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In 'So sollt ihr leben' präsentiert Sebastian Kneipp eine umfassende Sammlung von Gesundheitsratschlägen, die auf seiner bahnbrechenden Hydrotherapie basieren. Das Buch kombiniert praktische Ratschläge zur Erhaltung der Gesundheit mit einer tiefgreifenden Reflexion über die Bedeutung eines ausgewogenen Lebensstils. Kneipps lebendiger und zugänglicher Schreibstil macht dieses Werk für Menschen jeden Alters und Gesundheitszustands geeignet. Das Buch ist ein Meilenstein im Bereich der naturheilkundlichen Literatur des 19. Jahrhunderts und stellt einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsfürsorge dar. Sebastian Kneipp, als Pionier der Naturheilkunde, hat seine jahrzehntelange Erfahrung und Forschung in dieses Werk einfließen lassen, um Lesern praktische und lebensverändernde Ratschläge zu bieten. Seine Leidenschaft für die Förderung eines gesunden Lebensstils und seine tiefe Verbundenheit mit der Natur spiegeln sich in jedem Kapitel des Buches wider. 'So sollt ihr leben' ist ein zeitloses Werk, das bis heute einen wichtigen Beitrag zur Förderung von körperlicher und geistiger Gesundheit leistet. Es ist ein unentbehrlicher Leitfaden für alle, die nach einem ganzheitlichen Ansatz zur Gesundheitspflege suchen.
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Inhaltsverzeichnis
Wenn ich einen Blick auf das Leben und Treiben der Menschen werfe, so sehe ich, wie die meisten derselben in dem von Gott ihnen angewiesenen Stande und Berufe angestrengt arbeiten und sich abmühen müssen, um sich und den Ihrigen die nöthigen Mittel zum Lebensunterhalte zu verschaffen, wie sie thatsächlich im Schweiße ihres Angesichtes ihr Brod verdienen. Es lehren mich auch die Ankunft des Menschen auf Erden, seine Wanderung hienieden, sowie sein Weggang aus dieser Welt, daß der Mensch seinen unsterblichen Geist in einem zwar wunderbar gebauten, aber sehr gebrechlichen Gefäße trägt. Mannigfaltige Leiden des Geistes und Körpers erschweren dem Menschen die Erfüllung seiner Berufspflichten, und „ein schweres Joch liegt auf den Kindern Adams von dem Tage, da sie hervorgehen aus ihrer Mutter Schooß, bis zu dem Tage, da sie in die Erde wieder zurückkehren, welche die Mutter Aller ist“.
Daß es so nicht immer gewesen sein kann, lehrt uns schon die Vernunft, da der Mensch durch seinen unsterblichen, willensfreien Geist ein Ebenbild seines allmächtigen, allgütigen und allweisen Schöpfers ist. Durch den Glauben wissen wir, daß die ganze Schöpfung unter dem Fluche der Erbschuld und ihrer Strafe seufzt, und der gerechte Gott verlangt von dem Menschen, daß er dieses sein Geschick in Geduld ertrage und auch zum Tode bereit sei, wann und wo Er ihn ruft. Aber Er, der gesagt hat: „Rufe mich an in der Noth, und Ich will dich erretten!“ – Er verlängert auch, durch unser demüthiges Bitten bewogen, die Tage unserer irdischen Pilgerfahrt und zieht den strafenden Arm zurück, der schon erhoben war, uns mit der Ruthe der Gebrechen und Mühsale zu züchtigen. Doch soll der Mensch nicht bloß zu seinem Schöpfer flehen um Gesundheit und langes Leben, sondern er soll auch seinen Geist gebrauchen, um die Schätze zu finden und zu heben, welche der allgütige Vater in die Natur hineingelegt hat als Heilmittel für die vielfachen Übel dieses Lebens. Auch hier gilt das Sprüchwort: „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!“
Von jeher hat es Männer gegeben, welche es sich zur Lebensaufgabe machten, die Mittel und Wege zu erforschen, wodurch die mancherlei Krankheiten geheilt werden könnten. Wie viele Bücher existieren, die uns Kunde geben von der Heilkraft mancher Kräuter, von der heilsamen Wirkung mineralischer Stoffe! Andere wieder lehren, wie man dieses oder jenes Übel durch Schneiden, Brennen u. dgl. zu entfernen habe.
Ich selbst wurde schon in meiner Kindheit darauf aufmerksam, wie dieses und jenes Kräutlein von den älteren Leuten aufgesucht und bei mancherlei Leibesgebrechen angewendet wurde. Sie betrachteten die erschaffene Welt mit viel sinnigeren Augen, als Dieses heutzutage geschieht, und dankbar erhoben sie nach Erlangung der Gesundheit ihren Blick zum Himmel, von dem alle Heilung und Rettung kommt. Diese Kräutlein, welche bei den Alten in so hohem Ansehen standen, sind heute theils verachtet, theils vergessen; nur noch einzelne werden von den einfachsten Leuten als sogenannte Hausmittel gesucht und gebraucht. Es ist mit diesen Kräutern gegangen wie mit der alten Mode. Das Gute, Brauchbare, überaus Einfache und doch so Schöne ist verschwunden, und das Geschmacklose, das durchaus Unschöne, das Schädliche, das den Körper zu Grunde Richtende ist an seine Stelle getreten.
Von dem aufrichtigen Streben beseelt, die Leiden meiner Mitmenschen, so viel es in meiner Macht steht, zu lindern, habe ich die alten verlassenen und vergessenen Kräutlein wieder aufgesucht, habe ihre Heilkraft erprobt und Manchen geheilt von schweren und langjährigen Leiden. Wie oft mußte ich da ausrufen: „Wie wunderbar bist Du, o Herr, in Deinen Werken! Was der Mensch nicht achtet, ja was er mit Füßen tritt, das hast Du liebreich vor seinen Augen gepflanzt, damit er dadurch Hilfe in Noth und Elend finde!“
Ein ganz besonderes Heilmittel aber für zahlreiche Gebrechen der armen gefallenen Menschennatur hat die wohlthätige Hand des Allerhöchsten der Menschheit gegeben, welches man überall auf Erden findet. Es ist dieß das Wasser. Dieses große Geschenk des allgütigen Vaters stillt nicht bloß den Durst des Menschen und der Thiere, sondern es ist auch das allererste, vorzüglichste und allgemeinste Heilmittel für den menschlichen Körper. Weist nicht die Natur selbst den Menschen mit tausend Fingerzeigen darauf hin, daß an ihm das Wasser als Heilmittel angewendet werden soll! Wie fühlt er sich neubelebt und gestärkt, wenn er nach harter Tagesarbeit oder des Morgens nach dem Aufstehen Gesicht und Hände, auch wohl Hals und Brust mit Wasser abwäscht! Sieht er nicht, wenn anders er die Natur nicht im Vorübergehen anzuschauen gewohnt ist, wie die Thiere in krankem Zustande das Wasser aufsuchen als ein Heilmittel für ihre Leiden? Der mit Vernunft begabte Mensch aber zeigt sich hier leider oft unvernünftiger als das vernunftlose Geschöpf!
Das Wasser weckt, wenn es im Frühling und Sommer zur Erde niederfällt, überall Leben und Gedeihen, regt in der Pflanzenwelt alle Organe zu neuem Leben, zu erhöhter Thätigkeit an. Es erfrischt und belebt auch die Körpertheile, welche alle civilisirten Menschen täglich zu reinigen gewohnt sind. Sollte das nicht alles ein Fingerzeig für den Menschen sein, daß das Wasser ebenso geeignet sein dürfte, die krankhaften Stoffe aus dem menschlichen Körper auszuleiten und auszuwaschen, den Körper in seiner Gesammtheit zu erfrischen, zu beleben und zu stärken, den gesunden wie den kranken! – Doch auch hier geht es wie in gar vielen Dingen. Das Einfache, das Naturgemäße, das Vernünftige wird aufgegeben und die Heilung da gesucht, wo sie nicht zu finden ist, in dem Unnatürlichen, ja Widernatürlichen. Man kann fast sagen: Je absonderlicher eine auftauchende Heilmethode ist, desto mehr Freunde und Anhänger gewinnt sie, bis endlich die leichtgläubige Menge einsieht, daß sie betrogen ist und der Heilkünstler sich die Taschen gefüllt hat. Was die heilige Schrift von dem übernatürlichen Wasser der Gnade sagt, das gilt vielfach auch vom natürlichen Wasser: „Die Quellen des lebendigen (d. h. des Leben gebenden und erhaltenden) Wassers haben sie verlassen und sich Cisternen gegraben, welche kein Wasser (und darum kein Leben) haben.“
Das gilt insbesondere auch von der modernen Art und Weise zu leben. Wenn man die Lebensweise mancher Menschen mitansieht, wenn man die Verkehrtheiten betrachtet, welche besonders in der körperlichen Erziehung der Kinder gemacht werden, so möchte man fast an dem gesunden Sinne der Menschheit und an ihrem logischen Denken zweifeln. Gehe man doch bei den Vorfahren in die Schule! Diese haben seit Jahrhunderten das Wasser benützt nicht bloß zur Reinigung des Körpers, sondern auch zur Erhaltung der Gesundheit, indem sie durch Anwendung von Bädern und Kaltwaschungen schon den Körper der Kinder widerstandsfähiger machten gegen alle möglichen schädlichen Einflüsse des Klimas und der Witterung. Ja wir dürfen noch weiter zurückgehen. Haben nicht die Römer selbst auf ihren Kriegszügen überall da, wo sie feste Lager bezogen, sofort Bäder eingerichtet, in denen sie, nachdem der Körper durch Natur oder durch Kunst zur Transspiration gekommen war, diesen mit frischem Wasser begoßen? Diese Alten, von denen wir noch Vieles lernen könnten, haben die Wasseranwendung so hoch geschätzt, daß man in Rom das Sprüchwort hatte: Gesegnet sei, der das Bad erfand. Das hohe Alter unserer Altvorderen, ihre oft riesige Körperkraft verdankten sie neben ihrer einfachen Lebensweise vorwiegend der vernünftigen Anwendung des Wassers.
In späteren Jahrhunderten hat es immer Männer gegeben, welche sich bemühten, der Lebensweise der Alten wieder mehr Eingang bei der Menschheit zu verschaffen, sie zu deren einfachen und vernünftigen Lebensregeln zurückzuführen. Ich erinnere nur an die großen Ordensstifter, wie sie in den von ihnen entworfenen Ordensregeln den allgemein eingerissenen Verkehrtheiten der verweichlichten Menschheit den Krieg erklärten und ihre Ordensmitglieder dadurch fähig machten, die Pflichten ihres oft sehr schweren Berufes zu erfüllen und doch dabei gesund zu bleiben und ein hohes Alter zu erreichen. Auch die Männer der Wissenschaft, die Ärzte, haben vielfach dem Wasser zu seinem Rechte verholfen und auf diese große Kraft zur Heilung menschlicher Gebrechen hingewiesen. Von den Neueren will ich nur Hufeland und Priesnitz nennen.
Mich hat nicht der Beruf oder die Vorliebe für das Medizinieren dazu gebracht, die heilsamen Wirkungen des Wassers zu erproben, sondern die bittere Noth. Noth lehrt beten und seinen Verstand gebrauchen! Nach dem Urtheile zweier vorzüglicher Ärzte war ich im Jahre 1847 am Rande des Grabes; beide hielten mich für verloren; durch die Hilfe des Wassers allein lebe ich heute noch und bin munter und guter Dinge.
Allerdings hat Letzteres nicht das Wasser allein zuwege gebracht; ich habe meinen vorzüglichen Gesundheitszustand gewiß auch meiner einfachen, von der Gewohnheit gar vieler Menschen allerdings etwas abweichenden Lebensweise zu verdanken.
Was aber mir zur Gesundheit verholfen hat, als ich ein Candidat des Todes war, das dürfte doch wohl auch Andere zu heilen geeignet sein. Dieses war einzig und allein das Wasser. Beweis dafür sind die von mir nur durch Anwendung meiner Wasserkur Geheilten, welche bereits nach Hunderten gezählt werden müssen. Neben den fortgesetzten Wasseranwendungen war es, wie gesagt, die Art und Weise, wie ich mich nähre, wie ich wohne, schlafe und mich kleide, was mir meine vortreffliche Gesundheit bereits durch mehr als 40 Jahre erhalten hat.
Darum drängten mich meine Freunde, welche die Herausgabe meiner „Wasserkur“ veranlaßten, auf's Neue, daß ich doch auch meine Erfahrungen in Betreff einer vernünftigen und dem menschlichen Körper durchaus angemessenen und zuträglichen Lebensweise schriftlich niederlegen möge. Nur schwer konnte ich mich dazu entschließen. Die Pflichten meines priesterlichen Amtes machen vor Allem Anspruch an meine Körperkräfte; dazu kommt die große Anzahl Derer, welche in ihren mannigfaltigen Leiden bei mir Hilfe suchen; dieses Jahr sind es deren schon weit über tausend! Endlich stehe ich bereits im 69. Jahre meines Lebens, hätte also Ruhe und Schonung wohl nöthig. So mußte ich mir die Zeit, welche zur Abfassung dieses Buches nöthig war, förmlich abringen; Das, was es enthält, ist stückweise, wie es meinem Gedächtnisse sich gerade darbot, oder auf Grund von Notizen, die ich mir bei sehr wichtigen Fällen gemacht hatte, niedergeschrieben worden. Darum möge man ein Nachsehen haben, wenn in diesem Buche Manches vorkommen sollte, was schon in meiner „Wasserkur“ gesagt wurde. Ist es gut, – und nach dem Erfolge dieses Buches scheint es so, – dann darf es auch zweimal gesagt werden; man behält es so besser.
Vieles, was in diesem Buche gesagt ist, wird vielleicht nicht die Billigung der akademisch gebildeten Ärzte finden, sie werden es mit dem sogenannten heutigen Standpunkte ihrer Wissenschaft nicht vereinbar finden. Das kann mich aber nicht abhalten, es niederzuschreiben, denn der Erfolg ist der beste Lehrmeister der Wahrheit; was dem Menschen hilft, was ihn gesund macht, das ist gut für ihn. Wenn er aber noch so regelrecht behandelt und dadurch zu Grunde gerichtet worden ist, so kann ihm die Thatsache, daß er ganz den Resultaten der Wissenschaft gemäß behandelt wurde, wohl kaum einen Trost in seinem Elend gewähren. Ich habe noch Niemand eingeladen, zu mir zu kommen, damit ich ihn heile. Auch pflege ich in wichtigen Fällen stets den Kranken erst an einen studierten und tüchtigen Arzt zu weisen, damit dieser ihn untersuche und ihm sage, wo der Sitz seines Übels sei. Dann erst schicke ich mich an, ihn zu heilen. Auch gehe ich durchaus nicht darauf aus, der wissenschaftlichen Medicin Concurrenz zu machen; ich erkenne das Gute gerne an, wo ich es finde. Aber ich muß auch der Wahrheit Zeugniß geben und das als verkehrt Erkannte als solches bezeichnen. Mich leitet ja kein irdisches Interesse; nur das Mitleid mit meinen leidenden Mitmenschen hat mich veranlaßt und bewegt mich auch noch heute, ihnen, wo ich kann, hilfreich zur Seite zu stehen.
Sollte mir aber gesagt werden, es sei doch nicht mein Beruf, die Leute zu kurieren, so sage ich darauf: Der Samaritan war auch kein studierter Doktor und kurierte doch den, der unter die Räuber gefallen und von diesen halbtodt geschlagen worden war, und es genierte ihn gar nicht, daß seine Landsleute ihn vielleicht tadeln würden wegen seiner barmherzigen Liebe.
Übelwollende Kritik dieses meines Buches fürchte ich nicht, ja beachte sie nicht einmal, möge sie auch noch so sehr mit dem Mantel der sogenannten Wissenschaftlichkeit sich umhüllen. Wenn ein Arzt über mein erstes Buch sich ausgesprochen: „Das Buch wäre schon recht, wenn es nur nicht von einem Pfaffen wäre,“ so kennzeichnet eine solche Äußerung den geistigen Standpunkt dieses privilegierten Menschenretters ausreichend. Ich aber entgegne darauf ganz ruhig: „Die Soldaten haben das Pulver auch nicht erfunden und schießen doch recht fleißig.“ Ich verzichte auf jeden Ruhm und jede Ehre; ein Vater unser, welches ein von mir Geheilter für mich verrichtet, ist mir mehr werth als alle Ehrendiplome von Seiten Derjenigen, welche da meinen, sich als Vertreter und Retter der Wissenschaft aufspielen zu müssen.
Denjenigen aber, die sich dafür interessieren, will ich verrathen, daß „Meine Wasserkur“ bereits in zehnter Auflage gedruckt ist; es sind noch nicht drei Jahre verflossen, seitdem dieses Buch seine Wanderung angetreten, und schon ist kein Landstrich deutscher Zunge mehr, wo es nicht gekannt ist und sich als Hausfreund eingebürgert hat. Ja bereits weit über unser Vaterland hinaus hat es seinen Weg gefunden und sich Freunde erworben. So darf ich denn wohl die bescheidene Hoffnung hegen, daß auch dieses neue Buch, welches meinen Mitmenschen sagen will, wie sie leben sollen, wenn sie selbst gesund und kräftig werden und bleiben und ein ebensolches Geschlecht heranziehen wollen, nicht ohne Segen für die Menschheit bleiben werde. Wenn „Meine Wasserkur“ ihren Lesern sagen wollte, wie sie durch Anwendung des Wassers und einfacher Kräuter die verlorene Gesundheit wieder gewinnen könnten, so will dieses neue Buch sie belehren, wie sie sich nähren, wie sie wohnen, schlafen und sich kleiden sollen u. s. w., wenn sie ihre Gesundheit erhalten und den Krankheiten vorbeugen wollen. Das will der erste Theil.
Im zweiten Theile habe ich auf dringenden Wunsch meiner Freunde eine Anzahl von Krankheitsfällen aufgeführt, welche theils sehr interessant sind, theils eine Ergänzung des in meiner „Wasserkur“ Niedergelegten sein sollen. Dabei habe ich nicht bloß die gemachten Anwendungen, sondern auch die dabei von mir beabsichtigte Wirkung im Einzelnen angegeben, um so dem Laien, welcher nicht immer und überall gleich einen Arzt zur Hand hat, Anleitung zu geben, wie er, ohne den geringsten Schaden für die Gesundheit befürchten zu müssen, selbst Wasseranwendungen machen kann, bis die Hilfe des Arztes kommt.
So trete denn auch du, mein zweites Buch, unter dem Schutze des Allerhöchsten deine Wanderung an! Gehe zunächst zu Denen, welche durch „Meine Wasserkur“ bereits veranlaßt worden sind, mit dem Wasser Freundschaft zu schließen, und sich dieses mächtigen und wohlwollenden Freundes als eines Helfers in der Noth bedienen. Ihnen wirst du auch sagen, was sie weiter wissen müssen als Ergänzung und Vervollständigung meines ersten Werkchens. Solltest du auch so viele Gönner dir erwerben wie dieses, so würde meine Freude groß sein und zwar deßhalb, weil ich dann die Überzeugung hegen dürfte, zum Wohle meiner Mitmenschen ein neues Schärflein beigetragen zu haben. Für mich selbst will ich Nichts weiter, als daß die durch mich Geheilten und die, welche durch meine beiden Bücher bewogen worden sind, mehr der Gesundheit gemäß zu leben und dadurch ihr Lebensglück und die Zeit ihres Verdienstes auf Erden zu verlängern, meiner zuweilen im Gebete gedenken. Das gebe Gott!
Wörishofen, 15. September 1889. Der Verfasser.
Inhaltsverzeichnis
Was ist doch für ein großer Unterschied zwischen Tag und Nacht! Vergleiche man eine schöne Mittagsstunde, wann die Sonne recht hell scheint und keine Wolken am Firmamente sind, mit einer Mitternachtsstunde, wann es bei der größten Finsterniß ganz unheimlich ist und alle Gegenstände entweder gar nicht oder nur unklar geschaut werden können. Es ist, wie wenn man einen recht großen Saal mit schönen Bildern und Kunstgegenständen betrachtet und im Gegensatz hierzu einen recht dunkeln, schaurigen Kerker, wo ringsum nur Finsterniß und Unheimlichkeit herrscht. Wie der Anblick eines solchen Saales das ganze Gemüth hebt und erfreut, so kann ein derartiger Kerker nur Furcht und Wehmuth einflößen. Wer möchte einen solch' düstern Ort sich zu seiner Wohnstätte auswählen? Jedermann würde glauben, er müßte dort verkümmern; es würde gewiß Jeder einen großen, hellen Saal mit vielen schönen Kunstwerken vorziehen. – Einem solchen prächtigen Saale gleicht nun die Schöpfung, wenn sie vom Lichte der Sonne beleuchtet ist. Sie erscheint dann in ihrer ganzen Größe und Schönheit. Hat aber die Erde eine solche Stellung, daß kein Strahl der Sonne die uns umgebende Natur beleuchtet, so ist sie einem unheimlichen Kerker gleich. Würde aber einmal die Sonne einige Wochen gar nicht mehr auf- und niedergehen, welche Folgen müßte dieses für die ganze Schöpfung haben! Wie erst würde es dem vorzüglichsten Geschöpfe auf Erden, dem Menschen, ergehen? Wie würde es mit der Gesundheit und selbst mit dem Leben desselben aussehen?
Betrachte man nur eine Pflanze, die an einem dunklen Orte oder im Keller gewachsen ist, wo nur spärliches Licht hindringen konnte! Sie sieht ganz verkümmert aus, blaß ist die Farbe, ungenießbar sind die Früchte, und wie leicht verwelkt sie! Man kann allgemein sagen: was am Sonnenlicht aufwächst, entwickelt sich gesund, kräftig und vollständig; was in der Dunkelheit wächst, ist und bleibt verkümmert. Ist es nicht auffallend, daß ein großer Theil der Pflanzen, besonders die Blumen, sich stets dem Sonnenlichte zuwenden? Die Sonnenblumen erwarten am Morgen die Sonne im Osten und bleiben ihr zugewandt, bis sie Abends im Westen untergeht. Wie viele Blumen schließen am Abend ihren Kelch, wie der Krämer seinen Laden! Wenn aber am Morgen die Sonne kommt, dann öffnen sie sich wieder. Wie bei den Pflanzen, ähnlich ist es auch bei den Thieren. Schwindet das Tageslicht, dann verlangen sie nach Ruhe; kommt das Morgenlicht, so ist Alles neu gekräftigt und neu gestärkt. Fast kein Vogel singt am Abend; was singen kann, beginnt am Morgen seinen Gesang.
Wenn nun das Licht eine solche Macht auf die andern erschaffenen Wesen ausübt, warum sollte dasselbe nicht auch besondere Einwirkung auf den menschlichen Körper und Geist haben? Welch' düstere Stimmung bringt ein trüber Tag bei einem kranken Menschen hervor! Auch der Gesunde fühlt sich nicht so behaglich, und wie wohlthuend wirkt es, wenn nach einigen Regentagen wieder das freundliche Sonnenlicht in das Krankenzimmer, in die Werkstätten, in die ganze Schöpfung leuchtet! Jeder Mensch fühlt die Wirkung des Lichtes wie beim Aufgange, so beim Untergange der Sonne; doppelt aber fühlt sie der Kranke. Man kann die Vortheile des Lichtes und die Nachtheile des Mangels an Licht an den Menschen leicht beobachten. Wie selten findet man einen Weber, einen Fabrikarbeiter, einen Bergmann oder sonst einen, der durch seinen Beruf das Tageslicht entbehren muß, mit einem ganz gesunden, frischen Aussehen! Tragen sie nicht alle gleichsam einen Todtenflor über ihr Angesicht? Unsere Züchtlinge haben eine nahrhafte Kost und meistens mehr als die nothwendige Pflege, aber alle entbehren Lebensfrische und volle Gesundheit. Es läßt sich mit Recht behaupten, daß Helle und Sonnenlicht sehr dazu beitragen, eine gute Stimmung im Menschen hervorzubringen, somit auf Geist und Körper wesentlich einwirken.
Man könnte vielleicht sagen: wenn man die Sonne entbehrt, hat man doch einen Ersatz durch das künstliche Licht. Man hat es hierin allerdings zu außerordentlichen Erfindungen gebracht. Als Knabe habe ich noch in einigen Haushaltungen gesehen, wie man am späten Abend am Ofen Holzsplitter anzündete und bei diesem armseligen Lichte spann. Auch habe ich noch gesehen, wie auf einen Leuchter ein gut getrockneter Holzspahn gesteckt war, der, an der obersten Spitze angezündet, langsam weiter brannte, bis er aufgezehrt war. Mit diesem elenden Lichte begnügten sich jene Leute und spannen bis Abends 9 Uhr. Das Leinöl und die Unschlittkerze wurden dann allgemein als Material zur Beleuchtung wie in den Familienwohnungen, so in den Werkstätten verwendet. Mit der Zeit hat man viele, ganz verschiedene Brenn- und Beleuchtungsmaterialien aufgefunden und erfunden. Man hat dadurch das Leinöllicht und die Unschlittkerze verdrängt, weil die neuen Materialien ein viel helleres Licht gaben; ob man aber dabei nicht der menschlichen Natur und im besondern dem Augenlichte sehr geschadet hat, theils durch die Helle und Schärfe des Lichtes, besonders aber durch die verdorbene Luft, die man z. B. bei Gasbeleuchtung einathmen muß, – das ist eine andere Frage, die man wohl wird bejahen müssen.
Zünde man in einem Zimmer, wo um den Tisch 5–6 Personen sitzen, eine Leinöllampe oder eine Unschlittkerze an, wie es einst geschah, und mögen dann alle versuchen, längere Zeit zu lesen: wie bald wird man die Klage hören, es sei nicht hell genug, – ein klarer Beweis, daß das Augenlicht heut zu Tage viel geschwächter ist als einst, und daß die künstlichen Lichter nicht ohne Nachtheil für das Auge und den Körper geblieben sind. Den klarsten Beweis hiefür geben die vielen Leute, die jetzt Augengläser tragen. Ich kann mich nicht erinnern, daß ich als Knabe je einen jungen Menschen mit Augengläsern gesehen habe. Man glaubte damals allgemein, diese seien nur für alte Leute und für einzelne Studierende. Jetzt aber kann man in den Städten und selbst da und dort auf dem Lande junge Leute treffen, die schon mit 8–12 Jahren Augengläser benützen müssen und weder die Helle noch das Sonnenlicht ertragen können. Bald wird es so weit kommen, daß schon kleine Kinder in der Wiege Brillen tragen. Ich bin der vollsten Überzeugung: wenn die Natur des Menschen durch Helle und Sonnenlicht abgehärtet ist, dann wird jedermann sein gutes Augenlicht haben; ist dies nicht der Fall, dann ist der Körper verkümmert und mit ihm auch das Auge. Es soll also das Möglichste gethan werden, daß man der Helle und des Sonnenlichtes nicht entbehre, und Auge und Körper wird dann in einem viel besseren Zustande sein. Wenn man aber, besonders in den Städten, in Wohnstuben und Werkstätten kommt, wohin weder die volle Tageshelle noch auch das Sonnenlicht dringen kann, wie werden letztere genügend wirken können, um gesund und kräftig zu machen! Betrachten wir die Leute, Kinder wie Erwachsene, die an der vollen Tageshelle und im Sonnenschein aufwachsen und arbeiten: welch' gesunde Augen haben diese Leute im Vergleich mit vielen Bewohnern der Großstädte oder denen, die in dunklen Werkstätten arbeiten! Dadurch finden wir das Gesagte hinreichend bestätigt. Der Mensch kann sich nun allerdings an Vieles gewöhnen, besonders wenn es die Mode vorschreibt. Man kann in Zimmer kommen, in welchen alle Fenster mit dunklen, dichten Vorhängen versehen sind, so daß im ganzen Zimmer gleichsam eine Abenddämmerung herrscht, oder es gar so dunkel ist, wie in einem finsteren Kerker. Man warnt doch noch im Allgemeinen davor, in der Abenddämmerung zu lesen, um die Augen nicht zu schwächen; werden solche Leute, welche die meiste Zeit in dieser selbst hergestellten Abenddämmerung arbeiten, nicht ihr Augenlicht schwächen und sogar den Körper verkümmern? Ich empfehle den Hauptgrundsatz sehr zu beachten: wer in der vollsten Tageshelle und in dem schönsten Sonnenscheine lebt und sich bewegt, wird das gesundeste Auge bewahren und den gesundesten Körper, soweit das Licht darauf einwirken kann.
Inhaltsverzeichnis
Kürzlich kam ich an einen ziemlich großen Bach. Das Wasser war so spiegelhell, daß man auch die kleinste Münze auf dem Boden hätte sehen können. Der Bach war ziemlich tief und breit. In demselben schwamm eine große Anzahl Forellen, große und kleine. Ihre Munterkeit, ihr frisches Aussehen war der sicherste Beweis, daß sie sich in diesem Wasser recht behaglich fühlten. Es bildete also das reine spiegelhelle Wasser einen schönen, durchsichtigen Körper, in welchem die munteren Forellen ihr Leben fristeten. Dieser Wasserkörper ist ein kleines Bild von der Luft. Diese ist ja auch ein durchsichtiger, unermeßlicher Körper, in welchem der fliegende Vogel gleichsam schwimmt, wie die Forelle im Bache, und die Menschen und Thiere des Feldes leben und sich bewegen. In durstigen Zügen athmet der Mensch Stoffe ein, die zum Leben so nothwendig sind, daß er ohne dieselben nur eine kaum nennenswerthe Zeit bestehen kann. Weil die Luft durchsichtig ist und ebenso die Stoffe in ihr unsichtbar sind, deßhalb können wir nicht sehen, aus welchen Bestandtheilen sie zusammengesetzt ist. Die Stoffe aber, welche der Mensch mit jedem Athemzuge aufnimmt, heißen: Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff und Wasserdampf. Diese Stoffe sind zum Lebensunterhalt nothwendig; aber der weitaus nothwendigste ist der Sauerstoff. Sind in der Luft, die man einathmet, nur solche Stoffe vorhanden, wie sie die menschliche Natur braucht, dann darf man auf eine gute Gesundheit rechnen. Leider halten sich in der Luft noch viele unreine, ungesunde Stoffe auf, und sie kann auch Mangel haben an solchen Stoffen, die der Natur unentbehrlich sind.
Wenn wir an einem großen Bache oder Flusse stehen, der Schlamm und Schmutz mit sich führt und so trübe ist, daß man den Grund nicht sehen kann, so erblicken wir vielleicht auch in diesem Wasser Fische, ja oft recht große; die meisten aber sind nicht so munter und lebhaft wie die Forellen, die hier ganz fehlen; denn diese gedeihen nur im reinen Quellwasser. Es ist also ein bedeutender Unterschied zwischen dem Wasser einer Quelle und dem schmutzigen Fluß-Wasser. Ersteres sprudelt klar und rein aus der Erde hervor, letzteres hat schon einen weiten Lauf hinter sich, und seine Wellen wälzen gewöhnlich viel Unrath mit sich fort. So kann auch die Luft von unreinen Stoffen frei sein, sie kann aber auch eine Menge solcher in sich haben.
Wie das schönste Quellwasser augenblicklich trüb und schmutzig wird, wenn man Unrath hineinwirft, gerade so schnell kann auch die reinste Luft verunreinigt werden. Wenn in einem Zimmer auch die beste Luft ist, und es raucht Jemand nur einige Minuten eine Cigarre in demselben, so ist die Luft dadurch schon einigermaßen verschlechtert; wenn aber Mehrere längere Zeit rauchen, wie wird dann erst die Luft werden? Wenn also die Luft so leicht verunreinigt werden kann, wie wird dieselbe dann an manchen Orten, namentlich in Städten, beschaffen sein, wo so viele Ursachen zusammenwirken, dieselbe zu verderben! Deßhalb geht auch der Städter so gern aufs Land, um dort eine reinere und gesündere Luft einzuathmen, wodurch besseres Blut und bessere Säfte gebildet werden. Wem seine Gesundheit lieb und theuer ist, der biete das Möglichste auf, daß er in reiner Luft seine Zeit zubringe, und vermeide aufs Sorgfältigste, schlechte, verdorbene Luft einzuathmen. Wie man im Besonderen für eine gute Zimmerluft sorgen kann, wird in einem späteren Artikel angegeben werden.
Inhaltsverzeichnis
In dem ungeheuren Luftkörper, der unsere Erde umgibt, hausen zwei gewaltige Riesen, der eine noch mächtiger als der andere; beide ringen in beständigem Kampfe um die Herrschaft; bald siegt der eine, bald der andere. Diese zwei Riesen heißen Wärme und Kälte. Unter dem Einflusse beider steht der Mensch. Wer möchte alle die Krankheiten aufzählen, welche die Kälte und die Wärme dem menschlichen Körper verursachen! Wie viele tausend und tausend Menschenleben werden ein Opfer ihrer nachtheiligen Einwirkung! Es ist deßhalb unbedingt nothwendig, sich gegen die Kälte wie gegen die Wärme zu schützen. Wie die Menschen, so stehen auch die Vögel des Himmels und die Thiere des Feldes unter dem Einflusse von Kälte und Wärme. Für diese Geschöpfe sorgt aber der Schöpfer selbst. So bekommt jeder Vogel seinen Winter- und Sommerrock, von denen jeder der Temperatur der Jahreszeit angemessen ist. Die Thiere des Feldes und des Waldes bekommen in gleicher Weise für den Sommer ein dünnes Haarkleid, für den Winter einen dicken, gut gefütterten Pelz; sogar die Fische im Wasser entgehen der Obsorge des Schöpfers nicht, und nicht einmal die Würmer im Staube sind vergessen, denen Er die Erddecke zum Schutze bestimmt hat.
Dem Menschen aber, der mit Verstand und Vernunft begabt ist, hat es der Schöpfer selbst überlassen, sich vor jenen zwei Riesen zu schützen. Er bekommt jedoch die nöthige Anleitung hierzu, wenn er bei seinem Schöpfer in die Schule geht und betrachtet, wie dieser für seine übrigen Geschöpfe sorgt. Dadurch kommt er zur Erkenntniß, daß ein anderes Gewand für den Sommer und ein anderes für den Winter nothwendig ist, um dem nachtheiligen Einfluß von Kälte und Wärme zu begegnen. Wie letzteres am einfachsten und sichersten geschehen könne, soll im Folgenden dargethan werden.
Inhaltsverzeichnis
Im vorhergehenden Kapitel wurden Kälte und Wärme mit zwei Riesen verglichen, die in beständigem Kampfe leben, und gegen die sich zu schützen dem Menschen selbst überlassen sei. Aber nicht nur in der Luft ringen Hitze und Kälte mit einander, sondern auch im kleineren Maße in jedem menschlichen Körper. Auch hier ist ein Zweikampf unter ihnen; die Kälte will den Sieg und will so den Körper zu Grunde richten; ebenso strebt die Wärme nach der Herrschaft, und erlangt sie dieselbe, so richtet auch sie im Körper die größte Zerstörung an. Gelingt es mir, Anleitung zu geben, wie man sich vor der nachtheiligen Einwirkung von Kälte und Hitze schützen kann, so glaube ich damit der Menschheit einen Dienst zu erweisen, weil gerade in diesem Punkte oft große Unwissenheit herrscht, und so manche Gesundheit zu Grunde gerichtet wird.
Will der Mensch die schädlichen Wirkungen der Kälte fern halten, so muß seine erste Sorge sein, daß er die gehörige Naturwärme in seinem Körper hat. Der ganze Körper wird erwärmt durch das Blut. In kleinen Kanälen, Adern genannt, dringt das Blut bis in die äußersten Theile des Körpers, wodurch dieser ernährt und erwärmt wird. Theils vermindert, theils abgekühlt kommt das Blut wieder zum Herzen zurück, und von dort strömt dann wieder vermehrtes und erwärmtes Blut durch die Adern. Wie man aber beim Kochen zur Unterhaltung des Feuers Brennstoffe nöthig hat, so ist auch Brennmaterial nothwendig im Körper des Menschen, um immer die erforderliche Wärme zu erhalten. Wer also ein gutes Blut mit ausreichender Wärme will, der muß zunächst für das nöthige Brennmaterial sorgen, wodurch die Natur in den Stand gesetzt wird, diese Wärme hervorzubringen und zu erhalten. Glücklich der Mensch, der durch ein gesundes, kräftiges Blut, das seinen Körper nach allen Richtungen hin gut nährt und erwärmt, den ersten und besten Schutz gegen die Kälte hat! Er hat das erste Erforderniß der Gesundheit. Traurig aber steht es bei dem, der zu wenig oder zu schwaches Blut in den Adern hat. Bei ihm sieht es aus wie in einem Zimmer, welches aus Mangel an Brennmaterial nicht gehörig erwärmt ist. Dasselbe ist unbehaglich und ungesund. So empfindet auch der Mensch ein Gefühl des Unbehagens und Krankseins, wenn er nicht ausreichendes und gesundes Blut hat. In welcher Weise aber jeder dieses sich verschaffen und damit für die gehörige Naturwärme sorgen könne und solle, wird in der Abhandlung über Nahrung und Bewegung des Näheren erklärt werden.
Das zweite Mittel, sich gegen die Kälte zu schützen, ist eine angemessene Kleidung. Hier wird viel und sicher noch mehr gefehlt, als bei der Sorge für die nöthige Naturwärme. Um bei der Kleidung das Richtige zu treffen, diene Folgendes zur Beachtung. Einige Theile am menschlichen Körper bleiben unbedeckt und können so abgehärtet werden, daß ihnen die Kälte keinen Schaden bringt; dahin gehören das Gesicht und gewöhnlich auch die Hände. Das Gesicht bleibe stets unbedeckt, und die Bedeckung des Kopfes entwickele nicht zu große Wärme. Um dieses recht klar zu machen, will ich anführen, welche Gebräuche und Sitten dereinst herrschten, und welche Veränderungen seit 50–60 Jahren vorgenommen wurden zum großen Nachtheile für Gesundheit und Lebensdauer.
Die Jugend setzte ihren Stolz darein, nur einen einfachen Hut auf dem Kopfe zu tragen, und sonst nichts; nur wenn die Kälte zu grimmig war, wurde ein Tüchlein über die Ohren gebunden, aber nur so lange, als man in großer Kälte verweilte. Trug man im Winter auch eine Pelzhaube, so bildete der Pelz doch nur den Rand derselben, und die Wärme war nicht viel größer als bei einem gewöhnlichen Hut. Wird der Kopf übermäßig bedeckt, so zieht die so entwickelte Wärme das Blut noch mehr zum Kopf, und dadurch wird der Natur geschadet. Woher kommt es, daß bei so Vielen, wenn sie nur eine kleine Strecke gehen, der ganze Kopf in den größten Schweiß geräth? Es kommt daher, daß das Blut durch zu große Wärme in den Kopf geleitet wird, die Kopfbedeckung die Transspiration zurückdrängt und dadurch noch mehr Hitze sich entwickelt.
Der Hals wurde einst bei den Armen im Winter mit einem kleinen Baumwolltüchlein umbunden, die Reicheren hatten seidene Tüchlein; sonst bekam der Hals keine weitere Hülle, und für einen Weichling wäre der gehalten worden, der mehr gethan hätte. Gerade der Hals ist aber der Sitz so vieler Krankheiten. Ist derselbe zu warm gekleidet, dann entwickelt sich viel Hitze, es strömt in Folge dessen mehr Blut dahin; wenn nun eingeathmete kalte Luft in den übermäßig erwärmten Hals, in Kehlkopf und Luftröhren einströmt, so ist die Veranlassung zu Katarrh oder einer andern Halskrankheit gegeben. Wer sich davor schützen will, der möge seinen Hals gehörig abhärten. Ich könnte mit Allen, die graue Haare tragen wie ich, versichern, daß man früher nichts oder wenig wußte von so vielen Hals-Krankheiten und -Leiden, welche jetzt Unzählige unglücklich machen und recht Vielen das Leben kosten. Ich weiß noch recht gut die Zeit, in welcher die größern Baumwolltücher aufgekommen sind, die man dann zwei-, ja dreifach um den Hals wand, womit die Verweichlichung angefangen hat. Und anstatt zur alten Lebensweise zurückzukehren, hat man die Verweichlichung nur noch weiter ausgedehnt. Vom Baumwolltuch ist man zum Wollshawl, sog. Schlips, übergegangen und hat den Hals zwei- und dreifach mit einem solchen umwunden. Von dieser Zeit an hat die Verweichlichung immer größere Fortschritte gemacht, und die verschiedensten Kopf-, Hals- und Brust-Krankheiten haben immer mehr zugenommen. Tausende und Tausende haben ihre Gesundheit auf diese Weise verloren und einen frühen Tod gefunden. Ich getraue mir zu behaupten, daß man, um verschiedene Krankheiten und Gebrechen ins Dasein zu rufen, nichts Besseres hätte erfinden können als diese Umhüllung des Halses. Wem also seine Gesundheit theuer ist, und wer von Halskrankheiten und den damit verbundenen Gebrechen frei bleiben will, der härte seinen Kopf ab und noch mehr seinen Hals.
Ich erinnere mich noch recht gut, wie ich mir als 12jähriger Knabe von meinen Eltern eine Winterhaube erbeten habe, die am Saume einen kleinen Pelzrand hatte und nur 40 Kreuzer gekostet hätte. Ich werde mich wohl begnügen können mit einer Baumwollhaube, die 18–20 Kreuzer kostete, so lautete die mir gegebene Antwort. Ich muß noch hinzufügen, daß wir eine Stunde weit zur Kirche zu gehen hatten. „Reicht dir diese Haube nicht aus, so kannst du dein Taschentuch über die Ohren binden,“ hieß es weiter. Ich bin aber ohne Pelzhaube doch weder erfroren noch kränklich geworden. Soll es in unserer Zeit besser werden, und soll es weniger Hals- und Brustkrankheiten geben, so muß man anfangen, Hals und Kopf abzuhärten. Mit dem Shawl kam man schließlich so weit, daß man ihn das ganze Jahr hindurch tragen mußte; selbst nicht einmal zur Essenszeit in der warmen Stube konnten ihn manche entbehren. Ich könnte Personen nennen, die im Juni, Juli, August mit großer Sorgfalt Tag für Tag einen solchen Schlips um den Hals gewunden hatten und vor vielem Husten in die freie Luft zu gehen sich nicht getrauten.
Die Mode blieb aber hierbei noch nicht stehen. Heut zu Tage wird der ganze Hals, der ganze Kopf vielfach mit dem dicksten, gestrickten Wolltuch umwunden, so daß man kaum mehr die Augen, die Nase und den Mund sehen kann. Es ist ein altes Mütterchen auf diese Weise kaum mehr zu unterscheiden von einem jungen Mädchen, und welche Zustände findet man jetzt bei solcher Modekleidung? Durch diese dicke Wollkleidung wird das Blut in den Kopf geleitet und dadurch der erbärmlichste Kopfschmerz erzeugt; aus den Händen und Füßen dagegen tritt das Blut zurück, und man kann zuversichtlich sagen: je mehr Wolle um den Kopf und die Brust gewunden ist, um so kälter sind die Füße. Durch eine solche gesundheitsschädliche Bekleidungsweise und unzweckmäßige Lebensart nimmt die Blutarmuth immer mehr zu.
Ein zweites Übel, welches durch die Wollbedeckung entsteht, ist dieses, daß Kopf, Hals und Brust, weil sie zu warm gehalten werden, gegen die Kälte äußerst empfindlich werden und deßhalb viele Rheumatismen und Krämpfe entstehen, wenn die kalte Luft an einen solchen verweichlichten Theil kommt. Ein also erwärmter Körper muß schließlich doch auch die kalte Luft einathmen, und dadurch entstehen dann die verschiedenartigsten Katarrhe; der eine bekommt ihn in der Nase, ein anderer in den Ohren, wieder ein anderer im Rachen, im Kehlkopf, in der Luftröhre, in den Lungen oder dem Magen, und so wird in Folge des vielen Einwickelns immer gehustet und gelitten, und man friert an Füßen und Händen, daß es zum Erbarmen ist. Die Sucht aber, nach der Mode zu leben, trägt die Schuld an allen diesen Miseren. Wenn ein Hausvater in seinem Hause alle Lumpen (Taugenichtse, Vagabunden) einkehren ließe, ihnen gut einheizte, sie auf's Sorgfältigste pflegte, dabei aber sich beklagte, daß er so viele Lumpen im Hause habe, würde man dem nicht sagen: „Weise dieselben aus deinem Hause, dann wirst du Ruhe bekommen.“ In ähnlicher Weise muß es der Mensch mit den Krankheiten machen, die durch Verweichlichung von Kopf, Hals und Brust entstanden sind.
Der Kopf bekomme deßhalb eine Bedeckung, die ihn schützt gegen die Kälte, daß sie nicht zu schroff auf denselben eindringen kann, sondern theilweise abgehalten wird. Der Hals werde nie, sei es mit einem Tuche oder etwas Anderem, so eingehüllt, daß keine Luft Zugang hat; gerade der Hals muß durch die Luft beständig in der Abhärtung erhalten bleiben; die Halsbekleidung soll gleichsam nur den Saum der Körperbedeckung ausmachen. Wer seinen Hals am wenigsten bedeckt und der Luft den vollsten Zugang gibt, der hat den besten Schutz vor den meisten Halsgebrechen und Krankheiten. Vor ungefähr 40 Jahren trugen die Studenten im Winter wie im Sommer eine sogenannte Studentenmütze und ein Halstuch wie ein kleines Band, und dabei fühlten sie sich gesund und glücklich. Wer es jetzt auch noch so macht, wird von vielen Übeln befreit bleiben. Besonders haben die Frauen vor 40 und 50 Jahren so einfache Kopf- und Halsbedeckung gehabt, daß die gegenwärtige Generation ein Beispiel daran nehmen dürfte und damit das beste Mittel hätte, um die verlorene Gesundheit wieder zu erlangen.
Mancher Leser und manche Leserin wird denken und sagen: Ich will auch frei werden von meinen Armseligkeiten, die mir die Kleidung gebracht hat, und will mich gerade so einfach kleiden, wie hier angerathen wird, und wie unsere Vorfahren gethan haben. Nur sachte, das geht nicht so leicht und so schnell. Der Hausvater, welcher Taugenichtse längere Zeit beherbergte und auf's Beste gepflegt hat, kann diese nicht auf einmal mit Gewalt aus dem Hause hinauswerfen; er würde sich der Gefahr aussetzen, selbst hinausgeworfen zu werden. Er muß es schon recht vorsichtig und klug anfangen, um ihrer los zu werden. So kann man auch die lästigen Kameraden von Krankheiten und Gebrechen nicht durch schroffe Behandlung auf einmal beseitigen, sondern man muß dabei mit Schonung und Vorsicht verfahren. Wie man es am besten anfangen könne, um die Natur abzuhärten und die Krankheiten, die durch Verweichlichung entstanden sind, zu beseitigen, dazu wird bei den Krankheiten nähere Anleitung gegeben werden.
Auch die Hände sollen der freien Luft ausgesetzt sein, damit sie abgehärtet und fähig werden, ihre Aufgabe zu lösen. Dieselben haben bei Verrichtung der verschiedensten Arbeiten den größten Wechsel auszuhalten. Bald müssen sie grimmige Kälte, bald große Hitze ertragen; bald sind sie naß, bald wieder trocken. Besonders ist das beim weiblichen Geschlechte der Fall. Die Abhärtung der Hände geschieht hauptsächlich durch die Luft, durch ihren Wechsel von Kälte und Wärme. Im Sommer gewöhnen sich die Hände allmählig an die Hitze, im Herbste nach und nach an die Kälte, so daß sie im Winter die Kälte ebenso leicht ertragen, als im Sommer die Hitze. Es ist jedoch zu bemerken, daß bei besonders großer Kälte oder auch beim Fahren, Tragen &c., wo man nicht durch Gehen und Bewegung den ganzen Körper in Thätigkeit setzt und damit die nöthige Wärme hervorbringt, Handschuhe gebraucht werden sollen.
Bei dieser Gelegenheit, wo von Abhärtung der Hände die Rede ist, kann ich die Frauen, wie sie vor 40 bis 50 Jahren waren, als Musterbild hinstellen. Ihre Hemdärmel gingen kaum bis zur Hälfte des Oberarmes, und bei den täglichen Beschäftigungen waren die Arme Wind und Wetter ausgesetzt; nur im Winter bekamen sie Schutz durch ein Oberkleid mit längeren Ärmeln. Die Mädchen hatten einen gewissen Stolz, wenn ihre Arme recht feste Muskeln hatten und für jede Witterung abgehärtet waren. Bei diesen war kein Blutmangel und auch kein Frost. Sie hatten deßhalb auch zu allen Berufsarbeiten die erforderliche Kraft und Ausdauer. Wenn man dagegen heut zu Tage die übertriebene Bekleidung der Arme betrachtet, so darf man sich nicht wundern, daß dieselben welk, kraftlos und sehr empfindlich gegen Witterungswechsel sind. Man ist aber in dem Bestreben, die Luft, das beste Abhärtungsmittel, zu verdrängen, sogar soweit gekommen, daß man noch eigene Kleidungsstücke aus Wollstoff oder Pelz macht, die sog. Stützchen oder Pulswärmer, die gleichsam als Polizeidiener den Luftzugang absperren. Durch dieses Verfahren aber haben sich eine Unzahl Mode-Diener und -Dienerinnen ihre Arme recht empfindlich gemacht und Krämpfe und Rheumatismen geholt; selbst das Abmagern der Arme ist nichts Seltenes mehr, und sie sehen oft aus, als ob sie eher mit Wasser als mit festem Fleische gefüllt seien.
Vergleichen wir nur eine gegen die Kälte abgehärtete Person, deren Gesicht und Hals, Arme und Hände widerstandsfähig sind, mit einer verweichlichten Person, der es im Frühjahr und Herbste schon zu kalt ist, die sich aber im Winter gar nicht mehr zu helfen weiß und voll Ach und Weh ist, so wird man leicht sehen, welche glücklicher daran ist. Würde man ernstlich daran gehen, die Verweichlichung zu beseitigen und die Abhärtung in angegebener Weise zu üben, so würde ein allgemeines Wohlbefinden, größere Kraft und Ausdauer das Leben viel angenehmer machen.
Soll man sich einerseits durch Abhärtung, namentlich einzelner Körpertheile, gegen die Kälte schützen, so muß doch auch andrerseits der Körper im Winter eine entsprechende Kleidung bekommen. Trägt doch auch der Spatz in dieser Jahreszeit seinen Winterrock. Vor 50–60 Jahren kannte man meist nur Hemden aus Leinwand, theilweise auch schon aus Baumwolle. Die ärmeren Leute trugen auf der Haut grobe leinene Hemden, die mitunter nur wenig feiner waren wie der Zwilch, den man zu Kornsäcken verwendete. Ein solches Hemd war aber nicht nur recht ausdauernd und wohlfeil, sondern schützte auch außerordentlich vor Erkältung. Diese Hemden waren so lang, daß sie nicht nur den Oberkörper und Leib, sondern auch die Oberschenkel ziemlich bedeckten; sie waren auch weit, so daß sich beim Anziehen der Oberkleider mehrere Falten bildeten. Hat das Kleid die Aufgabe, die Körperwärme zurückzuhalten, so war gerade ein solches Hemd hierzu ganz geeignet, zwischen dessen Falten sich eine temperirte Luft bildete. Dadurch wurde der Kälte der Zugang verwehrt. Über dieses Hemd kam dann noch ein anderes Kleid zum Schutze gegen die Kälte, welches gleich dem ersten die Wärme aufhielt und einen erhöhten Schutz gegen die Kälte bildete. Dieses zweite Kleid war wieder aus Leinwandstoff; gebrechlichere und ältere Leute trugen aber im Winter gewöhnlich aus Wolle gestrickte oder aus Flanell gemachte Jacken. Über diese kam dann noch der Oberkittel, entweder aus grobem Leinenstoff gemacht oder bei den Arbeitern aus Zwilch. Die Beinkleider waren für die Arbeiter fast nur aus grober Leinwand oder Zwilch hergestellt. Nur wenige trugen Unterhosen, und diese wieder aus Leinwand. Es kam auch ausnahmsweise vor, daß man aus Wolle gestrickte Unterhosen hatte; über diese aber trugen die Arbeiter wieder Beinkleider aus Zwilch oder grober Leiwand. Solche Kleidung war recht warm, wohlfeil und ausdauernd, und es gab damals recht viele Leute, die ein Alter von 80 Jahren erreichten. Heut zu Tage hat deren Anzahl bedeutend abgenommen. Jene Kleidung hatte auch das Gute, daß das Hemd nebenbei noch gleichsam eine Bürste für die Haut war und deren Thätigkeit beförderte. An Sonn- und Festtagen war die Kleidung theils aus Wolle, theils aus Leder. Im Schwabenlande war die lederne Hose allgemein. Sie war nicht theuer, hielt mehrere Jahre aus und gewährte guten Schutz gegen die Kälte. Die Tuchröcke waren auch allgemein an Sonn- und Festtagen, wenigstens beim männlichen Geschlecht, und weil damals das Tuch viel besser war als jetzt, so hatte mancher Landmann seinen Sonn- und Festtagsrock 10, ja 20 Jahre. Wie viel weniger kostete deßhalb die Kleidung damals als heut zu Tage! Die Frauen hielten viel darauf, über dem leinenen Hemd ein wollenes oder baumwollenes Kleid zu tragen, wodurch wirklich der Körper großen Schutz gegen das Eindringen der Kälte hatte. Die Oberkleider bei den Frauen auf dem Lande waren gewöhnlich kräftige Baumwollstoffe. Vor 40 Jahren kamen die baumwollenen Hemden auf; sie wollten aber für die Winterzeit nicht recht behagen, denn sie kamen den Landleuten zu kalt vor. Eine zweite Klage wurde darüber geführt, daß sie beim Schwitzen sich der Haut anlegten und dadurch Kälte und Unbehaglichkeit verursachten. Auch wurden sie, wenn sie vom Schweiß feucht geworden waren, nicht so schnell wieder trocken, wie die Hemden von Leinwand. Ferner wurde darüber geklagt, daß der Schmutz sich an diese Hemden viel fester ansetze, als an leinene. Es bekamen daher die Hemden aus Baumwolle nicht sehr viele Anhänger; umgekehrt aber war es mit den Oberkleidern. Heut zu Tage ist es aber Mode geworden, weder baumwollene noch leinene Hemden auf der Haut zu tragen, sondern möglichst den ganzen Körper mit einer Wollhaut zu umgeben. Es gibt nicht bloß Wollhemden, sondern auch fest anschließende wollene Unterhosen und andere Kleidungsstücke aus Wolle, mit denen man den Leib bedecken soll.
Du bist neugierig, lieber Leser, was ich für ein Urtheil fälle über diese Mode; ich gebe dir zur Antwort: Ich habe mich überhaupt nie mit der Mode abgegeben. Wie ich aus der ärmsten Klasse abstamme, so bleibe ich auch am liebsten beim Einfachsten und bekümmere mich am allerwenigsten darum, wie sich andere kleiden. Was mich aber die Erfahrung über den Werth der wollenen Hemden, Unterhosen &c. gelehrt hat, ist Folgendes. Es kam zu mir eine Unzahl Leute, die vom Kopf bis zum Fuß voll Rheumatismus waren und von Krämpfen geplagt wurden. Es stellte sich regelmäßig heraus, daß diese wollene Hemden getragen hatten. Dasselbe fand statt bei denen, die über kalte Füße und über Andrang des Blutes zum Kopf klagten. Nur zweimal kam es mir vor, daß Männer, die durch und durch rheumatisch waren, auf die Frage: „Tragt ihr Wollhemden?“ die Antwort gaben: „Nein, leinene Hemden – aber erst seit vier Wochen.“ Bei den Landleuten, die schwere Arbeiten haben, viel schwitzen, starke Naturen haben und abgehärtet sind, kamen früher rheumatische Zustände, Krämpfe &c. selten vor; jetzt aber, wo Modejäger so zahlreich sind, gibt es eine Unzahl solcher Krankheiten. Ich kann mich aber nicht erinnern, daß ein einziger zu mir gekommen wäre von den vielen durch Krämpfe &c. Gefolterten, der stets ein leinenes Hemd getragen hätte. Früher war die hysterische Krankheit gewöhnlich nur einheimisch beim weiblichen Geschlecht; in diesem Jahre aber versicherte mir ein Arzt, es seien auch viele Mannspersonen hysterisch. Ich will nicht gerade Alles dem Wollhemd und der Wollkleidung zuschreiben; aber die Erfahrung lieferte mir den Beweis, daß sie bei der größten Anzahl die Ursache war. Aber wie soll dieß denn bewirkt werden können durch die Wollkleidung? Die Wolle liegt nahe auf der Haut und entwickelt viel mehr Wärme als die Leinwand; das Material aber zu dieser Wärme muß der Körper hergeben, die Erwärmung geschieht also auf Kosten desselben. Ist das Wollhemd ganz durchwärmt, so strömt diese erhöhte Wärme nach außen, und dadurch tritt ein größerer Verbrauch ein, wozu die Natur das nöthige Material ebenfalls hergeben muß. Liegt ferner der Körper unter einer oder mehreren Wolldecken im Bette, so geräth er auch dadurch in eine höhere Wärme. Diese aber wird wiederum auf seine Kosten entwickelt. Durch die erhöhte Wärme wird sodann der Körper empfindlicher gegen die Kälte, weil er verweichlicht ist, und überdieß wird er geschwächt durch Entziehung so vieler Naturwärme. Deßhalb vermag die Kälte recht leicht rheumatische, krampfhafte Zustände hervorzubringen, sei es durch den schnellen Übergang von freier Luft ins warme Zimmer oder umgekehrt. Besonders aber ist es der Fall zur Nachtzeit, wenn die Decke nicht ganz den Körper bedeckt oder ein Arm oder Fuß, selbst nur für eine kurze Zeit, der Luft ausgesetzt ist. So bekommt Mancher in der Nacht, statt auszuruhen und gestärkt zu werden, für den Tag einen ordentlichen Rheumatismus im Arm, im Nacken, in den Schultern oder an sonst einem Theile des Körpers.
Es wird vielleicht die Frage gestellt werden, warum denn keine feine Leinwand gebraucht werden dürfe, welche Nachtheile diese habe. Die Antwort lautet: Die feine Leinwand kann nur in geringem Maße das Entweichen der Wärme hindern, und es verhält sich mit ihr ähnlich wie mit einer dünnen Mauer, welche die Wärme nicht zurückzuhalten und die Kälte nicht abzuhalten vermag. Der Körper hat durch das feine leinene Hemd viel zu wenig Schutz. Wenn man ferner in Schweiß geräth, so ist sehr bald das feine Hemd ganz durchnäßt und klebt dem Körper an, und es geht gerade deßhalb das Trocknen so langsam voran. Bekanntlich dünstet ja die Haut durch ihre Poren aus. Das Ausgedünstete soll vertrocknen auf der Haut und im Hemde, und daher ist ein grobes leinenes Hemd ein Mittel, wodurch nicht nur diese Ausdünstung aufgenommen wird, sondern es reibt auch das Aufgetrocknete auf der Haut ab und ersetzt, wie oben bemerkt, gewissermaßen eine Bürste. Gerade die grobe Leinwand nimmt aber nicht bloß viel auf, sondern die Feuchtigkeit trocknet auch schnell in der Leinwand. Ferner geht eine Unzahl kleiner Schuppen fortwährend durch ein grobes Hemd ab, und ist dieß somit ein vorzügliches Mittel zur Hautpflege. Ein Wollhemdträger entgegnet: Ich trage gerade deßhalb ein Wollhemd, weil dieses eine Masse Schweiß aufnimmt und man daher das nasse Gefühl auf der Haut nicht hat. Ich gebe dieses zu, aber wird diese Flüssigkeit im Wollhemd so rasch trocknen wie im leinenen? Wird die Haut beim Tragen eines Wollhemdes auch so trocken und rein gehalten, wie beim Gebrauch leinener Hemden? Nimm einmal ein Wollhemd und ein leinenes Hemd, tauche beide ins Wasser, hänge sie neben einander in der Luft auf und gib Obacht, wie viel Zeit vergeht, bis beide vollständig getrocknet sind. Du wirst finden, daß das Wollhemd viel längere Zeit zum Trocknen braucht, als das leinene. Wenn aber die Luft die Feuchtigkeit so schwer aus dem Wollhemd bringt, soll letztere dann leichter schwinden, wenn dasselbe unter den Kleidern getragen wird? Ich behaupte, daß man beim Wollhemd die Feuchtigkeit nur nicht so empfindet, und habe mich überzeugt, daß auf der Haut unter dem Wollhemd eine ordentliche feuchte Schmiere sich aufhält und nicht vertrocknet und nicht abgerieben wird, wie beim Tragen eines Hemdes aus grober Leinwand. Dazu hat das Wollhemd vom Schweiß einen sehr üblen Geruch. Wie schwer ist es außerdem, allen Schmutz aus dem Wollhemd zu entfernen; ich denke bloß an die früheren Maschinen, die von den sogenannten Walkern zur Reinigung der Wolle gebraucht wurden. Ich bin der Überzeugung, daß wenige Wollhemde den vom menschlichen Körper aufgenommenen Schmutz ganz verlieren. Geht man ferner auf den Ursprung des Leinens und der Wolle ein, so wird auch dadurch sich zeigen, daß ersteres einen Vorzug vor der letzteren hat. Die Leinwand wird bereitet aus der Faser einer Pflanze, die in freier Luft und in den Strahlen der Sonne gewachsen ist. Die Wolle aber wächst auf der Haut der Thiere, zieht hauptsächlich aus dem Thierfett ihre Nahrung. Ein Sprüchwort sagt: Es gibt keine Heerde, in welcher nicht räudige Schafe sind mit ansteckender Krankheit. Wer will nun behaupten, daß nicht Krankheitsstoffe auch in die Wolle dringen? Geschieht aber dieses, so kann leicht von den Wollhemden etwas in den Körper des Menschen eindringen, was die Gesundheit nicht gerade befördern dürfte. Bei Heilung von Geschwüren und Wunden habe ich noch nie gesehen oder gehört, daß ein Arzt als Charpie Wollfasern genommen hätte, immer wurde die Leinfaser benützt. Warum geschieht denn das? Meinethalben kann Jeder tragen, was er will; mich treibt beim Schreiben dieses nicht Geschäftserwerb oder ein anderer Gewinn. Ich rede ohne jedes Vorurtheil und gedrängt von der Überzeugung, die ich aus einer reichen Erfahrung gewonnen habe. Will Jemand meinen Rath, so lautet er dahin: Trage auf der Haut ein Hemd von ziemlich grober Leinwand; diese hält die vom Körper strömende Wärme zurück, erhält die Haut in Thätigkeit und ist leicht zu reinigen – es ist dieß ein reinliches Tragen. Wenn aber Jemand sagt, ein Wollhemd kann man drei, ja sechs Wochen lang tragen, wie es vielfach geschieht, ohne es waschen zu lassen, dem antworte ich: Man kann das leinene Hemd ja auch so lange tragen, nur sieht man in diesem den Schmutz mehr. Appetitlich ist gewiß auch ein Wollhemd nicht mehr, wenn es selbst nur 14 Tage getragen wurde.
Es muß jedoch hier bemerkt werden, daß das über Wollhemden Gesagte sich hauptsächlich nur auf solche bezieht, welche enge und fein sind. Anders steht es mit solchen, die weit und grob sind. Beim Tragen dieser wird sowohl die Haut durch Reiben gereinigt, als auch der freien Luft der Zugang zum Körper ermöglicht.
War früher für die Arbeiter an den Werktagen gewöhnlich der Zwilch der Stoff für die Beinkleider wegen der Ausdauer, Wärme und Wohlfeilheit, so ist jetzt dieser Artikel im Allgemeinen außer Gebrauch gekommen, und es ist vorherrschend die Wolle an dessen Stelle getreten. Ich möchte hier besonders hervorheben, wie ungemein wohlfeil das einst gebrauchte Arbeitskleid war im Vergleich zu dem, welches man jetzt trägt. Eine Zwilchhose für einen Arbeiter kostete fix und fertig einen Gulden; was das Wollbeinkleid kostet, weiß Jeder selbst. Wie wohlfeil war auch das Hemd aus grober Leinwand, wie theuer kommen dagegen die Wollhemden zu stehen! Und gerade so ist es mit den übrigen Kleidern, die man vordem trug. Sie waren viel billiger als jene, welche man jetzt trägt. Einst fragte man mich, ob ich die ledernen Hosen empfehle oder verwerfe. Die Antwort lautete: Die ledernen Beinkleider werden wie einst, so auch jetzt noch in vielen Gegenden allgemein getragen; sie halten warm im Winter, besonders solche von Hirschleder oder doch stärkerem Leder; sie sind dazu sehr ausdauernd. Wer sie nur an Sonn- und Festtagen trägt, kann daran 10 bis 20 Jahre ein schönes Kleidungsstück haben. Kommen sie auch beim Anschaffen etwas theuer, so bleiben sie doch das wohlfeilste Beinkleid wegen ihrer Dauerhaftigkeit. Nur eines muß bemerkt werden, was von großer Wichtigkeit ist; schließt das lederne Beinkleid enge an die Haut an, so wird die Transspiration verhindert, und es geht dann ähnlich wie bei Kleidungsstücken aus Gummi. Es werden durch Verhinderung der Transspiration auch leicht Anstauungen entstehen, die unausbleiblich Krankheiten im Gefolge haben. Wie die ledernen Beinkleider den Ruf haben, daß sie im Winter einen vorzüglichen Schutz gegen die Kälte abgeben, so wird auch allgemein behauptet, daß sie im Sommer nicht lästig heiß seien, sondern eher kühlen, weil sie das Eindringen der Hitze hindern. Zudem kann man auch für den Sommer ein dünneres, leichteres Beinkleid wählen, wie ja auch der Vogel im Sommer ein dünneres Kleid trägt.
Öfter bin ich auch schon gefragt worden, was ich von den Unterbeinkleidern halte, ob sie zu empfehlen seien und welche. Daß im Sommer Unterbeinkleider nicht nothwendig sind, ist ganz sicher; eine Tuchhose entwickelt Wärme genug, und wer durch eine solche die richtige Wärme zur Sommerzeit nicht bekommt, dem wird auch eine Unterhose nichts mehr nützen. In Betreff der Tuchhose gilt aber auch, daß sie nicht enge anschließen soll. Was die Unterhose aus Wolle betrifft, so kann ich aus Erfahrung sagen, daß viele Leute zu mir gekommen sind, die unter der Tuchhose eine, mehrere sogar, die zwei, ja drei wollene Unterhosen getragen haben und dabei über nichts mehr klagten, als daß ihnen die gehörige Wärme abgehe, daß sie meistens vom Frost belästigt seien, und das selbst im geheizten Zimmer. Ist's im Winter kalt, und will die einfache Tuchhose nicht mehr ausreichen, dann empfehle ich die Unterhose aus Leinwand, aus Gründen, wie sie oben angegeben sind, wo die Rede von den Hemden war. Der Unterkörper wird durch wollene Unterhosen so verweichlicht, daß die kalte Luft und überhaupt kältere Temperatur ganz leicht Gelenkrheumatismus und Krämpfe hervorzubringen vermag, und dann hat das gemüthliche Leben, wie Jeder weiß, aufgehört. Was im Besonderen die engen Beinkleider betrifft, die jetzt gerade in der Mode sind, so bin ich sehr froh, daß ich solche zu tragen nicht gezwungen bin. Abgesehen davon, daß die Schenkel und Beine in einer Art Zwangsjacke stecken, geht ihnen auch überdieß die Abhärtung verloren, und wird man dadurch für rheumatische Zustände empfänglicher. In ein weites Beinkleid dringt leicht die Luft ein, welche die Naturwärme mindert und dadurch den Beinen eine gemäßigtere, mildere Wärme gibt. Das ist meine Ansicht über die genannten Kleidungsstücke. Indessen steht es ja Jedem frei, in der Auswahl derselben nach Belieben zu handeln.
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