Geduld.
MARG.: Schand über euch! Ihr all erschöpftet meine.
RIV.: Beratet Euch und lernet Eure Pflicht.
MARG.: Mich zu beraten, müsst Ihr Pflicht mir leisten.
Lehrt Königin mich sein euch Untertanen;
Beratet mich, und lernet diese Pflicht.
DOR.: O streitet nicht mit ihr, sie ist verrückt.
MARG.: Still, Meister Marquis! Ihr seid naseweis,
Eur neugeprägter Rang ist kaum in Umlauf.
O dass Eur junger Adel fühlen könnte,
Was ihn verlieren heißt und elend sein.
Wer hoch steht, den kann mancher Windstoß treffen,
Und wenn er fällt, so wird er ganz zerschmettert.
GLOS.: Traun, guter Rat! Marquis, nehmt ihn zu Herzen.
DOR.: Er geht Euch an, Mylord, so sehr wie mich.
GLOS.: Ja, und weit mehr: Doch ich bin hochgeboren;
In Zedernwipfeln nistet unsre Brut
Und tändelt mit dem Wind und trotzt der Sonne.
MARG.: Und hüllt die Sonn in Schatten – weh! ach weh!
Das zeugt mein Sohn, im Todesschatten jetzt;
Des strahlend lichten Schein dein wolk’ger Grimm
Mit ew’ger Finsternis umzogen hat.
In unsrer Jungen Nest baut eure Brut.
O Gott, der du es siehest, duld es nicht!
Was Blut gewann, sei auch so eingebüßt!
BUCK.: Still, still! aus Scham, wo nicht aus Christenliebe.
MARG.: Rückt Christenliebe nicht noch Scham mir vor:
Unchristlich seid ihr mit mir umgegangen,
Und schamlos würgtet ihr mir jede Hoffnung.
Wut ist mein Lieben, Leben meine Schmach;
Stets leb in meiner Schmach des Leidens Wut.
BUCK.: Hört auf! hört auf!
MARG.: O Buckingham, ich küsse deine Hand,
Zum Pfand der Freundschaft und des Bunds mit dir.
Dir geh es wohl und deinem edlen Haus!
Dein Kleid ist nicht befleckt mit unserm Blut
Und du nicht im Bezirke meines Fluchs.
BUCK.: Auch keiner sonst; nie überschreiten Flüche
Die Lippen des, der in die Luft sie haucht.
MARG.: Ich glaube doch, sie steigen himmelan
Und wecken Gottes sanft entschlafnen Frieden.
O Buckingham, weich aus dem Hunde dort!
Sieh, wenn er schmeichelt, beißt er; wenn er beißt,
So macht sein gift’ger Zahn zum Tode wund.
Hab nichts mit ihm zu schaffen, weich ihm aus!
Tod, Sünd und Hölle haben ihn gezeichnet,
Und ihre Diener all umgeben ihn.
GLOS.: Was sagt sie da, Mylord von Buckingham?
BUCK.: Nichts, das ich achte, mein gewogner Herr.
MARG.: Wie? höhnst du mich für meinen treuen Rat
Und hegst den Teufel da, vor dem ich warne?
O denke des auf einen andern Tag,
Wenn er dein Herz mit Gram zerreißt, und sage:
Die arme Margareta war Prophetin.
Leb euer jeder seinem Hass zum Ziel,
Und er dem euren und ihr alle Gottes! Ab.
HAST.: Mir sträubt das Haar sich, fluchen sie zu hören.
RIV.: Mir auch; es wundert mich, dass man so frei sie lässt.
GLOS.: Ich schelte nicht sie, bei der Mutter Gottes!
Sie hat zu viel gelitten, und mich reut
Mein Teil daran, was ich ihr angetan.
ELIS.: Ich trat ihr nie zu nah, soviel ich weiß.
GLOS.: Doch habt Ihr allen Vorteil ihres Leids.
Ich war zu hitzig, jemand wohlzutun,
Der nun zu kalt ist, mir es zu gedenken.
Mein Treu, dem Clarence wird es gut vergolten:
Man mästet ihn für seine Müh im Kofen.
Verzeih Gott denen, welche schuld dran sind!
RIV.: Ein tugendhafter, christlicher Beschluss,
Für die zu beten, die uns Böses tun!
GLOS.: Das tu ich immer, weislich so belehrt.
Beiseite: Denn flucht ich jetzt, hätt ich mich selbst verflucht.
CATESBYtritt auf.
CATE.: Fürstin, Euch fordert Seine Majestät; –
Eur Gnaden auch – und euch, ihr edlen Lords.
ELIS.: Ich komme, Catesby. – Geht ihr mit mir, Lords?
RIV.: Wir sind zu Euer Gnaden Dienst.
Alle ab, außer Gloster.
GLOS.: Ich tu das Bös und schreie selbst zuerst.
Das Unheil, das ich heimlich angestiftet,
Leg ich den andern dann zur schweren Last.
Clarence, den ich in Finsternis gelegt,
Bewein ich gegen manchen blöden Tropf,
Ich meine Stanley, Hastings, Buckingham,
Und sage, dass die Kön’gin und ihr Anhang
Den König wider meinen Bruder reizen.
Nun glauben sie’s und stacheln mich zugleich
Zur Rache gegen Rivers, Vaughan, Grey;
Dann seufz ich, und nach einem Spruch der Bibel
Sag ich, Gott heiße Gutes tun für Böses;
Und so bekleid ich meine nackte Bosheit
Mit alten Fetzen, aus der Schrift gestohlen,
Und schein ein Heil’ger, wo ich Teufel bin.
ZweiMÖRDERkommen.
Doch still! da kommen meine Henkersknechte. –
Nun, meine wackern, tüchtigen Gesellen,
Geht ihr anjetzt, den Handel abzutun?
ERST. MÖRD.: Ja, gnäd’ger Herr, und kommen um die Vollmacht,
Damit man uns einlasse, wo er ist.
GLOS.: Ganz wohlbedacht! Ich habe hier sie bei mir;
Gibt ihnen die Vollmacht.
Wenn ihr’s vollbracht habt, kommt nach Crosby-Hof.
Doch seid mir schleunig bei der Ausführung,
Zugleich verhärtet euch, hört ihn nicht an;
Denn Clarence ist beredt und kann vielleicht
Das Herz euch rühren, wenn ihr auf ihn achtet.
ERST. MÖRD.: Pah, gnäd’ger Herr! Wir schwatzen nicht erst lang;
Wer Worte macht, tut wenig: seid versichert,
Die Hände brauchen wir und nicht die Zungen.
GLOS.: Ihr weint Mühlsteine, wie die Narren Tränen;
Ich hab euch gerne, Burschen: frisch ans Werk!
Geht! geht! macht zu!
ERST. MÖRD.: Wir wollen’s, edler Herr.
Alle ab.
Ein Zimmer im Tower.
CLARENCEundBRAKENBURYtreten auf.
BRAK.: Wie sieht Eur Gnaden heut so traurig aus?
CLAR.: O ich hatt eine jämmerliche Nacht,
Voll banger Träume, scheußlicher Gesichte!
So wahr wie ich ein frommer gläub’ger Christ,
Ich brächte nicht noch eine Nacht so zu,
Gält es auch eine Welt beglückter Tage:
So voll von grausem Schrecken war die Zeit.
BRAK.: Was war Eur Traum, Mylord? Ich bitt Euch, sagt mir.
CLAR.: Mir deucht’, ich war entsprungen aus dem Turm
Und eingeschifft, hinüber nach Burgund,
Und mich begleitete mein Bruder Gloster.
Der lockt’ aus der Kajüte mich, zu gehn
Auf dem Verdeck; von da sahn wir nach England
Und führten tausend schlimme Zeiten an
Vom Kriege zwischen York und Lancaster,
Die uns betroffen. Wie wir schritten so
Auf des Verdeckes schwindligem Getäfel,
Schien mir’s, dass Gloster strauchelt’ und im Fallen
Mich, der ihn halten wollte, über Bord
In das Gewühl der Meereswogen riss.
O Gott! wie qualvoll schien mir’s zu ertrinken!
Welch grauser Lärm des Wassers mir im Ohr!
Welch scheußlich Todesschauspiel vor den Augen!
Mir deucht’, ich säh den Graus von tausend Wracks,
Säh tausend Menschen, angenagt von Fischen;
Goldklumpen, große Anker, Perlenhaufen,
Stein’ ohne Preis, unschätzbare Juwelen,
Zerstreuet alles auf dem Grund der See.
In Schädeln lagen ein’ge; in den Höhlen,
Wo Augen sonst gewohnt, war eingenistet,
Als wie zum Spotte, blinkendes Gestein,
Das buhlte mit der Tiefe schlamm’gem Grund
Und höhnte die Gerippe ringsumher.
BRAK.: Ihr hattet Muß’ im Augenblick des Todes,
Der Tiefe Heimlichkeiten auszuspähn?
CLAR.: Mir deuchte so, und oft strebt ich den Geist
Schon aufzugeben: doch die neid’sche Flut
Hielt meine Seel und ließ sie nicht heraus,
Die weite, leere, freie Luft zu suchen;
Sie würgte mir sie im beklommnen Leib,
Der fast zerbarst, sie in die See zu spein.
BRAK.: Erwachtet Ihr nicht von der Todesangst?
CLAR.: O nein, mein Traum fuhr nach dem Leben fort:
Oh, da begann erst meiner Seele Sturm!
Mich setzte über die betrübte Flut
Der grimme Fährmann, den die Dichter singen,
In jenes Königreich der ew’gen Nacht.
Zum ersten grüßte da die fremde Seele
Mein Schwiegervater, der berühmte Warwick.
Laut schrie er: »Welche Geißel für Verrat
Verhängt dies düstre Reich dem falschen Clarence?«
Und so verschwand er. Dann vorüber schritt
Ein Schatten wie ein Engel, helles Haar,
Mit Blut besudelt, und er schrie laut auf:
»Clarence ist da, der eidvergessne Clarence,
Der mich im Feld bei Tewksbury erstach!
Ergreift ihn, Furien! nehmt ihn auf die Folter!«
Somit umfing mich eine Legion
Der argen Feind’ und heulte mir ins Ohr
So grässliches Geschrei, dass von dem Lärm
Ich bebend aufgewacht und noch längst nachher
Nicht anders glaubt, als ich sei in der Hölle:
So schrecklich eingeprägt war mir der Traum.
BRAK.: Kein Wunder, Herr, dass Ihr Euch drob entsetzt;
Mir bangt schon, da ich’s Euch erzählen höre.
CLAR.: O Brakenbury, ich tat alles dies,
Was jetzo wider meine Seele zeugt,
Um Eduards halb: – und sieh, wie lohnt er’s mir!
O Gott, kann dich mein innig Flehn nicht rühren,
Und willst du rächen meine Missetaten,
So übe deinen Grimm an mir allein!
O schon mein schuldlos Weib, die armen Kinder! –
Ich bitt dich, lieber Wärter, bleib bei mir:
Mein Sinn ist trüb, und gerne möcht ich schlafen.
BRAK.: Ich will’s, Mylord; Gott geb Euch gute Ruh!
Clarence setzt sich zum Schlafen in einen Lehnstuhl.
Leid bricht die Zeiten und der Ruhe Stunden,
Schafft Nacht zum Morgen und aus Mittag Nacht.
Nur Titel sind der Prinzen Herrlichkeiten,
Ein äußrer Glanz für eine innre Last;
Für ungefühlte Einbildungen fühlen
Sie eine Welt rastloser Sorgen oft,
Sodass von ihren Titeln niedern Rang
Nichts unterscheidet als des Ruhmes Klang.
Die beidenMÖRDERkommen.
ERST. MÖRD.: He! wer ist da?
BRAK.: Was willst du, Kerl! wie bist du hergekommen?
ERST. MÖRD.: Ich will Clarence sprechen, und ich bin auf
meinen Beinen hergekommen.
BRAK.: Wie? so kurz ab?
ZW. MÖRD.: O Herr, besser kurz ab als langweilig. –
Zeige ihm unsern Auftrag, lass dich nicht weiter ein.
Sie überreichen dem Brakenbury ein Papier, welches er liest.
BRAK.: Ich werde hier befehligt, Euren Händen
Den edlen Herzog Clarence auszuliefern.
Ich will nicht grübeln, was hiermit gemeint ist,
Denn ich will schuldlos an der Meinung sein.
Hier sind die Schlüssel, dorten schläft der Herzog.
Ich will zum König, um ihm kundzutun,
Dass ich mein Amt so an euch abgetreten.
ERST. MÖRD.: Das mögt Ihr, Herr; es wird weislich getan sein. Gehabt Euch wohl.
Brakenbury ab.
ZW. MÖRD.: Wie? sollen wir ihn so im Schlaf erstechen?
ERST. MÖRD.: Nein, er wird sagen, das war feige von uns, wenn er aufwacht.
ZW. MÖRD.: Wenn er aufwacht! Ei, Narr, er wacht gar nicht wieder auf bis zum großen Gerichtstag.
ERST. MÖRD.: Ja, dann wird er sagen, wir haben ihn im Schlaf erstochen.
ZW. MÖRD.: Die Erwähnung des Wortes Gerichtstag hat eine Art Gewissensbiss in mir erregt.
ERST. MÖRD.: Was? du fürchtest dich?
ZW. MÖRD.: Nicht, ihn umzubringen, dazu hab ich ja die Vollmacht; aber verdammt dafür zu werden, wovor mich keine Vollmacht schützen kann.
ERST. MÖRD.: Ich dachte, du wärst entschlossen.
ZW. MÖRD.: Das bin ich auch, ihn leben zu lassen.
ERST. MÖRD.: Ich gehe wieder zum Herzog von Gloster und sage es ihm.
ZW. MÖRD.: Nicht doch, ich bitte dich, wart ein Weilchen. Ich hoffe, diese fromme Laune soll vorübergehn: sie pflegt bei mir nicht länger anzuhalten, als bis man etwa zwanzig zählt.
ERST. MÖRD.: Wie ist dir jetzt zumute?
ZW. MÖRD.: Mein Treu, es steckt immer noch ein gewisser Bodensatz von Gewissen in mir.
ERST. MÖRD.: Denk an unsern Lohn, wenn’s getan ist.
ZW. MÖRD.: Recht! er ist des Todes. Den Lohn hatt ich vergessen.
ERST. MÖRD.: Wo ist dein Gewissen nun?
ZW. MÖRD.: Im Beutel des Herzogs von Gloster.
ERST. MÖRD.: Wenn er also seinen Beutel aufmacht, uns den Lohn zu zahlen, so fliegt dein Gewissen heraus.
ZW. MÖRD.: Es tut nichts, lass es laufen; es mag’s ja doch beinahe kein Mensch hegen.
ERST. MÖRD.: Wie aber, wenn sich’s wieder bei dir einstellt?
ZW. MÖRD.: Ich will nichts damit zu schaffen haben, es ist ein gefährlich Ding, es macht einen zur Memme. Man kann nicht stehlen, ohne dass es einen anklagt; man kann nicht schwören, ohne dass es einen zum Stocken bringt; man kann nicht bei seines Nachbarn Frau liegen, ohne dass es einen verrät, ’s ist ein verschämter, blöder Geist, der einem im Busen Aufruhr stiftet; es macht einen voller Schwierigkeiten; es hat mich einmal dahin gebracht, einen Beutel voll Gold wieder herzugeben, den ich von ungefähr gefunden hatte; es macht jeden zum Bettler, der es hegt; es wird aus Städten und Flecken vertrieben als ein gefährlich Ding, und jedermann, der gut zu leben denkt, verlässt sich auf sich selbst und lebt ohne Gewissen.
ERST. MÖRD.: Sapperment, es sitzt mir eben jetzt im Nacken und will mich überreden, den Herzog nicht umzubringen.
ZW. MÖRD.: Halt den Teufel fest im Gemüt und glaub ihm nicht: es will sich nur bei dir eindrängen, um dir Seufzer abzuzwingen.
ERST. MÖRD.: Ich hab ’ne starke Natur, es kann mir nichts anhaben.
ZW. MÖRD.: Das heißt gesprochen wie ein tüchtiger Kerl, der seinen guten Namen wert hält. Komm, wollen wir ans Werk gehn?
ERST. MÖRD.: Gib ihm eins mit dem Degengriff übern Hirnkasten, und dann schmeiß ihn in das Malvasierfass im nächsten Zimmer.
ZW. MÖRD.: O herrlich ausgedacht! und mache ihn so zur Tunke.
ERST. MÖRD.: Still! er wacht auf.
ZW. MÖRD.: Schlag zu!
ERST. MÖRD.: Nein, lass uns erst mit ihm reden.
CLAR.: Wo bist du, Wärter? Einen Becher Wein!
ERST. MÖRD.: Ihr sollt Wein genug haben, Herr, im Augenblick.
CLAR.: Im Namen Gottes, wer bist du?
ERST. MÖRD.: Ein Mensch, wie Ihr seid.
CLAR.: Doch nicht, wie ich bin, königlich.
ERST. MÖRD.: Noch Ihr, wie wir sind, bürgerlich.
CLAR.: Dein Ruf ist Donner, doch dein Blick voll Demut.
ERST. MÖRD.:
Des Königs ist mein Ruf, mein Blick mein eigen.
CLAR.: Wie dunkel und wie tödlich sprichst du doch!
Eur Auge droht mir: warum seid ihr bleich?
Wer hat euch hergesandt? weswegen kommt ihr?
BEIDE: Um, um, um –
CLAR.: Mich zu ermorden?
BEIDE: Ja, ja.
CLAR.: Ihr habt, mir das zu sagen, kaum das Herz
Und könnt drum, es zu tun, das Herz nicht haben.
Wie, meine Freunde, hab ich beleidigt euch?
ERST. MÖRD.: Den König habt beleidigt Ihr, nicht uns.
CLAR.: Ich söhne mich noch wieder aus mit ihm.
ZW. MÖRD.: Niemals, Mylord, drum schickt Euch an zum Tod.
CLAR.: Erlas man euch aus einer Welt von Menschen
Zum Mord der Unschuld? Was ist mein Vergehn?
Wo ist das Zeugnis, welches mich verklagt?
Was für Geschworne reichten ihr Gutachten
Dem finstern Richter ein? Den bittern Spruch,
Wer fällt’ ihn zu des armen Clarence Tod?
Eh mich der Lauf des Rechtes überführt,
Ist, mir den Tod zu drohn, höchst widerrechtlich.
Ich sag euch, wo ihr hofft auf die Erlösung
Durch Christi teures Blut, für uns vergossen:
Begebt euch weg und legt nicht Hand an mich!
Die Tat, die ihr im Sinn habt, ist verdammlich.
ERST. MÖRD.: Was wir tun wollen, tun wir auf Befehl.
ZW. MÖRD.: Und er, der so befahl, ist unser König.
CLAR.: Missleiteter Vasall! Der große König
Der Kön’ge spricht in des Gesetzes Tafel:
»Du sollst nicht töten.« Willst du sein Gebot
Denn höhnen und ein menschliches vollbringen?
Gib acht! Er hält die Rach in seiner Hand
Und schleudert sie aufs Haupt der Übertreter.
ZW. MÖRD.: Und selb’ge Rache schleudert er auf dich,
Für falschen Meineid und für Mord zugleich.
Du nahmst das Sakrament darauf, zu fechten
Im Streite für das Haus von Lancaster.
ERST. MÖRD.: Und als Verräter an dem Namen Gottes
Brachst du den Eid, und dein verrätrisch Eisen
Riss auf den Leib dem Sohne deines Herrn.
ZW. MÖRD.: Dem du geschworen hattest Lieb und Schutz.
ERST. MÖRD.: Wie hältst du Gottes furchtbar Wort uns vor,
Das du gebrochen in so hohem Maß?
CLAR.: Ach! wem zulieb tat ich die üble Tat?
Für Eduard, meinen Bruder, ihm zulieb.
Er schickt euch nicht, um dafür mich zu morden;
Denn diese Schuld drückt ihn so schwer wie mich.
Wenn Gott gerächt sein will für diese Tat,
O dennoch wisst, er tut es öffentlich:
Nehmt nicht die Sach aus seinem mächt’gen Arm;
Er braucht nicht krumme, unrechtmäß’ge Wege,
Um die, so ihn beleidigt, wegzuräumen.
ERST. MÖRD.: Was machte dich zum blut’gen Diener denn,
Als, hold erwachsend, jener Fürstenspross,
Plantagenet, von dir erschlagen ward?
CLAR.: Die Bruderliebe, Satan, und mein Grimm.
ERST. MÖRD.: Dein Bruder, unsre Pflicht und dein Vergehn
Berufen jetzt uns her, dich zu erwürgen.
CLAR.: Ist euch mein Bruder lieb, so hasst mich nicht:
Ich bin sein Bruder, und ich lieb ihn treu.
Seid ihr um Lohn gedungen, so kehrt um
Und wendet euch an meinen Bruder Gloster;
Der wird euch besser lohnen für mein Leben
Als Eduard für die Nachricht meines Todes.
ZW. MÖRD.: Ihr irrt Euch sehr, Eur Bruder Gloster hasst Euch.
CLAR.: O nein! Er liebt mich, und er hält mich wert.
Geht nur von mir zu ihm.
BEIDE: Das wolln wir auch.
CLAR.: Sagt ihm, als unser edler Vater York
Uns drei gesegnet mit siegreichem Arm
Und herzlich uns beschworen, uns zu lieben,
Gedacht er wenig der getrennten Freundschaft.
Mahnt Glostern daran nur, und er wird weinen.
ERST. MÖRD.: Mühlsteine, ja, wie er uns weinen lehrte.
CLAR.: O nein! verleumd ihn nicht, denn er ist mild.
ERST. MÖRD.: Recht!
Wie Schnee der Frucht. – Geht, Ihr betrügt Euch selbst:
Er ist’s, der uns gesandt, Euch zu vertilgen.
CLAR.: Es kann nicht sein: er weinte um mein Unglück,
Schloss in die Arme mich und schwor mit Schluchzen,
Mir eifrig meine Freiheit auszuwirken.
ERST. MÖRD.: Das tut er ja, da aus der Erde Knechtschaft
Er zu des Himmels Freuden Euch erlöst.
ZW. MÖRD.: Herr, söhnt Euch aus mit Gott, denn Ihr müsst sterben.
CLAR.: Hast du die heil’ge Regung in der Seele,
Dass du mit Gott mich auszusöhnen mahnst,
Und bist der eignen Seele doch so blind,
Dass du, mich mordend, Gott bekriegen willst?
Ach Leute! denkt, dass, der euch angestiftet,
Die Tat zu tun, euch um die Tat wird hassen.
ZW. MÖRD.: Was solln wir tun?
CLAR.: Bereut und schafft eur Heil.
ERST. MÖRD.: Bereun? Das wäre memmenhaft und weibisch.
CLAR.: Nicht zu bereun ist viehisch, wild und teuflisch.
Wer von euch, wär er eines Fürsten Sohn,
Vermauert von der Freiheit, wie ich jetzt,
Wofern zwei solche Mörder zu ihm kämen,
Bät um sein Leben nicht? So wie ihr bätet,
Wärt ihr in meiner Not. –
Mein Freund, ich spähe Mitleid dir im Blick:
Wofern dein Auge nicht ein Schmeichler ist,
So tritt auf meine Seit und bitt für mich.
Rührt jeden Bettler nicht ein Prinz, der bittet?
ZW. MÖRD.: Seht hinter Euch, Mylord.
ERST. MÖRD.ersticht ihn:
Nehmt das und das; reicht alles noch nicht hin,
So tauch ich Euch ins Malvasierfass draußen.
Mit der Leiche ab.
ZW. MÖRD.: O blut’ge Tat, verzweiflungsvoll verübt!
Gern, wie Pilatus, wüsch ich meine Hände
Von diesem höchst verruchten sünd’gen Mord.
DerERSTE MÖRDERkommt zurück.
ERST. MÖRD.: Wie nun? was denkst du, dass du mir nicht hilfst?
Bei Gott, der Herzog soll dein Zögern wissen.
ZW. MÖRD.: Wüsst er, dass ich gerettet seinen Bruder!
Nimm du den Lohn und meld ihm, was ich sage;
Denn mich gereut am Herzog dieser Mord. Ab.
ERST. MÖRD.: Nicht mich; geh, feige Memme, die du bist! –
Ich will in einem Loch die Leiche bergen,
Bis dass der Herzog sie begraben lässt;
Und hab ich meinen Sold, so will ich fort:
Dies kommt heraus, drum meid ich diesen Ort. Ab.
London. Ein Zimmer im Palast.
KÖNIG EDUARDwird krank hereingeführt;KÖNIGIN ELISABETH, DORSET, RIVERS, HASTINGS, BUCKINGHAM, GREYundANDREtreten auf.
K. ED.: So recht! ich schafft ein gutes Tagewerk. –
Ihr Pairs, verharrt in diesem ein’gen Bund!
Ich warte jeden Tag auf eine Botschaft,
Dass mein Erlöser mich erlöst von hier;
Die Seele scheidet friedlich nun zum Himmel,
Da ich den Freunden Frieden gab auf Erden.
Rivers und Hastings, reichet euch die Hände,
Hegt nicht verstellten Hass, schwört Lieb euch zu.
RIV.: Beim Himmel, meine Seel ist rein von Groll,
Die Hand besiegelt meine Herzensliebe.
HAST.: So geh’s mir wohl, wie ich dies wahrhaft schwöre.
K. ED.: Gebt acht! treibt keinen Scherz vor eurem König!
Auf dass der höchste König aller Kön’ge
Die Falschheit nicht zuschanden mach und jeden
Von euch erseh, des andern Tod zu sein.
HAST.: Mög ich gedeihn, wie echte Lieb ich schwöre!
RIV.: Und ich, wie ich von Herzen Hastings liebe!
K. ED.: Gemahl, Ihr seid hier selbst nicht ausgenommen
Noch Eur Sohn Dorset – Buckingham, noch Ihr;
Ihr waret widerwärtig miteinander.
Frau, liebe Hastings, lass die Hand ihn küssen,
Und was du tust, das tue unverstellt.
ELIS.: Hier, Hastings! Nie des vor’gen Hasses denk ich:
So mög ich samt den Meinigen gedeihn!
K. ED.: Dorset, umarm ihn. – Liebt den Marquis, Hastings.
DOR.: Ja, dieser Tausch der Lieb, erklär ich, soll
Von meiner Seite unverletzlich sein.
HAST.: Das schwör auch ich. Er umarmt Dorset.
K. ED.: Nun siegle, edler Buckingham, dies Bündnis:
Umarm auch du die Nächsten meiner Frau
Und mach in eurer Eintracht mich beglückt.
BUCK.zur Königin: Wenn Buckingham je wendet seinen Hass
Auf Eure Hoheit, nicht mit schuld’ger Liebe
Euch und die Euren hegt, so straf mich Gott
Mit Hass, wo ich am meisten Lieb erwarte!
Wenn ich am meisten eines Freunds bedarf
Und sichrer bin als je, er sei mein Freund:
Dann grundlos, hohl, verrätrisch, voll Betrug
Mög er mir sein! Vom Himmel bitt ich dies,
Erkaltet meine Lieb Euch und den Euren.
GLOSTERtritt auf.
GLOS.: Guten Morgen meinem hohen Fürstenpaar!
Und, edle Pairs, euch einen frohen Tag!
K. ED.: Froh, in der Tat, verbrachten wir den Tag.
Bruder, wir schafften hier ein christlich Werk,
Aus Feindschaft Frieden, milde Lieb aus Hass,
Bei diesen hitzig aufgereizten Pairs.
GLOS.: Gesegnetes Bemühn, mein hoher Herr!
Wenn jemand unter dieser edlen Schar
Auf falschen Argwohn oder Eingebung
Mich hält für seinen Feind;
Wenn ich unwissend oder in der Wut
Etwas begangen, das mir irgendwer,
Hier gegenwärtig, nachträgt: so begehr ich
In Fried und Freundschaft mich ihm auszusöhnen.
In Feindschaft stehen ist mein Tod; ich hass es
Und wünsche aller guten Menschen Liebe. –
Erst, gnäd’ge Frau, erbitt ich wahren Frieden
Von Euch, den schuld’ger Dienst erkaufen soll;
Von Euch, mein edler Vetter Buckingham,
Ward jemals zwischen uns ein Groll beherbergt;
Von Euch, Lord Rivers – und, Lord Grey, von Euch:
Die all ohn Ursach scheel auf mich gesehn;
Von Euch, Lord Woodville – und, Lord Scales, von Euch;
Herzöge, Grafen, Edle – ja, von allen.
Nicht einen weiß ich, der in England lebt,
Mit dem mein Sinn den mindsten Hader hätte,
Mehr als ein heute Nacht gebornes Kind.
Ich danke meinem Gott für meine Sanftmut.
ELIS.: Ein Festtag wird dies künftig für uns sein:
Gott gebe, jeder Zwist sei beigelegt!
Mein hoher Herr, ich bitt Eur Hoheit, nehmt
Zu Gnaden unsern Bruder Clarence an.
GLOS.: Wie? bot ich darum Liebe, gnäd’ge Frau,
Dass man mein spott in diesem hohen Kreis?
Wer weiß nicht, dass der edle Herzog tot ist?
Alle fahren zurück.
Zur Ungebühr verhöhnt Ihr seine Leiche.
K. ED.: Wer weiß nicht, dass er tot ist? Ja, wer weiß es?
ELIS.: Allsehnder Himmel, welche Welt ist dies!
BUCK.: Bin ich so bleich, Lord Dorset, wie die andern?
DOR.: Ja, bester Lord; und niemand hier im Kreis,
Dem nicht die Röte von den Wangen wich.
K. ED.: Starb Clarence? Der Befehl war widerrufen.
GLOS.: Der Arme starb auf Euer erst Geheiß,
Und das trug ein geflügelter Merkur.
Ein lahmer Bote trug den Widerruf,
Der allzu spät, ihn zu begraben, kam.
Geb Gott, dass andre, minder treu und edel,
Näher durch blut’gen Sinn, nicht durch das Blut,
Nicht mehr verschulden als der arme Clarence
Und dennoch frei umhergehn von Verdacht!
STANLEYtritt auf.
STAN.: Herr, eine Gnade für getanen Dienst!
K. ED.: O lass mich, meine Seel ist voller Kummer.
STAN.: Ich will nicht aufstehn, bis mein Fürst mich hört.
K. ED.: So sag mit eins, was dein Begehren ist.
STAN.: Herr, das verwirkte Leben meines Dieners,
Der einen wilden Junker heut erschlug,
Vormals in Diensten bei dem Herzog Norfolk.
K. ED.: Sprach meine Zunge meines Bruders Tod
Und spräch nun eines Knechts Begnadigung?
Kein Mord, Gedanken waren sein Vergehn,
Und doch war seine Strafe bittrer Tod.
Wer bat für ihn? wer kniet’ in meinem Grimm
Zu Füßen mir und hieß mich überlegen?
Wer sprach von Bruderpflicht? wer sprach von Liebe?
Wer sagte mir, wie diese arme Seele
Vom mächt’gen Warwick ließ und für mich focht?
Wer sagte mir, wie er zu Tewksbury
Mich rettet’, als mich Oxford niederwarf,
Und sprach: »Leb und sei König, lieber Bruder.«?
Wer sagte mir, als wir im Felde lagen,
Fast totgefroren, wie er mich gehüllt
In seinen Mantel und sich selber preis,
Ganz nackt und bloß, der starren Nachtluft gab?
Dies alles rückte viehisch wilde Wut
Mir sündhaft aus dem Sinn, und euer keiner
War so gewissenhaft, mich dran zu mahnen.
Wenn aber eure Kärrner, eur Gesinde
Totschlag im Trunk verübt und ausgelöscht
Das edle Bildnis unsers teuren Heilands,
Dann seid ihr auf den Knien um Gnade, Gnade,
Und ich, selbst wider Recht, muss sie gewähren.
Für meinen Bruder wollte niemand sprechen
Noch sprach ich selbst mir für die arme Seele,
Verstockter! zu. Der Stolzeste von euch
Hatt ihm Verpflichtungen in seinem Leben,
Doch wollte keiner rechten für sein Leben.
O Gott! ich fürchte, dein Gericht vergilt’s
An mir und euch, den Meinen und den Euren. –
Komm, Hastings, hilf mir in mein Schlafgemach.
O armer Clarence!
Der König, die Königin, Hastings, Rivers, Dorset und Grey ab.
GLOS.: Das ist die Frucht des Jähzorns! – Gabt ihr acht,
Wie bleich der Kön’gin schuldige Verwandte
Aussahn, da sie von Clarences Tode hörten?
Oh, immer setzten sie dem König zu!
Gott wird es rächen. Wollt ihr kommen, Lords,
Dass wir mit unserm Zuspruch Eduard trösten?
BUCK.: Zu Euer Gnaden Dienst.
Alle ab.
Ebendaselbst.
DieHERZOGIN VON YORKtritt auf mit desCLARENCE SOHNundTOCHTER.
SOHN: Großmutter, sagt uns, ist der Vater tot?
HERZOGIN: Nein, Kind.
TOCH.: Was weint Ihr denn so oft und schlagt die Brust?
Und ruft: »O Clarence! unglücksel’ger Sohn!«
SOHN: Was seht Ihr so und schüttelt Euren Kopf
Und nennt uns arme, ausgestoßne Waisen,
Wenn unser edler Vater noch am Leben?
HERZOGIN: Ihr art’gen Kinder missversteht mich ganz.
Des Königs Krankheit jammr ich, sein Verlust
Macht Sorge mir, nicht eures Vaters Tod:
Verloren wär der Gram um den Verlornen.
SOHN: So wisst Ihr ja, Großmutter, er sei tot.
Mein Ohm, der König, ist darum zu schelten;
Gott wird es rächen: ich will in ihn dringen
Mit eifrigem Gebet um einzig dies.
TOCH.: Das will ich auch.
HERZOGIN: Still, Kinder, still! Der König hat euch lieb;
Unschuldige, harmlose Kleinen ihr,
In eurer Einfalt könnt ihr nicht erraten,
Wer eures Vaters Tod verschuldet hat.
SOHN: Großmutter, doch! Vom guten Oheim Gloster
Weiß ich, der König, von der Königin
Gereizt, sann Klagen aus, ihn zu verhaften.
Und als mein Oheim mir das sagte, weint’ er,
Bedaurte mich und küsste meine Wange,
Hieß mich auf ihn vertraun als einen Vater,
Er wolle lieb mich haben als sein Kind.
HERZOGIN: Ach, dass der Trug so holde Bildung stiehlt
Und Bosheit mit der Tugend Larve deckt!
Er ist mein Sohn, und hierin meine Schmach,
Doch sog er nicht an meiner Brust den Trug.
SOHN: Denkt Ihr, mein Ohm verstellte sich, Großmutter?
HERZOGIN: Ja, Kind.
SOHN: Ich kann’s nicht denken. Horch, was für ein Lärm?
KÖNIGIN ELISABETHtritt auf, außer sich;RIVERSundDORSETfolgen ihr.
ELIS.: