So ist das Leben einfach - Cora G. Molloy - E-Book

So ist das Leben einfach E-Book

Cora G. Molloy

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Beschreibung

Claudia und Andreas sind ein normales Paar. Nach einigen Ehejahren fragt sich Claudia, wie viel Beziehung in ihrer Ehe eigentlich noch steckt. Und wie viel Liebe. Claudia und Andreas sind eben ein ganz normales Paar.

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Manchmal geht es im Leben nur langsam kriechend vorwärts und mit ungewissem Ziel …

Inhaltsverzeichnis

Ein Ende

Zuhause

Rückweg

Fragen

Du und ich

Ich und du

Drahtseilakt

Bemühungen

Rückzug

Ein neuer Anfang

Ein Ende

„Ich glaube das jetzt einfach nicht!“, fassungslos starre ich auf das Chaos vor mir. Aber ist ja klar, immer wenn man es besonders eilig hat, dann passiert sowas Blödes und man braucht extra viel Zeit, um die Sauerei wieder wegzumachen. In diesem Fall ist es eine Ölflasche, die ich in der Eile umgestoßen habe und die auf dem Boden gerade zu Bruch ging. Der Supergau in der Küche: Glassplitter mischen sich in Ölpfützen, die Schränke fettig vollgespritzt. Denn NATÜRLICH war es die noch fast volle Flasche! Ich stoße ein paar wilde Flüche aus. Nicht, dass es irgendetwas besser macht, aber es fühlt sich in der Situation einfach gut an.

Mit ganz viel Küchenrolle betreibe ich Schadensbegrenzung, für mehr reicht die Zeit jetzt echt nicht mehr. Ich hinke meinem Zeitplan bereits deutlich hinterher und die gründliche Reinigung muss dann einfach auf meine Rückkehr warten. Ich wage nicht zu hoffen, dass Andreas mir diesen Job abnimmt. Dennoch lege ich ihm schnell noch einen Zettel hin. Er läuft ja auch immer barfuß durch die Wohnung und wenn er ausrutscht oder sich einen Splitter einfängt, dann bin ich ja doch wieder diejenige, die sich Vorwürfe macht.

Ich bin froh, dass man heute schon am Vortag am Computer einchecken kann, und da ich nur Handgepäck dabei habe, brauche ich dafür gleich auch nicht anstehen. Allerdings sind dafür die Sicherheitskontrollen umfassender geworden, wodurch sich der Zeitgewinn wieder ausgleicht. Es ist, als ob es eine bestimmte Balance gäbe und irgendwie wird ein Gleichgewicht hergestellt, egal, wie man sich anstellt im Leben. Ich plane ja immer einen Zeitpuffer ein, so dass mein Zeitbudget nicht bei der ersten Kleinigkeit ins Wanken gerät. Viel passieren sollte jetzt allerdings nicht mehr. Es kommt, wie es kommen muss…

Während ich angespannt in meiner Straßenbahn Richtung Flughafen sitze, atme ich erst mal tief durch. „Wird schon alles klappen!“, beruhige ich mich gerade selbst, als die Bahn auf offener Strecke anhält und der Fahrer genervt durchsagt: „Wenn der Falschparker da vorne dann mal sein Auto von den Gleisen befördert, können wir auch weiter fahren.“ Ich verspüre unbändige Lust den Falschparker mal persönlich kennen zu lernen und ihm meine Meinung zu sagen. Alternativ kaue ich an meinen Fingernägeln. Der heutige Tag zählt eindeutig zu denen, die man besser komplett im Bett verbringen sollte, um Unglück zu vermeiden. Aber wer kann es sich schon leisten, all diese Tage tatsächlich nicht aufzustehen? Ich jedenfalls nicht. Ohnehin entbehrt es meinem Termin in München jeglichem Spaßfaktor: Es geht nämlich zu einer Beerdigung.

Immerhin ist diese Beerdigung für mich kein so schlimmes emotionales Ereignis, sondern mehr Pflichtprogramm, denn den Großonkel, der heute beigesetzt wird, kannte ich nicht besonders gut. Ich habe ihn in meinem ganzen Leben vielleicht zehn Mal gesehen und das, was ich von ihm „kannte“, konnte ich nicht mal besonders gut leiden. Aber meine Eltern hatten mich gebeten zu kommen und ich wollte ihnen das nicht abschlagen. So richtig Lust auf ein Wiedersehen mit meiner ganzen Verwandtschaft habe ich nun auch nicht gerade. Es hat schon seinen Grund, dass ich als einzige aus der ganzen Sippschaft so weit weg gezogen bin. Fühle ich mich doch immer so ein wenig wie das schwarze Schaf, weil es mir an Ehrgeiz, Geschäftssinn und modischem Schick fehlt. Im Gegensatz zu meinen Tanten, Onkeln, Cousins und Cousinen mit ihren tollen Häusern, Kindern, Autos, Urlauben, …

„Naja, die Sache mit dem Hinfliegen klappt nur, wenn der Falschparker tatsächlich mal sein Auto bewegt“, denke ich, nachdem gefühlt eine Viertelstunde vergangen ist und es mir bei den Gedanken an die Verwandtschaft plötzlich gar nicht mehr so unattraktiv erscheint, wenn ich quasi durch höhere Gewalt mein Flugzeug verpassen würde und notgedrungen nicht bei der Beerdigung anwesend wäre. In der Bahn entsteht durch den Stillstand große Unruhe, überall werden Handys gezückt und lautstark Verspätungsmeldungen durchgegeben oder die Zeit mit ausführlichem Morgenklatsch überbrückt. Es würde wohl kaum helfen, wenn ich am Flughafen anrufe und durchgebe, dass sie bitte auf mich warten sollen, ich käme gleich.

Auf jeden Fall fällt mir bei dieser Gelegenheit mal wieder auf, wie unendlich nervig diese Telefonate in der Bahn sind. Mir persönlich ist das immer unendlich peinlich wenn ich mal in der Bahn angerufen werde. In der Regel gehe ich erst gar nicht dran, was freilich einfach fällt, wenn man den Anruf gar nicht mitbekommt, weil der Ton mal wieder ausgestellt ist. Nun, andere handhaben das anders und ich erfahre (wie die anderen Mitreisenden im halben Waggon), was für ein unglaublicher süßer Typ doch der Stefan ist. Wieso schreit die junge Frau eigentlich so in den Hörer? Erzählt sie es gerade ihrer halbtauben Oma? Meine Phantasie geht sofort wieder mit mir durch: Offensichtlich möchte sie die Person am anderen Ende der Telefonleitung beeindrucken, dass sie gleichzeitig die halbe Bahn mit ihrem Liebesleben „erfreut“ scheint sie nicht zu bemerken. Die Oma ist es dann wohl doch eher nicht. Eine Freundin oder eine Konkurrentin? Ein Freund, der eifersüchtig gemacht werden soll? Vielleicht flunkert sie auch nur was vor, denn so perfekt wie sie ihn darstellt, muss sie entweder total verliebt sein oder total blind – wobei das ja gerne mal in Kombination auftritt. Ich frage mich, ob ich am Anfang meiner Beziehung auch so klang, wenn ich über Andreas gesprochen habe. Ganz schön lange ist das her. Auf jeden Fall habe ich nicht lautstark in der Bahn über ihn gesprochen. Womöglich ist dieser Stefan schlichtweg erfunden? Irgendwie ist es wie ein Hör-Selfie, was das Mädchen hier so präsentiert. Erstaunlicherweise realisiert sie in keinster Weise, dass dieses „private“ Gespräch von zahlreichen Insassen der Bahn zwangsläufig mitgehört wird, und man sieht den Meisten davon an, dass sie – genau wie ich – auf diese Beschreibung gerne verzichten würden. In Anbetracht dieser Situation wird mir verständlich, wieso Ohrstöpsel in der Bahn so weite Verbreitung haben. Mit eigener Musik erspart man sich zumindest die Telefonate anderer.

Über die Lautsprecher ertönt nach einer gefühlten Ewigkeit: „Wie schön, dass der Fahrer des Wagens, der uns an der Weiterfahrt gehindert hat, nun seinen Einkauf in der Apotheke beendet hat, und ich hoffe, er hat ein seinem Zustand entsprechendes Medikament bekommen.“ Gleichzeitig ruckelt die Straßenbahn und setzt endlich ihre Fahrt fort. Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigt mir, dass mein Zeitplan einen weiteren sehr empfindlichen Sprung bekommen hat. Der Tag ist deutlich stressiger als geplant. Fast schon freue ich mich, wenn ich auf der Beerdigung etwas zur Ruhe kommen kann. Aber erst heißt es, den Flug zu erwischen.

Nach Ankunft der Bahn am Flughafen sprinte ich zur Sicherheitskontrolle und da Sprinten jetzt nicht unbedingt zu meinen normalen Fortbewegungsarten gehört, bin ich ziemlich schnell ziemlich außer Puste. Während ich schnaufend meinen Boardingpass vorzeige, sehe ich die lange Schlange vor der Sicherheitskontrolle. War ja klar! Gehört schließlich zu den Naturgesetzen bescheuerter Tage. Und da muss ich jetzt durch – im wahrsten Sinne des Wortes. Immerhin ermöglicht mir das Warten meine natürliche Atmung wieder zu erlangen, so dass ich zumindest nicht mehr schnaubend wie eine Dampflokomotive meine Sachen in die Plastikwanne zum Durchleuchten lege. NATÜRLICH habe ich meine Nagelfeile in der Handtasche vergessen, weshalb ich meine Tasche öffnen und mich von dem guten Stück trennen muss. Wieder einige kostbare Minuten verloren und endlich hechte ich weiter zum Gate. Der Flug zeigt auf der Tafel nun eine Verspätung an. Ironie des Schicksals. Jetzt, wo ich es allen Widrigkeiten zum Trotz pünktlich geschafft habe, hat das Flugzeug Verspätung womit mein Zeitplan in München nun ebenfalls auf eine Probe gestellt wird.

Da hätte ich besser doch den Flug am Vortag genommen. Allerdings hätte ich dann auch schon gestern Urlaub nehmen müssen und überhaupt „Hätte, hätte, Fahrradkette …“, entfährt es mir halblaut und meine Sitznachbarin schaut mich leicht entgeistert an. Mit einem unverbindlichen Lächeln hole ich mein Buch aus der Tasche, stecke schnell den Kopf hinein und verflüchtige mich in eine andere Welt …

Lesen ist einfach eine wundervolle Sache. Wenn es Bücher nicht schon gäbe, müssten sie wirklich unbedingt erfunden werden! Anders als bei einem Film, kann ich meine eigene Phantasie auf Reisen schicken. Kann das Tempo und die Bilder selbst bestimmen. Ich kann Abtauchen in andere Welten, andere Leben und all das, ohne mich auch nur ein bisschen von der Stelle zu bewegen. Naja, es funktioniert nicht ganz ohne mich zu bewegen, denn selbst die angenehmste Haltung muss nach längerer Lesezeit mal verändert werden. Und blättern muss man ja auch. Aber das ist auch gut so, denn nur den Geist auf Reisen schicken und den Körper ganz vergessen, ist auf Dauer kein guter Zustand. Auf jeden Fall wird mein Körper beim Lesen eher unwichtig, genau wie der Rest von mir. In gewisser Weise verschwinde ich im Buch, löse mich für diese Welt auf und „bin dann mal weg“. Ich habe schon immer gern gelesen, also zumindest seit ich es kann. Darum ist es auch kaum verwunderlich, dass ich Buchhändlerin werden musste. Damit habe ich in mein Hobby zum Beruf gemacht was ja ein ziemlich paradiesischer Zustand ist. Andreas wirft mir das auch immer wieder gerne vor, besonders kombiniert mit einer gewissen Abwertung, dass es darum ja auch kein richtiger Beruf sei, nur weil ich Spaß daran habe. Dabei sollte es normal sein, eine Arbeit zu tun, die einem auch Freude bereitet! Ich gehe davon aus, dass eine Portion Neid hinter seinen Äußerungen steckt.

Wartezeiten lassen sich für mich also mit Lesen in der Regel problemlos überbrücken, so dass ich mich beim Warten am Gate sowie während des Fluges bis zur Landung entspannt meiner Lektüre hingebe. Das ist auch die beste Stärkung für den nächsten Schweinsgalopp, der mir in München bevorsteht. Überraschenderweise geht nach der Landung alles glatt: Ich erwische direkt eine Bahn in die Stadt, habe sofort Anschluss und schaffe es in gut einer Stunde zum Waldfriedhof. Tatsächlich noch rechtzeitig vor Beginn der Trauerfeier. Und wirklich, zu spät kommen ist immer ätzend, aber verspätet bei einer Trauerfeier aufzutauchen ist unfassbar ätzend. Es sind so viele Menschen hier, die ich nicht kenne. Mit diesem Zweig der Familie hatte ich eher weniger zu tun. Suchend blicke ich mich nach bekannten Gesichtern um und entdecke endlich auch meine Eltern. „Puh, gerettet“, denke ich. Auch mit Mitte Dreißig kann man sich bei so einer Gelegenheit noch kindlich verlassen fühlen und sehr froh sein, die Eltern zu sehen! Bei ihnen angekommen, begrüßen sie mich im Flüsterton. Und natürlich dauert es keine drei Sätze, bis mein Vater schon direkt den linken Haken rausholt: „Ist dein Mann also wirklich nicht mitgekommen!“ Und wieder einmal fühle ich mich in einer Vermittlungsposition, die ich gar nicht einnehmen möchte. „Andreas hat doch diese Woche eine Schulung, die kann er nicht einfach absagen und er kannte Onkel Herbert doch gar nicht“, antworte ich zu seiner Ehrenrettung, während ich mich gleichzeitig frage, wieso ich nicht für mich selbst eine Entschuldigung und Ausrede hatte finden können, nicht zu kommen. Und in Anbetracht der Spannungen zwischen meinem Vater und Andreas ist es kaum verwunderlich, dass er nicht kommen wollte. Allerdings hatte Andreas es nicht mal in Erwägung gezogen zur Beerdigung mitzufahren. Wenn ich so darüber nachdenke, ist ein Teil von mir sogar erleichtert, dass Andreas nicht dabei ist. Ich hätte ja doch nur die ganze Zeit wieder seine schlechte Laune ausgleichen müssen. Wieso mache ich das eigentlich? Und wieso ist das so? Wieso kriegen Andreas und mein Vater es nicht alleine hin, sich auf einer vernünftigen Ebene zu begegnen?

Bevor ich mich weiter diesem Gedanken widmen kann, hakt mich meine Mutter unter und bringt mich in Bezug auf die anwesende