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Spirituelle Essays beinhaltet: Die Über-Seele Aus dem Inhalt: So möge denn der Mensch die Offenbarungen erkennen, welche die ganze Natur und alles Denken seinem Herzen künden, nämlich dies, dass das Höchste bei ihm weilet; dass die Urquellen der Natur in seinem eigenen Geiste sind, sobald das Gefühl und die Erkenntnis der Pflicht in ihm sind. Aber wenn er wissen will, was der große Gott spricht, dann muss er "in sein Kämmerlein gehen und die Tür hinter sich schließen", wie Jesus sagte. Feiglingen will Gott sich nicht offenbar machen. Er muss auf sich selber lauschen, groß und ganz, und sich von allen Akzenten der gewöhnlichen Gottesverehrung der Leute lösen. Selbst Gebete sind schädlich, solange wir uns nicht unsere eigenen Gebete verfasst. Unsere Religion, die Religion der Menge stützt sich auf die Zahl ihrer Anhänger. So oft nun – wie indirekt es auch geschehen möge – an die Zahl appelliert wird, sie ist da und damit proklamiert, dass eine Religion hier nicht vorhanden ist. Wer Gott als einen süßen, rings umhüllenden Gedanken erkennt, der zählt nicht, wie viele sich in seiner Gesellschaft befinden. Wenn das Ungeheuere mit mir ist, wer soll denn einzutreten wagen? Wenn ich ruhe in vollkommener Demut, wenn ich brenne vor reiner Liebe, was können Calvin und Swedenborg mir sagen? Geistige Gesetze Aus dem Inhalt: Jeder Mensch hat seinen eigenen Beruf. Das Talent ist der Beruf. Es gibt eine Richtung, nach der hin der ganze Raum ihm offen liegt. Es sind Fähigkeiten in ihm, welche ihn schweigend zu endloser Betätigung einladen. Er ist wie ein Schiff auf dem Flusse: er rennt gegen Hindernisse auf allen Seiten, nur auf der einen nicht, da ist aller Widerstand hinweggenommen, und ruhig gleitet es über einen immer tieferen Kanal in ein unendliches Meer hinaus. Dieses Talent und dieser Beruf hängen von seiner inneren Beschaffenheit ab, oder von der Art, wie die Allseele sich in ihm verkörpert. Es treibt ihn, das zu tun, was ihm leicht fällt und in der Vollendung als gut erscheint, das aber kein anderer zu tun vermag. Ihm erwächst kein Nebenbuhler; denn je ernstlicher er seine eigene Kraft prüft, umso mehr wird sein Werk sich von dem Werke anderer unterscheiden. Sein Ehrgeiz ist seinen Kräften genau angemessen. Die Höhe des Turmes wird durch die Breite der Basis bestimmt. Ein jeder hat diese Mission der Kraft, etwas in seiner Art einziges zu tun, in sich, und keiner hat einem anderen Rufe zu gehorchen. Der Vorwand, er habe einem anderen Rufe zu folgen, einem Namensaufruf, einer persönlichen Erwählung und äußeren Zeichen, die ihn als ungewöhnlich und über die Menge ragend hinstellen, ist Fanatismus und verrät Unfähigkeit zu begreifen, dass ein Geist durch alle Individuen geht, ohne Achtung der Persönlichkeiten. Jeder schafft sich seinen eigenen Maßstab. Es ist ein aller Annahme werter Grundsatz, dass ein Mensch der Freiheit, die er sich nimmt, genieße. Nimm deinen Platz und die dir zugehörige Stellung ein, so werden alle Menschen dir zustimmen. Die Welt muss gerecht sein. Sie überlässt es jedem mit vollkommener Gleichgültigkeit, sich einen Maßstab zu schaffen. Held oder Narr, sie mischt sich nicht in die Sache. Sie wird sicherlich eueren eigenen Maßstab eueres Seins und Handelns annehmen, ob ihr nun herumschleicht und eueren eigenen Namen verleugnet, oder ob ihr euer Werk auf die gewölbten Sphären des Himmels ausgedehnt seht, eins mit dem Kreislauf der Sterne. Erstveröffentlichung: jeweils um 1920 Umfang: jeweils ca. 30 Buchseiten
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Seitenzahl: 81
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Ralph Waldo Emerson
Wenn unser Geist sich der Betrachtung hingibt, wenn wir uns selbst im Lichte des Gedankens besehen, so entdecken wir, dass unser Leben in Schönheit eingehüllt ist. Alle Dinge, die wir im Schreiten hinter uns lassen, nehmen gefällige Formen an wie ferne Wolkenzüge. Und nicht die vertrauten und altgewohnten Dinge allein, sondern die tragischen und schrecklichen sogar, erscheinen uns anmutsvoll, wenn sie sich in die Bilder der Erinnerung reihen. Der Ufersand, das Unkraut am Wasserrande, das alte Haus, die komische Person – wie sehr wir sie einst auch übersahen – gewinnen einen Reiz in der Vergangenheit. Selbst die Leiche, die in den Zimmern lag, hat dem Hause einen feierlichen Schmuck verliehen. Die Seele will weder Hässliches noch Schmerzen kennen; wenn wir in den Stunden klarer Vernunft die strengste Wahrheit äußern wollten, so müssten wir gestehen, dass wir nie ein Opfer brachten. In solchen Stunden erscheint der Geist so groß, dass es ist, als ob uns nichts Wesentliches genommen werden könne. Aller Verlust, aller Schmerz ist ein solcher nur vom Teilstandpunkt betrachtet; das Weltall bleibt dem Herzen unverletzt. Weder Ärgernisse noch Ungemach können unser Vertrauen zerstören. Kein Mensch hat je seinen Kummer so leichthin behandelt, als er sollte. Selbst der geduldigste und abgehetzteste Klepper, der je getrieben ward, übertreibt; denn es ist nur das Endliche, das gekämpft und gelitten hat, das Unendliche liegt in lächelnder Ruhe da.
Das geistige Leben kann rein und gesund erhalten werden, wenn der Mensch das Leben der Natur lebt und seinem Geiste keine Lasten auferlegt, die ihm nicht zugehören. Kein Mensch sollte in seinen Spekulationen verwirrt werden. Lasst ihn nichts tun und sagen, was ihm nicht zugehört, und, sei er noch so bücherungelehrt, so wird seine Natur ihm doch keine geistigen Hemmnisse und Zweifel entgegenstellen. Unsere Jugend krankt an den theologischen Problemen der Erbsünde: Ursprung des Bösen, Vorherbestimmung und ähnlichem.
All dies bot dem Menschen niemals eine praktische Schwierigkeit, verdunkelte nie einem Menschen den Pfad, der nicht von seinem Weg abwich, es zu suchen. Dies sind die Kinderkrankheiten der Seele, und die sie nicht durchgemacht haben, können ihre Gesundheit nicht schildern oder das Heilmittel verschreiben. Ein schlichter Geist wird diese Feinde niemals kennen lernen. Eine ganz andere Sache ist es, wenn er seinen Glauben rechtfertigen und einem anderen die Theorie seiner inneren Einheit und Freiheit entwickeln soll. Dies fordert seltene Gaben; doch mag auch ohne diese Selbsterkenntnis eine frische Kraft und Ganzheit in dem sein, was er ist. „Ein paar starke Instinkte und ein paar klare Regeln“ genügen uns.
Mein Wille gab den Vorstellungen in meinem Geiste nie den Rang, den sie nun einnehmen. Der regelrechte Studienlauf, die Jahre akademischer und beruflicher Erziehung haben mir keine besseren Tatsachen überliefert, als einst manch müßiges Buch unter der Bank der Lateinschule. Was wir nicht Erziehung nennen, ist kostbarer als das, was wir so nennen. Während ein Gedanke uns überkommt, können wir den verhältnismäßigen Wert desselben nicht ermessen. Und die Erziehung verschwendet ihre Mühen oftmals in Versuchen, diesem natürlichen Magnetismus, der das ihm Zugehörige mit Sicherheit wählt, Widerstand zu leisten und ihn zu umgehen.
Gleicherweise wird auch unsere sittliche Natur durch jede Einmischung des Willens geschädigt. Die Menschen stellen die Tugend als einen Kampf dar und tun sich groß mit ihren Siegen; und wenn von einer edlen Natur die Rede ist, wird stets die Frage hin und her gewendet, ob der Mensch nicht mehr zu loben sei, der mit der Versuchung ringt. Darin jedoch liegt kein großes Verdienst. Entweder ist Gott gegenwärtig oder er ist es nicht. Wir lieben die Naturen im Verhältnis zu ihrer Impulsivität und Spontaneität. Je weniger der Mensch über seine Tugend denkt oder weiß, umso lieber ist er uns. Timoleons Siege sind die besten Siege, die gleich homerischen Versen einhereilten und strömten, wie Plutarch sagt. Wenn wir einer Seele begegnen, deren Handlungen alle königlich, gefällig und lieblich wie die Rosen sind, so müssen wir Gott danken, dass solches sein kann und ist und uns nicht mürrisch gegen den Engel kehren und sagen: „Maier mit seinem knurrenden Widerstand gegen sein eingeborenes Teufelstum ist der bessere Mensch.“
Nicht weniger augenfällig ist das Übergewicht der Natur über den Willen im ganzen praktischen Leben. Es geht weniger Absicht durch die Geschichte, als wir ihr zuschreiben. Wir dichten Cäsar und Napoleon tiefgegründete weitsichtige Pläne an, doch das Beste ihrer Kraft lag in der Natur, nicht in ihnen. Menschen von außerordentlichem Erfolg haben in ihren ehrlichen Momenten stets gesungen: „Nicht unser Tun, nicht unser Tun!“ Gemäß dem Glauben ihrer Zeit haben sie der Fortuna oder dem Schicksal oder dem Hl. Julian Altäre gebaut. Ihr Erfolg lag in ihrer Übereinstimmung mit dem Gange der Idee, die in ihnen freien Durchzug fand; und die Wunder, deren sichtbare Leiter sie waren, erschienen dem Auge als ihre Tat. Haben die Drähte den Galvanismus geschaffen? Es ist in Wahrheit weniger Reflexion in ihnen, als in anderen; so wie die Tugend einer Pfeife in ihrer Glätte und Hohlheit besteht. Was äußerlich Wille und Unerschütterlichkeit schien, war Hingabe und Selbstopferung. Könnte Shakespeare eine theoretische Erklärung Shakespeares geben? Konnte je ein Mensch von wunderbarem mathematischen Genie Anderen Einblick in seine Schaffensweise gewähren? Wenn er dies Geheimnis mitzuteilen fähig wäre, so würde es augenblicklich seinen übertriebenen Wert verlieren, es würde eins werden mit der Tageshelle, der Lebenskraft, der Kunst zu stehen oder zu gehen.
Durch solche Beobachtungen werden wir gewaltsam gelehrt, dass unser Leben viel leichter und einfacher sein könnte, als wir es gestalten, dass die Welt eine glücklichere Stätte sein könnte, als sie es ist; dass die Kämpfe, Zuckungen und Verzweiflungen, das Händeringen und Zähneknirschen nicht vonnöten sind; dass wir die Missgestalt unseres eigenen Elends schaffen. Wir treten störend dem Optimismus der Natur entgegen; denn, wenn immer wir jenen vorteilhaften Standpunkt finden, den wir der Vergangenheit gegenüber einnehmen, oder eines weiseren Geistes in der Gegenwart teilhaftig werden, so gewahren wir, dass wir von Gesetzen umgeben sind, die sich selbst erfüllen.
Der Anblick der äußeren Natur gibt uns die gleiche Lehre. Die Natur will nicht, dass wir weinen und toben. Aus unserer guten Gesinnung und unserer Bildung macht sie sich ebenso wenig, als aus unserem Trug und unseren Fehden. Wenn wir aus dem Rat oder der Bank oder der Protestversammlung gegen die Sklaverei, aus dem Mäßigkeitsverein oder dem philosophischen Klub in die Felder und Wälder treten, ruft sie uns zu: „So heiß, mein Kleiner?“
Es ist eine Fülle mechanischer Aktion in uns. Wir aber müssen uns natürlicherweise einmischen und nach unserem Kopfe handeln, bis die Opfer und Tugenden der Gesellschaft widerlich erscheinen. Liebe sollte Freude erzeugen; unser Wohltun ist aber ein missglücktes. Unsere Sonntagsschulen und Kirchen und Armenvereine sind nur ein Joch auf unserem Nacken. Wir plagen uns keinem zur Freude. Es gibt natürliche Wege zu ähnlichen Zielen zu gelangen, die auf jene Weise angestrebt, aber nicht erreicht werden. Warum sollen sich alle Tugenden auf ein und dieselbe Weise äußern? Warum sollen Alle Dollars geben? Uns Landleuten passt dies sehr schlecht und wir erhoffen uns davon nichts Gutes. Wir besitzen keine Dollars. Die Kaufleute, die sie haben, mögen sie verschenken. Der Landwirt wird Korn geben, die Dichter werden singen, die Frauen nähen, die Arbeiter ihre Hände leihen und die Kinder ihre Blumen bringen. Und wozu die tote Last der Sonntagsschule durch die ganze Christenheit schleppen? Es ist natürlich und schön, dass die Kindheit frage und das Alter lehre; aber es ist Zeit genug, erst zu antworten, wenn sie fragt. Schließt die Jugend nicht gegen ihren Willen in Bänke ein und zwingt die Kinder, sei es auch nur für eine Stunde, nicht zu Fragen, die sie nicht fragen wollen.
Wenn wir weiter ausschauen, sind alle Dinge gleich. Gesetze und Schriften und Glaube und Lebensweise erscheinen als Travestie der Wahrheit. Unsere Gesellschaft ist von einem gewaltigen Mechanismus beschwert, der den endlosen Aquädukten gleicht, welche die Römer über Hügel und Täler bauten, und die alsdann durch die Entdeckung des Gesetzes verdrängt wurden, dass das Wasser zur Höhenfläche seines Ursprungs steigt. Sie ist wie eine chinesische Mauer, die jeder flinke Tatar zu überspringen vermag. Sie ist wie ein stehendes Heer, nicht so gut als der Friede. Sie ist ein rangweis gegliedertes, betiteltes, mit reichen Gehalten ausgestattetes Kaisertum, das überflüssig wird, wenn Bürgerversammlungen sich als ebenso tunlich erwiesen haben.
Lasst uns von der Natur belehren, die stets auf den kürzesten Wegen schafft. Die Frucht fällt, wenn sie reif ist. Wenn sich die Frucht gelöst hat, fällt das Laub. Die Kreisbewegung der Gewässer ist ein bloßes Fallen. Der Gang des Menschen und aller Tiere ist ein Vorwärtsfallen. All unser Handwerk und unsere Kraftleistungen, wie stemmen, spalten, graben, rudern u. s. w. vollziehen sich durch ein ständiges Fallen, und die Kugel, Erde, Mond, Komet, Sonne und Sterne fallen immer und ewig.