Skandal um die schöne Duchess - Louise Allen - E-Book

Skandal um die schöne Duchess E-Book

Louise Allen

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Beschreibung

Die schöne Duchess Sophie ist entsetzt: Die Tagebücher ihres jüngst verstorbenen Ehemannes wurden entwendet! Würden die brisanten Aufzeichnungen ihres boshaften Gatten öffentlich gemacht, wäre der Skandal perfekt. Sie muss die Tagebücher wiederbekommen – und wird an den geheimnisvollen Nicholas Pascoe verwiesen. Der Mann ist ihr ein Rätsel, doch bei dem Funkeln in seinen Augen überkommt Sophie eine nie gekannte Erregung. Plötzlich weiß sie nicht mehr, was gefährlicher ist: die riskante Mission – oder die unbezähmbare Anziehungskraft zwischen ihnen?

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Seitenzahl: 370

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IMPRESSUM

HISTORICAL erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2023 by Melanie Hilton Originaltitel: „A Rogue for the Dutiful Duchess“ erschienen bei: Harlequin Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe 2024 in der Reihe HISTORICAL, Band 408 Übersetzung: Eleni Nikolina

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751526708

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, TIFFANY

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1. KAPITEL

1. Oktober 1816, Vine Mount House, Norfolk

Ihre Gnaden Sophia Louisa Andrea Delavigne, Duchess of St. Edmunds, saß in einem prächtigen, reichgeschnitzten Sessel, wie ihn ihre Würde verlangte, atmete tief durch und sah nach unten, um sich zu vergewissern, dass ihre Hände ruhig in ihrem Schoß lagen und nichts verrieten außer gelassene Zuversicht. Der Anblick der fliederfarbenen Seide ihres Kleides verschaffte ihr eine solche Freude, dass sie für einen Augenblick vergaß, sich zu konzentrieren.

Farbe. Nach einem Jahr, in dem sie nur Schwarz getragen hatte, wusste sie, dass mindestens eine Woche vergehen musste, bevor sie ihr Entzücken darüber unterdrücken würde, endlich wieder Farben tragen zu können – und seien es auch nur die verhaltenen Schattierungen der Halbtrauer. Der kleine Freddie schien es schwierig zu finden, sich an ihren Anblick zu gewöhnen, aber er war ja auch erst ein Jahr alt und hatte seine Mutter noch nie etwas tragen sehen, das nicht dem Gefieder einer Krähe ähnelte.

Sophie empfand einen kleinen Stich, als sie an sein Gesicht von vor sieben Tagen dachte. Er hatte ihren Rock berührt und verwundert zu ihr aufgesehen. „Mama?“

„Ja, es ist wirklich deine Mama“, hatte sie gesagt. „Schau mal, was für ein hübsches Kleid ich zu deinem ersten Geburtstag angezogen habe.“

Er hatte gelächelt und sie bewundernd mit seinen blauen Augen, die so sehr denen seines Vaters ähnelten, betrachtet. Dann hatte er auf seine spitzbübische Art gekichert – die er ganz gewiss nicht vom verstorbenen Duke geerbt hatte.

Ein Räuspern riss sie aus ihren Gedanken.

Sie sah auf und bemerkte ihren Verwalter Duncan Grant an der offenen Tür. „Mr. Grant.“

„Euer Gnaden“, sagte ihr Kindheitsfreund mit der Förmlichkeit, die er in der Öffentlichkeit immer an den Tag legte. „Er ist gekommen.“

„Dann begleiten Sie ihn bitte herein.“

Sie musste darauf vertrauen, dass ein Mensch, den Duncan weiterempfahl, schon irgendwie mit der Situation fertigwerden würde.

„Er lässt Probleme einfach verschwinden“, hatte er ihr versichert, als sie vor sechs Tagen – blass und zitternd vor Entsetzen und Wut über ihre Entdeckung – zu ihm gegangen war. „Er ist wirklich hervorragend darin.“

Das hatte sie sehr beruhigt, aber Duncan hatte schon immer diese Wirkung auf sie gehabt – seit damals, als er, der achtjährige Sohn des Pfarrers, die fünfjährige Lady Sophia Masterton aus dem Ententeich des Dorfes gefischt und ins Schloss zurückgeschmuggelt hatte, ohne dass es jemand bemerkte. Nicht einmal ihre Nanny.

Wenn Duncan einen Mann gefunden hatte, der Erfahrung darin besaß, Probleme aus der Welt zu schaffen, dann war es zweifellos ein väterlicher ehemaliger Bow Street Runner oder vielleicht ein großer, tüchtiger Soldat. Schließlich kannte Duncan ihn aus seiner Armeezeit, wenn er auch seltsamerweise nicht in Einzelheiten gehen wollte.

„Nicholas Pascoe, Euer Gnaden.“

Also aus Cornwall, dachte Sophie und hörte einen verwirrenden Moment lang auf, noch mehr zu denken, als der Mann an Duncan vorbei den Raum betrat.

Hier handelte es sich nicht um ein Mitglied der bekannten Londoner Polizeitruppe in den mittleren Jahren, mit rotem Gesicht und einer ausladenden Figur und auch nicht um einen breitschultrigen, säbelschwingenden Armeeoffizier. Nichts an diesem Mann erinnerte an einen Säbel.

Hochgewachsen, elegant und sehr gefährlich. Vielmehr an einen Degen.

Er stand jetzt vor ihr, den Blick unverwandt auf sie geheftet. Aber warum hatte sie dann den Eindruck, dass er den Raum und alles darin in allen Einzelheiten hätte beschreiben können, sie selbst nicht ausgenommen?

Allerdings war sie die Duchess of St. Edmunds. Sie war zwanzig Jahre lang dazu erzogen worden, eine der höchsten Positionen in der Gesellschaft einzunehmen, und sie hatte sie auch vier Jahre lang innegehabt. Diese Erfahrung hatte sie gelehrt, niemals ihre wahren Gefühle zu verraten. Vielleicht war es sogar die wichtigste Lektion von allen.

„Mr. Pascoe. Guten Tag.“

„Guten Morgen, Duchess. Pascoe reicht völlig.“

Nur ein Bekannter von Rang durfte sie mit „Duchess“ ansprechen statt „Euer Gnaden“. Aber das bedeutete, dass er nicht nur ein Gentleman, sondern sogar von Adel sein musste. Es gehörte zu ihren Pflichten, die Peerage, das Verzeichnis des britischen und irischen Adels, zu kennen und sich in dem noch umfangreicheren Band über den Landadel wenigstens ungefähr zurechtzufinden. In beiden Büchern wurden einige Pascoes erwähnt, aber diesen Mann konnte sie nicht einordnen.

Sophie ließ zu, dass er ihr mildes Erstaunen und ihren leichten Unwillen bemerkte. Er erwiderte ihren Blick ruhig und völlig unerschrocken. Eine Duchess errötete nicht, wenn ein Mann sie ansah, und Pascoes Blick war nicht wollüstig. Nichts auch nur annähernd Unverschämtes ging von ihm aus, und doch spürte sie, wie ihre Wangen heiß wurden. Irgendwie wusste sie, dass er sie als Frau wahrnahm, und ihr selbst war gewiss nicht entgangen, dass er ein Mann war.

„Bitte nehmen Sie Platz. Pascoe.“

„Ich ziehe es vor zu stehen, Ma’am.“

Zum Kuckuck mit ihm. Das hieß, sie würde sich weiterhin seine langen Beine, die schmalen Hüften und die ganze elegante, in Schwarz gehüllte Erscheinung ansehen müssen. Seine Schultern waren auch mehr als breit genug, stellte sie fest. Er schien nur nicht das Bedürfnis zu verspüren, damit zu prahlen.

„Mr. Grant hat Ihnen wohl erklärt, dass ich mich in einer Situation befinde, die einer Lösung bedarf“, begann sie.

„Er sagte mir, dass Sie ein Problem haben, Duchess. Ich beschäftige mich damit, Probleme zu beseitigen.“

„Und wie erreichen Sie das?“

„Die Mittel brauchen Sie nicht zu beunruhigen, Duchess. Was ich Ihnen versichern kann, ist, dass es diskret geschieht und von Dauer sein wird.“

„Und auch legal, hoffe ich“, warf sie ein, als sie sich ihn plötzlich vorstellte, wie er mit kühlem Geschick Leichen aus dem Weg schaffte.

„Gewiss … wenn Sie darauf bestehen“, erwiderte Pascoe, ohne die Miene zu verziehen.

„Natürlich bestehe ich darauf“, sagte Sophie, bevor ihr bewusst wurde, dass er sich über sie lustig machte. Warum sie das wusste, konnte sie sich nicht erklären, aber es war ein sehr beunruhigendes Gefühl. Man machte sich nicht über eine Duchess lustig, nicht einmal über die seltene Kombination, die sie selbst darstellte – eine junge, verwitwete Duchess.

„Vielleicht möchten Sie mir die Art des Problems erklären, das einer Lösung bedarf“, sagte er.

Er sprach genauso ruhig mit ihr wie ihr Arzt, wenn er nach den Symptomen einer leichten Magenverstimmung fragte. Sie hatte sich für diesen Moment gewappnet – für die Notwendigkeit, Einzelheiten ihrer Ehe zu beschreiben, die sie sehr viel lieber niemandem enthüllt hätte.

„Ich war die zweite Frau des verstorbenen Dukes“, begann sie gefasst. „Die erste Duchess hatte leider keine Kinder bekommen.“ Das war natürlich allgemein bekannt. Das Übrige weniger. „Der Duke hielt sich viele Jahre lang eine Geliebte. Die ganze Zeit über dieselbe … Person. Sie besaß ihre persönliche Suite in allen Häusern des Dukes, einschließlich dieses Hauses.“

Das rief allerdings doch eine Reaktion hervor. Pascoe hob eine dunkle Augenbraue. Dass ein Adliger sich eine Geliebte hielt, konnte niemanden überraschen, dass sie jedoch im selben Haushalt wohnte wie seine Ehefrau, war etwas sehr Ungewöhnliches.

„Eine Situation, die Sie tolerierten?“, fragte Pascoe.

„Eine Situation, die ich erbte. Mein Mann war dreißig Jahre älter als ich.“ Jetzt hob sie eine Augenbraue. „Sie werden verstehen, dass es sich bei unserer Verbindung nicht um eine Liebesehe handelte, in der Seine Gnaden völlig seinen Lebenswandel für mich auf den Kopf gestellt hätte.“

Sie war dazu erzogen worden, ihre Pflicht zu kennen und sie zu erfüllen. Und die bestand darin, für einen Mann von hohem Rang die vollkommene Frau zu sein, seine Kinder zu bekommen – natürlich Söhne und so bald wie möglich – und zu sichern, dass sein Leben und sein Haushalt so reibungslos abliefen, wie er es wünschte. Dazu gehörte nicht, dass sie versuchte, eine Geliebte, mit der er seit fünfzehn Jahren zusammengelebt hatte, zu entfernen – eine Frau, die er geheiratet hätte, wäre sie eine Dame von Adel gewesen und keine hinreißend schöne Operntänzerin.

Auch der Duke hatte seine Pflicht gekannt, die ihm befahl, eine Dame von makelloser Herkunft zu heiraten. Dass seine erste Frau sowohl unfruchtbar als auch kränklich gewesen war, hatte ihn schwer getroffen. Nicht, wie Sophie vermutete, weil sie eine besonders große Zuneigung zueinander gehegt hätten, sondern weil er sich nichts mehr gewünscht hatte als einen Erben. Sechs Monate bevor das Trauerjahr vorüber war, hatte der Duke sich eine zweite Frau genommen – Lady Sophia Masterton, älteste Tochter des Marquess of Radley und zwanzig Jahre alt. Dreißig Jahre jünger als der Duke.

„Wie Sie sicher wissen, war mein Mann politisch sehr aktiv. Er war ein sehr einflussreicher Mann in der Regierung und Vertrauter des Prinzregenten. Er kannte alle, und wichtiger noch, er kannte ihre Geheimnisse und Schwächen.“ Sie atmete tief durch. „Mein Mann führte sein Leben lang Tagebücher. Sehr umfangreiche, sehr detaillierte, sehr freimütige Tagebücher. Ich glaube, ich zeige Ihnen besser das Ausmaß des Problems.“

Sie erhob sich, und Duncan Grant, der die ganze Zeit unaufdringlich im Schatten im hinteren Teil des Raums gestanden hatte, öffnete für sie eine Tür in der Wandtäfelung.

„Wenn Sie mit mir kommen möchten, Pascoe, zeige ich Ihnen das Arbeitszimmer des verstorbenen Dukes.“

Nick folgte der kerzengeraden Gestalt. Ihre fliederfarbenen Röcke raschelten mit leicht aufreizendem Schwung, der gewiss unbeabsichtigt war. Diese Frau schien sich ihrer Anziehungskraft gar nicht bewusst zu sein.

Grant hatte ihm nicht gesagt, was ihn erwarten würde, obwohl Nick seine Erkundigungen eingezogen hatte und das Alter der Duchess kannte. Grant hatte ihn allerdings nicht auf ihre Schönheit vorbereitet. Vielleicht fiel einem das Aussehen einer Frau nicht mehr auf, wenn man sie seit ihrem fünften Lebensjahr kannte. Nur so ließ es sich erklären. Sein alter Armeekamerad hatte nie an schlechtem Sehvermögen gelitten oder einem Mangel an Interesse für das schöne Geschlecht.

Sie war hochgewachsen für eine Frau und schlank, besaß aber auch verführerische Rundungen, honigblondes Haar, haselnussbraune Augen mit grünen Sprenkeln, blasse Haut, schlanke, elegante Hände mit nicht mehr Schmuck als zwei schlichten Ringen. Eine Dame von Geschmack und Anmut – und mit bemerkenswerter Selbstbeherrschung, nach dem zu urteilen, was sie bisher gesagt hatte.

Die Duchess hielt vor einer getäfelten Tür inne. „Hat Grant Ihnen erklärt, worum es bei dem Problem geht?“

„Nein. Nur dass etwas fehlt. Er sagte mir, Sie würden es vorziehen, es mir selbst zu erklären.“

Er nahm an, es ging um die Tagebücher. Sie gehörte nicht zu den Frauen, das konnte er jetzt schon sagen, die belanglose Dinge ins Gespräch brachten.

Sie öffnete die Tür, und er folgte ihr in einen Raum, der gut und gern in Ackermanns Zeitschrift als Beispiel für das elegante Arbeitszimmer eines Adligen hätte dienen können. Er musterte den enormen Schreibtisch, die schweren Samtvorhänge und offenen Regale, in der sich offenbar die Bibliothek für den täglichen Bedarf befand – ohne Zweifel gab es im Erdgeschoss eine sehr viel größere Sammlung –, und die hohen Ledersessel.

Ein großer Bücherschrank mit mehreren Schlüssellöchern und Glastüren war mit einer ganzen Reihe von Büchern mit rotem Ledereinband und Goldbuchstaben vollgestellt.

„Die Tagebücher meines Mannes“, sagte die Duchess. Sie zog an einer Kette, die sie um den Hals trug, und enthüllte einen Schlüssel.

Nick verdrängte den Gedanken, dass der Schlüssel noch warm sein musste von ihrer Haut, und sah nur zu, wie sie den Bücherschrank aufschloss. Er trat näher und entdeckte, dass es sich bei der Beschriftung auf den Buchrücken um Daten handelte.

„Auf den ersten Blick scheinen es mindestens fünfzig Bände zu sein“, sagte er.

„Der Duke begann, Tagebuch zu schreiben, als er achtzehn Jahre und noch auf der Universität in Oxford war. Er füllte oft mehr als ein Buch im Jahr, ganz besonders in den letzten Jahren. Meist ließ er ein Dutzend Bücher auf einmal binden und fügte dann später die Daten auf den Rücken selbst hinzu.“ Sie hatte eine schlanke Hand auf den Rand der Tür gelegt. „Mir fiel zunächst nicht auf, dass etwas nicht stimmte. Selbstverständlich beaufsichtige ich den Haushalt im gesamten Haus, so auch in diesen Räumen, die zurzeit nicht genutzt werden. Erst als ich erkannte, dass sie gegangen war, kam es mir in den Sinn zu überprüfen, ob auch nichts … entfernt worden war.“

Sie wies auf das unterste Regal, und Nick bemerkte, dass die letzten vier Buchrücken nicht beschriftet waren.

„Diese sind noch unbeschrieben. Sie sind vom Schrank dort drüben heruntergenommen worden, damit die Lücken nicht auffallen.“

„Als Sie vorhin ‚sie‘ sagten, nehme ich an, dass Sie die Geliebte Ihres verstorbenen Gatten meinten.“ Die Duchess nickte knapp. „Aber wenn ich recht verstehe, haben Sie den Verlust erst vor wenigen Tagen entdeckt. Hat sie das Haus auf irgendeine Weise wieder betreten?“

Die vollen, weichen Lippen pressten sich kurz fest zusammen. „Im Testament des verstorbenen Dukes wurde ihr die Nutzung ihrer Suite in diesem Haus für ein weiteres Jahr nach seinem Tod zugebilligt. Er hat ihr auch ein Stadthaus in London hinterlassen. Ich bemühte mich lediglich, ihr in diesem Jahr nicht zu begegnen. In einem Haus von dieser Größe war das einfach, weil ihre Räume einen eigenen Eingang im Erdgeschoss besitzen. Nach einem Jahr und einem Tag ging ich dann zu ihr, um ihr zu sagen, dass sie gehen muss. Ich wollte sie nicht länger im selben Haus mit meinem Sohn wissen, als sein Vater festgelegt hatte.“

„Und sie war schon gegangen?“

„Ja. Alles Tragbare und Wertvolle schien aus der Suite entfernt worden zu sein. Ihr Eingang befindet sich an der Seite des Hauses. Sie hatte ihre eigenen Ställe und Diener. Es wäre vollkommen möglich für sie, all das zu erreichen, ohne das meine Dienerschaft etwas davon bemerkt hätte, wenn es in den frühen Morgenstunden und voller Sorgfalt geschehen ist. Und ich habe jeden Grund zu glauben, dass sie sehr sorgfältig ist.“

„Wie heißt sie?“, fragte Nick. Das hätte er von Anfang an klären müssen, aber diese Frau brachte ihn völlig aus dem Konzept.

„Sie nennt sich Estella Doucette. Ich denke aber nicht, dass es der Name ist, mit dem sie geboren wurde.“

„Süßer Stern? Eine poetische Wahl.“

Die Duchess zuckte die Achseln – eine elegante Bewegung, die eher französisch wirkte als Estellas falscher Name.

„Sie war Operntänzerin, als er sie kennenlernte, und noch keine zwanzig. Jetzt ist sie um die fünfunddreißig Jahre alt, vermute ich. Da sie ihre Suite völlig geleert hatte, kam mir der Gedanke, dass es klug wäre, den Safe im Arbeitszimmer meines Mannes zu überprüfen, wo er den Schmuck aufbewahrt. Aber der war noch intakt. Ich weiß nicht, warum ich plötzlich an die Tagebücher dachte. Im Testament wird verlangt, dass sie fünfundsiebzig Jahre verschlossen bleiben sollen, und ich dachte, ich habe den einzigen Schlüssel. Aber als ich nachsah, stellte ich fest, dass die Bücher für dieses Jahr und das davor fehlten und mit diesen leeren Bänden ausgetauscht worden waren.“

Sie verschloss den Bücherschrank.

„Ich schlage vor, dass wir in den Salon zurückkehren.“

„Ich muss mir ihre Suite ansehen und diesen Raum untersuchen.“

„Später. Duncan Grant kann Ihnen zeigen, was Sie sehen möchten – aber nicht die verbliebenen Tagebücher.“

Sie ging ihm voraus, ohne sich umzudrehen, um zu sehen, ob er ihr folgte, und Nick wusste natürlich, dass eine Duchess absoluten Gehorsam von ihren Angestellten gewohnt war. Das könnte interessant werden. Er hatte bereits in der Armee endgültig genug davon gehabt, Befehle zu befolgen, ganz zu schweigen von seiner Zeit vor der Armee.

Die Duchess klingelte, um den Tee bringen zu lassen. „Setzen Sie sich bitte, Pascoe.“

Sie wies auf einen Sessel auf der anderen Seite des niedrigen Tisches. Es klang nicht wie eine Bitte, aber da er wollte, dass sie sich entspannte – soweit sie dazu in der Lage war –, gehorchte er ihr. Er lehnte sich gemütlich zurück, schlug ein Bein über das andere und betrachtete sie, während er vorgab, das Gainsborough-Porträt über ihrer Schulter zu bewundern.

„Können Sie Estella Doucette beschreiben?“

„Ich habe ihr nie direkt gegenübergestanden und kenne sie nur aus der Ferne. Sie ist ungefähr so groß wie ich, schlank und dunkelhaarig. Natürlich wird sie noch immer schön sein“, fügte sie hinzu, wieder mit dem leichten Schulterzucken. „Mein Mann war ein Liebhaber schöner Frauen.“

„Sie ließen ein ganzes Jahr nach dem Tod Ihres Mannes, des Gönners dieser Frau, ihre Anwesenheit unter Ihrem Dach zu.“

Ihre Miene blieb unverändert, aber er sah etwas in ihren großen haselnussbraunen Augen aufblitzen. Zorn?

„Duncan Grant sagt, er würde Ihnen sein Leben anvertrauen. Und ich würde ihm meins anvertrauen – wichtiger noch, das meines Sohnes ebenfalls –, also möchte ich vollkommen offen zu Ihnen sein.“

Das wäre eine angenehme Abwechslung zu vielen seiner Klienten, die offenbar der Meinung waren, er könnte Wunder wirken, ohne im Besitz aller Fakten zu sein – für gewöhnlich fehlten jene, die sie als peinlich empfanden.

Die Duchess faltete die Hände im Schoß. Der Smaragdring an ihrer linken Hand schimmerte im Licht, das durch das Fenster kam. Sie war nicht ganz so gelassen, wie sie zu erscheinen wünschte.

„Ich bin dazu erzogen worden, die Frau eines vornehmen Mannes zu werden und die Mutter seines Erben. Ich kenne meine Pflichten genau. Erstens müssen die Anweisungen im Testament meines Mannes exakt so ausgeführt werden, wie es sein Wunsch war, und das schließt ein, dass ich die Frau ein Jahr lang unter diesem Dach wohnen lasse. Ich hatte nicht die Absicht, sie auch nur einen Tag länger bleiben zu lassen. Zweitens muss ich dafür sorgen, dass mein Sohn so erzogen wird, dass er die Position eines Dukes ausfüllen kann, einen Titel, den er praktisch seit seiner Geburt innehält. Das schließt nicht ein, dass ich zulasse, der Familienname könnte von einem Skandal besudelt werden. Sollte der Inhalt der Tagebücher jedoch öffentlich gemacht werden oder auf irgendeine andere heimtückische Weise benutzt werden, dann wird dieser Name in den Schmutz gezogen.“

Sie lächelte schwach.

„Mein Sohn soll zu einem glücklichen, gesunden Jungen heranwachsen, der seine Pflicht kennt, aber nicht von ihr erdrückt wird.“

„Der Duke starb, sobald Ihr Sohn geboren war?“

„In derselben Nacht. Er feierte die Geburt mit Freunden und scheint auf der obersten Stufe der Haupttreppe das Gleichgewicht verloren zu haben.“

Nick hatte die Treppe gesehen, lang und gerade und aus Marmorstufen bestehend, die auf einem Marmorboden endeten. Ja, er konnte sich gut vorstellen, dass ein Mann mittleren Alters, noch dazu berauscht vom Wein, kaum eine Chance haben würde, einen solchen Sturz zu überleben.

„Eine Tragödie.“

„Ja“, stimmte sie zu. „Aber ich möchte, dass mein Sohn seine Kindheit genießt, soweit es nur möglich ist.“

Er bezweifelte, dass sie ihm enthüllen wollte, wie wenig sie tatsächlich um ihren Mann trauerte. Sie musste sich auf das Ende des Trauerjahrs gefreut haben, auf die Erleichterung, ihr Zuhause von der Anwesenheit der Geliebten ihres verstorbenen Mannes zu befreien. Und sie musste sich auf ein Leben ohne den Mann freuen, der alt genug gewesen war, ihr Vater zu sein.

War sie eine Frau, die leidenschaftliche Gefühle hinter ihrer kontrollierten Fassade verbarg? Oder war durch ihre Erziehung und eine solch lieblose Ehe alle Leidenschaft in ihr erstickt?

„Sie glauben, Estella Doucette hat die Tagebücher an sich genommen, um sie an einen Verleger zu verkaufen? Ich könnte mir vorstellen, dass sie Lady Caroline Lambs Abenteuer übertreffen würden. Oder auch die Memoiren der Kurtisane Harriette Wilson.“

„Genau. Oder sie beabsichtigt, mit der Veröffentlichung zu drohen, um die Leute zu erpressen, die in den Tagebüchern erwähnt werden, oder beides. Ich habe die übrigen Tagebücher gelesen und kann mir den Skandal vorstellen, die eine Veröffentlichung nach sich ziehen würde. Mein Mann hatte Zutritt zum innersten Kreis der Regierung. Er kannte jeden, der einen Namen hat – und er wusste sehr viel über den Prinzregenten. Ich glaube, man sagt dazu: Er wusste, wo die Leichen im Keller liegen. Natürlich bin ich gegen Diebstahl und ebenso gegen Erpressung und die Möglichkeit eines Skandals.“

Die Duchess beugte sich vor, und Nick ertappte sich dabei, dass er sich von ihren schönen Augen faszinieren ließ.

„Aber vor allem bin ich dagegen, dass der Name meines Sohnes darin verwickelt wird.“

Sie lehnte sich wieder zurück und atmete tief durch. Diese Frau erlaubte sich nicht, ihrem Zorn so leicht nachzugeben, vermutete Nick, aber sie würde ihren Sohn beschützen wie eine Tigerin ihr Junges.

„Frederick wird nicht als der Sohn des Mannes bekannt sein, der Regierungen gestürzt, Politiker blamiert und die königliche Familie in Verruf gebracht hat.“

Das bewältigte der Prinzregent schon ohne irgendjemandes Hilfe, wollte Nick ihr schon erwidern, hielt sich aber zurück. Besaß die Duchess überhaupt einen Sinn für Humor? Bisher hatte er noch nichts davon gesehen, aber diese Angelegenheit war ja auch nicht zum Lachen.

„Sind Sie bereit, sie zurückzukaufen? Also die Verleger oder Opfer der Erpressung zu überbieten?“

„Nein.“ Ihre Antwort kam sofort und sehr heftig. „Ich werde dieser Frau keinen Penny von Fredericks Geld geben.“

„Sie möchten also, dass ich sie stehle?“

„Ich möchte, dass Sie gestohlenes Gut wiedererlangen. Das ist ein großer Unterschied.“

„Nun gut. Ich brauche die Adresse ihres Stadthauses und mache mich dann sofort auf die Reise nach London.“

„Nicht ganz sofort, Pascoe. Ich brauche einen Tag, um zu packen und den Haushalt zu organisieren.“

„Sie haben vor mitzukommen? Aber …“

„Und ich nehme meinen Sohn mit.“

Nick konnte sich nicht erinnern, wann ihn jemand je sprachlos gemacht hätte. Die Duchess erwartete nicht nur von ihm, sie nach London zu begleiten, sie wollte sogar ihr einjähriges Kind mitnehmen. Er hatte kaum Erfahrung mit Kleinkindern. Keine, um genau zu sein. Aber er wusste, dass sie ständige Aufmerksamkeit brauchten, sehr viel Gepäck und, da es sich hier um einen kleinen Duke handelte, wahrscheinlich noch eine kleine Armee Bediensteter.

Sie schien allerdings nicht zu denken, dass sie etwas Ungewöhnliches verlangte.

„Wie Sie wünschen, Duchess.“

Der Klient bekam stets, wofür er ihn bezahlte.

Nick passte insgeheim bereits seinen Tagessatz der neuen Situation an.

2. KAPITEL

Sophie schloss die Tür zu ihrem Salon fest hinter sich und trat ans Fenster, aber dieses Mal gelang es der Aussicht auf die grünen Rasenflächen, den schimmernden See und die kunstvoll platzierten Bäume nicht, sie zu besänftigen. Sie hatte ein Problem, und sie war gar nicht sicher, ob die Lösung dafür sich nicht als ein weiteres Problem erweisen würde.

Nicholas Pascoe war respektvoll, obwohl er sie nicht auf die angemessene Weise ansprach. Er machte keine Einwände, wenn sie auch vermutete, dass ihre Absicht, Frederick mitzunehmen, ihn bestürzt hatte, und er benahm sich wie ein vollkommener Gentleman.

Warum hatte sie also noch immer das sichere Gefühl, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte? Es war beunruhigend und völlig ungewohnt für sie. Augustus war immer höflich zu ihr gewesen, selbst im Bett, und sie wusste, dass er in ihr nur das Mittel gesehen hatte, zu seinem ersehnten Erben zu kommen. Darüber hinaus war sie nur noch die Gastgeberin für seine Gäste und eine Art notwendige Verzierung des Hauses gewesen. Wenn ein Möbelstück in der Lage gewesen wäre, all ihre Aufgaben zu erfüllen, wäre er ebenso zuvorkommend zu einer Kommode gewesen.

Da sie ausnahmsweise einmal allein war, erlaubte sie sich ein Kichern bei der absurden Vorstellung. Doch schnell wurde sie wieder ernst. Das war etwas, was sie von jetzt an in Betracht ziehen musste: Männer. Eine junge verwitwete Duchess war ein kostbares Gut in dieser Gesellschaft. Sie würde von vielen Männern des tons umworben werden. Und obwohl es wünschenswert sein könnte, Frederick eine Vaterfigur zu geben, während er aufwuchs, wusste Sophie, was für eine große Versuchung ihr Vermögen für diese Männer darstellen würde. Sie selbst würde all ihre Rechte verlieren. Alles würde in die Hände ihres neuen Ehemannes übergehen. Es war ein Risiko, das sie nicht einzugehen wagte.

Sie zuckte die Achseln. Mit eventuellen Bewerbern um ihre Hand würde sie sich befassen, wenn es so weit war. Womit sie jetzt erst einmal fertigwerden musste, war die unmittelbare Nähe eines Mannes, der sie aus irgendwelchen Gründen aus dem Gleichgewicht brachte.

Es ist nur natürlich, sagte sie sich. Sie hatte ein Trauerjahr hinter sich, in dem sie sich nur mit dem Nachlass ihres Sohnes beschäftigt hatte. Die Anwälte, jeder Einzelne von ihnen, hatten kein Blut in den Adern, sondern Papierstaub, davon war sie überzeugt.

So, sie war wieder gefasst.

Sie betätigte den Klingelzug, und als ein Diener erschien, sagte sie: „Teilen Sie Mr. Grant bitte mit, dass ich ihm verbunden wäre, wenn er zu mir kommen könnte.“

Danach holte sie einige Blätter Papier heraus und fing an, Listen zu machen. Duncan hatte einmal bemerkt, dass der Haushalt Seiner Gnaden der Bewegung eines kleinen Heeres gleichkäme. Mit einem Baby, das jetzt dazugekommen war, würden sie wohl ein weiteres Regiment hinzufügen müssen.

Wie immer wirkte Duncan Grant Wunder, und sie konnten die Reise um neun Uhr früh zwei Tage später beginnen. Die Diener waren am Tag zuvor abgefahren, dicht den Vorreitern folgend, die die Dienerschaft im St. Edmunds House am Bedford Square von der bevorstehenden Ankunft Ihrer Gnaden in Kenntnis setzen sollten.

Ein beachtlicher Reiterzug setzte sich in einem feinen Nieselregen in Bewegung. Als Erstes kam die Reisekutsche der Duchess, in der sie selbst, Frederick, Nanny Green und ihre Zofe Foskett saßen. Eine zweite Kutsche trug die Kindermädchen und das Gepäck, dass die Nanny für unerlässlich für Seine Gnaden hielt. Das dritte Gefährt beinhaltete die Garderobe Ihrer Gnaden und alle Papiere, die sie und Duncan für wichtig erachteten.

Duncan und Pascoe ritten nebenher, gefolgt von zwei Stallburschen, die je ein weiteres Pferd an der Leine führten. Duncan saß wie immer mit der Mühelosigkeit des ehemaligen Kavalleristen auf seinem langbeinigen rotbraunen Wallach. Pascoes Pferd war eine schwarze Araber-Stute, die ebenso elegant und unauffällig tüchtig war wie ihr Reiter.

Sophie fragte sich, ob die schwarze Farbe eine seltsame Vorliebe von ihm war. Oder war es nur ein Zufall, dass er eine schwarze Stute hatte? Sophie war entzückt gewesen, ihre Trauerkleidung endlich ablegen zu können, aber sie musste zugeben, dass ihm die Farbe gut stand …

Ihr fiel auf, dass ihr Blick auf dem Mann verweilte, der sogar noch eleganter im Sattel aussah als Duncan. Sie ließ die Fensterscheibe herab und beugte sich ein wenig nach draußen.

„Mr. Grant, können wir starten?“

„Auf Ihr Wort, Euer Gnaden.“

„Dann lassen Sie uns gehen.“ Sie nahm Freddie von seiner Nanny entgegen und hielt ihn hoch, während sie seine Faust bewegte, um die Bediensteten zu verabschieden, die sich auf den Hausstufen eingefunden hatten. „Winke ihnen zum Abschied zu, Freddie.“

Es war nie zu früh, ihm beizubringen, denjenigen Respekt zu zeigen, die hart für ihn arbeiteten.

Sie verbeugten sich daraufhin, und die Kutschen setzten sich in Bewegung. Sie würden zwei Tage brauchen, um von Vine Mount House zum Bedford Square zu gelangen, und sie würden in Long Melford übernachten, im Haus von Sophies Patentante Lady Prestwick. Dreiundachtzig Meilen am ersten Tag, dreiundsiebzig am zweiten.

Es war eine vertraute Reise, die sie allerdings noch nicht mit Frederick unternommen hatte. Es würde für ihn das erste Mal sein, dass er sein Zuhause verließ, und Sophie konnte nur hoffen, dass die Bewegung der Kutsche ihn einlullen und ihm nicht übel werden würde. Heute würden sie sechsmal die Pferde wechseln, was ihr die Gelegenheit geben würde, ihn frische Luft schnappen zu lassen. Im Moment schien er auf ihrem Schoß jedoch recht glücklich zu sein und wies neugierig auf die Dinge, die er durch das Fenster sehen konnte.

Vier Stunden später fuhren sie auf den Marktplatz in Diss und hielten vor dem alten Dolphin. Die Kindermädchen beeilten sich, der Nanny den sich windenden, sehr wachen jungen Duke abzunehmen, und sie und Sophie sahen sich erleichtert an. Sie sehnten sich nach ihrem Mittagessen und einem Nickerchen von mindestens einer Stunde in einem sehr dunklen, ruhigen Raum.

Duncan Grant hatte das Wirtshaus wie gewöhnlich von ihrer Ankunft unterrichtet, sodass Sophie in einen Salon geführt wurde, und die Nanny, Freddie und die Kindermädchen kamen in einem anderen Privatraum unter.

„Möchten Sie allein speisen, Euer Gnaden?“, fragte Duncan mit der Förmlichkeit, die er vor anderen Leuten immer an den Tag legte. Auf Reisen nahm er die Mahlzeiten eigentlich immer mit ihr ein, aber in diesem Fall fragte er sich wohl, was sie mit Pascoe tun wollte.

„Ich würde mich über Ihre Gesellschaft freuen, Mr. Grant. Und natürlich die von Mr. Pascoe.“

Ihr entging nicht, dass Pascoe es gewohnt sein musste, in Gesellschaft zu speisen, und sich ganz und gar nicht unbehaglich fühlte, mit einer Duchess am Tisch zu sitzen. Aber er war still.

„Verlangt Ihre Arbeit, dass Sie oft auf Reisen sind, Pascoe?“, erkundigte Sophie sich, nachdem die Hühnersuppe serviert worden war.

„Die meisten Aufträge sind mit einer Reise verbunden. Einige beschränken sich auf London.“ Er reichte ihr das Brot.

„Danke. Der Krieg muss Ihre Arbeit eingeschränkt haben, oder?“

„Nein, ich habe ihn nicht als Hindernis empfunden. Mein Französisch genügt den meisten Anforderungen. Butter?“

„Nein, danke. Ihre militärische Erfahrung hat Ihnen also keine Abneigung gegen das Festland eingegeben?“

Duncan Grant hatte die Armee verlassen, als ein Granatsplitter ihn im linken Schenkel getroffen hatte. Obwohl man ihm beim Gehen kaum ansah, dass er eine Verletzung erlitten hatte, und er noch immer den ganzen Tag lang ohne Beschwerden im Sattel verbringen konnte, hatte er eingesehen, dass die Anstrengungen in der Kavallerie zu viel für ihn sein würden, und so hatte er den Dienst quittiert. Er hatte ihr nicht gesagt, weswegen Pascoe gegangen war.

„Ganz und gar nicht.“ Er biss mit seinen bewundernswert weißen Zähnen in sein Brot. „Ich gebe zu, ich ziehe die Gegend dort vor, wenn ich nicht gezwungen bin, im Gewaltmarsch durchzuziehen. Auch das Essen ist besser.“

Und du bist so aalglatt wie der Inhalt dieser Butterschale.

„Und was für Menschen gehören zu Ihrer Klientel, Pascoe?“

„Menschen wie Sie, die völlige Diskretion über ihre Identität und Probleme erwarten, Duchess.“

Das Erscheinen eines Dieners mit einem Tablett, worauf kalter Braten, Salate und Käse serviert wurden, rettete sie über den peinlichen Moment hinweg. Es war beruhigend zu sehen, dass er so verschwiegen war, wenn sie auch so klug hätte sein müssen, sich keine Blöße zu geben und von ihm, wenn auch höflich, zurechtgewiesen zu werden.

Die Dienstmagd, die die Suppenteller abdeckte, schien recht langsam zu arbeiten. Sophie fiel auf, dass die junge Frau ihr Bestes tat, mit Pascoe zu flirten, indem sie ihn unter gesenkten Lidern ansah und dann mit einem kecken Lächeln ihre Grübchen zeigte, sobald es ihr gelang, seinen Blick auf sich zu ziehen. Woraufhin Sophie sah, dass auch er den Mund zu einem freundlichen Lächeln verzog, aber doch leicht den Kopf schüttelte. Das Mädchen errötete, nahm das Tablett auf und ging.

Das war sehr taktvoll gemacht, so viel musste Sophie ihm lassen. Er hatte die junge Frau nicht ermutigt, aber er hatte sie auch nicht gedemütigt, sondern ihr zu verstehen gegeben, dass er ihr Interesse bemerkt hatte, und dann fast bedauernd abgelehnt.

Gewiss hatte er keine Probleme, die weibliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, die er sich wünschte, nahm sie an und erlaubte sich, den Blick flüchtig auf seine dunklen Augen und den sinnlichen Mund zu richten.

„Probieren Sie bitte den Schinken, Gentlemen.“

„Er ist immer ausgezeichnet“, bemerkte Duncan, nahm sich mehrere Scheiben und reichte Pascoe die Servierplatte. Er wusste, dass Sophie nur ein wenig vom kalten Huhn essen würde.

„Wenn wir wieder einmal vorbeikommen, werde ich einen ganzen Schinken mitnehmen. Monsieur Guiscard wird vielleicht regelmäßig hier bestellen wollen.“

„Sie haben einen französischen Koch, Duchess?“

„Mein Mann bestand auf einem. Er lockte ihn einem Marquis ab, der vor der Terrorherrschaft geflohen war. Jetzt ist er natürlich schon zum Stadthaus in London vorgereist.“

„Natürlich“, erwiderte Pascoe ernst, und sie sah ihn misstrauisch an. Machte er sich über sie lustig? Man konnte unmöglich sicher sein.

Sophie wandte den Blick ab und sah lieber zur Salatschüssel. Sie war genauso schlimm wie die Dienstmagd und tauschte verstohlene Blicke mit dem Mann. Aber diese dunklen Augen besaßen die beunruhigende Fähigkeit, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie schienen dazu fähig zu sein, ein ganzes Gespräch zu führen, aber in einer Sprache, die Sophie nicht sprach und doch, hatte sie das ungute Gefühl, nur zu gut verstand.

Ducan lenkte das Gespräch zu lustigen Konfliktsituationen zwischen den Bediensteten. Er brachte Pascoe zum Lachen, als er beschrieb, wie Monsieur Guiscard mit Nanny Greens entschiedener Ansicht davon konfrontiert wurde, was ein angemessenes englisches Mahl für sie, die Kindermädchen und vor allem für Seine Gnaden ausmachte.

„Er hörte ihrem Geschimpfe über den grässlichen Knoblauch ruhig zu, ebenso wie ihrer Warnung, Seine Gnaden bloß nicht mit ‚diesen schrecklichen Schnecken‘ zu vergiften, und versicherte ihr mit der größten Liebenswürdigkeit, dass er im Kinderzimmer selbstverständlich nur das fadeste Essen servieren würde, und dass er das gefährliche Gemüse ohne einen Hauch von Würze so lange zerkochen würde, bis es eine einheitliche graue Farbe annahm. Sie war so wütend, als er nicht die Beherrschung verlor, dass sie einfach aus dem Zimmer stürmte. Aber er schickt die köstlichsten und natürlich auch angemessensten Mahlzeiten aufs Kinderzimmer. Die Kindermädchen vergöttern ihn, und Nanny Green muss so tun, als müsste sie sich dazu zwingen, seine Gerichte zu essen, um nicht das Gesicht zu verlieren.“

Es kam Sophie manchmal so vor, als würde es einfacher sein, ein großes Geschäftsunternehmen zu führen als einen herzoglichen Haushalt mit seinen zahlreichen Bereichen, die alle mehr als bereit waren, sich zu bekämpfen, um ihre Position zu erhalten. Eigentlich sollte es eine feste Hierarchie sein mit Duncan als Verwalter an deren Spitze und unter ihm der Butler, die Haushälterin, der Koch und die Nanny – und jeder von ihnen stand seinem eigenen Bereich und den eigenen Dienstboten vor. Aber dann gab es einige, die nicht wirklich dazu passten und so wie Duncan Gentlemen waren und keine Diener – ihr Sekretär, der Geistliche, der Archivar und Bibliothekar. Darüber hinaus gab es noch die Bediensteten, die nicht direkt zum Haushalt gehörten, wie die Gärtner, Stallburschen und Wartungsmänner …

Aber immer versuchte jemand, seine Position zu bessern, und griff damit in den Bereich eines anderen über. Diese kleineren Kämpfe wurden immer mit der größten Höflichkeit ausgefochten. Tatsächlich erkannte Sophie meist, dass etwas nicht stimmte, weil alle sich so einwandfrei benahmen. Einer der besten Ratschläge ihrer Mutter war, solche kleinen Gefechte einfach völlig zu ignorieren.

„Überlass alles deinem Verwalter“, hatte die Marchioness gesagt.

Also tat Sophie für gewöhnlich genau das, aber während sie jetzt beobachtete, wie die Heiterkeit in Pascoes Miene langsam verschwand und seine gewohnt kühle Wachsamkeit zurückkehrte, fragte sie sich doch, wie dankbar sie wirklich dafür sein sollte, dass ihr alter Freund diese Lösung für ihr Problem gefunden hatte. Sie glaubte gern, dass Pascoe intelligent, mutig, einfallsreich und fähig war und dass sie auf seine Verschwiegenheit vertrauen konnte, und doch …

Wenn sie den Grund für ihr Unbehagen nennen könnte, hätte es sicher geholfen, aber sie wusste nur, dass sie sich seiner Gegenwart viel zu bewusst war und eine Unruhe in sich spürte, die unmöglich etwas mit seinem Aussehen zu tun haben konnte.

„Ich werde einen kleinen Spaziergang machen, bevor wir fortfahren“, sagte sie und schob abrupt ihren Stuhl zurück.

Beide Männer sprangen herbei, um ihr zu helfen, aber sie winkte ab. „Ich werde Foskett mitnehmen. Bitte lassen Sie sich nicht von mir unterbrechen.“

Aber als sie die Tür zum Salon erreichte, in dem die Bediensteten aßen, sah sie, dass ihre Zofe noch nicht fertig war, also trat sie schnell zurück, um sie nicht zu stören. Diss war eine friedvolle, vertraute kleine Marktstadt, also brauchte sie doch für einige wenige Schritte eigentlich keine Begleitung, oder? Der Hutmacherladen, den sie auf der anderen Seite des Marktplatzes gesehen hatte, war ihr recht verlockend vorgekommen.

Es war seltsam menschenleer, als sie den Marktplatz betrat, wenn sie in der Ferne auch laute Stimmen hören konnte. Vielleicht ein Aufruhr wegen eines Diebes, dachte sie geistesabwesend. Ihre ganze Aufmerksamkeit gehörte schon der tief himbeerroten Kreation im Schaufenster der Putzmacherin. Natürlich keine angemessene Farbe für jemanden in Halbtrauer, überlegte sie wehmütig, aber nichts konnte sie daran hindern, den Hut jetzt zu kaufen und ihn später zu tragen.

Der entfernte Lärm war plötzlich sehr viel näher gekommen, als sie die Mitte des Platzes erreichte. Sophie sah über die Schulter und dann auf den Boden, da etwas zu ihren Füßen aufgeprallt war. Es war eine harte Kugel von der Größe eines Kricketballs, und Sophie sah wieder auf und fragte sich, wo das Kind war, das sie geworfen hatte.

Es war kein Kind. Was ihren verblüfften Augen erschien wie der größte Teil der männlichen Bevölkerung dieser Stadt im Alter zwischen vierzehn und sechzig, kam gerade auf sie und die Kugel zu ihren Füßen zugelaufen. Sie schrien und kreischten, schubsten, drängelten und teilten Schläge aus.

Sophie wirbelte herum, aber ihr Absatz verfing sich an einem Pflasterstein und sie schlug schmerzhaft auf dem Boden auf. Die Meute war fast bei ihr – wie eine Flutwelle oder eine Viehherde in panischer Flucht, rücksichtslos vor Aufregung und dem blinden Eifer des Gefechts.

Es war zu spät zur Flucht. Sophie kauerte sich zusammen, um sich zu schützen, und konnte nur denken, dass es sinnlos war. Sie würde zu Tode getrampelt werden.

Freddie! Sie würde sterben, und ihr Baby würde ohne sie aufwachsen und sie vergessen!

Dann packte sie jemand bei den Armen, zerrte sie auf die Beine und drückte sie gegen den hohen Pfosten, an dem das Schild des Wirtshauses befestigt war, wo es von allen Neuankömmlingen in der Stadt leicht gesehen werden konnte.

Ein hochgewachsener Mann presste sich gegen sie, die Arme um sie gelegt, und dann war die Menge bei ihnen – eine Welle von Hitze, Schweiß, Lärm und Staub. Ihr Retter wurde hart gegen sie gedrückt, und sie spürte, wie er nach dem Pfosten griff und die Beine gegen den Ansturm in seinem Rücken stemmte. Er gab mit erstickter Stimme etwas Barsches von sich.

Sophie verbarg das Gesicht an seinem Hemd und atmete einen unverkennbaren Duft ein – eine Mischung aus Zitrusfrüchten und Gewürzen, sauberer Kleidung und männlicher Haut. Es war, als würde sie Luft bekommen, als sie schon geglaubt hatte, ertrinken zu müssen. Sie wusste genau, wer der Mann war, der sie beschützte.

Wie lange sie so aneinander geklammert dastanden, gestoßen und vom Lärm betäubt, wusste sie nicht, aber plötzlich war alles wieder still und es blieb nur das Klopfen seines Herzens und das Rauschen ihres Blutes in ihren Schläfen. Die Arme, die sie umschlangen, rührten sich nicht.

Wann hatte sie jemand das letzte Mal so gehalten? Niemand, seit sie erwachsen war, wurde ihr bewusst. Die Umarmungen ihres Mannes waren rein sexueller Natur gewesen. Der Gedanke, sie beschützend in die Arme zu nehmen oder aus Zuneigung, schien ihm niemals gekommen zu sein. Auch ihre Eltern waren nie besonders gefühlvoll gewesen. Ein kühler Kuss auf die Wange war das ganze Ausmaß der Zärtlichkeit gewesen, die sie für ihr Kind aufgebracht hatten.

Pascoe jedoch hatte sie umarmt, um sie zu schützen, und jetzt konnte sie nur annehmen, dass er sie noch festhielt, um sie zu beruhigen und zu stützen. Duncan gab ihr ebenfalls jede Unterstützung, die sie brauchen konnte, aber er würde sich nie anmaßen, sie zu berühren, geschweige denn die Arme um sie zu legen. Nicht, seit sie ein Kind gewesen war. Pascoe schien allerdings kein Problem damit zu haben, respektlos und anmaßend zu sein.

Sophie stellte fest, dass sie fast amüsiert gekichert hätte, und spannte sich unwillkürlich an. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war, hysterisch zu werden – denn was konnte ihr plötzlicher Wunsch, das Gesicht an seine Brust zu pressen, um ihr Lachen zu ersticken, sonst bedeuten?

Langsam trennte er sich von ihr, nahm die rechte Hand vom Pfosten und legte sie auf ihre Taille, als er sich aufrichtete, immer noch darauf bedacht, sie zu stützen. Sophie löste ihren zerschrammten Rücken vom rauen Holz und bemühte sich, sich zu fassen.

„Pascoe?“

Was wollte sie ihn fragen? Ihr wurde klar, dass sie es nicht wusste.

„Sie sind jetzt sicher.“

Das wusste sie. Das hatte sie in genau dem Moment erkannt, als sie seinen Herzschlag an ihrer Wange gespürt hatte.

Seine schwarz gekleidete, elegante Erscheinung gab es nicht mehr, aber der staubbedeckte Mann, dem das Haar in die Stirn gefallen war und an dessen Schläfe ein Blutrinnsal zu sehen war, stand fest wie ein Fels vor ihr. Die Hand, die sie stützte, war bestimmt, die dunklen Augen so kühl abwägend wie immer.

„Was war das?“, brachte sie schwach hervor.

„Camping“, antwortete er. „Warum zum Teufel sie aber in der Straße waren und nicht auf dem Spielfeld, begreife ich nicht.“

„Camping?“ Sophie sah sich um. Es kam ihr vor wie ein Schlachtfeld. Überall lagen Männer auf dem Boden. Einige hielten sich stöhnend den Kopf, Hunde bellten und Frauen weinten.

„Ein Ballspiel, das sie Camping nennen“, sagte Pascoe. „Für gewöhnlich ist es ein Zweikampf zwischen Nachbargemeinden oder einem Ende der Stadt und dem anderen. Sie werfen den Ball und bekommen Punkte, wenn sie das Ziel treffen. Es gibt ein Ziel an jedem Ende.“ Er sah sich um. „Und offenbar viel Arbeit für den Arzt, wenn nicht sogar den Bestatter.“

„Ist es legal?“ Sophie war wieder zu Atem gekommen und konnte sich wieder auf das Wichtigste konzentrieren. Sie hätten getötet werden können. „Das kann es unmöglich sein.“

„Es ist legal, wenn es auf dem Spielfeld ausgetragen wird und niemand stirbt“, meinte Pascoe trocken. „Das hier war eher eine Ausschreitung. Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, wie die Friedensrichter jemandem die Schuld dafür zuteilen wollen.“

„Oh, Euer Gnaden!“ Foskett lief über den Platz, Duncan Grant an ihrer Seite. „Sind Sie verletzt?“

„Nein.“ Sophie ignorierte den Schmerz in ihrem Rücken. Morgen würde sie wahrscheinlich überall blaue Flecken haben, aber es war nichts, was ein schönes heißes Bad nicht beheben würde. „Dank Mr. Pascoe bin ich unversehrt, nur ein wenig erschrocken.“

Mehr als nur ein wenig. Aber das hatte nicht ausschließlich etwas mit der Menge zu tun, die sie fast zertrampelt hätte. Pascoes warme Hand genau unter ihrem Brustkorb half auch nicht gerade, dass sie sich schneller beruhigte.

„Aber, Sir …“ Foskett starrte Pascoe entsetzt an. „Ihre linke Hand.“

Sophie folgte Fosketts Blick. Pascoe gab sie frei und trat zur Seite, aber nicht bevor sie den Tropfen Blut bemerkte, der auf das staubige Kopfsteinpflaster zu seinen Füßen fiel.

3. KAPITEL

„Sie sind verletzt. Lassen Sie mich sehen.“

Sophie streckte die Hand aus. Was sie bereits in sehr jungen Jahren gelernt hatte, war, dass die Herrin des Hauses, so erhaben ihre Position auch sein mochte, für das Wohlergehen aller Menschen ihres Haushalts verantwortlich war. Sie beaufsichtigte die Speisekammer, zahlte für den Zahnarzt, wenn die Küchenmädchen Zahnweh bekamen, und sie sorgte für einen Doktor, einen Wundarzt oder Apotheker, die sich von einer Erkältung bis zu gebrochenen Gliedern um alles kümmerten.

„Es ist nichts. Nur ein Splitter.“ Pascoe zog ein Taschentuch hervor und wickelte es um seine linke Hand.

„Mr. Grant?“ Sophie brauchte die Stimme nicht zu erheben oder zu erklären, was sie von Duncan wollte.

„Kommen Sie mit mir“, sagte er.

Die beiden Männer tauschten einen Blick, der wohl bedeutete, dass Pascoe sich keine Sorgen zu machen brauchte. Keine weibliche Person würde einen Wirbel um seine Wunde machen. Pascoe nickte knapp. „Nun gut. Sobald die Duchess sicher im Haus ist.“

Er reichte ihr den Arm, und sie legte die Fingerspitzen darauf, um ihm zu zeigen, dass sie sich nicht auf ihn zu stützen brauchte, ihn aber auch nicht wie einen Invaliden behandeln wollte.

Sobald sie in der Herberge waren, nahm sie die Hand herunter, ging direkt zu ihrem Privatsalon weiter und überließ Pascoe einfach Duncans Fürsorge. Schließlich war ein Splitter nichts Ernstes. Andererseits war es schon seltsam, dass er so sehr geblutet hatte.

„Ein Kräutertee, Euer Gnaden? Oder ein Beruhigungspülverchen? Vielleicht sollten Sie sich hinlegen mit einem in Essig getränkten Tuch auf der Stirn.“ Foskett, eine ernste Frau von dreißig, eilte ihr besorgt nach.

„Foskett, es war eine unangenehme, überraschende Erfahrung, aber es geht mir gut, danke.“ Sophie sah auf ihre Hände herab. Sie zitterten. „Aber ich werde ein Glas Brandy zu mir nehmen. Der Lärm hat Seine Gnaden hoffentlich nicht gestört?“