Sieben Legenden: Die Geschichte der Heiligen Jungfrau Maria - Gottfried Keller - E-Book
SONDERANGEBOT

Sieben Legenden: Die Geschichte der Heiligen Jungfrau Maria E-Book

Gottfried Keller

0,0
1,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 0,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Dieses eBook: "Sieben Legenden: Die Geschichte der Heiligen Jungfrau Maria" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Die Sieben Legenden sind ein Novellenzyklus von Gottfried Keller. Gemeinsam ist den Legenden, dass in ihrem Mittelpunkt die Jungfrau Maria steht, allerdings in einer Ausdeutung und Gestalt, die sowohl von katholischer wie evangelischer Auffassung und Dogmatik weit entfernt ist. Inhalt: Eugenia, ein "feines Römermädchen" in Alexandria, wird durch eifriges Studium zu einem "Blaustrümpfchen" und weist die Werbung des jungen Aquilinus ab, indem sie die Bedingung stellt, dass er ihr "Geistesleben und Streben versteht und ehrt und an demselben teilnimmt." Psalmworte aus einem Kloster bekehren sie zum Christentum, sie zieht männliche Kleider an, wird in das Kloster aufgenommen und bald zu dessen Abt. Als Eugenia hört, dass Aquilinus zu ihrem Gedächtnis ein sie darstellendes Marmorbild hat aufstellen lassen, geht sie bei Nacht hin, um es mit einem Hammer zu zerschlagen. Die Jungfrau und der Teufel - Ein wohlhabender Graf gerät durch allzu große Mildtätigkeit in Schulden und Not und versetzt dem Teufel, der ihm in Gestalt eines Feuer aus den Augen sprühenden Fährmanns erscheint, Bertrade, seine Frau, wenn er nur wieder genug Gold hat. Er findet unter Bertrades Kopfkissen ein Buch, aus dem Goldstücke fallen, wenn er darin blättert. Als er verabredungsgemäß seine Gattin dem Teufel ausliefern will, kommen sie an einem Kirchlein herbei, in dem Bertrade vor einem "eigentümlich anmutigen Marienbild" ihr Gebet verrichtet... Die Jungfrau als Ritter - Der Kaiser hört von der unbemannten Bertrade und schickt den trägen Zauderer Zendelwald als Boten zu ihr, um anzukündigen, dass er sie besuchen und ihr einen neuen Mann besorgen will... Die Jungfrau und die Nonne Der schlimm-heilige Vitalis Dorotheas Blumenkörbchen Das Tanzlegendchen

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Gottfried Keller

Sieben Legenden: Die Geschichte der Heiligen Jungfrau Maria

e-artnow, 2015 Kontakt: [email protected]
ISBN 978-80-268-4955-1

Inhaltsverzeichnis

Eugenia
Die Jungfrau und der Teufel
Die Jungfrau als Ritter
Die Jungfrau und die Nonne
Der schlimm-heilige Vitalis
Dorotheas Blumenkörbchen
Das Tanzlegendchen

Eugenia

Inhaltsverzeichnis

Ein Weib soll nicht Mannsgeräte tragen, und ein Mann soll nicht Weiberkleider antun; denn wer solches tut, ist dem Herrn, deinem Gott, ein Greuel.

5. Mos. 22, 5

Wenn die Frauen den Ehrgeiz der Schönheit, Anmut und Weiblichkeit hintansetzen, um sich in andern Dingen hervorzutun, so endet die Sache oftmals damit, daß sie sich in Männerkleider werfen und so dahintrollen.

Die Sucht, den Mann zu spielen, kommt sogar schon in der frommen Legendenwelt der ersten Christenzeit zum Vorschein, und mehr als eine Heilige jener Tage war von dem Verlangen getrieben, sich vom Herkommen des Hauses und der Gesellschaft zu befreien.

Ein solches Beispiel gab auch das feine Römermädchen Eugenia, freilich mit dem nicht ungewöhnlichen Endresultat, daß sie, in große Verlegenheit geraten durch ihre männlichen Liebhabereien, schließlich doch die Hilfsquellen ihres natürlichen Geschlechtes anrufen mußte, um sich zu retten.

Sie war die Tochter eines angesehenen Römers, der mit seiner Familie in Alexandria lebte, wo es von Philosophen und Gelehrten aller Art wimmelte. Demgemäß wurde Eugenia sehr sorgfältig erzogen und unterrichtet, und dies schlug ihr so wohl an, daß sie, sobald sie nur ein wenig in die Höhe schoß, alle Schulen der Philosophen, Scholiasten und Rhetoren besuchte, wie ein Student, wobei sie stets eine Leibwache von zwei niedlichen Knaben ihres Alters bei sich hatte. Dies waren die Söhne von zwei Freigelassenen ihres Vaters, welche zur Gesellschaft mit ihr erzogen waren und an all ihren Studien teilnehmen mußten.

Mittlerweile wurde sie das schönste Mädchen, das zu finden war, und ihre Jugendgenossen, welche seltsamerweise beide Hyazinthus hießen, erwuchsen desgleichen zu zwei zierlichen Jünglingsblumen, und wo die liebliche Rose Eugenia zu sehen war, da sah man allezeit ihr zur Linken und zur Rechten auch die beiden Hyazinthen säuseln oder anmutig hinter ihr hergehen, indessen die Herrin rückwärts mit ihnen disputierte.

Und es gab nie zwei wohlgezogenere Genossen eines Blaustrümpfchens; denn nie waren sie anderer Meinung als Eugenia, und immer blieben sie in ihrem Wissen um einen Zoll hinter ihr zurück, so daß sie stets recht behielt und nie befürchten mußte, etwas Ungeschickteres zu sagen als ihre Gespielen.

Alle Bücherwürmer von Alexandrien machten Elegien und Sinngedichte auf die musenhafte Erscheinung, und die guten Hyazinthen mußten diese Verse sorgfältig in goldene Schreibtafeln schreiben und hinter ihr hertragen.

Mit jedem halben Jahre wurde sie nun schöner und gelehrter, und bereits lustwandelte sie in den geheimnisvollen Irrgärten der neuplatonischen Lehren, als der junge Prokonsul Aquilinus sich in Eugenia verliebte und sie von ihrem Vater zum Weibe begehrte. Dieser empfand aber einen solchen Respekt vor seiner Tochter, daß er trotz des römischen Vaterrechtes nicht wagte, ihr den mindesten Vorschlag zu machen, und den Freier an ihren eigenen Willen verwies, obgleich kein Eidam ihm willkommener war als Aquilinus.

Aber auch Eugenia hatte seit manchen schönen Tagen heimlich das Auge auf ihn geworfen, da er der stattlichste, angesehenste und ritterlichste Mann in Alexandrien war, der überdies für einen Mann von Geist und Herz galt.

Doch empfing sie den verliebten Konsul in voller Ruhe und Würde, umgeben von Pergamentrollen und ihre Hyazinthen hinter dem Sessel. Der eine trug ein azurblaues Gewand, der andere ein rosenfarbiges und sie selbst ein blendend weißes, und ein Fremdling wäre ungewiß gewesen, ob er drei schöne zarte Knaben oder drei frisch blühende Jungfrauen vor sich sehe.

Vor dieses Tribunal trat nun der männliche Aquilinus in einfacher würdiger Toga und hätte am liebsten in traulicher und zärtlicher Weise seiner Leidenschaft Worte gegeben; da er aber sah, daß Eugenia die Jünglinge nicht fortschickte, so ließ er sich ihr gegenüber auf einen Stuhl nieder und tat ihr seine Bewerbung in wenigen festen Worten kund, wobei er sich selbst bezwingen mußte, weil er seine Augen unverwandt auf sie gerichtet hielt und ihren großen Liebreiz sah.

Eugenia lächelte unmerklich und errötete nicht einmal, so sehr hatte ihre Wissenschaft und Geistesbildung alle feinern Regungen des gewöhnlichen Lebens in ihr gebunden. Dafür nahm sie ein ernstes, tiefsinniges Aussehen an und erwiderte ihm:

»Dein Wunsch, o Aquilinus, mich zur Gattin zu nehmen, ehrt mich in hohem Grade, kann mich aber nicht zu einer Unweisheit hinreißen; und eine solche wäre es zu nennen, wenn wir, ohne uns zu prüfen, dem ersten rohen Antriebe folgen würden. Die erste Bedingung, welche ich von einem etwaigen Gemahl fordern müßte, ist, daß er mein Geistesleben und Streben versteht und ehrt und an demselben teilnimmt! So bist du mir denn willkommen, wenn du öfter um mich sein und im Wetteifer mit diesen meinen Jugendgenossen dich üben magst, mit mir nach den höchsten Dingen zu forschen. Dabei werden wir dann nicht ermangeln zu lernen, ob wir füreinander bestimmt sind oder nicht, und wir werden uns nach einer Zeit gemeinsamer geistiger Tätigkeit so erkennen, wie es gottgeschaffenen Wesen geziemt, die nicht im Dunkel, sondern im Lichte wandeln sollen!«

Auf diese hochtragende Zumutung erwiderte Aquilinus, nicht ohne ein geheimes Aufwallen, doch mit stolzer Ruhe: »Wenn ich dich nicht kennte, Eugenia, so würde ich dich nicht zum Weibe begehren, und mich kennt das große Rom sowohl wie diese Provinz! Wenn daher dein Wissen nicht ausreicht, schon jetzt zu erkennen, was ich bin, so wird es, fürchte ich, nie ausreichen. Auch bin ich nicht gekommen, nochmals in die Schule zu gehen, sondern eine Ehegenossin zu holen; und was diese beiden Kinder betrifft, so wäre es, wenn du mir deine Hand vergönntest, mein erster Wunsch, daß du sie endlich entlassen und ihren Eltern zurückgeben möchtest, damit sie denselben beistehen und nützlich sein könnten. Nun bitte ich dich, mir Bescheid zu geben, nicht als ein Gelehrter, sondern als ein Weib von Fleisch und Blut!«

Jetzt war die schöne Philosophin doch rot geworden, und zwar wie eine Purpurnelke, und sie sagte, während ihr das Herz klopfte: »Mein Bescheid ist bald gegeben, da ich aus deinen Worten entnehme, daß du mich nicht liebst, o Aquilinus! Dieses könnte mir gleichgültig sein, wenn es nicht beleichgend wäre für die Tochter eines edlen Römers, angelogen zu werden!«

»Ich lüge nie!« sagte Aquilinus kalt; »lebe wohl!«

Eugenia wandte sich ab, ohne seinen Abschied zu erwidern, und Aquilinus schritt langsam aus dem Hause nach seiner Wohnung. Jene wollte, als ob nichts geschehen wäre, ihre Bücher vornehmen; allein die Schrift verwirrte sich vor ihren Augen, und die Hyazinthen mußten ihr vorlesen, indessen sie voll heißen Ärgers mit ihren Gedanken anderwärts schweifte.

Denn wenn sie bis auf diesen Tag den Konsul als denjenigen betrachtet hatte, den sie allein unter allen Freiern zum Gemahl haben möchte, wenn es ihr allenfalls gefiele, so war er ihr jetzt ein Stein des Anstoßes geworden, über den sie nicht hinwegkommen konnte.

Aquilinus seinerseits verwaltete ruhig seine Geschäfte und seufzte heimlich über seine eigene Torheit, welche ihn die pedantische Schöne nicht vergessen ließ.

Es vergingen beinahe zwei Jahre, während welcher Eugenia womöglich immer merkwürdiger und eine wahrhaft glänzende Person wurde, indessen die Hyazinthen allbereits zwei starke Bengel vorstellten, denen der Bart wuchs. Obgleich man jetzt von allen Seiten anfing, sich über dies seltsame Verhältnis aufzuhalten, und anstatt der bewundernden Epigramme satirische Proben dieser Art aufzutauchen begannen, so konnte sie sich doch nicht entschließen, ihre Leibgarde zu verabschieden; denn noch war ja Aquilinus da, der ihr dieselbe hatte verbieten wollen. Er ging ruhig seinen Weg fort und schien sich um sie nicht weiter zu bekümmern; aber er sah auch kein anderes Weib an, und man hörte von keiner Bewerbung mehr, so daß auch er getadelt wurde, als ein so hoher Beamter unbeweibt fortzuleben.

Um so mehr hütete sich die eigensinnige Eugenia, ihm durch Entfernung der anstößigen Gesellen scheinbar ein Zeichen der Annäherung zu geben. Überdies reizte es sie, der allgemeinen Sitte und der öffentlichen Meinung zum Trotz nur sich allein Rechenschaft zu geben und unter Umständen, welche für alle andern Frauen gefährlich und untunlich gewesen wären, das Bewußtsein eines reinen Lebens zu bewahren.

Solche Wunderlichkeiten lagen dazumal eben in der Luft.

Mittlerweile befand sich Eugenia doch nicht wohl und zufrieden; ihre geschulten Diener mußten Himmel, Erde und Hölle durchphilosophieren, um plötzlich unterbrochen zu werden und stundenweit mit ihr im Feld herumzulaufen, ohne eines Wortes gewürdigt zu sein. Eines Morgens verlangte sie auf ein Landgut hinauszufahren; sie lenkte selbst den Wagen und war lieblicher Laune; denn es war ein klarer Frühlingstag und die Luft mit Balsamdüften erfüllt. Die Hyazinthen freuten sich der Fröhlichkeit, und so fuhren sie durch eine ländliche Vorstadt, wo es den Christen erlaubt war, ihren Gottesdienst zu halten. Sie feierten eben den Sonntag, aus der Kirche eines Mönchsklosters ertönte ein frommer Gesang, Eugenia hielt die Pferde an, um zu hören, und vernahm die Worte des Psalmes: »Wie eine Hindin nach den Wasserquellen, so lechzet meine Seele, o Gott! nach dir! Meine Seele dürstet nach dem lebendigen Gott!«

Bei dem Klange dieser Worte, aus frommen demütigen Kehlen gesungen, vereinfachte sich endlich ihr künstliches Wesen, ihr Herz ward getroffen und schien zu wissen, was es wolle, und langsam, ohne zu sprechen, fuhr sie weiter nach dem Landgute. Dort zog sie insgeheim männliche Kleider an, winkte die Hyazinthen zu sich und verließ das Haus mit ihnen, ohne von dem Gesinde gesehen zu werden. Und sie kehrte nach dem Kloster zurück, klopfte an der Pforte und stellte sich und ihre Begleiter dem Abt als drei junge Männer vor, welche begehrten, in das Kloster aufgenommen zu werden, um von der Welt abzuscheiden und dem Ewigen zu leben. Sie wußte, da sie wohl unterrichtet war, auf die prüfenden Fragen des Abtes so trefflich zu antworten, daß er alle drei, die er für feine und vornehme Leute halten mußte, in das Kloster aufnahm und den geistlichen Habit anziehen ließ.

Eugenia war ein schöner, fast engelgleicher Mönch und hieß der Bruder Eugenius, und die Hyazinthen sahen sich wohl oder übel desgleichen in Mönche verwandelt, da sie gar nicht gefragt worden waren und sich längst daran gewöhnt hatten, nicht anders zu leben als durch den Willen ihres weiblichen Vorbildes. Doch bekam ihnen das Mönchsleben nicht übel, indem sie ungleich ruhigere Tage genossen, nicht mehr zu studieren brauchten und sich gänzlich einem leidenden Gehorsam hingeben konnten.

Der Bruder Eugenius hingegen rastete nicht, sondern wurde ein berühmter Mönch, weiß wie Marmor im Gesicht, aber mit glühenden Augen und dem Anstand eines Erzengels. Er bekehrte viele Heiden, pflegte die Kranken und Elenden, vertiefte sich in die Schrift, predigte mit goldener Glockenstimme und ward sogar, als der Abt starb, zu dessen Nachfolger erwählt, also daß nun die feine Eugenia ein Abt war über siebenzig gute Mönche, kleine und große.

Während der Zeit, als sie so unerklärlich verschwunden blieb mit ihren Gefährten und nirgends mehr aufzufinden, hatte ihr Vater ein Orakel befragen lassen, was aus seiner Tochter geworden sei, und dieses verkündete, Eugenia sei von den Göttern entrückt und unter die Sterne versetzt worden. Denn die Priester benutzten das Ereignis, um den Christen gegenüber ein Mirakel aufzuweisen, während diese den Hasen längst in der Küche hatten. Man bezeichnete sogar einen Stern am Firmament mit zwei kleineren Nebenschnüppchen als das neue Sternbild, und die Alexandriner standen auf den Straßen und den Zinnen ihrer Häuser und schauten hinauf, und mancher, der sie einst hatte herumgehen sehen und sich ihrer Schönheit erinnerte, verliebte sich nachträglich in sie und guckte mit feuchten Augen in den Stern, der ruhig im dunkeln Blau schwamm.