Sieben Legenden - Gottfried Keller - E-Book

Sieben Legenden E-Book

Gottfried Keller

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Beschreibung

Ein Kloster lag weit ausschauend auf einem Berge und seine Mauern glänzten über die Lande. Innen aber war es voll Frauen, schöne und nicht schöne, welche alle nach strenger Regel dem Herren dienten und seiner jungfräulichen Mutter.Die schönste von den Nonnen hieß Beatrix und war die Küsterin des Klosters. Herrlich gewachsen von Gestalt, tat sie edlen Ganges ihren Dienst, besorgte Chor und Altar, waltete in der Sakristei und läutete die Glocke vor dem Morgenrot und wenn der Abendstern aufging.Aber dazwischen schaute sie vielmal feuchten Blickes in das Weben der blauen Gefilde; sie sah Waffen funkeln, hörte das Horn der Jäger aus den Wäldern und den hellen Ruf der Männer, und ihre Brust war voll Sehnsucht nach der Welt....

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Gottfried Keller

Sieben Legenden

Erzählungen

Eugenia

Ein Weib soll nicht Mannsgeräthe tragen, und ein Mann soll nicht Weiberkleider anthun; denn wer solches thut, ist dem Herrn, deinem Gott, ein Gräuel.

5. Mos. 22. 5

Wenn die Frauen den Ehrgeiz der Schönheit, Anmut und Weiblichkeit hintansetzen, um sich in andern Dingen hervorzutun, so endet die Sache oftmals damit, daß sie sich in Männerkleider werfen und so dahintrollen.

Die Sucht, den Mann zu spielen, kommt sogar schon in der frommen Legendenwelt der ersten Christenzeit zum Vorschein, und mehr als eine Heilige jener Tage war von dem Verlangen getrieben, sich vom Herkommen des Hauses und der Gesellschaft zu befreien.

Ein solches Beispiel gab auch das feine Römermädchen Eugenia, freilich mit dem nicht ungewöhnlichen Endresultat, daß sie, in große Verlegenheit geraten durch ihre männlichen Liebhabereien, schließlich doch die Hilfsquellen ihres natürlichen Geschlechtes anrufen mußte, um sich zu retten.

Sie war die Tochter eines angesehenen Römers, der mit seiner Familie in Alexandria lebte, wo es von Philosophen und Gelehrten aller Art wimmelte. Demgemäß wurde Eugenia sehr sorgfältig erzogen und unterrichtet, und dies schlug ihr so wohl an, daß sie, sobald sie nur ein wenig in die Höhe schoß, alle Schulen der Philosophen, Scholiasten und Rhetoren besuchte, wie ein Student, wobei sie stets eine Leibwache von zwei niedlichen Knaben ihres Alters bei sich hatte. Dies waren die Söhne von zwei Freigelassenen ihres Vaters, welche zur Gesellschaft mit ihr erzogen waren und an all ihren Studien teilnehmen mußten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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