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Gegen jede Vernunft knistert es heiß zwischen Selfmade-Milliardär Dario Rivelli und Society-Girl Lyssia. Aber eine Affäre mit der verwöhnten Tochter seines Mentors? Niemals! Bis Dario einen Auftrag in dessen Ski-Resort in den Alpen erledigt und überraschend ein Schneesturm aufzieht. Plötzlich allein mit Lyssia am Kamin eines Luxus-Chalets, kann er ihren sinnlichen Reizen trotz allem nicht länger widerstehen. Wie im Rausch verführt er sie zu einer Liebesnacht. Mit ungeahnten Folgen, die seinem sorglosen Playboy-Leben jäh ein Ende setzen …
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Seitenzahl: 214
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2024 by Maisey Yates Originaltitel: „The Italian’s Pregnant Enemy“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe 2024 in der Reihe JULIA, Band 2668 Übersetzung: Petra Pfänder
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 10/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751525015
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Jegliche nicht autorisierte Verwendung dieser Publikation zum Training generativer Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) ist ausdrücklich verboten. Die Rechte des Autors und des Verlags bleiben davon unberührt. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Lyssia Anderson hatte einen Plan. Rosa Stiefel und extrem aufregende Unterwäsche.
Die Stiefel waren bei dem Wetter nützlich – in den Alpen, wo das Skiresort ihres Vaters lag, war es eiskalt. Die Unterwäsche war nicht ganz so praktisch, aber das war ihr egal. Sie hatte nichts mit dem Wetter zu tun, sondern nur mit ihrem Plan.
Mit Carter Westfield und ihrem immer enger werdenden Kontakt.
Der neue Assistent ihres Vaters war einfach … der Beste. Unendlich fürsorglich, so offen und gefühlsbetont, so … süß.
Einfach unglaublich süß.
Noch nie hatte sie wegen eines Mannes den Kopf verloren. Kein einziges Mal. Aber Carter war wirklich … niedlich.
Dass ihr Vater sie mit der Inspektion seines Skihotels beauftragt hatte, passte perfekt. Endlich hatte er ihr eine verantwortungsvolle Aufgabe in der Firma übertragen. Lyssia befand sich an einem wichtigen Punkt in ihrem Leben. Es war an der Zeit zu entscheiden, was sie mit ihrem eigenen Geschäft anfangen wollte – ob sie es aufgeben oder behalten würde.
Darum hatte sie ihrem Vater gesagt, dass sie sich freuen würde, wenn er einen Platz für sie bei der Anderson-Luxusmarkengruppe finden könnte. Schließlich hatte sie dort schon ein Praktikum absolviert.
Er hatte ihr zugehört und ihr dann die Aufgabe übertragen, sein Skiresort in der Schweiz zu inspizieren. Die Arbeit selbst war fast so aufregend wie die Aussicht, mit Carter zusammenzuarbeiten, und etwas Aufregung konnte sie gut gebrauchen.
Seit einer Weile passierte nicht mehr viel in ihrem Leben. Das gab ihr das Gefühl, auf der Stelle zu treten, und dieses Gefühl beunruhigte sie, denn sie glaubte nicht, dass sie ewig Zeit hatte.
Ihre Mutter war in ihren Zwanzigern gestorben. Das Leben war nicht unendlich, und es gab keine Garantien.
Auf geht’s!
Sie zog den Parka fester um ihren Körper – natürlich konnte sie nicht ohne warme Jacke in ihrer Unterwäsche herumlaufen – und öffnete die Tür. Sofort traf der Wind schneidend kalt auf ihre Haut. Aber sie bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen. Sie konnte nicht vor allen Leuten vor Kälte schreien. Die Leute hielten sie sowieso schon für eine inkompetente verwöhnte Erbin, die sich auf dem Reichtum ihres Vaters ausruhte, das war ihr klar.
Sie tauchte ständig im Internet auf Listen von Kindern reicher Eltern auf, die alles, was sie je erreicht hatten, von ihrem Vater oder wem auch immer bekommen hatten.
Was für ein Witz. Sie würde das Luxushotelimperium ihres Vaters nicht einmal erben. Aus diesem Grund hatte sie vor drei Jahren ihr eigenes Geschäft gegründet. Was sie auf anderen und noch gemeineren Onlinelisten auftauchen ließ. Als eine der am wenigsten erfolgreichen Erben, die nur Daddys Geld verschwendeten.
Lyssia Anderson von der Anderson Luxury Brand Group betreibt ein kleines Geschäft für Inneneinrichtungen und stellt Möbel und andere Sachen her, die keiner braucht.
Aber wie könnte ein kleines reiches Mädchen, das mit einem Pony und einem Pool im Haus aufgewachsen ist, auch wissen, was die ganz normalen Leute in ihren Häusern haben wollen? Eins ihrer rosa Sofas mit „maßgeschneidertem Premium-Stoff“ kostet mehr als zehntausend Dollar.
Kein Wunder, dass sie die Welt nicht im Sturm erobert hat.
Nicht dass Lyssia sich solche Artikel zu Herzen nehmen würde. Nein, ganz bestimmt nicht. Sie war dreiundzwanzig, und es war nicht so, als wäre sie erfolglos. Ihr Geschäft brachte durchaus Geld ein. Aber die Leute wollten sich nun mal den Mund über sie zerreißen. Würde ihr Geschäft mehr einbringen, würden sie sagen, dass sie den Erfolg nicht verdient hatte, weil sie es nicht mit ihrem eigenen Geld aufgebaut hatte. Aber bis dahin machten sie sich darüber lustig, dass sie es nicht einmal schaffte, Erfolg zu haben, obwohl sie es doch so leicht hatte.
Bla-bla-bla. So viele Menschen konnten einfach nur kaputtmachen, was andere geschaffen hatten, ohne selbst irgendetwas aufzubauen. Sie hatte wenigstens etwas aufgebaut.
Und sie hatte die Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten.
Das Problem war nur, vielleicht stimmte es ja, was die Leute über sie sagten. Ihr Geschäft war in den letzten Jahren wirklich nicht sehr gewachsen. Wenn der Name ihres Vaters hinter ihr stand, warum war sie dann so mittelmäßig?
Auch ihr Vater schien sie für mittelmäßig zu halten. Obwohl sie sein einziges Kind war, hatte er sie nie als Erbin seines Imperiums in Betracht gezogen.
Dafür gab es Dario.
Als sie an ihn dachte, zog sich ihr Magen zusammen.
Dario Rivelli – das genaue Gegenteil eines verwöhnten Erben. Er hatte sich aus dem Nichts hochgekämpft. Mit zwanzig war er von ihrem Vater unter die Fittiche genommen worden. Seitdem sorgte er in der Geschäftswelt für Aufsehen.
Mit seinen bahnbrechenden Bautechniken hatte er im Alleingang im wahrsten Sinne des Wortes die Welt verändert und den nachhaltigen Wohnungsbau im Sturm erobert.
Dann hatte er dem Wohnungsbau den Rücken gekehrt und sich dem Ökotourismus zugewendet – was ihn in das Leben ihres Vaters zurückgebracht hatte. Und ihr Vater hatte ihm … alles gegeben.
„Dario Rivelli ist die Zukunft.“ Das sagte er immer wieder, als wäre Dario ein Gott.
Ihr Vater hatte ihn immer schon wie einen Gott behandelt. Oder vielleicht einfach nur wie den Sohn, den er sich gewünscht und nie bekommen hatte.
Ihre Mutter war gestorben, bevor ihre Eltern weitere Kinder bekommen konnten. Nach dem Tod seiner Frau war Lyssias Vater in seiner Trauer versunken, unfähig, die Elternrolle zu erfüllen, unfähig, mit den Gefühlen seiner Tochter umzugehen.
Als er endlich wieder aus seiner Trauer erwacht war … war Dario aufgetaucht. Groß, mit goldbrauner Haut, ein Goldkind durch und durch.
Seit ihrem zwölften Lebensjahr empfand Lyssia Dario als Konkurrenz. Damals war er schon ein erwachsener Mann gewesen, und sie war … eifersüchtig auf ihn. Ganz zu schweigen davon, dass sein dunkler Blick sie immer schon völlig durcheinandergebracht hatte.
Damals genau wie jetzt.
Lyssia hatte sich alle Mühe gegeben, es ihrem Vater recht zu machen. Aber sie war nicht Dario, also was konnte sie schon tun? Für ihren Vater mochte Dario wie ein Sohn sein, aber für sie war er kein Bruder.
Zugegeben, es machte ihr Spaß, ihn zu ärgern, ihn wütend zu machen und sich nicht von ihm beeindrucken zu lassen. Dario schien sehr stolz auf seine Fähigkeiten zu sein, die Menschen zu manipulieren. Darum verhielt sich Lyssia in seiner Gegenwart immer besonders störrisch.
Sie hatte ihm dabei zugesehen, wie er in einen Raum kam und die Leute in seinen Bann zog – schon viele Male. Er konnte Menschen hervorragend einschätzen und schien immer genau zu wissen, wie er sich verhalten musste. Aber Lyssia würde nicht zulassen, dass er sie durchschaute.
Wenn er sie mit seinen kühlen dunklen Augen ansah, funkelte sie feurig zurück. Wenn er eine seiner trockenen, vernichtenden Bemerkungen machte, antwortete sie mit scharfen Worten und einem gleichgültigen Gesichtsausdruck. Sie wusste, dass Dario nicht sagen konnte, ob sie mit ihm spielte, ob sie inkompetent oder einfach nur dumm war.
Als sie nach ihrem Schulabschluss ein Praktikum bei Anderson absolviert hatte, war sie als Darios Assistentin eingesetzt worden. Es hatte ihr riesigen Spaß gemacht, sich wie die verantwortungsloseste Person zu verhalten, die man sich nur vorstellen konnte – sehr zu seinem Ärger.
Natürlich wusste sie im Nachhinein, dass sie sich damit nicht gerade einen großen Gefallen getan hatte.
Verhalte dich lange genug verantwortungslos, und die Leute glauben, du bist es.
Sie war nicht verantwortungslos.
Lyssia schniefte im Wind – ihre Nase lief vor Kälte – und hielt Ausschau nach dem Wagen, der sie vom Haupthaus des Hotels zu ihrem Chalet auf dem Berg bringen würde. Das Wetter war klar, der Himmel blau, aber über den Bergen ragte eine dunkelgraue Wolkenkette auf, die bedrohlich wirkte.
Endlich hielt ein eleganter schwarzer Land Rover neben ihr, und Lyssia stieg ein. Bei dem Gedanken, dass Carter schon im Chalet auf sie wartete, zog sich vor Aufregung ihr Magen zusammen.
Der Fahrer lud ihr Gepäck auf den Rücksitz, und sie bedankte sich bei ihm, obwohl sie ihre Stimme kaum hören konnte, weil ihr Herz so laut in ihren Ohren dröhnte.
Sie fragte sich, ob Carter damit rechnete. Für sie war es jedenfalls an der Zeit, die Dinge mit ihm auf die nächste Ebene zu bringen. Schließlich hatten sie sich geküsst. Gut, nur zweimal, aber immerhin.
Sie war kein Kind mehr. Und nein, sie besaß nicht viel Erfahrung mit Männern, aber sie wusste immerhin, dass heutzutage niemand mehr nur ein bisschen rummachte und es dann gut sein ließ.
Heutzutage waren die Menschen Sex gegenüber positiv und frei eingestellt. Genau wie sie. Bisher war sie sich einfach nur nie sicher gewesen, dass sie mit irgendjemandem Sex haben wollte, nur darum hatte sie es noch nie getan. Was an sich schon zeigte, wie frei sie war, oder nicht?
Aber mit Carter wollte sie Sex. Bei ihm fühlte sie sich warm und glücklich und gesehen. War es nicht das, worauf es ankam? Jedenfalls ihrer Meinung nach.
Er machte sie glücklich. Bei ihm fühlte sie sich gut. Das war es, was sie wollte. Jemanden, bei dem sie sich gut fühlte. Es gab so viele schwierige Dinge. Aber alles, was Carter betraf, fühlte sich leicht an.
Den ganzen Tag lang hatte sie überlegt, ob sie ihm eine Nachricht schreiben sollte, sich aber dann immer wieder daran erinnert, cool zu bleiben. Zu versuchen, es einfach passieren zu lassen. Es war allerdings sehr schwer, cool zu bleiben.
Als das Chalet in Sicht kam, wurden ihre Handflächen feucht. Großartig. Niemand wollte sich von einer Frau mit feuchten Handflächen verführen lassen. Dann kam ihr der Gedanke, dass sie vielleicht ihre Handschuhe ausziehen sollte.
Andererseits würde sie gleich schon wieder aussteigen, darum ließ sie die Fäustlinge an.
Als der Wagen hielt, stieg sie aus dem Wagen. Der Fahrer kümmerte sich um ihr Gepäck und stellte es vor dem Chalet ab.
Pures Adrenalin schoss durch ihre Adern. Sie würde es tun. Sie würde nicht einmal warten, bis es dunkel wurde. So positiv und frei war sie.
Als sie das Chalet betrat, erwartete sie, Carter mit seinem Laptop zu sehen. Aber er war nicht im großen Wohnbereich. Auch in der Küche hatte er nichts vorbereitet. Es gab keinen Milchaufschäumer. Keine französische Espressomaschine. Beides stand auf seinem Schreibtisch in Manhattan.
Vielleicht sollte sie sich schon einmal ausziehen … sich bis auf die Unterwäsche ausziehen und ihn so begrüßen, wenn er hereinkam.
Ihr Lachen hallte durch das leere Haus. Nein. Das war dann doch zu viel für sie.
Trotzdem fühlte sie sich bei diesem Gedanken nervös und ein wenig … erregt.
Die Vorstellung war nicht unangenehm.
Sie ging zurück zur Tür und zog ihre Taschen ins Haus, dann versuchte sie, sie die Treppe hinaufzuschleppen.
Lyssia hatte noch nie den Sinn darin gesehen, mit leichtem Gepäck zu reisen. Doch jetzt, wenn niemand da war, um beim Tragen zu helfen, verstand sie den Vorteil.
Zuerst schnappte sie sich die größte Tasche und begann, sie die steile Treppe hinaufzuziehen. Sie stöhnte, grunzte und gab einige nicht sehr niedliche Geräusche von sich, aber schließlich schaffte sie es. Dann lief sie die Treppe wieder hinunter, schnappte sich ihre andere Tasche und stieg drei Stufen hinauf, dann eine vierte.
„Probleme, cara?“
Lyssia schrie auf und ließ die Tasche los. Wie ein Schlitten auf einem schneebedeckten Hügel glitt die Tasche über die Stufen nach unten. Dort prallte sie auf die eleganten grauen Holzdielen und sprang auf wie ein Plastikosterei. Zarte Dessous verteilten sich wie bunte Bonbons überall auf dem Boden.
Lyssia schaute auf, und ihr Blick begegnete seinem.
Nein.
Ihr Herz schlug so schnell, als wäre sie ein verängstigtes, in die Enge getriebenes Nagetier. Aber sie hatte keine Angst vor Dario Rivelli.
Warum beruhigte sich ihr Herz nicht endlich?
„Was zum Teufel … Was machst du hier?“ Sie hoffte, dass sie nicht so rot im Gesicht war und so ungepflegt aussah, wie es sich anfühlte. Wie ihr Koffer aussah.
Ihre ganze Unterwäsche.
Ihre verführerische Unterwäsche.
Dario betrachtete die Dessous ungerührt.
Er hielt eine Tasse Kaffee in der Hand und hatte die weißen Hemdsärmel bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt. Die große Uhr an seinem Handgelenk betonte die Muskeln an seinen Unterarmen.
Sein weißes Hemd saß perfekt über den breiten Schultern und seinen starken Brustmuskeln. Auch wenn die Knöpfe nicht spannten, schien es trotzdem viel zu eng zu sein. Wie sonst sollte sie durch den Stoff seine Muskeln erkennen?
Auch seine dunklen Hosen waren auf eine Weise geschnitten, die ihrer Meinung nach fast obszön war. Sie sollte seine Oberschenkelmuskeln nicht so betonen oder …
Sie zwang ihren Blick zu seinem Gesicht zurück. Aber das war auch nicht besser. Er verspottete sie. Ja, eindeutig. In seinen dunklen Augen lag wie immer ein Anflug von Spott. Sein Kinn war kantig, seine Nase gerade wie eine Klinge, und seine Lippen … Sie konnte es nicht ertragen, darüber nachzudenken.
Gar nicht.
Sie schaute nicht auf seine Lippen und würde es auch nie tun.
Sie sammelte sich, dann ging sie langsam, sehr langsam, die Treppe hinunter. „Wie lange stehst du schon da?“
Er blickte demonstrativ auf seine Uhr. „Ein paar Minuten.“
„Du bist nicht auf den Gedanken gekommen, deine Anwesenheit anzukündigen?“, fragte sie. „Oder mir zu helfen?“
Er hob eine dunkle Augenbraue. „Ich bin Feminist, cara. Ich würde niemals davon ausgehen, dass du Hilfe benötigst.“
Von wegen Feminist!
Aber sie weigerte sich, sich etwas anmerken zu lassen. Er würde keine Reaktion von ihr bekommen. Sie reckte ihr Kinn und richtete sich zu ihrer ganzen Größe auf. „Vielleicht könntest du mir mit der Tasche helfen, wenn ich meine Sachen wieder eingepackt habe.“
Er ging näher an ihre Dessous heran und stupste die Ecke eines ihrer Spitzennachthemden mit seinem Fuß, als würde er ein kleines Tier auf Lebenszeichen untersuchen.
Hier gab es keine toten Tiere. Nur ihr Stolz lag im Sterben. Das war alles.
Sie ging langsam – sehr langsam, damit sie nicht eifrig oder gehetzt wirkte – in die Knie und begann, ihre Sachen zurück in die Tasche zu packen.
Er sah ihr dabei zu und nippte an seinem Kaffee, als hätte er alle Zeit der Welt. Als wäre er nicht ein sehr beschäftigter, sehr wichtiger Milliardär, der in diesem Chalet nichts zu suchen hatte. Ihr Vater hatte seine Tochter und seinen Assistenten für diesen Job hierhergeschickt.
So. Unter. Seiner. Würde.
Aber hier war er. Als hätte er keinen vollen Terminkalender, als wäre nicht jede Sekunde seines Tages verplant und als würde er nicht ständig in Artikeln wie „Die begehrenswertesten Milliardäre unserer Zeit“ auftauchen.
„Heißt das, du möchtest meine Hilfe?“, fragte er, sobald sie den Reißverschluss geschlossen hatte.
„Ja.“ Nur die Anstrengung machte sie so atemlos, nichts sonst. „Wenn es dir nichts ausmacht.“
„Ganz und gar nicht. Dir zu dienen, ist mein Lebenszweck, Lyssia.“
Fast hätte sie gewürgt.
Während er in der anderen Hand immer noch seinen Kaffee hielt, hob er die Tasche auf, warf sie sich über die Schulter und trug sie mühelos die Treppe hinauf. Lyssia schniefte und schleppte sich hinterher.
Sie versuchte, nicht zu interessiert oder eifrig zu klingen, als sie ihre nächste Frage stellte. „Wann reist du wieder ab, Dario?“
„Ich bin gerade erst angekommen“, teilte er ihr mit und blieb direkt vor ihrer Schlafzimmertür stehen.
Sie stoppte. „Was?“
„Ich bin hier, um das Resort zu inspizieren.“
„Was?“, fragte sie erneut.
„Dein Vater hat mich darum gebeten.“
„Aber Carter und ich sollten …“
„Dein Vater wollte, dass jemand mit mehr Erfahrung dabei ist, und ich habe angeboten, es zu übernehmen.“
Aha. Nicht mal als Inspektorin für das Resort war sie also gut genug. Natürlich nicht. Dazu wurde Dario gebraucht. Dabei arbeitete er nicht einmal mehr für ihren Vater, sondern stand kurz davor, die Hotelkette zu übernehmen. Aber Darios Meinung zählte am meisten.
Und jetzt wohnte er auch noch im selben Haus wie sie und Carter? Wie eine miesepetrige Aufsichtsperson?
Aber das eigentliche Problem war nicht einmal, dass Dario sie beaufsichtigte, sondern das wilde Monster, das er jedes Mal aus ihr hervorholte, wenn sie sich in einem Raum aufhielten.
Sie konnte sich die nächsten Tage schon genau vorstellen. Sie würde die ganze Woche damit verbringen, mit ihm zu streiten, während er an seinem Espresso nippte und ungerührt wirkte, bis er irgendwann die Beherrschung verlor und sie gewonnen hatte. Dabei würde sie ganz vergessen, Carter zu küssen, geschweige denn mit ihm ins Bett zu gehen.
Nein. Nein. Das würde sie nicht zulassen. Dario musste kein Hindernis sein. Was auch immer das Problem zwischen ihnen war, hatte nichts mit Carter und ihr zu tun.
„Aber Carter kommt, oder?“ Sie würden sich eben ein anderes Zimmer im Hotel nehmen.
Dario hob eine dunkle Braue. „Nein. Ist das ein Problem für dich, cara?“
Es fühlte sich an, als hätte sich unter ihren Füßen ein schwarzes Loch aufgetan. Aber sie würde sich nicht verschlingen lassen.
„Hör auf, mich cara zu nennen“, schnappte sie. „Du magst mich nicht einmal.“
„Das ist ironisch gemeint. Kennst du keine Ironie?“
„Feminist und Komiker also. Wie konnte die Welt so viel Glück haben?“
Hier waren sie wieder. Lyssia und Dario und ihr endloses Bedürfnis, sich Beleidigungen an den Kopf zu werfen, bis einer von ihnen die Beherrschung verlor. Er ließ sie alles vergessen. Und alle. Oft sogar, worüber sie gerade sprachen. Als würde die ganze Welt nicht mehr existieren, nur noch sie beide. Als Dario eine dunkle Augenbraue hob, erwachte etwas in ihr zum Leben.
Er schaute sie spöttisch an. „Man hat allerdings wirklich schon über mich gesagt, ich wäre genau das, was die Welt braucht, aufgetaucht in der dunkelsten Stunde.“
„Der Antichrist ist gekommen, um das Ende aller Tage einzuläuten?“, fragte sie zuckersüß. Dachte sie jedenfalls.
„Ich habe in letzter Zeit keine Heuschrecken gesehen. Aber das kann am Wetter liegen.“
„Hm. In der Tat. Es ist allgemein bekannt, dass Heuschrecken keinen Schnee mögen.“
Sie standen in der Halle und starrten sich finster an. Ihr Magen krampfte sich zusammen, ihre Brust wurde schwer. Sie konnte kaum atmen. Weil sie ihn so sehr hasste. So sehr. Das war immer schon so gewesen, und es würde sich nie ändern.
Wenn überhaupt, war er in den letzten Jahren sogar noch schlimmer geworden.
Er war so arrogant.
So groß. Es war ärgerlich. Seine Schultern waren so … so breit, seine Hände so groß. Das gefiel ihr alles überhaupt nicht.
„Danke“, sagte sie.
„Soll ich die Tasche nicht in dein Zimmer stellen? Ich weiß, dass du Rundum-Service gewohnt bist.“
„Als wärst du das nicht selbst mittlerweile“, spottete sie.
Wahrscheinlich war es Jahre her, dass er sich um seine eigenen Bedürfnisse hatte kümmern müssen. Er hatte bestimmt einen Chauffeur, einen Butler, der ihm die Zähne putzte, und eine Frau, die … nun ja.
Was auch immer. Darüber würde sie nicht weiter nachdenken.
Sie wusste genau, was die Frauen von Dario hielten. Auf jeder Party hatte er eine wunderschöne elegante Frau an seinem Arm. Ein Model, eine Schauspielerin, eine Influencerin, ein High-Society-Girl, Hauptsache, sie sah gut aus in Haute Couture.
Er reagierte nicht auf ihren Spott, was ärgerlich war. Sie fand, sie hatte sich ziemlich gut bei dem Schlagabtausch gehalten. Stattdessen öffnete er ohne Erlaubnis ihre Schlafzimmertür und stellte die Taschen hinein.
Sie schlüpfte ins Zimmer und erkannte sofort ihren Fehler. Das Gefühl, das zwischen ihnen im Flur pulsiert hatte – Hass, das war es –, schien sich hier auszudehnen und machte es ihr unmöglich, klar zu denken.
Er sagte nichts, sah sie nur an. Die klaren Linien seines wie gemeißelten Gesichts wirkten mit einem Mal deutlicher.
Als wäre er plötzlich größer. Breiter. Näher.
„Alles in Ordnung, cara?“
„Ja“, brachte sie heraus.
Plötzlich wollte sie ihn nicht einmal mehr ärgern. Sie wollte ihn einfach nur nicht mehr in ihrer Nähe haben.
Und genau dafür würde sie sorgen. Morgen würde sie in ein Zimmer im Hotel umziehen. Sie würde diesen Job zu Ende bringen. Sosehr sie auch am liebsten direkt nach Manhattan zurückgeflogen wäre, um ihre Carter-Mission zu erfüllen, konnte sie ihren Vater nicht glauben lassen, dass sie ihr Privatleben über die Arbeit stellte. Auch wenn es eine Beleidigung von ihm war, Dario zu schicken, um sie zu beaufsichtigen.
Wenn sie aus der Mittelmäßigkeit herausfinden wollte, musste sie der Arbeit Priorität einräumen.
Aber sobald sie von hier wegkam, würde sie sich mit Carter in Verbindung setzen und ein Date mit ihm vereinbaren.
„Danke, Dario“, sagte sie. Sie hoffte, dass er den Hinweis verstand, sie allein zu lassen.
„Sehr gern, Lyssia, für dich immer.“ Offensichtlich machte er sich über sie lustig.
Sie ging nicht auf seine Provokation ein.
Er drehte sich um und ging. Sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte, sah sie sich um. Es war ein schönes Zimmer. Große Panoramafenster gaben den Blick auf die verschneite Landschaft frei, und klares, helles Licht erfüllte den Raum. Das Bett auf einer Plattform war mit einem weißen Überwurf bedeckt. Neben einem modernen Glaskamin lag ein Teppich aus weißem Rentierfell auf dem hellen Bambusboden.
Sie zog die Schuhe aus und seufzte wohlig. Der Boden wurde durch eine Fußbodenheizung erwärmt, und es fühlte sich sehr luxuriös an. Das wunderschöne Badezimmer besaß eine große weiße Wanne und ein schiefergraues Schweberegal.
Dies hätte ein großartiger Ort sein können, um mit Carter ein Bad zu nehmen.
Bei dem Gedanken an die romantische Szene, die jetzt nicht stattfinden würde, seufzte sie wehmütig. Dabei konnte sie sich so gut vorstellen, mit ihm in der Wanne zu sitzen, mit Schaum bedeckt und Champagner schlürfend.
Sie würden über ihren Tag reden, und es wäre so … süß.
Lyssia runzelte die Stirn.
Und aus irgendeinem Grund gab es eine Fehlschaltung in ihrem Gehirn. Das Bild in ihrem Kopf von ihr und Carter zerbrach in zwei Teile. Dahinter tauchte Dario auf, in all seiner goldenen Schönheit.
Aber in diesem Bild gab es keinen Champagner. Es gab kein Lächeln. Keinen Badeschaum. Sie stand Dario gegenüber, nackt im Wasser, seine breite Brust war muskulös und mit dunklem Haar bedeckt. Sein Gesichtsausdruck war … wütend. Intensiv. Seine dunklen Augen ließen sie nicht los, während er auf sie zukam …
„Nein!“, schrie sie und sprang aus der leeren Wanne.
Was zum Teufel war los mit ihr?
Sie musste hier raus.
Sie musste von Dario Rivelli wegkommen.
Der Mann war ihr Erzfeind. Und sonst nichts.
Lyssia Anderson war die schönste Nervensäge der Welt.
Dario saß vor dem Kamin im weitläufigen Wohnbereich des Chalets und dachte über die Situation nach. Er hätte nicht Ja sagen sollen. Aber Nathan Anderson kam für ihn einem Vater am nächsten, und wenn der Mann ihn um etwas bat, tat er es auch.
Niemand sonst auf der Welt könnte Dario dazu bringen, seinen Zeitplan umzuwerfen, um jemandem einen Gefallen zu tun.
Er dachte an Lyssia. Blond, mit großen Augen und unglücklich, wie sie auf einen Stapel Unterwäsche am Fuß der Treppe starrte.
Das Problem mit Lyssia war, dass er sie verstand. Besser, als sie sich selbst verstand, kam es ihm manchmal vor. Sie glaubte, sie wäre so wütend auf ihn, weil sie ihn hasste. Vielleicht tat sie das sogar. Aber das war nicht der wahre Grund, warum sie sich jedes Mal wie ein wütendes Kätzchen aufblähte, wenn er ihr zu nah kam.
Dario war zehn Jahre älter als sie und weitaus erfahrener. Außerdem hatte er kein so behütetes Leben wie Lyssia hinter sich.
Sie hatte sich ganz eindeutig vorgestellt, ein romantisches Wochenende mit dem kleinen Assistenten ihres Vaters zu verbringen. Carter war der erbärmlichste Jammerlappen, den er je getroffen hatte. Aber Lyssia war offensichtlich in ihn vernarrt.
Und warum? Weil sie ihn kontrollieren konnte. Das war der Grund.
Allerdings war es nicht das, was Lyssia brauchte. Und auch nicht das, was sie wollte. Nicht wirklich. Sie glaubte, dass sie es wollte, und sie würde vielleicht sogar ein bisschen Spaß mit dem Jungen haben, aber er würde ihr nie genug sein, um sie wirklich zu befriedigen.
Er fragte sich, wie lange es dauern würde, bis sie es selbst merkte. Obwohl er fand, dass sie eine nervige Göre war, und das Gefühl hatte, dass sie ihn für den arrogantesten Mistkerl der Welt hielt, war das, was zwischen ihnen pulsierte, nicht nur Hass, sondern Verlangen.
Dario konnte sich genau an den Moment erinnern, als sie zu einem Problem geworden war. Er kannte Lyssia seit ihrer Kindheit. Aber er hatte sie nie wirklich wahrgenommen. Sie war das kleine Mädchen gewesen, das bei seinen seltenen Besuchen in Nathans Haus herumlief, aber er hatte sie immer nur im Vorbeigehen gesehen.
Nach dem Tod ihrer Mutter verbrachte Lyssia mehr Zeit im Büro. Als mürrischer Teenager mit einem fragwürdigen Modegeschmack sah man sie oft auf irgendeiner Couch in der Firma ihres Vaters herumlungern oder auf dem Bürostuhl ihres Vaters, während er in einer Besprechung war.