Single Bell Rock - Katie McLane - E-Book
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Single Bell Rock E-Book

Katie McLane

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Beschreibung

Eine bezaubernde Kleinstadt in den Rocky Mountains, ein Country-Star und ein überraschendes Wiedersehen mit der ersten Liebe.

PAIGE

Callum Cox hat mir nach dem Abschlussball das Herz gebrochen und Montana schnellstmöglich verlassen. Nun kehrt der Country-Star für ein exklusives Weihnachtskonzert nach Eagle Falls zurück und ausgerechnet ich muss ihn rundum betreuen.

Zwischen Wohltätigkeitsprojekten, Plätzchenbacken und emotionalen Erinnerungen entwickelt sich diese gemeinsame Zeit allerdings in eine Richtung, die ich nie im Leben erwartet hätte.

Genauso wenig wie die verwirrend intensive Wirkung, die seine Augen und sein Lächeln noch immer auf mich haben.

Oder jede seiner Berührungen.

Für alle, die diese Tropes lieben:

*Spicy Christmas Romance*

*Return to Hometown*

*Second Chance*

* Smalltown Love*

*Country-Star*

Sinnlich, romantisch und mit viel Weihnachts-Gefühl.

Alle Bände dieser Reihe sind abgeschlossene Einzelbände und können unabhängig voneinander gelesen werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Aber halt, stop!
Mein Buchtipp
Boss, it’s cold outside
Merry Penalty Christmas

 

 

Single Bell Rock

 

Von Katie McLane

 

 

Buchbeschreibung:

Eine bezaubernde Kleinstadt in den Rocky Mountains, ein Country-Star und ein überraschendes Wiedersehen mit der ersten Liebe.

 

PAIGE

Callum Cox hat mir nach dem Abschlussball das Herz gebrochen und Montana schnellstmöglich verlassen. Nun kehrt der Country-Star für ein exklusives Weihnachtskonzert nach Eagle Falls zurück und ausgerechnet ich muss ihn rundum betreuen.

Zwischen Wohltätigkeitsprojekten, Plätzchenbacken und emotionalen Erinnerungen entwickelt sich diese gemeinsame Zeit allerdings in eine Richtung, die ich nie im Leben erwartet hätte.

Genauso wenig wie die verwirrend intensive Wirkung, die seine Augen und sein Lächeln noch immer auf mich haben. Oder jede seiner Berührungen.

 

 

 

 

Über die Autorin:

Gestatten? Katie McLane. Musik im Blut, Pfeffer im Hintern, Emotionen im Herzen, prickelnde Geschichten im Kopf.

 

Ich lebe mit meiner Familie im Herzen NRWs und schreibe Romance für alle Sinne.

Meine Liebesromane drehen sich um dominante Männer und starke Frauen, die sich auf Augenhöhe begegnen.

Sind leidenschaftlich, sinnlich. Voll prickelnder Lust, überwältigendem Verlangen und absoluter Hingabe.

Und sie treffen mit all ihren Emotionen mitten ins Herz - bis zum Happy End.

Liebe Leser:in,

vielleicht hast du schon einmal

von dem Problem der eBook-Piraterie gehört.

Wie man es von den Songs der Lieblingsmusiker kennt, werden auch meine Bücher illegal im Internet angeboten.

Mit dem offiziellen Kauf dieses Buches unterstützt du nicht nur mich als Autorin, sondern aktiv auch den Kampf

gegen die unrechtmäßige Verbreitung von Romanen.

Vielen Dank dafür!

 

(Christmas in Love 2)

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

1. Auflage, 2024

© Katie McLane – alle Rechte vorbehalten.

Lektorat: Lektorat Franziska Schenker

Cover: Dream Design – Cover and Art, Renee Rott

 

Katie McLane

c/o easy-shop

K. Mothes

Schloßstr. 20

06869 Coswig (Anhalt)

 

[email protected]

www.katie-mclane.de

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung, auch auszugsweise, ist nur mit schriftlicher Zustimmung der Autorin zulässig. Personen und Handlungen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Das Training von künstlichen Intelligenzen jeglicher Art mit diesem und sämtlichen Werken der Autorin ist untersagt, jetzt und in Zukunft.

Außerdem behält die Autorin sich die Nutzung ihrer Inhalte für Text und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

 

Und falls du nichts mehr verpassen möchtest ... Hier geht es zu meinem Newsletter, als Dankeschön gibt es gratis die erste exklusive Kurzgeschichte. www.katie-mclane.de/Katies-Herzenspost

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Playlist

»Jingle My Bells« - Cory Marks

»Hell Of A Holiday« – Pistol Annies

»We Need Christmas« – Maddie & Tae

»Two Step ´Round the Christmas Tree« – Blake Shelton

»I’ll Be Home For Christmas« – Pam Tillis

»The Christmas Song« – Tenille Townes

»On This Winter’s Night« – Lady A

»Take Me Home for Christmas« – Dan & Shay

»Merry Christmas Mary Jane« – Katie Pruitt

»Have Yourself A Merry Little Christmas« – Big Little Town

»First Christmas In Love« – Jordana Bryant

 

 

Oder bei Spotify hören unter »Playlist zu ›Single Bell Rock‹«:

https://open.spotify.com/playlist/5dYEUTtLUzQ2XkkCAWDEI6?si=f88cd0a59d1f42de

 

 

 

Kapitel 1

»Nur noch einen Hit, dann enthüllen wir den Gewinner unseres Wettbewerbs. Die Stadt, in der Callum Cox in nicht einmal zwei Wochen ein exklusives Weihnachtskonzert geben wird. Also dranbleiben, Leute. Und hier ist er mit seinem letztjährigen Weihnachtshit, ‚Jingle My Bells‘.«

Schon erklingen im schnellen Rhythmus die weihnachtlichen Schellen, die Fidel setzt im passenden Tempo ein und der Song geht direkt in die Vollen. Ein powervoller Mix aus Country und Rock ‘n‘ Roll.

Wenige Takte später ruft er »Merry Christmas, everybody!«, kurz darauf »Yeeeehaaaa!«, und singt mit der ersten Zeile den Titel des Liedes.

Genervt schließe ich die Augen.

Himmel, dieser Song ist ...

Auf der anderen Seite des Doppelschreibtisches stößt Alice ein lustvolles Stöhnen aus. »Uh, ja, Baby. Komm her und du darfst meine Glocken läuten, so oft du willst.«

Lucy kichert. »Oder du seine.«

Natürlich fällt die junge Sekretärin des Stadtoberhaupts in das Gegacker ein.

Für mich ist das Getue absolut kindisch und die dazugehörigen Bilder lassen mich beinahe würgen.

Wie soll das erst werden, wenn –

Nein, unmöglich! Wir dürfen auf keinen Fall gewinnen.

Die Tür zu unserem Büro fliegt auf und Neema Mallin wirbelt herein. »Habe ich es verpasst?«

Ich lächle beruhigend. »Nein, Frau Bürgermeisterin. Du kommst gerade richtig.«

»Bestens.« Sie wirft die Tür zu und eilt nach nebenan. Kehrt ohne ihre Arbeitsmappe zurück und läuft zu dem Aktenschrank neben dem Eingang, auf dem unter anderem das Radio steht.

Dort nimmt sie sich ein Plätzchen von dem Weihnachtsteller, den jede von uns dreien regelmäßig mit Gebäck oder weihnachtlichen Süßigkeiten befüllt, und steckt es sich in den Mund. Kaut schnell und isst ein zweites.

»Na? War es heute Morgen wieder knapp?«

Sie schaut mich an und lächelt schief. »Cynthia hatte nach Feierabend noch ein Online-Meeting mit den Marktleitern von Montana, das ging bis nachts um 0 Uhr. So spontan, dass sie niemanden für das Opening um 6 Uhr einteilen konnte. Den Rest kannst du dir vermutlich zusammenreimen.«

Ich seufze. »Wenn deine Frau nicht auf sich aufpasst, erleidet sie bald einen Burn-out.«

»Habe ich ihr auch schon gesagt.«

»Habt ihr wenigstens nach Weihnachten zusammen frei?«

»Ja, zum Glück.«

Ich nicke.

Besser als nichts.

Der Song mündet in einem rockigen Finale, Callum ruft erneut »Hohoho!« und es endet mit einer Art Tusch. Anschließend erklingt der Jingle von Rocky Mountain Radio mit dem Claim des Gewinnspiels und der Moderator erklärt noch einmal, wie der Wettbewerb abgelaufen ist.

»Nach der ersten Abstimmung in den sechs Bundesstaaten unseres Sendegebiets wurden 18 Städte ins finale Rennen geschickt und jede davon hat sich mit einem Video um unseren Hammerpreis beworben. Ein exklusives Weihnachtskonzert mit dem Country-Star Callum Cox, ein Sohn Montanas.«

Beifall wird eingespielt.

»Und was soll ich sagen? Unsere Hörerinnen und Hörer sind die Besten! Unglaubliche 240.000 Menschen haben in der vergangenen Woche ihre Stimme abgegeben und wir bei Rocky Mountain Radio haben täglich die Zahlen verfolgt. Zwischendurch gab es sogar ein Kopf-an-Kopf-Rennen, doch am Ende hat sich der Ort klar durchgesetzt, der sich nun auf ein herausragendes Ereignis freuen darf. Genauer gesagt eine Stadt in unserem Treasure State, Montana.«

Neema richtet sich mit einem Ruck auf, zupft das dunkelgrüne Samtjackett über dem roten Shirt zurecht und wechselt einen nervösen Blick mit mir, untermalt von einem Trommelwirbel aus dem Radio.

Mein Magen verkrampft sich, doch ich lächle ihr aufmunternd zu.

Dieses Ereignis wäre nicht nur erstklassiges Marketing, das uns mehr Touristinnen und Touristen beschert, sondern auch ein Beweis meiner Fähigkeiten. Immerhin bin ich bei der Stadtverwaltung genau dafür zuständig, Stadtmarketing und Öffentlichkeitsarbeit.

Einzig und allein deshalb habe ich, ungeachtet meines Widerwillens, beste Arbeit abgeliefert.

Keine Ahnung, ob ich mich darüber freuen oder ärgern soll, falls es sich gleich auszahlt.

Seit dem Frühling fegt Neema wie ein frischer Wind durchs Rathaus, bringt überfällige Veränderungen auf den Weg, modernisiert die Verwaltung sowie das Image der Stadt.

Auch die Teilnahme an diesem Wettbewerb war ihre Idee und ich habe wirklich versucht, ihr das auszureden. Im vollen Bewusstsein, welche positiven Konsequenzen das nach sich ziehen könnte.

Schon klar, das war keine Sternstunde meinerseits. Aber außer meiner besten Freundin weiß niemand von meinem inneren Kampf, insofern wird es auf ewig mein dunkles Geheimnis bleiben.

Hoffentlich.

»Damit verringert sich der Kreis der möglichen Gewinner auf Glendive, Billings und Eagle Falls.«

Der Trommelwirbel wird ein wenig lauter und Alice stöhnt auf. »Muss der Typ es so spannend machen?«

»Das ist sein Job.« Ich antworte, ohne sie anzusehen.

»Ich dachte, er legt Musik auf und erzählt zwischendurch dummes Zeug.«

Himmel, meint sie das ernst? Ihr Tonfall lässt es zumindest vermuten.

Verzweifelt rolle ich mit den Augen, was zum Glück nur meine Vorgesetzte sehen kann. Die presst kurz die Lippen aufeinander, ihr Gesicht bleibt neutral.

Unvermittelt lacht der Moderator auf. »Okay, okay, Leute. Ich spanne euch nicht weiter auf die Folter. Der Ort, der bald Callum Cox zu Besuch hat, ist ... Eagle Falls!«

Mit dem Tusch reiße ich Mund und Augen auf, Neema formt mein Ebenbild und die anderen beiden jubeln lautstark.

Der Moderator beglückwünscht uns und sagt noch etwas, das ich über mein laut galoppierendes Herz hinweg nicht mehr höre.

»Oh, mein Gott! Wir haben es geschafft!« Die Bürgermeisterin breitet die Arme aus, strahlt mich an.

»Sieht ganz so aus.« Ich lache auf, verwirrt von gegensätzlichen Gefühlen.

»Und das haben wir nur dir zu verdanken.« Schon eilt sie zu mir, zieht mich aus dem Stuhl hoch und in eine ihrer bärigen Umarmungen. »Paige, du bist die Königin des Stadtmarketings. Ach was, von ganz Eagle Falls.«

Ich tätschle ihren Rücken. »Danke für das Lob, aber du übertreibst.«

Da hält sie mich ein Stück von sich weg und schüttelt den Kopf. »Würde hier nicht den ganzen Tag dieser Radiosender laufen, wäre der Wettbewerb an mir vorbeigegangen und es hätte keine Anmeldung gegeben. Aber ohne dich und dein Können hätten wir die Leute niemals überzeugt. Gott, ich bin so stolz auf dich.«

Noch einmal drückt sie mich fest an sich, dann lässt sie mich los und tritt zurück. »Ich kann es noch gar nicht glauben. Was jetzt alles auf uns zukommt!«

»Callum Cox!«, ruft Lucy, dann kreischen sie und Alice los.

Herr im Himmel, hol mich hier heraus!

Ich zwinge mich zu einem Lächeln. »Alle weiteren Infos werden garantiert in den nächsten Stunden eintrudeln, dann sollten wir vorbereitet sein.«

»Worauf?« Neema runzelt die Stirn.

»Na, wer kümmert sich um alles? Das Konzert, das ganze Drumherum. Mr. Cox?«

Alice wedelt mit den Armen. »Ich! Ich melde mich freiwillig.«

»Auf mich können Sie ebenfalls zählen, Bürgermeisterin Mallin.« Lucy grinst.

Ja, sicher.

In mir steigt ein missmutiges Stöhnen auf, doch ich unterdrücke es im letzten Moment und konzentriere mich stattdessen auf meine Vorgesetzte.

Sie ignoriert die beiden Frauen und strahlt mich an. »Ich bitte dich! Die Veranstaltung fällt eh in deinen Fachbereich. Und weil unser Star nur die beste Betreuung verdient, solltest du dich ebenfalls darum kümmern. Im Zweifel persönlich.«

Mir wird heiß, kalt und kotzübel.

Meine Gedanken schießen panisch umher und ich suche nach einem Ausweg. »Dafür fehlt mir die Zeit, Neema.«

»Wie lange wird das Ganze dauern? Eine Woche? Zehn Tage? Ich stelle dich dafür frei.«

»Was ist mit meiner Arbeit?«

»Was du delegieren kannst, übernimmt Alice. Die E-Mails kannst du ebenfalls an sie weiterleiten. Und den Rest verschiebst du ins nächste Jahr.«

»Kann ich mich nicht lieber um Callum kümmern?«

Alices Stimme klingt so anklagend, dass ich ihr einen gefrusteten Blick zuwerfe.

Mir vorstelle, wie sie ihn anhimmelt, anbaggert, mit ihm ins Bett geht und anschließend damit prahlt.

Nicht, dass es mich etwas anginge, was sie treibt.

Oder er.

Oder beide miteinander.

Trotzdem habe ich keine Lust auf miese PR, in welcher Form auch immer, die mir am Ende den Ruf versaut.

Da beiße ich lieber die Zähne zusammen, springe über meinen eigenen Schatten und gebe die persönliche Assistentin von diesem arroganten Egoisten.

Und nein, der fiese Stich beim Gedanken, wie Callum und Alice sich zwischen den Laken wälzen, hat nichts mit meiner Entscheidung zu tun.

Ich stoße die Luft aus, sehe Neema an und nicke. »Also gut, ich kümmere mich um alles. Aber dafür bist du mir etwas schuldig.«

Auf ihrem pausbäckigen Gesicht breitet sich Zufriedenheit aus. »Einverstanden.«

Wir besiegeln unser Abkommen mit Handschlag, dann wendet die Bürgermeisterin sich den anderen zu. »Lucy, besorg bitte ein paar Flaschen Sekt auf Kosten der Verwaltung, ich zeichne dir die Quittung später ab.«

Sie nickt und eilt hinaus, vermutlich direkt in ihr Büro bei der Stadtkasse.

»Alice, schreib bitte eine Rundmail an alle Kolleginnen und Kollegen im Rathaus, auf diese Neuigkeit stoßen wir heute Nachmittag an. 17 Uhr im Tagungssaal.«

»Geht klar.« Sie lächelt, schaut mich kurz an und setzt sich auf ihren Bürostuhl.

Irre ich mich oder war das Eifersucht in ihren Augen?

Nein, das habe ich mir bestimmt nur eingebildet.

Und selbst wenn, sie hätte keinerlei Grund dazu.

Weil ich die Letzte wäre, die auch nur einen Finger an Callum Cox legt.

Kapitel 2

»Sag das noch mal!« Fassungslos drehe ich mich zu meinem Agenten um, der an der Frühstückstheke steht, und starre ihn an. »Wo wird das Weihnachtskonzert stattfinden?«

»In Eagle Falls, Montana. Hast du ein Problem damit?«

Offiziell nicht, nein.

Ich schlucke, wende mich wieder der Kaffeemaschine zu und atme unauffällig tief durch.

»Kennst du das Kaff? Du stammst doch aus der Gegend.«

»Nur, weil ich aus Montana komme, heißt das nicht, dass ich jeden Stein dort kenne.«

»Sorry. Du hast nur so geschockt gewirkt.«

Der Vollautomat beendet seinen Dienst und piept. Also nehme ich die beiden Tassen und gehe an Blake vorbei zur Couch, setze mich.

»Weil ich auf eine größere Stadt gehofft hatte.«

»Woher weißt du, wie groß Eagle Falls ist?« Er nimmt auf dem anderen Arm des L-förmigen Sofas Platz.

Kurz wird mir heiß, doch ich fange mich gleich wieder. »Keine Ahnung, für mich klingt es klein. Außerdem gibt es in Montana nur wenige Städt mit einer für Konzerte nennenswerten Bevölkerung.«

Ich nippe am Kaffee und werfe einen Blick aus dem Fenster, um mich wieder zu fangen. Schaue über Downtown Nashville zu meinen Füßen und den Cumberland River bis hinüber zum Stadion, atme erneut tief durch.

Ich werde es überleben.

Aber wenn ich gewusst hätte, dass sie bei diesem Wettbewerb mitmachen ...

Was dann? Hättest du Mom angerufen, damit sie es verhindert?

Sehr witzig.

»Hey, hörst du mir zu?«

»Hm?« Ich blinzle, sehe ihn an. »Sorry, ich habe nur überlegt, wo genau dieses Eagle Falls wohl liegt.«

»Cascade County, direkt am Missouri River. Umgeben von einer Air Force Base, ein paar hübschen Wasserfällen und viel hügeligem Grün. Und in der Nähe gibt es sogar einen kommunalen Flughafen, du kannst also ganz bequem mit einem Privatjet hinfliegen.«

»Wenigstens etwas.« Ich nehme einen weiteren Schluck und lehne mich zurück. »Gibt es vor Ort eine Person, die mich betreut? Sicherheitsleute? Assistenz?«

»Ich habe dir und Betty die E-Mail von Rocky Mountain Radio vorhin weitergeleitet. Jemand von der Stadtverwaltung wird dir zur Seite gestellt, aber ein Name stand nicht dabei. Vielleicht müssen sie erst noch auslosen, wer dich verwöhnen darf.«

»Werde ich vom Flughafen abgeholt?«

»Selbstverständlich.«

»Wo werde ich wohnen?«

»Im besten Haus am Platz, ein Suiten-Hotel direkt am Wasser.«

»Gut. Dann schaue ich mir deine E-Mail gleich an und telefoniere mit Betty, damit sie sich um die Einzelheiten kümmert.«

»Ich versuche, neben dem Radio-Team auch noch einen Fernsehsender von einem Bericht zu überzeugen. Und dein Label wird bestimmt jemanden mit Merch schicken. Das ideale Weihnachtsgeschenk für neue Fans.«

»Falls überhaupt so viele kommen.«

»Keine Angst, für dich kommen sie alle. Es könnte sich allerdings zu einem starken Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen entwickeln.«

»Du vergisst die weiten Strecken in Montana. Die wird nicht jede auf sich nehmen wollen. Vor allem nicht bei Schnee und kurz vor Weihnachten.«

»Okay, dann setze ich mich mit der Air Force Base in Verbindung.«

»Als ob die sich für meine Musik interessieren.«

»Ja, ich kenne deine Zielgruppe. Obwohl Country-Rock die ideale Variante für beide Geschlechter ist. Wie auch immer – ich sehe, was ich noch alles für dich anleiern kann.«

»Mach das.«

»Wie war’s heute im Studio?«

Ich lächle zufrieden. »Sehr produktiv, das Album nimmt Formen an.«

»Wann ist das Duett mit Kelsea dran?«

»Anfang Januar.«

»Halten wir den Veröffentlichungstermin vor Ostern?«

»Easy.«

»Wunderbar.«

Wir besprechen noch einige Terminanfragen, die für das erste Quartal des nächsten Jahres reingekommen sind, und leeren unsere Tassen. Dann bringe ich Blake zur Tür und wir verabschieden uns mit Schulterklopfen.

»Fährst du nach dem Konzert direkt zu deiner Familie?«

Ich grinse. »Wenn ich schon mal dort bin ...«

Er schüttelt den Kopf und lacht. »Frohe Weihnachten für euch alle. Und viel Spaß in Eagle Falls. Halt mich auf dem Laufenden.«

»Falls etwas passiert, gern. Dir und Simone auch frohe Weihnachten.«

»Danke.«

Damit verlässt er meine Wohnung, ich schließe die Tür hinter ihm und schlendere in den Wohnbereich zurück. Bleibe vor der nördlichen Fensterfront stehen, verschränke die Arme und starre hinaus auf die Stadt.

Nach dem Highschool-Abschluss bin ich hierhergekommen, um meinen Traum zu leben. In Nashville habe ich Musik gemacht, Erfahrungen gesammelt, daraus gelernt, mich stetig weiterentwickelt.

Und nun muss ich der Stadt, die mich für meine Leidenschaft verspottet hat, etwas geben, das sie nicht verdient.

Falsch.

Nur ein Teil der Einheimischen ist schuldig.

Mit einem Seufzen ziehe ich das Handy aus der Gesäßtasche meiner Jeans, entsperre das Display und betrachte die Uhrzeit.

Fuck, ich habe nicht einmal Moms Schichten auf dem Schirm.

Also schreibe ich ihr eine Nachricht, ob sie telefonieren kann.

Wenige Sekunden später erscheint ihr Kontaktfoto, untermalt von ihrem Klingelton, und ich nehme das Gespräch an. »Hey, Mom.«

»Hallo, mein Junge. Ich habe noch einige Minuten Pause, was gibt es denn Wichtiges?«

»Hast du heute Vormittag dem Programm deines Lieblingsradiosenders gelauscht?«

Sie lacht leise. »Ja, war total interessant. Ich habe gehört, wir haben ein exklusives Weihnachtskonzert von so einem Country-Star gewonnen.«

»Unglaublich, oder?«

»Nein, absolut verdient.«

»Ich habe nicht einmal mitbekommen, wer an dem Gewinnspiel teilgenommen hat.«

»Schade. Das Bewerbungsvideo von Eagle Falls war wunderschön. So voller Energie, Atmosphäre. Und es hat genau die Vibes visualisiert, für die unsere Stadt steht.«

»Vibes? Seit wann gehören solche Worte zu deinem Wortschatz?«

»Seitdem zwei frisch gebackene Krankenschwestern in unserem feinen, kleinen Krankenhaus angefangen haben. Das ist wie eine Verjüngungskur, sag ich dir.«

»Klingt auf jeden Fall super.«

»Wenn du schon offiziell herkommst, könntest du vielleicht mal unsere Patientinnen und Patienten mit einem Ständchen aufmuntern, macht sich bestimmt gut in den sozialen Medien.«

»Hast du das auch von den neuen Kolleginnen?«

»Nein, mein Schatz, ich verfolge lediglich deinen Werdegang, wie dir bekannt sein dürfte.«

Mist!

Egal, wie oft wir darüber sprechen, das verschwindet immer gleich wieder aus meinem Gehirn.

»Ich schaue mal, wie sich das einrichten lässt, okay?«

»Wehe dir, du machst einen Rückzieher.«

»Sorry, Mom, ich muss erst einmal klären, welche Verpflichtungen Teil dieser Aktion sind. Aber ich komme schon dieses Wochenende.«

»Ah, sehr gut. Schick mir alle Informationen, sobald du sie hast, dann schaue ich mal, ob ich meinen Dienstplan ein wenig anpassen kann.«

»Mache ich.«

»An deinen ursprünglichen Besuchszeiten ändert sich aber nichts, oder?«

»Nein. Ich reise erst Ende des Jahres wieder ab.«

Sie stößt ein freudiges Seufzen aus. »Wie schön, endlich mal ein bisschen mehr gemeinsame Zeit.«

Bei dem Gedanken breitet sich ein warmes Gefühl in meiner Brust aus.

Wenn ich eines an Eagle Falls vermisse, dann meine Mutter.

»Musst du Sonntag arbeiten?«

»Nein.«

»Dann komm zu mir ins Hotel, zum Frühstück.«

»Oh, das ist eine schöne Idee. Dasselbe Hotel wie immer?«

»Na klar.«

»Gut. Wir schreiben wegen der Uhrzeit, ja? Ich muss zurück auf die Station.«

»Okay. Bis Sonntag.«

»Bis Sonntag, Cal. Ich kann es kaum erwarten.«

Sie legt auf, ich senke das Smartphone und wähle Bettys Nummer.

Wie immer nimmt sie das Gespräch schnell an und ihre rauchige Stimme tönt durch die Leitung. »Hi, Callum. Ich nehme an, du möchtest über das Radio-Gewinnspiel reden.«

»Genau.«

»Blöder Zufall mit Eagle Falls, was?«

Ich lache leise. »Irgendwie schon, ja, aber wir machen das Beste daraus.«

»Sie haben dasselbe Hotel gebucht wie du sonst auch. Soll ich das lieber ändern?«

»Nein, das ist kein Problem. Das Team dort ist professionell und diskret.«

»Ich werde sie trotzdem explizit auf ihre Verschwiegenheit hinweisen. Offiziell bist du zum ersten Mal dort. Hast du sonst noch irgendwelche Anmerkungen?«

»Für das Hotel nicht, aber unsere Kontaktperson bei der Stadtverwaltung solltest du darauf hinweisen, dass für das Konzert gewisse Sicherheitsvorkehrungen zu treffen sind.«

»Ich schicke ihnen den üblichen Wisch von deinem Label. Was ist mit einem Bodyguard?«

»Gute Frage.« Nachdenklich schürze ich die Lippen. »Es wird bestimmt mega voll werden, also entweder einen Bodyguard oder entsprechende Polizeipräsenz, die mir die zudringlichen Fans vom Leib hält.«

»Ist notiert. Was ist mit den vorangehenden Tagen?«

»Ich werde mich versteckt halten.«

Sie schnaubt. »Na, wenn du meinst, dass du das schaffst. Wann willst du fliegen?«

»Samstagmorgen.«

»Gut. Da du abgeholt wirst, bestelle ich den Leihwagen zum Hotel.«

»Super. Und schick meiner Mom einen riesigen Blumenstrauß. Du weißt ja, was sie gern mag.«

Da stößt sie ihr rauchiges Lachen aus, bei der ich sie als Rockerbraut vor mir sehe. Mit toupierten Haaren, Lederjacke und Zigarette im Mundwinkel.

Was alles in keiner Weise zutrifft.

»Du solltest sie mal treffen. Wie wäre es, wenn du zu dem Konzert kommst? Ich schicke dir den Jet.«

»Du weißt doch, dass ich zu meinen Eltern nach Florida fliege. Vielleicht beim nächsten Mal.«

»Darauf nagle ich dich fest.«

»Okay. Sonst noch etwas, das ich berücksichtigen soll?«

»Nein. Wenn mir etwas einfällt, rufe ich dich an.«

»Hey! Du hast vor Ort eine Kontaktperson, die sich um dich kümmert.«

»Niemand kann dich ersetzen, Betty.«

»Das ist mir klar. Aber falls es eine Sie und sie ein Fan von dir ist, kannst du dich warm anziehen.«

Ich schaudere. »Fuck, jetzt habe ich Horrorvisionen. Hoffentlich kann ich wenigstens meine Mutter unbemerkt treffen.«

»Das wird diesmal auf jeden Fall schwieriger werden. Aber du solltest die Zeit nutzen, dich entspannen, alte Freunde treffen.«

»Der letzte Punkt könnte kompliziert werden.«

»Warum?«

»Ich hatte nur wenige Freunde dort, als ich abgehauen bin. Und die habe ich aus den Augen verloren.«

»Schade.«

Automatisch denke ich an meinen besten Kumpel Trace zurück, der mich damals bestärkt hat, meinen Weg zu gehen.

Was wohl aus ihm geworden ist?

»Wie auch immer. Ich muss jetzt weiterarbeiten.«

»Alles klar, wir hören uns.«

Nach einer kurzen Verabschiedung legen wir auf und ich gehe hinüber in mein Musikzimmer. Nehme meine Gitarre aus dem Ständer, setze mich damit auf die Couch und klimpere ein wenig vor mich hin.

Beim Blick aus dem Fenster bemerke ich die Regentropfen auf dem Glas und seufze.

Schnee fällt in dieser Stadt eher selten, was mir in den ersten Jahren ganz recht war. Schließlich habe ich in meinen 18 Jahren in Montana mehr als genug davon erlebt.

Doch inzwischen vermisse ich das eisige weiße Zeug, vor allem zu Weihnachten. Die perfekte Zeit, es sich vor einem Kamin mit knisterndem Feuer gemütlich zu machen. Entweder mit einem guten Buch, einer Gitarre, Bier, Wein ... oder zu zweit. Nackt, auf einem Fell.

Noch ist diese Vorstellung nicht wahr geworden, aber womöglich bin ich aus dieser Laune heraus auf die Idee gekommen, den fast 30 Jahre alten Song der Band The Tractors ordentlich aufzumöbeln und letztes Jahr als Weihnachtssong zu veröffentlichen.

Eine meiner besten Entscheidungen.

Die mich nach zwölf Jahren wieder nach Hause führt.

Kaum zu glauben.

Mein Blick richtet sich in die Vergangenheit und vor meinem inneren Auge leuchten Bilder aus meiner Kindheit oder Jugend auf.

Verschneite Weiten und Berge, am Straßenrand aufgetürmes Weiß.

Eisschollen auf dem Fluss.

Schneeballschlachten.

Heiße Getränke in Tracy’s Diner oder dem Coffee House.

Der eine oder andere Blizzard.

Schulfrei.

In mir breitet sich eine melancholische Wärme aus und wie so oft entwickeln meine Finger ein Eigenleben. Spielen einen absoluten Klassiker und ich falle automatisch mit leiser Stimme ein.

 

*

 

Der sechsstündige Flug verläuft ruhig und ich nutze die Zeit, um im neuen Thriller von David Baldacci zu lesen. Zwischendurch genieße ich die Annehmlichkeiten des Bordservices oder schaue aus dem Fenster.

Das Wetter ist klar und je nördlicher wir kommen, desto dichter zeigt sich der Mittlere Westen verschneit. Die Sonnenstrahlen lassen das Weiß beinahe unangenehm strahlen und am Ende ragen die ersten Gipfel daraus hervor.

Dann geht der Pilot in den Landeanflug über, ich muss den Sicherheitsgurt anlegen und die Stewardess verschwindet in Servicebereich.

Der kleine Flughafen liegt westlich von Eagle Falls und wir fliegen südlich der Stadt darauf zu. Auf diese Weise habe ich wie immer die Gelegenheit, eingehend zu betrachten, wie harmonisch sie sich in einen Bogen des Missouri River schmiegt, der sich weiter südlich in engen Schlaufen durch die Natur windet.

Östlich der Stadtgrenze schließt direkt die Air Force Base an, auf der auch Einheiten des Air Force Global Strike Command stationiert sind. Ein Hochsicherheitsgebiet mit eigener Infrastruktur und ähnlich großer Bevölkerung wie Eagle Falls selbst. Davon abgesehen waren und sind Uniformen Teil des Stadtbildes, des Alltags. Auch wenn das Militär und ihre Angehörigen überwiegend unter sich bleiben.

Insgesamt also ein vertrauter Anblick, doch das Gefühl von Nachhausekommen bleibt schwach.

Obwohl ich in Eagle Falls aufgewachsen bin, hätte ich diese Stadt nie wieder betreten, würde Mom nicht hier leben.

Weil mich nichts und niemand dort hätte halten können.

Unvermittelt zupft etwas an meinem Bewusstsein, doch sobald ich versuche, danach zu fassen, ist es weg.

Irritiert runzle ich die Stirn, schiebe es schließlich zur Seite.

Wie auch immer –  diesmal bin ich um einiges länger in meinem Geburtsort als sonst, hoffentlich halte ich es aus.

Der Jet dreht nach Süd-Westen ab, fliegt eine Kurve, wobei ich einen Blick auf den freigeräumten Flughafen werfen kann. Sinkt weiter, schwenkt nach kurzer Zeit wieder in die andere Richtung.

Ich lehne den Kopf an und öffne weit den Mund, um den Druck auf meinen Ohren auszugleichen. Dann setzt der Pilot die Maschine sanft auf, bremst mit vollem Schub ab und ich stoße einen erleichterten Seufzer aus.

Das Fliegen an sich ist kein Problem für mich, ich bin ständig unterwegs.

Nach einem grauenhaften Anflug am Rande eines Wirbelsturms ist die Landung allerdings der Teil, den ich am liebsten überspringen würde.

Am Ende der Landebahn wechseln wir auf den Rollweg und ich vertreibe mir die Zeit damit, über die kommenden Tage nachzugrübeln.

Der Hauptpreis des Radio-Gewinnspiels hatte neben dem Konzert ein oder zwei wohltätige Zwecke zum Inhalt, an denen ich teilnehme.

Allerdings hat der Sender uns nicht nur keinen Namen der Kontaktperson mitgeteilt, die sich um mich und die Aktion kümmert, sondern auch keinerlei Information zum vorgesehenen Programm weitergegeben. Trotz Nachfrage.

Insofern bin ich sehr gespannt, was mich in beiderlei Hinsicht erwartet.

Und ob Mom dann noch etwas an ihrem Dienstplan drehen kann.

Sobald das Flugzeug auf seiner Parkposition anhält, löse ich den Anschnallgurt, stehe auf und ziehe mir die wattierte Winterjacke über. Hole meinen Gitarrenkoffer aus dem Staufach, gehe nach vorn und nehme meinen Trolley von der lächelnden Stewardess entgegen.

»Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt, Mr. Cox. Und frohe Weihnachten, falls wir uns vorher nicht mehr sehen.«

»Danke, Ihnen auch, Mary. Und an die Piloten. Vielleicht holen Sie mich ja in zwei Wochen wieder ab.«

»Da habe ich Urlaub.«

»Dann auch einen guten Rutsch ins neue Jahr.«

»Danke, Mr. Cox. Bis bald.«

»Bis dann.« Ich wende mich ab, trete an die geöffnete Tür und werfe einen Blick über das Vorfeld.

Bis auf ein paar einmotorige Flugzeuge links ist es leer.

Demnach werde ich wohl im Gebäude oder davor abgeholt.

Folglich laufe ich um die Nase des Privatjets herum.

Und entdecke ein Stück entfernt einen kleineren SUV, dessen blauer Lack in der Sonne glitzert. Daneben steht eine schmale Person in einem farblich passenden Mantel, schaut zu mir herüber.

Ich ändere die Richtung, beschleunige meine Schritte und mit der Zeit schälen sich Details heraus.

Lange Haare mit Pony, deren kastanienbraune Farbe im Licht zu leuchten scheint. Schlanke Beine in engen schwarzen Hosen, die in eleganten, aber robusten Stiefeln enden. Und eine unverkennbar stolze Haltung.

Nur noch wenige Schritte entfernt offenbaren sich das ovale Gesicht und ein herzförmiger Mund, der erneut dieses Zupfen an meinem Bewusstsein auslöst.

Was, zur Hölle ...

Dann hebe ich den Blick, schaue in Augen in der Farbe von altem Whisky.

Erkenne sie.

Und alles, was ich vor zwölf Jahren bei unserem einzigen Kuss gefühlt habe, kehrt mit einem heftigen Stich direkt in mein Herz zurück.

Kapitel 3

Unzählige Male habe ich mir ausgemalt, wie es wäre, falls Cal und ich uns eines Tages wiedersehen.

Meistens war ich die Erfolgreiche, er mit seinem Traum gescheitert. Er ist auf Knien vor mir gekrochen, hat mich um Verzeihung gebeten, mir seine Liebe gestanden.

Nun, erfolgreich bin ich in gewisser Weise. Punkt zwei und drei muss ich offensichtlich in den Wind schreiben und was Nummer vier angeht, ist er sich vermutlich keiner Schuld bewusst.

An der letzten Wunschvorstellung halte ich allerdings fest.

Weil ich ihm mit einem kalten Lächeln genauso das Herz brechen will.

Bist du sicher?

Ich blinzle.

Beobachte, wie er auf mich zukommt. Lässig und selbstsicher, trotz des Gepäcks.

All die Jahre habe ich seinen Werdegang beobachtet. Meistens wenn es mir aus irgendwelchen Gründen schlecht ging, ich mich zusätzlich bestrafen wollte. Ich habe seine Veränderung vom hübschen, sportlichen Achtzehnjährigen zum attraktiven Mann verfolgt, dem sämtliche Frauenherzen zufliegen, und dafür unzählige Fotos von ihm studiert.

Ihn jetzt in natura zu sehen, ist jedoch eine vollkommen andere Sache.

Seit einiger Zeit trägt er einen kurzen gepflegten Vollbart, was ihm hervorragend steht und seinen hellrosa Mund mit der vollen Unterlippe unterstreicht. Und sein am Oberkopf längeres dunkles Haar ist heute nicht wie sonst penibel hoch frisiert, sondern zerzaust und schräg ins Gesicht.

Perfekt, um seine Identität ein wenig zu verschleiern.

Und die smaragdgrünen Augen zu unterstreichen.

Drei Schritte vor mir bleibt er stehen, ist sichtbar erstaunt. »Paige!«

Ich atme tief durch, hebe das Kinn und dränge die aufwühlenden Gefühle zurück. »Hi, Cal. Oder muss ich dich jetzt mit Mr. Cox ansprechen?«

Er runzelt die Stirn. »Bullshit! Warum solltest du?«

»Okay. Brauchst du Hilfe beim Gepäck?« Ich strecke eine Hand nach seinem Koffer aus.

»So weit kommt es noch.«

»Auch gut.« Damit wende ich mich ab, gehe zum Heck meines Wagens und öffne die Klappe.

Schon taucht er neben mir auf, wuchtet seinen großen Trolley in den Kofferraum und legt die Gitarre daneben. Greift selbst nach der Hecktür und wirft sie zu, sobald ich zur Seite getreten bin.

Dann sieht er mich fassungslos an. »Was tust du hier?«

»Ich hole dich ab und bringe dich ins Hotel.« Ich gehe zur Fahrertür, schiebe mich hinters Lenkrad und ziehe die Tür zu.

Er nimmt auf dem Beifahrersitz Platz, legt ebenfalls den Sicherheitsgurt an. »Nein, das meine ich nicht.«

Und mit einem Mal bin ich mir seiner Präsenz überdeutlich bewusst.

Was nicht daran liegt, dass er einen Kopf größer und inzwischen vermutlich doppelt so breit ist wie ich. Nein, sein Sex-Appeal und seine Ausstrahlung sind es, die das Innere meines Wagens auf die Größe einer Nussschale zusammenschrumpfen lassen.

Ich starte den Motor und hole erneut tief Luft, wodurch sein Duft meine Nase füllt.

Aufregender, als er sein sollte.

»Was dann?« Ich öffne den Reißverschluss meines Mantels bis zur Brust, schiebe den Hebel auf D und fahre los.

»Warum holst du mich ab? Seit wann bist du wieder in Eagle Falls und –« Er stutzt und sieht mich an. »Moment. In der E-Mail stand, dass jemand von der Stadtverwaltung sich um mich kümmern wird.«

»Genau.«

»Das bist du?«

Cal klingt so ungläubig, dass ich schnaube. »Hättest du mir wohl nicht zugetraut, was?«

»Was für ein Unsinn! Du warst schon immer tough und zielstrebig. Was genau ist dein Aufgabenbereich?«

»Marketing und PR.«

»Ah! Dann verdankt die Stadt deinem Können also meinen Besuch, ja?«

Der spöttische Ton trifft mich und ich möchte ihm eine boshafte Antwort geben, doch ich halte mich im letzten Moment zurück und schweige.

Mein Job ist mir wichtiger.

Vor dem offenen Tor verringere ich die Geschwindigkeit, grüße im Vorbeifahren den Wachmann in seinem Verschlag und verlasse das Gelände. Biege auf die Zufahrt zur Interstate und drücke auf der Beschleunigungsspur das Gaspedal durch.

»Willst du Musik hören?«

»Nein, danke. Erzähl mir lieber, seit wann du wieder hier lebst. Oder warst du nie weg?«

»Vor vier Jahren bin ich zurückgekommen.«

»Das ging ja schnell. Hat es dir da draußen nicht gefallen?«

»In Eagle Falls gefällt es mir besser.«

»In diesem Kaff mit 4000 Einwohnern?«

»Die Stadt ist gewachsen.«

»Auf wie viel? 5000?«

»Nein, fast 6000.«

»Oh, wow! Immerhin knappe 50 % Zuwachs.«

Mit einem Mal überrollt mich die Wut. »Warum bist du so abfällig? Die Stadt an sich hat dir nichts getan.«

»Ach, nein?«

Ich werfe ihm einen Blick zu. Bemerke, wie fest er den Türgriff hält, die höhnisch gehobene Braue.

»Oh, stimmt. Der allgegenwärtige Spott war kaum der Rede wert. Peanuts.«

Mir wird heiß und kalt, und ich presse verzweifelt die Lippen zusammen.

Fuck, wie konnten wir bloß so schnell in falsche Gefilde abdriften?

Ich muss dringend darauf achten, dass ich mir meine beruflichen Perspektiven nicht mit persönlichen Befindlichkeiten versaue.

Folglich schlucke ich meinen Stolz hinunter und versuche es mit Diplomatie. »Für dieses Thema bin ich die falsche Person, denkst du nicht auch?«

Einen Moment bleibt es still, dann stößt Cal hörbar die Luft aus. »Tut mir leid, du hast recht.«

In mir steigt Erleichterung auf.

Nun muss ich es in den nächsten sieben Tagen nur noch schaffen, den Deckel auf der Vergangenheit zu lassen.

So gern ich es nicht täte.

Er räuspert sich. »Darf ich dich heute Abend zum Essen einladen? Als kleine Entschuldigung.«

»Ich bin bereits verabredet.«

»Sorry, mein Fehler. Dann morgen? Wenigstens auf einen Kaffee?«

»Cal, du musst das nicht tun.«

»Möchte ich aber.«

Ich straffe die Schultern. »Ab Montag stehe ich dir den ganzen Tag zur Verfügung, die Bürgermeisterin hat es so veranlasst. Doch bis dahin habe ich frei und das ist mein Privatleben.«

Pause.

Sehr gut.

»Okay, dann sag mir, was nächste Woche auf dem Plan steht.«

»Was meinst du? Ich habe dem Radio eine Übersicht geschickt.«

»Die nicht bei meinem Agenten angekommen ist.«

»Toll! Okay, pass auf. Wir sind gleich da und ich muss weiter. Können wir den Plan Montagmorgen besprechen?«

»Kein Problem, Frühstück um 8 Uhr bei mir im Hotel.« Sein Ton duldet keinen Widerspruch.

Na, das geht ja gut los.

»Ich werde da sein.«

»Kannst du mir wenigstens verraten, welche beiden Wohltätigkeitstermine du vorgesehen hast?«

»Da wollte ich dir tatsächlich freie Hand lassen, aber ich habe eine ganze Liste, aus der du wählen kannst.«

»Steht das Krankenhaus ebenfalls auf deiner Liste?«

Ich runzle die Stirn. »Nein, wieso?«

»Dann schreib es als dritten Termin hinzu.«

»Warum?«

»Erkläre ich dir am Montag.«

»Wie du möchtest. Gibt es sonst noch etwas, wobei ich dir behilflich sein kann? Ein Leihwagen? Irgendwelche Annehmlichkeiten, ohne die du nicht leben kannst?«

Da er schweigt, werfe ich ihm erneut einen Blick zu und begegne seinem verschlossenen Gesichtsausdruck.

Abrupt wendet Cal sich ab, schaut aus dem Beifahrerfenster. »Darum hat Betty sich bereits gekümmert.«

»Gut.« Ich verlasse die Interstate, biege auf die Umgehungsstraße ab, die am Fluss entlang direkt zum Hotel führt, und halte am Ende vor dessen Eingang.

Schalte den Motor aus und sehe ihn an. »Falls doch noch etwas ist, sag Bescheid.«

Er nickt.

»Ich hätte nur eine inoffizielle Bitte an dich.«

»Welche?«

»Hier leben einige deiner Fans und am Samstag kommt vermutlich noch eine ganze Menge dazu. Und damit es nicht irgendwie negativ auf mich zurückfällt, möchte ich dich um Diskretion bitten.«

»Wobei genau?«

In mir steigt Ärger auf. »Du weißt, was ich meine.«

»Nein.«

»Kein Rummachen in der Öffentlichkeit, kein Rockstar-Gehabe, Pöbeleien oder Ähnliches.«

Unvermittelt lodert Wut in seinen Augen auf. »Scheiße, wie ich diese Klischees hasse! Warum glauben die Leute immer, dass man als erfolgreicher Musiker ein Arschloch ist? Und warum du?«

»Oh, ich weiß es sogar. Du warst nämlich vorher schon eines.«

Aus Wut wird Kälte, die Gesichtszüge erstarren. »Du weißt nichts, Paige. Gar nichts.«

Seine leise, scharfe Stimme trifft mich, doch ich verberge es.

Löse den Sicherheitsgurt, steige aus und gehe zum Kofferraum. Öffne die Heckklappe, beuge mich vor und strecke die Hand nach dem Gitarrenkoffer aus.

Da taucht er neben mir auf, kommt mir zuvor und lädt eilig sein Gepäck aus. »Also dann, wir sehen uns Montagmorgen.«

Ich werfe die Heckklappe zu, erwidere trotzig seinen Blick und nicke. »Schönes Wochenende.«

Damit wende ich mich ab, steige wieder ins Auto und starte den Motor.

In mir brodelt es und ich muss mich zusammenreißen, um ruhig zu bleiben. Ohne Eile den Gurt anzulegen, den Hebel auf D zu schieben und loszufahren.

An der Straße halte ich kurz an, um den Verkehr aus beiden Richtungen abzuklären. Werfe einen Blick in den Außenspiegel und atme tief durch.

Cal steht noch immer vor dem Hoteleingang, den Gitarrenkoffer über der Schulter.

Und er starrt mir eindeutig nach.

 

*

 

»Scheiße, wenn das so weitergeht, fliegen schon Montagabend die Fetzen und ich bin meinen Job los.«

Melinda lacht so laut, dass einige Leute an den umliegenden Tischen sich nach ihr umdrehen. Übertönt damit sowohl die poppige Weihnachtsmusik als auch das Stimmengewirr in unserer Lieblingsbar, dem Black Eagle.

»Schsch!« Hastig bedeute ich meiner besten Freundin, leiser zu sein. »Und hör auf, mich auszulachen.«

Sie schüttelt den Kopf, wischt sich die Tränen aus den Augenwinkeln und seufzt. »Ach, Paige. Du hast ihn zwölf Jahre nicht gesehen. Menschen verändern sich.«

»Der? Niemals!«

»Warum lässt du die Sache nicht ruhen?«

»Oh, nein! Ich habe so lange auf diese Gelegenheit gewartet, das nutze ich aus. Und deswegen werde ich ihm sagen, was ich von ihm halte, sobald alles gelaufen ist.«

Sie streckt einen Arm aus, legt die Hand auf meine. »Beruhige dich.«

»Beruhigen? Warum sollte ich –«

Sanft drückt sie meine Finger, beugt sich vor. »Paige!«

Ich atme tief durch, zittrig und aufgewühlt. »Hm?«

»Kann es sein, dass er dich tiefer verletzt hat, als du es zugeben willst?«

Gott, das ist so typisch für Melinda.

Meistens legt sie den Finger zielsicher in die schlimmsten Wunden.

Nicht nur meine.

Ohne Vorwarnung brennen Tränen in meinen Augen. »Er hat nur mit mir gespielt. Mir das Herz herausgerissen und darauf herumgetrampelt.«

»Ja, das war mies, aber –«

»Kein Aber. Punkt. Dabei war ich eine der wenigen, die an ihn geglaubt haben.«

»Weiß er das?«

»Natürlich.«

»Okay, lassen wir das Thema, sonst fährst du heute Abend noch hin und haust ihm eine runter.«

»Verdammt gute Idee.« Mit der freien Hand greife ich nach meinem Bier und nehme einen tiefen Schluck aus meiner Flasche.

Sie lacht leise, führt ihre Flasche ebenfalls an den Mund. »So kenne ich dich gar nicht, Higgins.«

»Weil mich niemand dermaßen zur Weißglut treiben kann wie Callum Cox.«

»Schluss damit!«

Schuldbewusst verziehe ich das Gesicht. »Tut mir leid.«

»Vielleicht sollte ich Montagmorgen ein bisschen im Restaurant rumlungern und euch beobachten. Nur zu seiner Sicherheit.«

»Wie unauffällig, wenn die stellvertretende Hausdame sich außerhalb ihres Bereichs aufhält.«

»Nö, kein bisschen.«

»Bitte, lass das.«

»Soll ich ihn bespitzeln lassen? Das gesamte Housekeeping auf ihn ansetzen?«

»Hör auf damit! Du wirst Ärger bekommen.«

Da winkt sie ab und grinst. »Nur ein Scherz, keine Angst. Aber es macht echt Spaß, wie schnell du darauf anspringst und in die Luft gehst.«

»Oh, Gott!« Mit einem Aufstöhnen schlage ich die Hände vors Gesicht und stütze die Ellbogen auf dem Tisch auf. »Du hast recht, ich muss mich dringend beruhigen.«

»Mein Reden.«

»Vorsicht, bitte!«, erklingt da eine laute weibliche Stimme.

Erschreckt richte ich mich auf und schaue zur Kellnerin.

Sue serviert die Burger mit Pommes, wünscht uns guten Appetit und dreht sich um, doch Melinda hält sie zurück.

»Bringst du uns bitte zwei Tequila Shots?«

»Jetzt zum Essen?«

»Jepp. Paige braucht was für die Nerven.«

»Kommt sofort.«

Ich verdrehe die Augen, angle Besteck sowie Serviette aus dem Krug. »Erzähl doch allen davon, die es nicht wissen wollen.«

Diesmal lacht sie zum Glück leise, geht aber nicht weiter darauf ein.

Wünscht mir einen guten Appetit und ich erwidere es, fange an zu essen.

Allerdings schweige ich beleidigt, bis Sue uns den Schnaps serviert.

Wir lecken das Salz von unseren Händen, kippen ihn herunter und beißen in den Zitronenschnitz. Geschockt von der Säure verziehe ich den Mund und schüttle mich. Esse aber das Fruchtfleisch und stopfe die Schale ins leere Glas.

Dann genieße ich wieder mein Abendessen und schaue meine Freundin an. »Wann kommt Webster morgen von seiner Tagung zurück?«

»Am frühen Abend, hat er gesagt.«

»Also bleibt es bei unserem Weihnachtsmarktbesuch?«

»Na klar! Die Eröffnung lasse ich mir doch nicht entgehen.«

Bei dem Gedanken breitet sich endlich wieder ein Lächeln auf meinem Gesicht aus. »Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich auf Weihnachten freue. Morgen dekoriere ich das Haus von außen und wenn ich es schaffe, backe ich ein paar Plätzchen.«

»Das hatte ich auch vor.«

Schon tauschen wir uns über Rezepte aus, erörtern diverse weihnachtliche Themen und schweifen bei frischen Getränken immer weiter ab.

Bis ich mich am Ende entspannt zurücklehne und aufseufze. »Danke für diesen schönen Abend, das habe ich echt gebraucht.«

»Kein Problem, dafür sind Freundinnen da. Aber weißt du, was mir gerade auffällt?«

»Nein?«

»Wir sind jetzt fast vier Jahre befreundet und ich erlebe dich zum ersten Mal dermaßen aufgedreht. Da kommt nicht einmal die einzige Verknallt-Phase heran, die ich mit dir erlebt habe.«

In mir steigt Melancholie auf. »Und das war etwas völlig anderes.«

»Es wäre toll, dich wieder so glücklich zu sehen.«

»Anscheinend ist Eagle Falls der falsche Ort dafür.«

»Nach den letzten Stunden habe ich eine andere Theorie.«

»Und die wäre?«

»Dass Callum dich nicht nur tief verletzt hat, sondern nachhaltig.«

»Hm.« Ich runzle die Stirn und versuche, mich auf diesen Gedanken zu fokussieren, gebe aber mit einem Seufzen auf. »Darüber muss ich in Ruhe nachdenken, ohne Biernebel im Kopf.«

»Mach das. So, und jetzt trinken wir noch einen Black Lady zum Abschluss und gehen nach Hause.«

»Gute Idee.« Schon schaue ich mich nach Sue um, winke sie heran und bestelle den hauseigenen Short-Drink aus schwarzem Johannisbeerlikör, Tequila und Ingwer, sowie die Rechnung.

Am Ende verlassen wir dick vermummt die Bar, haken einander unter und stapfen den geräumten Gehweg entlang. Reden und lachen über witzige Begebenheiten aus dem Hotel, in dem Melinda arbeitet und Callum wohnt. Wobei unser Atem gut sichtbare Wölkchen bildet und wir die behandschuhten Hände in den Jackentaschen vergraben.

Nach gut einem Drittel des Weges müssen wir jeweils in eine andere Richtung und wir verabschieden uns mit einer festen Umarmung.

Sie seufzt. »Schlaf gut, wir sehen uns morgen.«

»Ebenfalls.«

»Und das Thema Callum ist morgen tabu, okay?«

Mit einem Lachen löse ich mich von Melinda und rücke meine dicke Wollmütze zurecht. »Versprochen.«

»Gut. Deshalb sage ich es dir jetzt noch. Lass dich nicht provozieren, bleib diplomatisch. Und wenn alles nichts hilft, vertröste ihn auf nach dem Konzert. Dann kannst du ihm den Kopf abreißen.«

»Verlockende Idee.«

»Und damit du durchhältst, schicke ich dir jeden Tag eine Extraportion mentale Stärke.«

»Danke, das kann ich gut gebrauchen.«

»Das denke ich mir. Und jetzt ab nach Hause.«

»Genau. Bis morgen.«

Ein letztes Wangenküsschen, dann wenden wir uns ab und gehen auseinander.

Kapitel 4

»Guten Morgen, Mr. Cox. Wie schön, Sie wieder hier begrüßen zu dürfen.«

»Danke, Anthony.« Ich bleibe vor dem Pult stehen und lächle den Mitarbeiter des Hotelrestaurants an, den ich bereits von anderen Aufenthalten kenne. »Wie geht es Ihnen?«

»Sehr gut, ich bin letzten Monat befördert worden.« Stolz deutet er auf sein Namensschild, wo unter dem Namen die Bezeichnung »Stellvertretender Restaurantleiter« abgedruckt ist.

»Meinen Glückwunsch, Sie haben es sich verdient.«

»Vielen Dank, Sir. Ich habe Ihnen auch wieder den hintersten Tisch am Fenster reserviert.«

»Wunderbar. Oh, und ich erwarte heute und morgen einen Gast. Die Rechnung geht auf mich.«

»Natürlich.« Sofort greift er nach dem Stift, fährt mit dem Finger eine ausgedruckte Liste entlang und trägt eine kurze Notiz ein. Blättert zur letzten Seite und notiert mehrere Worte. Dann schlägt er sie zu und deutet in die entsprechende Richtung. »Bitte, folgen Sie mir.«

Hinter ihm laufe ich durch das halb gefüllte Restaurant, bedanke mich am Ziel für den zurechtgerückten Stuhl und nehme Platz.

»Einen Ingwer-Tee mit Honig zum Start, wie immer?«

»Gern, danke.«

Anthony nickt und geht davon. Ruft eine Servicekraft zu sich heran, wechselt ein paar Worte mit ihr und setzt seinen Weg zum Pult fort, wo bereits die nächsten Gäste warten.

Mit einem entspannten Seufzer lehne ich mich zurück, schaue mich im elegant weihnachtlich dekorierten Raum um und schließlich zum Fenster hinaus.

Das Restaurant liegt zwar im Erdgeschoss des Hotels, im rückseitigen Teil und mit Blick auf den Missouri River, doch hinter der Terrasse und der stählernen Begrenzung fällt das tief verschneite Gelände zum Ufer hin stark ab. Dadurch bietet sich eine grandiose Aussicht auf die weißen Hügel auf der anderen Seite des Flusses, die von der Morgensonne angestrahlt werden. Dazu die Wattewolken am hellblauen Himmel, dessen Farbe sich im Wasser spiegelt, und die malerische Szene ist perfekt.

Früher habe ich diesen Anblick gehasst. Mich zwischen den Anhöhen rundherum eingesperrt gefühlt, erdrückt von der Weite. Gleichwohl habe ich inzwischen meinen Frieden mit der Gegend gemacht, kann die entspannende Wirkung genießen. Zumindest vorübergehend, denn bisher war ich nie lang genug hier, dass die alten Gefühle wieder hochkochen konnten.

Und das bleibt hoffentlich auch diesmal so.

»Guten Morgen, Sir.«

Ich schaue zu der Servicekraft auf, die neben mir am Tisch steht. »Guten Morgen.«

»Ihr Ingwer-Tee.« Sie stellt mir die große abgedeckte Glastasse hin, in der frische Ingwerscheiben am Boden schweben, dazu Honig in einem Miniaturglas mit Schraubdeckel.

»Danke.«

Anschließend deckt sie den Platz gegenüber ein und verabschiedet sich mit einem freundlichen Nicken.

Kurz sehe ich ihr nach und entdecke Anthony, der meine Mutter zu mir führt.

Bei ihrem gewohnt lässig-eleganten Anblick wandern meine Mundwinkel automatisch nach oben und ich stehe auf, um sie zu begrüßen.

Der Mitarbeiter geht zur Seite, Mom strahlt mich an. »Oh, Callum!«

»Hi, Mom!« Ich schließe sie in die Arme, drücke sie fest an mich und sauge ihren vertrauten Duft auf.

»Wie schön, dich mal wieder in die Arme zu nehmen.«

»Finde ich auch.« Sanft küsse ich sie auf die Wange, löse mich von ihr und helfe ihr aus der Jacke.

Anthony nimmt sie mir ab, bringt sie zur Garderobe, und ich schiebe ihr den Stuhl zurecht. Mustere ihr hochgestecktes graues Haar und die obligatorische helle Bluse, über der sie einen weit ausgeschnittenen silbergrauen, sanft schimmernden Pullover trägt. »Du siehst toll aus.«

»Danke, mein Junge.« Sichtlich erfreut stellt sie ihre Handtasche zum Fenster hin auf den Boden und deutet mit dem Kinn auf meine Tasse. »Du hast schon bestellt.«

»Nur den Tee.« Ich nehme wieder Platz. »Möchtest du dich selbst am Büfett bedienen oder sollen sie uns etwas zusammenstellen?«

»Oh, ich lasse mich heute gern verwöhnen.«

»Gute Wahl.« Folglich schaue ich mich nach einer Servicekraft um, bestelle uns ein Deluxe-Frühstück inklusive frisch gepresstem Orangensaft, Champagner und Milchkaffee.

Dann süße ich meinen Ingwer-Tee mit Honig, trinke zwei Schlucke und schaue sie an. »Wie war deine Woche?«

»Nicht besonders aufregend.« Lächelnd winkt sie ab, gibt aber einige Anekdoten zum Besten. »Und bei dir?«

Also berichte ich von meiner Arbeit am Album und im Studio, dem dafür geplanten Duett mit einer bekannten Country-Sängerin aus Knoxville.

»Wie dumm, dass du die Aufnahmen jetzt unterbrechen musst.«

»Kein Problem, diese Woche für die Gewinnspielaktion war eingeplant. Außerdem ist es oft hilfreich, zwischendurch eine Pause zu machen. Um die Songs mit etwas Abstand bewerten zu können. Sowohl für die Technik als auch für mich.«

Auf ihrem Gesicht mit den hohen Wangenknochen breitet sich ein Lächeln aus und die Fältchen um ihre Augen vertiefen sich.

Die Augen, die mich jedes Mal im Spiegel anschauen.

»Ich bin wirklich sehr froh, dass du mir letztes Jahr deinen Arbeitsalltag in Nashville gezeigt hast, sonst würde mir noch immer das Verständnis dafür fehlen, woraus dein Beruf neben komponieren und singen besteht.«

»Ja, das wird von Außenstehenden sehr oft unterschätzt.«

Zwei Servicekräfte schieben einen Servierwagen neben unseren Tisch, auf dem diverse Platten sowie eine Etagere mit einer Auswahl an süßen und herzhaften Gebäckstücken stehen. Dazu stellen sie uns ein Stövchen mit einer Schale Rührei sowie Saft und Champagner auf den Tisch. Dann wünschen sie uns guten Appetit und entfernen sich.

Ich nehme mein Champagner-Glas und halte es ihr hin. »Auf ein schönes Weihnachtsfest.«

»Und dass du endlich mal länger zu Hause bist.« Sie stößt mit mir an, trinkt einen Schluck und stellt es wieder ab. Mustert voller Freude über das Angebot. »Mmh, das sieht wunderbar aus.«

»Lass es dir schmecken.« Ich lege mir die Serviette über den Schoß, nehme mir als Erstes eines der Schälchen mit frischem Obstsalat und gebe noch Joghurt obendrauf. »Was gibt es denn so an Neuigkeiten?«

Beim neuesten Klatsch und Tratsch aus Eagle Falls genießen wir unser Frühstück.

Plaudern über Entwicklungen in der Stadt sowie dem Cascade County, wonach meine Mutter dazu übergeht, mir von einigen meiner ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschüler zu berichten.

Schon aufgrund ihrer Tätigkeit im Krankenhaus hört und sieht sie eine Menge, Schönes wie Unangenehmes. Darüber hinaus ist sie in diversen Gruppen aktiv, von Sport bis Handarbeit, und hat ständig Kontakt zu vielen der Eltern.

»Oh, da fällt mir etwas ein. Du warst doch mit Trace Robbinson befreundet.«

Sofort sehe ich meinen damals besten Kumpel vor mir. Blonde Locken, eisblaue Augen, strahlendes Lächeln, Pferdenarr.

»Scheiße, ja! Er war einer der wenigen, die mich nicht für meinen Lebenstraum verurteilt haben.«

»Seid ihr nach der Highschool in Kontakt geblieben? Ich kann mich nicht erinnern.«

»Vielleicht ein oder zwei Jahre. Ich weiß nur, dass er in Arizona Pferdewirtschaft studiert hat und anschließend auf großen Gestüten internationale Erfahrung sammeln wollte. Leider hatten wir schließlich beide zu viel um die Ohren und die Kommunikation ist eingeschlafen.«

»Dann solltest du die Tage nutzen und ihn besuchen.«

Ich runzle die Stirn. »Ist er etwa in der Gegend?«

Sie lächelt und nickt. »Er hat dieses Jahr die alte Russell Ranch gekauft und baut das Gestüt weiter aus.«

»Nein!« Ich lache leise. »Wer hätte das gedacht.«

»Man hört, er habe einen respektablen Berufsweg hinter sich und zuletzt einen Betrieb in Kentucky geführt. Und die Ranch läuft ebenfalls schon rentabel, hat mir seine Mutter berichtet.«

»Wow, das ist toll! Du hast recht, ich werde ihn besuchen. So bald wie möglich.«

»Sobald ich weg bin, hast du Zeit, fahr doch direkt hin.«

»Was hast du denn vor?«

»Heute Nachmittag wird der Weihnachtsmarkt neben dem Rathaus eröffnet, da treffe ich mich immer mit meinen Freundinnen.«

»Und du fragst nicht einmal, ob ich mitgehen möchte?«

Mom hebt eine Braue und schaut mich skeptisch an. »Sonst versteckst du dich doch immer.«

»Diesmal bin ich offiziell hier.«

»Aber offiziell hast du nie erwähnt, woher du genau stammst.«

»Unter anderem zu deinem Schutz.«

»Willst du den jetzt aufgeben?«

»Natürlich nicht, deshalb werde ich meinen Agenten schnellstmöglich dahingehend in die Spur schicken. Aber ich habe das Gefühl, dass ich es nicht mehr lange verheimlichen kann. Und dann kommen all die Leute zum Vorschein, die natürlich immer gewusst haben, dass mal ein Country-Star aus mir wird.« Ich höre selbst, welch bitteren Unterton meine Stimme angenommen hat, und seufze. »Sorry, ich wollte nicht davon anfangen.«

»Ach, Callum. Es wird Zeit, dass du damit abschließt. Scheiß auf die Leute, die nicht an dich geglaubt haben. Es gab genug, die es getan haben. Und die anderen haben dich durch ihr Verhalten nur noch stärker gemacht.«

»Auf diese Weise habe ich das nie betrachtet.«

»Warum nicht? Dein Eigensinn und deine Beharrlichkeit sind seit deinem letzten Highschool-Jahr stetig gewachsen. Und ich glaube, das war sehr förderlich für deine Karriere.«

»Das stimmt. Trotzdem musste mich erst Sharon entdecken und unter ihre Fittiche nehmen.«

»Das war nur ein kleiner Schubs ins Scheinwerferlicht. Danach haben alle kapiert, wie gut du bist.«

Auf meinem Gesicht breitet sich ein dankbares Lächeln aus. »Danke, Mom.«

»Wofür?«

»Dafür, dass du so bist, wie du bist. Und mich liebst. Alles.«

Sie winkt ab, wirkt verlegen. »Ich bin deine Mutter. Wie könnte ich das nicht?«

»Solche schlechten Beispiele gibt es zur Genüge.«

»Dann sei froh, dass du es besser getroffen hast.«

Kurz denke ich an meinen Vater, doch ich verdränge es und ergreife ihre Hand. »Du bist die Beste.«

»Das will ich doch hoffen.« Sie zwinkert mir zu, leert ihre Tasse.

»Hast du noch Zeit für einen Kaffee?«

»Natürlich.«

Folglich bestelle ich zwei weitere Tassen, esse das letzte Stück meines Croissants und spüle den Bissen mit dem kalten Rest Milchkaffee hinunter. »Sag mal, warum hast du mir eigentlich nicht erzählt, dass Paige längst wieder hier lebt?«

»Habe ich nicht?« Erstaunt sieht Mom mich an.

»Nein.«

»Tut mir leid, das war keine Absicht. Warum fragst du?«

»Na ja, ich war ziemlich überrascht, dass sie inzwischen bei der Stadtverwaltung arbeitet und praktisch für meinen Auftritt hier verantwortlich ist.«

Sie lächelt. »Das Video war richtig gut. Sie hat was auf dem Kasten, oder?«

»Könnte man so sagen.«

»Trefft ihr euch, solange du hier bist?«

»Bis zum Konzert sehen wir uns vermutlich jeden Tag, denn sie betreut mich.«

»Oh, wie schön!«

Ich verziehe das Gesicht. »Ich glaube, da ist sie anderer Meinung.«

»Habt ihr euch etwa immer noch nicht ausgesprochen?«

»Nein, ich habe sie seitdem nicht gesehen und auch sonst keinen Kontakt gehalten.« Ich nehme eine Erdbeere, stecke sie mir in den Mund.

Hebe den Blick, sehe sie an und entdecke eine Mischung aus Neugier und Nachdenklichkeit auf ihrem Gesicht.

Doch entgegen meiner Befürchtung hakt sie nicht nach. Löffelt ihren Obstsalat, zuckt schließlich lässig mit den Schultern. »Leider treffe ich Rose, ihre Mutter, nur selten und eher zufällig. Ich glaube, das letzte Mal bei der Feier zum Unabhängigkeitstag. Da hat sie noch erzählt, wie traurig sie über Paiges Scheidung ist, die war im Herbst letzten Jahres.«

Mein Magen zieht sich zusammen. »Kennst du ihren Mann?«

»Nur vom Sehen her, ist bei der Air Force. Laut Rose ein netter Kerl.«

Gedankenverloren starre ich vor mich hin.

Paige hat gesagt, sie sei vor vier Jahren hergekommen. Demnach waren sie nicht lange zusammen. Weder vor noch während der Ehe.

Ob sie gerade Single ist?

»Keine Ahnung, das musst du sie schon selbst fragen.«

Verdammt, habe ich das etwa laut gesagt?

Ertappt schaue ich meine Mutter an, begegne einem vielsagenden Schmunzeln und atme tief durch, gebe mich lässig. »Mal sehen.«

»Bestell ihr auf jeden Fall liebe Grüße.«

»Mache ich.«

»Und ich würde mich sehr freuen, wenn du sie mal zum Essen mitbringst.«

Ich verdrehe die Augen und stöhne. »Ach, Mom.«

 

*

 

Nach dem Frühstück fährt meine Mutter nach Hause und ich mache einen Spaziergang durch den Riverside Park. Wo es so still ist, dass ich unweigerlich meinen Gedanken lausche.

Das Wiedersehen mit Paige hat mich ein wenig aus der Bahn geworfen und –

Ach, Bullshit, wem will ich etwas vormachen?

Es hat mich aufgewühlt, und zwar gründlich.

Zugegeben, nach dem Abschlussball und meiner überstürzten Flucht habe ich ständig an sie gedacht, doch im Laufe der Jahre ist es weniger geworden und in letzter Zeit nur selten vorgekommen. Vor allem bei emotionalen Tiefpunkten.

Ich war mir sicher, das Thema wäre beendet.

Wie schnell es hochgekocht ist, hat mich jedoch eines Besseren belehrt.

Mich bis in den Schlaf verfolgt und beschäftigt.

Sie ist noch immer verdammt sauer auf mich, das spüre ich. Einige ihrer Bemerkungen waren mehr als eindeutig.

Allerdings scheint das meinen Eigensinn und Kampfeswillen, die meine Mutter vorhin so hervorgehoben hat, erst recht anzustacheln.

Paige will mich nicht in ihrem Privatleben?

Tja, das gedenke ich zu ändern.

Wobei da meine Beharrlichkeit ins Spiel kommt.

Sie steht mir den ganzen Tag zur Verfügung, also werde ich diese Zeit nutzen.

Um sie davon zu überzeugen, dass ich weder ein Arschloch bin noch war.

Sie für mich zu gewinnen.

Zu verführen.

Scheiße, ja, mir ist bewusst, dass sie mir gefährlich werden könnte.

Gefährlicher als jede andere Frau.

Aber eines ist mir bereits klargeworden.

Ich will sie.

Und diesmal versaue ich es auf gar keinen Fall.

Am Ende kehre ich bester Laune und voller Tatendrang zum Hotel zurück.

Möchte am liebsten inkognito zu diesem Weihnachtsmarkt fahren und sehen, ob Paige ebenfalls da ist. Ihr nachlaufen, sie beobachten.

Stattdessen steige ich in meinen geländegängigen Leihwagen, suche im Internet die Zieladresse heraus und gebe sie ins Navigationsgerät ein.

Die Fahrt geht Richtung Süden, immer am Missouri River entlang, und die Straßen werden schlechter.

Bis zur südlichen Stadtgrenze waren sie sauber geräumt, dahinter weniger gründlich. Doch nach einem abgelegenen Trailerpark mit Tankstelle sowie Gemischtwarenladen muss ich schließlich abbiegen. Auf eine Strecke, die anscheinend so wenig befahren wird, dass eine Räumung irrelevant ist.

Immerhin ist der Schnee halbwegs festgefahren und noch ohne Glätte, sodass ich dank des Allradantriebs und der entsprechenden Bereifung sicher vorankomme.

Hinter der zweiten Flussschleife fordert die nette Stimme mich erneut auf, in eine Privatstraße abzubiegen. Durch die Seitenteile eines alten Holztores, eine Unterbrechung im kaum sichtbaren, unendlichen Stacheldrahtzaun, der die bisherige Straße begleitet hat.

Die Russell Ranch Lane schlängelt sich um eine großflächige Bodenerhebung, biegt dahinter nach Norden ab und bringt mich auf eine Landzunge, um die sich eine weitere Flussschleife windet.

Die erste Abzweigung führt zu einer Art Baumaschinenhof, die zweite zu meinem Ziel, wie auch das große Schild im Westernstil anzeigt, das am oberen Torbogen angebracht ist.

Robbinson Ranch.

Ich fahre hindurch und gelange zu einer weiteren Gabelung, an der ich kurz anhalte, um das Schild zu lesen.

Pfeil nach links – Privat.

Pfeil nach rechts – Ställe.

Dort befindet sich ein riesiges zweistöckiges Gebäude aus Holz, dessen Grundstück von einem hohen robusten Metallzaun mit mehreren Querstreben eingefasst ist. Da das Gatter geöffnet ist, steuere ich den Wagen bis zur weihnachtlich geschmückten Veranda, stelle den Motor ab und steige aus.

Im vorderen Bereich des Hauses gibt es keinerlei Türen, nur einige Fenster und ein geschlossenes Rolltor, wie bei einer Garage. Folglich umrunde ich es rechtsherum, unter der Außentreppe zum Obergeschoss hindurch, die in einer Terrasse endet, und finde zum Zaun hin einen Grillplatz mit Holzsesseln und Feuerstelle.

Jetzt erst zeigt sich die Tiefe des Gebäudes, denn ich laufe ein ganzes Stück an der Seitenwand entlang, bevor ich auf der anderen Seite einen großen Hof erreiche.

Hinter mir erklingt ein verhaltenes Wiehern und ich drehe mich um.

Das linke der drei Tore steht offen und ich entdecke eine Person in Arbeitskleidung, die den hinteren Huf eines angebundenen Pferdes kontrolliert.

Ich trete näher. »Entschuldigen Sie bitte?«

Der Kopf fährt hoch und unter dem Cowboyhut zeigt sich ein wettergegerbtes Gesicht mit halb ergrautem Bart. Sofort stellt er den Huf auf den Boden und richtet sich auf. »Sie befinden sich auf Privatgelände. Sind Sie angemeldet?«

»Nein, tut mir leid. Ich suche Mr. Trace Robbinson, ist er da?«

Zwei Sekunden mustert er mich misstrauisch, dann dreht er sich halb um und ruft: »Trace?«

»Ja?«

»Hier sucht dich jemand.«

»Mann oder Frau?«, ertönt eine weibliche Stimme aus einer anderen Richtung.

Ich grinse. »Ich bin ein alter Freund.«

Der Mann vor mir gibt es weiter.

»Okay, dann können wir ja weitermachen.« Die Frau lacht.

»Ganz genau, ihr sollt arbeiten.« Eine weitere männliche Stimme.

Auf dem Betonfußboden erklingen Schritte, kommen näher.

Kurz darauf erscheint ein großer Kerl in Westernstiefeln, Jeans und gefüttertem Karohemd, das über seinen breiten Schultern und den kräftigen Armen spannt. Zum Dreitagebart trägt er das Haar sehr kurz und nur auf dem Oberkopf etwas länger, sodass sich die Locken kringeln. Doch am Ende erkenne ich ihn vor allem an seinen Augen, die mich fragend mustern.

Schließlich sieht er mich direkt an, bleibt wenige Schritte vor mir stehen und runzelt die Stirn.

Ich grinse. »Hey, TR.«

Da reißt er die Augen auf, lacht ungläubig. »Das darf nicht wahr sein. CC!«

Gleichzeitig treten wir aufeinander zu, umarmen uns fest und schlagen einander auf die Schultern.

»Unglaublich.« Trace weicht zurück. »Was machst du hier?«

»Lange Geschichte. Mom hat mir vorhin von deiner Ranch erzählt. Wie kommt’s?«

»Auch eine lange Geschichte. Hast du Zeit?«

»Zumindest bis heute Abend.«

»Bestens.« Erneut klopft er mir auf die Schulter, wendet sich zu dem älteren Mann um. »Wir fahren zum Haus rüber. Kümmerst du dich gleich um Destiny?«

»Kein Problem.« Damit widmet der sich wieder dem Pferd, hebt den nächsten Huf an.

»Komm mit.« Trace deutet mit einem Nicken zur Vorderseite des Gebäudes und geht linksherum voran. Dort parkt ein schwerer Dodge RAM und er öffnet die Tür, sieht mich an. »Willst du mitfahren oder mir nachfahren?«

»Ich folge dir.« Damit beschleunige ich meinen Schritt, steige in meinen Wagen und lenke ihn hinter Trace über eine neue asphaltierte Straße zu dessen Privathaus.

Ein schicker Neubau in Weiß und grauem Naturstein, mit dekorativen Giebeln und breitem Garagenbereich, der auf einer Anhöhe steht. Und hinten raus gibt es darunter eine weitere Etage.

Mein alter Freund stellt den Pick-up mit zusätzlicher Rückbank vor dem Einzeltor ganz rechts ab, und ich parke neben ihm, vor der Doppelgarage.

Auf dem Weg zum Eingang haut er mir erneut auf die Schulter. »Scheiße, tut das gut, dich zu sehen.«

»Finde ich auch. Ist viel zu lange her.«

Er öffnet die Haustür. »Dann herzlich willkommen in meinem bescheidenen Heim.«