Stars in our Hands - Ada Bailey - E-Book

Stars in our Hands E-Book

Ada Bailey

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Beschreibung

**Unerwartete Gefühle im eiskalten Alaska** Als die 23-jährige Farah die Zusage erhält, beim Blockbuster »Snowlight« mitzuwirken – DEM neuen Film mit Hollywood-Superstar Paxton Wright – kann sie ihr Glück kaum fassen. Doch schnell muss sie feststellen, dass nichts so läuft wie sie es sich erträumt hat. Sie kommt an ihre Grenzen – denn nicht nur, dass die Filmhunde am Set ihre Phobie auslösen, auch Paxton macht ihr das Leben absichtlich schwer. Als der Schauspieler zu allem Überfluss in einen Skandal verwickelt wird, flieht er noch vor Drehstart ans Filmset nach Alaska – und ausgerechnet Farah wird als entnervte Aufpasserin hinterhergeschickt. Eine Aufgabe, die ihr anfangs unlösbar erscheint. Doch je enger die beiden am Set zusammenarbeiten, desto näher kommen sie sich. Farah kann einen Blick hinter Paxtons unnahbare Fassade werfen und muss feststellen, wie viel mehr in diesem Mann steckt – und in welcher Gefahr er schwebt … Eine junge Regisseurin am Anfang ihrer Karriere. Ein begnadeter Schauspieler mit dunklen Geheimnissen. Die große New-Adult-Romance zum Mitfiebern! Persönliche Leseempfehlung der bekannten Romance-Autorin Jennifer Bright: »Eine romantische Liebesgeschichte, mit der perfekten Prise Humor, einer spannenden Handlung und Momenten, die unter die Haut gehen.« //»Stars in Our Hands« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.// Ada Bailey wurde 1996 in einer kleinen Hafenstadt geboren. Ihr Debüt »The Crown Between Us« stürmte alle Herzen und gehörte 2021 zu den meistverkauften Carlsen-E-Books. Ihre Freizeit investiert sie neben dem Schreiben in ihren Instagram-Buchblog »adas.world«.

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ImpressDie Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.

Tauch ab und lass die Realität weit hinter dir.

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Ada Bailey

STARS IN OUR HANDS

Als die 23-jährige Farah die Zusage erhält, beim Blockbuster »Snowlight« mitzuwirken – DEM neuen Film mit Hollywood-Superstar Paxton Ward – kann sie ihr Glück kaum fassen. Doch schnell muss sie feststellen, dass nichts so läuft, wie sie es sich erträumt hat. Nicht nur, dass sie sich trotz ihrer Ängste um die Filmhunde kümmern muss, sondern Paxton macht ihr auch noch das Leben extra schwer. Als der Schauspieler zu allem Überfluss in einen Skandal verwickelt wird, flieht er noch vor Drehstart ans Filmset nach Alaska – und ausgerechnet Farah wird als entnervte Aufpasserin hinterhergeschickt. Eine Aufgabe, die ihr anfangs unlösbar erscheint. Doch je enger die beiden am Set zusammenarbeiten, desto näher kommen sie sich. Farah kann einen Blick hinter Paxtons unnahbare Fassade werfen und muss feststellen, wie viel mehr in diesem Mann steckt – und in welcher Gefahr er schwebt …

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Vita

Danksagung

© Anna Constanty

Ada Bailey wurde 1996 in einer kleinen Hafenstadt geboren. Dort lebt sie noch heute mit ihrem Freund und ihren beiden Katzen »Kater« und »O’Brian«. Die Kreativität beherrscht ihr Leben und sie braucht immer etwas zu tun. Ihre Freizeit investiert sie in ihren Instagram-Buchblog »adas.worlds«, auf dem sie ihre Liebe zum Lesen und Schreiben mit anderen teilt.

Liebe Leser*innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Deshalb befindet sich am Ende des Buches eine Content Note.Achtung: Diese enthält Spoiler!

Wir wünschen euch das bestmögliche Leseerlebnis. 

Euer Carlsen Verlag

Für Maxi, Nadine & Nadine

Ohne euch wäre diese Idee niemals zu einem Buch geworden.

KAPITEL 1

FARAH

Manchmal hasste ich mein Leben in vollen Zügen. Besonders dann, wenn nichts so lief, wie ich wollte.

Schon beim Aufwachen hatte ich gespürt, dass der Tag nicht zu den schönsten in meinem Leben gehören würde. Ob es der warmen Gewitterluft über dem spätsommerlichen Los Angeles geschuldet war oder der Tatsache, dass mein Smartphone durch die Weckervibration ganz spontan die Spider-App installiert hatte, daran konnte ich mich rückwirkend nicht mehr erinnern. Und auch jetzt schien es nicht besser zu werden.

Ich saß in dem viel zu engen Bus, der zu der Mall fuhr, in der ich arbeitete. Im Coffeeshop zu stehen und Milch aufzuschäumen, gehörte nicht gerade zu der Beschreibung meines Traumjobs, und trotzdem bezahlte ich damit meine Miete. Ohne die hätte ich aus meinem schnuckeligen Apartment in der Nähe des Strandes von Venice ausziehen müssen. Das wollte ich unbedingt vermeiden. Auch wenn die Einrichtung eher an ein drittklassiges Seniorenheim erinnerte, bedeutete es Freiheit für mich.

Meine Mom war überhaupt nicht glücklich gewesen, als ich zum Studieren nach L. A. gezogen war. Sie bezeichnete mich jedes Mal als besessen, wenn ich mit ihr über meinen Traum sprach, Regisseurin zu werden. Sie war der Meinung, dass ich mit einem Filmproduktionsstudium keine Zukunft haben würde. Dad hingegen hatte schon früh erkannt, dass der Film meine größte Leidenschaft war. Er hatte mir mein erstes Drehbuch geschenkt, das ich irgendwann als Buch hatte binden lassen, damit ich es überallhin mitnehmen konnte.

Und auch jetzt steckte ich meine Nase wieder in das abgenutzte Skript der Detektivserie Veronica Mars. Es mochte verrückt klingen, aber es war so eine Art Talisman geworden. Jedes einzelne Wort, jede sarkastische Bemerkung und jede Szene ließen mich davon träumen, irgendwann selbst einen Job im Filmbusiness zu ergattern und mich darin zu etablieren. Zumindest, bis mich die mechanische Stimme, die den Namen meiner Bushaltestelle durchsagte, daran erinnerte, dass ich in meinem realen Leben gerade auf dem Weg zur Arbeit war.

Als der Bus ruckartig zum Stehen kam, schulterte ich meinen Lederrucksack und quetschte mich an zwei waschechten Surferboys vorbei, die offenbar vergessen hatten, Shirts über ihre verschwitzten Oberkörper zu ziehen, bevor sie eingestiegen waren. Welcome to Los Angeles.

Ich überquerte den Parkplatz der riesigen Mall und beobachtete die wenigen Menschen, die sich bei dieser Hitze in ein Einkaufszentrum statt an den Strand verirrten. Der schwarze Asphalt unter meinen Füßen hatte sich so aufgeheizt, dass ich die Wärme durch die dicken Gummisohlen meiner Turnschuhe spüren konnte. Schweißperlen sammelten sich in meinem Nacken und an dem Ansatz meiner braunen Haare.

Ich huschte zwischen den wenigen Vans hindurch, die gerade vereinzelt am Ein- und Ausparken waren, und lief auf den gläsernen Eingang zu. Der weiße Block von Einkaufszentrum, der vor mir aufragte, hieß mich und viele andere mit seinem modernen Design willkommen. Ich mochte die gläserne Front, durch die man schon von außen einen Blick auf die Geschäfte und Besucher werfen konnte.

Als ich mich durch einen Spalt in eine der Drehtüren schob, blies mir die kühle Luft der Klimaanlagen entgegen. Einen Moment lang fühlte ich mich wie Olaf aus Frozen. Ein paar glücklich aussehende Menschen, bepackt mit den verschiedensten Einkaufstüten, kamen mir bereits entgegen. Das Bild erinnerte mich sofort an einen dieser typischen Teenie-Streifen. Mean Girls, Clueless und The Duff. Alles hier sah fast so perfekt aus wie in jenen Filmen. Es war einfach verrückt, wie viele Klischees die Menschen in Los Angeles wirklich erfüllten.

Als das grüne Schild mit der lächelnden Meerjungfrau über mir auftauchte, straffte ich die Schultern und tackerte mein Lächeln fest. Es konnte nur noch besser werden.

___

Die Ernüchterung folgte schon nach wenigen Stunden. Nicht nur der Parkplatz blieb beinahe leer, sondern auch die Mall. Deshalb übte ich seit bestimmt zwei Stunden, mit Kakaopulver neue hübsche Figuren auf Kaffee zu streuen. Das war so ziemlich das einzig Kreative, was ich hier tun konnte. Jedes Mal, wenn die Türglocke bimmelte, sah ich auf, in der Hoffnung, dass endlich jemand etwas bestellen würde. Aber das passierte so selten, dass ich in Gedanken alle Filmstudios und Produktionsfirmen durchging, bei denen ich mich bereits beworben hatte.

Warner Bros. hatte mich kommentarlos abgelehnt, für Netflix hatte ich zu wenig Erfahrung, CBF Productions hatte seit gefühlt drei Jahren einen Einstellungsstopp und zu Disney kam man nur mit Vitamin B. Es war ein Jammer, dass man als Regietalent nicht einfach entdeckt wurde wie eine Schauspielerin. Ich hatte mich so oft beworben und trotzdem verbrachte ich mein Leben noch immer hinter einer Kaffeemaschine.

»Erde an Farah.«

Die kichernde Stimme meiner Kollegin Josie holte mich aus meinen Fantasien und teleportierte mich zurück in die Realität.

»Hmm, was gibt’s?«

Josie verzog ihre rot geschminkten Lippen zu einem besorgten Grinsen. »Du siehst aus, als hättest du dich verliebt und direkt einen Korb bekommen. Wenn es so war, dann erzähl mir alles. Ist er heiß? Sportler? Oder ein Filmfreak?«

»Nein, ich habe mich nicht verliebt. Du weißt, wie ich das sehe. Erst erfülle ich mir meinen Traum und dann suche ich mir einen Mann, der in meinen Traum hineinpasst. Ich bin eine Karrierefrau. Heute bin ich einfach nur nicht gut drauf«, antwortete ich achselzuckend.

»Das ist nichts Neues. Was bedrückt dich?«, gab sie mir die Möglichkeit, noch etwas hinzuzufügen.

»Ich habe noch immer kein Jobangebot. Vor einem Jahr habe ich mein Studium mit Auszeichnung beendet und vegetiere hier immer noch vor mich hin, weil ich keinen Onkel dritten Grades habe, der zufällig ein erfolgreicher Drehbuchautor oder Ähnliches ist. Das ist doch alles Mist.« Frustriert zog ich die Schablone etwas zu schnell von dem veganen Milchschaum. Die Meerjungfrau, die uns eigentlich schokoladig angrinsen sollte, erinnerte jetzt eher an ein berühmtes schottisches Seeungeheuer. Immerhin hatte ich die Tasse nicht zerbrochen.

»Och, Maus, so schlimm?«

»Ja, so schlimm. Ich höre das ›Ich habe es dir ja gesagt‹ meiner Mom jetzt schon in meinen Träumen.« Das war nicht gelogen. Ich schlief schlecht und beobachtete mich jede Nacht selbst dabei, wie ich scheiterte und von meiner Familie ausgelacht wurde. Danach befand ich mich für gewöhnlich an einem dunklen Schreibtisch in einem Siebzigerjahre-Großraumbüro. Ein nicht enden wollender Albtraum.

»Holy! Das fühle ich.«

»Aber deine Eltern unterstützen dich doch?«, fragte ich, überrascht von ihrer Aussage. Sie träumte davon, Schriftstellerin zu werden, konnte sich ein Studium an einer Campus-Uni aber leider nicht leisten, weshalb sie tagsüber arbeitete und abends an einer Fern-Uni Literatur studierte. Trotzdem schickten ihre Eltern ihr ständig kleine Unterstützungen oder Überlebenspakete voller Schokolade, die sie regelmäßig mit mir teilte. Ich hatte bereits während des Studiums in dieser Filiale angefangen und auch Josie gehörte irgendwie zum Inventar. Wir waren nicht nur Kolleginnen, sondern auch Freundinnen geworden.

»Schon, aber Drew hat sich von mir getrennt, weil ihm der Job zu unsicher war«, erklärte sie angeschlagen.

»Vielleicht sollten wir uns nachher mit einer Flasche Wein an den Strand legen und weinen«, schlug ich vor.

»Gute Idee, lass uns das machen, obwohl Wodka wahrscheinlich angebrachter wäre. Dann fällt es mir leichter, bei Tinder Kerle wegzuswipen, um mich besser zu fühlen.«

Ich lachte zum ersten Mal an diesem Tag, wobei mir ein leichtes Grunzen rausrutschte. »Manchmal bist du echt seltsam.«

»Deswegen magst du mich doch so, gibs zu.«

Gerade als ich meiner Freundin und Kollegin antworten wollte, klingelte das kleine Türglöckchen. Eine junge Frau, die mir irgendwie bekannt vorkam, betrat den Laden. Sie war groß, sehr schlank und hatte lange goldblonde Haare, die ihr in Beach Waves über die Schultern fielen. Sie trug einen teuer aussehenden türkisfarbenen Jumpsuit, Wedges und eine Chanel-Sonnenbrille. Alles an ihr schrie förmlich Hallo! Ich bin ein Miami Beach Girl!

Die junge Frau blieb einen Moment in der Tür stehen und sah sich um, bevor sie zu uns an den Tresen trat.

»Einen …« Das Piepen ihres Smartphones unterbrach ihre Worte und ließ sie das Telefon aus ihrer Handtasche ziehen. Wie wild tippte die Kundin darauf herum.

Ohne mit dem Schreiben aufzuhören oder hochzusehen, setzte sie einen Moment später ihre Bestellung fort. »Einen Strawberry Cream Frappuccino mit extra viel Sahne und ohne die rote Soße obendrauf.«

»Möchten Sie stattdessen eine andere Geschmacksrichtung?«, fragte ich freundlich.

Die Kundin antwortete nicht, sondern tippte fleißig weiter.

Ich räusperte mich kurz. »Möchten Sie eine andere Soße auf Ihrer Sahne haben?«

Für eine Millisekunde sah sie auf und warf mir über den Rand ihrer Sonnenbrille einen dieser Blicke zu, die einem das Gefühl gaben, eine Idiotin zu sein. »Argh, natürlich nicht«, stöhnte sie, als hätte ich das wissen müssen.

»Okay, kommt sofort.«

Während ich sehen konnte, wie Josie augenrollend abkassierte, mixte ich das Crushed Ice mit Milch, Erdbeersirup und Kaffee. Zum Schluss zauberte ich eine hübsche Sahnekrone auf den Becher und ließ natürlich die Erdbeersoße weg.

Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen schob ich ihr das fertige Getränk über den Tresen. »Bitte schön.«

Immer noch in ihr Smartphone vertieft, griff die Frau nach dem Becher. Sie nahm, ohne sich zu bedanken, in eine kleine Sitzecke am Fenster Platz und begann, Selfies zu schießen. Aus unserer Perspektive sah es ziemlich amüsant aus, wie sie immer wieder mit dem transparenten Becher posierte.

Doch nach kurzer Zeit veränderte sich etwas an ihr. Rote Flecken bildeten sich auf ihrer Haut und sie fing an sich zu kratzen. Sofort sprang die junge Frau wie von der Tarantel gestochen auf und pfefferte den Rest ihres Getränks quer über den Tresen. Geschockt sah ich an meiner grünen Schürze hinab, die das meiste der rosa Flüssigkeit abfing.

»Was zum Geier haben Sie da reingemischt?!«, rief sie aufgebracht durch das ansonsten leere Ladenlokal.

»Ich habe alles so gemacht, wie Sie es bestellt haben. Kaffee, Eis, Milch, Erdbeersirup, mit Sahne und ohne Erdbeersoße«, erklärte ich ihr, während sich weitere Pusteln auf ihrer Haut bildeten. Ich begann mir Sorgen zu machen. Nicht dass diese Reaktion in einem anaphylaktischen Schock endete. »Meine Kollegin wird Ihnen sofort einen Krankenwagen rufen«, fügte ich mit einem Nicken an Josie hinzu, die den Hörer bereits in der Hand hielt.

»Sie haben da Erdbeersirup aus echten Erdbeeren reingekippt? Sind Sie wahnsinnig?!«, schrie sie mich nun an. Ihr Gesicht wurde rot. Ich konnte mittlerweile nicht mehr unterscheiden, ob es sich dabei um Wutrot oder Allergierot handelte.

»Sie haben einen Strawberry Cream Frappuccino bestellt. Da ist immer Erdbeersirup enthalten. Möchten Sie ein Glas Wasser haben?« Mein Herz klopfte vor Stress lautstark in meiner Brust.

»Ich möchte kein bescheuertes Wasser! Ich bin Lydia Benson, jeder Mensch auf dieser Erde weiß, dass ich allergisch gegen Erdbeeren bin, seitdem ich letzte Woche bei Jimmy Fallon in der Tonight Show war! Wie konnten Sie also diesen Sirup in mein Getränk mischen?!«

Wieso zum Teufel bestellen Sie ein Erdbeergetränk, wenn Sie wissen, dass sie dagegen allergisch sind?!, hätte ich am liebsten zurückgebrüllt, tat es aber nicht. »Es tut mir außerordentlich leid. Der Krankenwagen ist bestimmt bereits unterwegs. Kann ich Ihnen sonst irgendwie helfen?«, fragte ich stattdessen so freundlich und hilfsbereit wie möglich, auch wenn es mir anscheinend sichtlich schwerfiel.

»Das können Sie. Rufen Sie Ihren Chef, ich will, dass er Sie unfähige Idiotin auf der Stelle feuert!« Lydias Stimme bebte vor Wut.

In meiner Brust breitete sich ein Ungerechtigkeitsgefühl aus. Wie konnte sie glauben, dass jeder Mensch dieses Interview gesehen hatte und über ihre Allergien und was sie sonst noch hatte Bescheid wusste? Wieso hatte sie nicht einfach einen Caramel Frappuccino bestellt?

Ohne dass ich etwas Weiteres sagen musste, hörte ich die Bürotür hinter der Küche quietschen. Unser Chef musste das wilde Geschrei gehört haben.

»Was ist denn hier los?«, fragte Lou in seiner rauchigen Stimme übertrieben laut. Er war klein und trug wie üblich einen zu engen Anzug. Seine silbrig grauen Haare hatte er zur Seite gegelt und die runde Nickelbrille ließ seine Augen kleiner aussehen, als sie waren. Als sein Blick auf die mit Pusteln übersäte Kundin fiel, verfinsterte er sich. Das sah auch Lydia, die direkt auf ihn zumarschierte und mit erhobenem Zeigefinger auf mich deutete.

»Ihre unfähige Mitarbeiterin hat Erdbeersirup in mein Getränk gemixt, obwohl ich dagegen allergisch bin! Ich bin Schauspielerin und muss heute Abend zu einer Gala. So kann ich da nicht auftauchen. Das ist ein Desaster!«

Lou legt der aufgebrachten Lydia beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Das tut mir sehr leid, Miss. Sie können sich sicher sein, dass das Konsequenzen haben wird. Normalerweise sind meine Mitarbeiterinnen für solche Vorfälle geschult und lernen von Anfang an, die Anliegen unserer Kunden zu berücksichtigen.«

Bei seinen Worten lief mir ein eisiger Schauer über den Rücken. Das sah gar nicht gut für mich aus.

»Dann müssen Sie sie auf jeden Fall rauswerfen. Wenn es so ist, wie Sie sagen, kann das nur Absicht gewesen sein. Als Prominente habe ich häufig mit verblendeten Fans zu tun. Sie ist gemeingefährlich. Wenn ich das twittere, dann …«

»Das wird nicht nötig sein. So eine Mitarbeiterin kann ich nicht mehr guten Gewissens hier arbeiten lassen. Gehen Sie bitte in mein Büro, Ms Stewart. Sofort!« Lous Blick wanderte enttäuscht zu mir.

Mir war klar, dass er jetzt keine Wahl mehr hatte. Er musste mich rauswerfen, wenn er keinen Social-Media-Shitstorm provozieren wollte, und das wollte er definitiv nicht. Auch Josie hatte das begriffen und sah mich mitleidig an. Damit war meine Karriere als Barista wohl endgültig vorbei.

Innerlich hatte ich bereits die zweite Flasche Wodka gekauft. Was für ein Scheißtag.

27.08. – Die Party

Normalerweise schreibe ich kein Tagebuch, aber heute muss ich irgendwo hin mit meinen Emotionen und das wird sich nicht so schnell ändern. Ich bin verliebt wie noch nie. Heute war ich zum ersten Mal auf der Party von Mr Anderson, dem Vater von Jasper Anderson, was mich darin bestärkt hat, dass ich in die Welt der Reichen und Schönen gehöre. Ich habe viele Unternehmer und Schauspieler getroffen, von denen sich die meisten wahrscheinlich nicht an mich erinnern werden. Das ist nicht schlimm, solange es einer tut.

Paxton Wright.

Wir haben uns kurz unterhalten und es hat so was von geknistert. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er mich wiedersehen will. Er hat nämlich »Man sieht sich« gesagt. Er meldet sich bestimmt in den nächsten Tagen. Vielleicht werden wir das nächste große Hollywoodpaar wie Tomdaya oder Brangelina.

KAPITEL 2

PAXTON

DREI WOCHEN SPÄTER

New York war laut. Jedes Mal, wenn ich herkommen musste, konnte ich nicht schlafen, weil der Straßenlärm wie ein Geist durch die dünnen Hotelfenster drang. Jetzt war es 7:30 Uhr und ich lag bereits seit anderthalb Stunden wach und scrollte durch meine Instagram-Timeline. Irgendwie bestand meine morgendliche Routine mittlerweile daraus, im Bett liegen zu bleiben und Katzenvideos anzusehen, während Caralie neben mir schlief. Sie grunzte hin und wieder, wenn sie träumte, aber der Straßenlärm war schlimmer.

In den Hollywood Hills war es nachts ruhig und die Straßen vor den Villen waren so gut wie leer. In meinem kleinen sandsteinernen und von Palmen umgebenen Anwesen hatte ich meine Ruhe. Dort war ich in Sicherheit. Ich hatte mich an die Stille gewöhnt und ich liebte sie. Denn Stille bedeutete, dass ich allein war, dass niemand da war, der mich terrorisierte. Keine Fans, die kreischend vor dem Hoteleingang warteten, die sich in meine Umkleide schlichen, um Sachen zu stehlen, die ich berührt hatte, und auch keine lauernden Paparazzi.

Für Drehtage, Partys, Meetings und Veranstaltungen in New York musste ich jedes Mal einen Sicherheitsdienst engagieren, der mich durch die Ansammlungen von Menschen führte. Auch wenn ich es mir äußerlich nicht anmerken ließ, wütete in diesen Momenten ein Sturm in mir, der die Angst vor einer weiteren Panikattacke schürte. Ein vermutlich ewig währender Kreislauf. Wie oft bekam ich zu hören, wie sehr man mich beneidete und dass ich ein Vorbild sei. Ich war kein Vorbild, und wenn man mir vorher gesagt hätte, wie angsteinflößend es war, berühmt zu sein, hätte ich die Rolle in Road Explosion nie angenommen.

Natürlich freute ich mich über jede aufrichtig gute Kritik, über jeden Preis, für den ich nominiert wurde, und über jeden Beitrag, in dem mein Film gelobt wurde. Leider schmälerte das trotzdem nicht die Angst.

Die grunzende rothaarige Schönheit neben mir riss mich aus den Gedanken.

»Du bist ja schon wach, Babe«, summte Caralie im Halbschlaf, während sie sich von hinten an mich schmiegte. Das mit uns war nichts Ernstes, mehr eine Freundschaft mit gewissen Vorzügen, wenn ich gerade wieder in New York war. Caralie war eine mäßig erfolgreiche Popsängerin, die sich von unserer lockeren Affäre einen Aufstieg in die Welt der Hollywoodstars erhoffte. Und ich mochte das momentane Playboy-Image, weil es eine kleine Rebellion gegen mein Management darstellte. Denn die wollten, dass ich sämtliche Beziehungen und Affären geheim hielt, damit die Fans weiter träumen konnten. Dafür, dass ich trotzdem immer wieder mit hübschen jungen Frauen in der Presse auftauchte, rügten sie mich jedes Mal.

»Ja, schon eine ganze Weile«, lautete meine Antwort, während ich die weiße Decke des Hotelbettes zurückschlug und aufstand. Caralie blieb regungslos liegen und starrte zu mir hoch. Nachdem ich mich in Hose und Nikes geworfen hatte, zog ich mir das weiße Hemd über, das seit gestern über der Lehne der barocken Couch hing. »Was starrst du so, Cara?«

Ein kurzes Lächeln flog über ihre Züge. »Wollen wir es noch mal versuchen?«

Überrascht unterbrach ich das Zuknöpfen meines Hemdes. »Was noch mal versuchen? Falls du Sex meinst, du weißt, dass ich da morgens nicht so drauf stehe«, sagte ich ihr, wie jedes Mal, wenn ich ahnte, dass etwas im Busch war. Ich wusste dass Sex nicht das war, worauf sie hinauswollte, und sie wusste, dass ich es wusste.

Gespielt beleidigt richtete sie sich im Bett auf und zog sich die weiße Decke vor den nackten Oberkörper, als hätten wir nicht gestern erst miteinander geschlafen. Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Ihre langen weinroten Locken fielen ihr über die Schultern und legten sich auf ihre gebräunte Haut. Sie war wirklich hübsch, aber charakterlich waren wir nicht auf einer Ebene und ich hatte mir vorgenommen, keine Beziehung mit einer Frau anzufangen, die mich nur liebte, weil ich berühmt war.

»Cara, du weißt, dass das eine miese Idee ist. Ich habe keine Gefühle für dich, die über eine Freundschaft hinausgehen, und ich bin mir sicher, dass es bei dir ähnlich aussieht.«

Caralies Nasenflügel wackelten, als sie schnaubte: »Aber für Sex bin ich gut genug?«

»Ernsthaft? Ich könnte dich dasselbe fragen. Die Freundschaft-Plus-Idee war von dir, wenn ich dich daran erinnern darf.«

Überdramatisch warf sie die Decke weg und schwang sich aus dem Bett. Nur mit einem violetten Seidenslip bekleidet, kam sie zu mir herüber. Plötzlich schien es ihr ganz und gar nicht mehr peinlich zu sein, oben ohne vor mir zu stehen. Das süße Mädchen hatte sich gerade wieder in die Verführerin verwandelt. Ich hasste es, wenn sie das tat.

Sie neigte dazu, sich zu verstellen, wenn sie nicht das bekam, was sie wollte. Ich mochte diese Seite an ihr nicht, was nicht hieß, dass ich sie nicht verstand. Sie war eine Karrierefrau und die hatten es überall auf der Welt schwer, in jedem Beruf. Aber sie hatte es nicht nötig, sich hochzuschlafen, niemand hatte das. Bei dem Gedanken daran, wie oft Caralie das bereits probiert haben könnte, wurde mir ehrlich gesagt ein wenig übel. Es mochte bei anderen Männern in Hollywood funktionieren. Gut, vermutlich bei den meisten anderen, aber sie wusste eigentlich, dass sie bei mir nicht einmal daran zu denken brauchte.

Sie legte ihre weiche Hand an meinen Hals und ließ sie meine Brust hinabgleiten, nur um kurz an meinem Hosenbund zu stoppen. Ihre Finger hinterließen eine leichte Gänsehaut.

»Aber Gefühle können sich ändern«, flüsterte sie rauchig, während sich ihre Hände an meinem Gürtel zu schaffen machten.

»Es ist wirklich lobenswert, was du alles versuchst, um deine Karriere voranzutreiben. Ich respektiere das, aber das hier geht zu weit. Ich bin nicht so ein Arschloch.«

Caralie verdrehte ihre rehbraunen Augen, bevor sie anfing zu lachen. »Jeder Mann ist so ein Arschloch. Tu nicht so auf Moralapostel, Paxton, du hast genauso viel getan wie ich. Du hast mehr Dreck am Stecken als jeder andere von uns. Wie sonst wird man wohl über Nacht zum Star und bekommt nach einer Kaugummiwerbung eine Hauptrolle angeboten? Sex ist die einzige Währung, die in Hollywood zählt. Also verrate mir, Babe, mit wem hast du geschlafen, um hier oben anzukommen? Ich will die gleiche Chance.«

Ihre Worte ließen mich schlucken. Natürlich hatte ich Scheiße gebaut, aber ich hatte niemals jemanden dermaßen ausgenutzt, auch wenn einige mir das sicher vorwarfen.

Ich griff nach ihren Händen und schob sie unsanft von meiner Hose weg. »Ich würde sagen, es ist Zeit für einen endgültigen Abschied«, antwortete ich gewollt emotionslos, während ich mir meine bereits gepackte Tasche griff, zur Tür hinüberging und sie einen Spaltbreit öffnete. Dann warf ich einen letzten Blick über meine Schulter in das Gesicht der Frau, die ich vor wenigen Stunden noch für eine Freundin gehalten hatte. Man lernte nie aus.

»Zieh die Tür hinter dir ran, wenn du gehst, dann schließt sie automatisch.«

Ein steifes Dekokissen flog mir entgegen.

»Du Scheißarschloch! Ich werde allen erzählen, wie du mich benutzt hast!« Ihre vor Unmut bebende Stimme und ihr verkniffener Blick zeigten deutlich, dass sie mit der Gesamtsituation mindestens so unzufrieden war wie ich. Auch wenn die Gründe dafür nicht dieselben waren.

»Tu dir keinen Zwang an. Als Beweis kannst du ja ein oder zwei Bettlaken einpacken, die riechen so schön nach mir. Alternativ kannst du sie natürlich auch auf eBay versteigern, daran verdienst du wahrscheinlich mehr als bei einer deiner Low-Budget-Produktionen fürs Free-TV.«

In dem Moment, als die wütenden Worte meine Lippen passierten, bereute ich sie auch schon. Natürlich war das, was sie gesagt hatte, auf eine gewisse Weise verletzend gewesen. Einfach, weil sie offenbar nicht in Erwägung zog, dass ich aufgrund meines Talents berühmt geworden sein könnte. Aber tief in ihrem Inneren war Caralie sensibel, auch wenn sie sich gerade wie eine üble Zicke verhielt. Trotzdem schwor ich mir selbst in Gedanken, dass ich nie wieder mit ihr schlafen würde. Das war endgültig gelaufen.

Ich ließ sie stehen, ohne mich ein weiteres Mal nach ihr umzudrehen.

Es war so still auf dieser Hoteletage, dass ich meine eigenen Schritte dumpf auf dem edlen Teppichboden hören konnte. Das war das Beste daran, berühmt zu sein. Man bekam seine eigene Etage.

Ich zog mein Smartphone aus der Seitentasche meines Burberry-Weekenders und schaltete es ein. Sofort ploppten 4 Anrufe in Abwesenheit, 171SMS und 7.219 Benachrichtigungen von Instagram auf, was vergleichsweise wenig war. So begann beinahe jeder meiner Arbeitstage.

Bereit für ein Selfie hielt ich mir mein Smartphone vors Gesicht und drückte ab.

Auf dem Weg. Ich werde Big Apple vermissen.

Noch bevor ich in der Lobby des Hilton angekommen war, um auszuchecken, knackte meine Story die 17.000 Views. Ab dieser Sekunde überschlugen sich die Nachrichten in meinem Postfach wie üblich.

CatlovesDogs: Was! Ich lebe in NY, omg, nicht gehen. Luv u!

Melaniemarmalade89: Du bist sooo hot Paxton, ich bin soooo ein Fan! Ich will dich nackt sehen!

Das glaube ich dir gern, Melaniemarmalade89.

Ninasingslovesongs: Ich glaube, ich liebe dich. Ist das verrückt? Nein, sooo romantisch <3

Doch, das war definitiv verrückt, Nina, absolut verrückt.

Dinorainbow89: Wie kann es sein, dass die Guten immer hetero sind? Oder bist du secretly gay? Falls ja, sende mir ein Herz, ich bin offen für alles. ;)

Ich scrollte durch einige der Nachrichten und war wirklich froh darüber, dass es Shawn gab. Denn nicht alles, was ich geschickt bekam, war nett gemeint oder jugendfrei. Mein Management hatte ihn eingestellt, um meine Social-Media-Nachrichten zu sortieren, zu filtern und zu löschen sowie um Konten zu blockieren oder was eben sonst so anfiel. Nur posten musste ich noch selbst, was ich ehrlich gesagt ganz gut fand. So konnte ich selbst entscheiden, was von mir ich der Welt preisgab, auch wenn mein Management schon öfter damit gedroht hatte, meine Konten zu übernehmen oder zu sperren, weil ihnen meine Postings häufig zu oberflächlich oder provokant waren. Zwar gehörte ich nicht zu den Hollywoodstars, die ständig ihre Alkoholexzesse oder Drogenpartys mit der Welt teilten, aber die ein oder andere Kollegin hatte man zu Beginn meiner Karriere schon mal auf meinen Bildern gefunden. Und davon war mein Management, wie gesagt, nicht begeistert.

Die letzten acht Monate hatte sich mein Social-Media-Verhalten langsam verändert, was mein Managementteam bestehend aus Lucy und Kyle Hill einerseits begrüßte, andererseits aber auch nicht so überragend fand. Ich hatte vor acht Monaten begonnen, keine Frauenbilder mehr selbst zu posten und alle Markierungen auf Fotos mit meinen Kolleginnen zu löschen. Aber ich hatte auch aufgehört, alles aus meinem Leben breitzutreten.

Ich legte die Servietten mit Logos darauf zur Seite, wenn ich essen ging und meinen Teller fotografierte, ich zeigte meine Hotels nicht, ich postete keine Selfies von mir an Orten, die man wiedererkennen konnte, ich tat nichts, was ihr die Möglichkeit gab, mich wiederzufinden oder wieder zu verärgern.

Ich hatte Angst vor ihr. Wer sie war, wusste ich nicht. Manchmal nannte sie sich Morgan, manchmal Sarah, manchmal Emily. Sie hatte so unendlich viele Namen, aber kein Gesicht. Und trotzdem wusste ich es, wenn sie es war, die mir schrieb.

So, wie in diesem Moment.

Mein Blick blieb an einer Nachricht kleben. Genau genommen an den vier Zahlen 2708. Es war eine Nachricht, die später wieder dafür sorgen würde, dass ich im Flugzeug nicht schlief und mich am Flughafen ständig umdrehte. Manche Fans übertrieben es einfach.

Mayalovesyou27_08: Du siehst nicht gut aus, Schatz, New York tut dir nicht gut. Sie tut dir nicht gut, du solltest dich von ihr fernhalten. Sie ist eine Hure, gib nichts auf ihre Meinung. Sie wird dich niemals so verstehen wie ich, keine wird das. Du wirst das erkennen. Xoxo

Ich hielt den Atem an und hörte das Blut in meinen Ohren rauschen. Wort für Wort kämpfte ich mich durch ihre Nachricht. Und bei jedem einzelnen Buchstaben wurde mir ein bisschen schlechter. Automatisch drehte ich mich um, doch die Lobby war so gut wie leer. Eine ältere Dame las auf der roten Samtcouch im Eingangsbereich einen Thriller und eine Mutter mit Kind saß ihr gegenüber. Das Personal hinter der Rezeption arbeitete eifrig. Eine blonde junge Frau telefonierte und ihr Kollege checkte gerade ein offenbar ziemlich verliebtes Pärchen ein, das einfach nicht die Finger voneinander lassen konnte.

Aber woher wusste Mayalovesyou27_08 dann …?

Mein Selfie, natürlich! Aber darauf war keine Frau zu sehen, wen meinte sie also mit »Hure«?

Mit einer dunklen Vermutung schaute ich erneut auf das Display meines Smartphones und bemerkte, wie die Nachricht dieses verrückten Fans sofort wieder aufploppte. Es war fast wie die Begrüßung eines dunklen Omens.

Ich klickte sie weg und öffnete angespannt meine Markierungen. Mein Herz blieb für einen Moment stehen, als ich das Bild entdeckte, auf dem mich Caralie verlinkt hatte. Es zeigte mich und sie im Bett. Es war offensichtlich, dass wir kurz zuvor miteinander geschlafen hatten, denn das Einzige auf dem Foto, das unsere Intimsphäre schützte, war das dünne weiße Laken der Hotelbettwäsche. Es sah aus, als würden wir kuscheln. Es war beinahe gleichzeitig mit meinem Foto hochgeladen worden.

Sie hatte sich, während ich geschlafen hatte, an mich geschmiegt und ein Selfie geschossen.

Viele von euch hatten es ja schon vermutet, aber ja, es ist wahr. Paxton Wright und ich waren ein Paar, doch leider gehört er nicht zu den Männern, die es ernst mit einem meinen und die Finger von anderen Frauen lassen. Das habe ich nicht mehr ausgehalten. Auch wenn ich mich jetzt von ihm getrennt habe, wird er für immer einen Platz in meinem Herzen haben. Hier einer unserer glücklichen Momente. Ich werde darüber hinwegkommen, auch wenn es schwer ist. Aber ich glaube, meine Karriere an erste Stelle zu setzen, ist jetzt erst mal der richtige Schritt für meine Zukunft. Danke, dass ihr da seid, ihr haltet mich hoch! Ich habe die besten Fans aller Zeiten! Küsschen, Cara

Mir blieb die Luft weg. Wie konnte sie das tun? Sie wusste, dass sie damit gerade meinen guten Ruf und meine Karriere aufs Spiel gesetzt hatte. Normalerweise lagen Caralies Follower zwischen zwölf- und dreizehntausend, aber in den letzten Minuten hatte sich das geändert. Beinahe zehn Minuten stand ich in der Lobby und starrte regungslos auf mein Smartphone. 19k, 19,1k, 19,2k, die Zahl stieg quasi minütlich.

»Geht es Ihnen gut, Sir?«

Die Frage der Rezeptionistin ließ mich aufblicken.

»Äh, ja, ich war nur gerade etwas abgelenkt. Ich würde gerne auschecken«, sagte ich mit dem aufgesetztesten Lächeln aller Zeiten. Ich hatte gelernt zu reagieren, wie man es von mir erwartete.

»Natürlich, Mr Wright. Hat Ihnen der Aufenthalt in unserem Hotel gefallen?«, fragte sie freundlich.

»Ja, das Frühstück war großartig, genau wie die Aussicht von meiner Suite. Vielen Dank. Ich werde Sie auf jeden Fall weiterempfehlen!«

Ich zog die Schlüsselkarte aus meiner Hosentasche und schob sie ihr über den blank polierten Tresen aus schwarzem Marmor zu. Alles in diesem Hotel wirkte edel, von den vertäfelten Wänden bis zu den Kronleuchtern unter den Decken. Normalerweise stand ich eher auf rustikale oder moderne Möbel im Industrial-Stil, aber hier hatte ich mich bis eben wirklich wohlgefühlt.

»Das freut uns sehr. Ich hoffe, dass Sie uns wieder beehren werden, wenn Sie nach New York zurückkehren. So, damit haben wir alles. Ihre Rechnung sende ich wie vereinbart gleich an Ihr Management. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Mr Wright.«

»Danke, ich werde das Beste draus machen.« Für einen Moment vergaß ich zu lächeln, was der jungen Rezeptionistin nicht entging.

»Wir haben alle unsere schwarzen Tage, Mr Wright.«

»Als Schauspieler hat man es auch nicht immer leicht. Ach so, und es ist noch eine junge Frau in meinem Zimmer. Rufen Sie einfach mein Management oder die Polizei an, falls Sie nicht gehen will. Machen Sie es gut.«

Die blonde Rezeptionistin lächelte verständnisvoll, als ich mich verabschiedete. Ich nahm an, dass auch sie in der Mittagspause erfahren würde, was man jetzt über mich sagte. Was das anging, war die Kommentarspalte unter Caralies Foto sehr deutlich. Als ich das Hotel verließ, war sie bereits bei 33.000 Followern und 10.000 Likes und 5.822 Kommentaren angekommen. Ihr Beitrag verbreitete sich wie ein Lauffeuer im tropischen Regenwald.

Fem.girl: Uh, was für ein Schlappschwanz. Hätte ich gar nicht erwartet. Typisch Mann. Sie benutzen dich und dann werfen sie dich in den Papierkorb! Scheiß auf ihn, Süße, du bist zu gut für so was!

Lilapusteblume12: O mein Gott, ich liebe Paxton Wright und hätte nie gedacht, dass er so ein Arschloch ist. Direkt entfolgt! Wir verletzten Frauen müssen zusammenhalten!

Pionier37: Arschloch, Arschloch, Arschloch! Das sieht man dem Schmierlappen doch schon an.

Tamara.geek898: So ein Wichser! Ich freue mich schon darauf, wenn er es später öffentlich abstreitet. So ein Lügner.

Ruby4love: @Tamara.geek898 Mit Sicherheit wird er das! Der ist doch auch nur darauf aus, seinen berühmten Arsch zu retten.

Fem.girl: @Ruby4love Die lügen doch alle! So einem Arsch sollte man keine Bühne geben!!!! Er hat den Hate doch verdient!

Zenboy: Erst einen auf Good Boy zu machen und dann auch noch fremdzugehen, ist unfassbar! Biggest bitch move ever. Karma bringt ihn hoffentlich um.

Pionier37: @Zenboy So einen Autounfall hätte er schon verdient. Wieso ist es nicht strafbar, Frauen so zu behandeln?!?

Mit jedem Wort, das ich las, wurde es schlimmer. Das Internet brachte das Schlechteste in den Menschen zum Vorschein und absolut jeder war der Meinung, alles besser zu wissen. Die Welt schien mittlerweile von Social Media regiert zu werden. Wenn dein Ruf online ruiniert war, war er das in den meisten Fällen auch in der Realität. Und verdammt, ich hatte das Gefühl, dass es bei mir genau so lief.

Ich fühlte mich betrogen und benutzt. Cara log, um sich selbst zu pushen, aber ich war der, dem am Ende keiner glauben würde. Und ich hatte keine Möglichkeit zu beweisen, dass sie die Betrügerin war. Ihr Wort stand gegen meines.

Automatisch zog ich auf der Straße eine Sonnenbrille und eine Cap aus meiner Tasche und setzte beides auf. Normalerweise hätte ich mir erst einen Security-Service gerufen, aber ich wollte einfach nur raus.

Ich beschloss, erst die U-Bahn und dann den JFK AirTrain zu nehmen, um zum Flughafen zu gelangen. Damit rechnete keiner. Ich verschmolz mit den wartenden Massen am Bahnsteig der U-Bahn-Station. Niemand beachtete mich und trotzdem fühlte es sich an, als ob ich beobachtet würde. Ganz automatisch wurde ich mit einem Strom Menschen in die nächste Bahn gezogen. So viele Menschen auf so engem Raum war ich nicht gewohnt. Bei jeder Berührung setzte mein Herz einen Schlag aus, bis ich mich auf eine der frei werdenden Plastikbänke niederließ und meine Tasche wie einen Schild an mich presste. Mit den Augen scannte ich die Umgebung, doch die Menschen starrten nur auf ihre Smartphones und lauschten den Bässen ihrer Overear-Kopfhörer.

Mein Atem beruhigte sich, bis eine junge Frau gegenüber von mir zwischen den stehenden Menschen hindurchschielte. Sie begann mich zu mustern. Ich verkrampfte mich und senkte den Blick, um die Flecken auf meinen Turnschuhen zu zählen. Das half. Sie sagte nichts und sie tat nichts, zumindest kam sie nicht zu mir herüber. Ungeachtet dessen stieg ich an der nächsten Station aus, um auf die nächste Bahn zu warten. Sicher war sicher, auch wenn ich mir dabei wie ein verdammter Idiot vorkam. Das ständig leise vibrierende Smartphone in meiner Hosentasche half mir nicht gerade dabei, mich besser zu fühlen.

Mir war bewusst, dass ich mein Management längst hätte anrufen sollen, aber gerade ging das nicht. Ich würde sicher am Flughafen noch einen Moment Zeit dafür finden, bevor ich zurück nach Hollywood flog. Bis dahin nahm ich mir vor, mein Smartphone auszuschalten. Der Schaden war schon angerichtet, jetzt konnte ich sowieso nichts mehr tun.

Die Fahrt dauerte ungefähr anderthalb Stunden, in denen ich mein Gesicht hinter einem Buch versteckte, das in der zweiten U-Bahn schon auf meinem Platz gelegen hatte, als ich eingestiegen war. Statt auch nur ein Wort darin zu lesen, überlegte ich, wie es jetzt weitergehen sollte, und kam zu keinem Ergebnis. Wie würde ich da wieder herauskommen? Ich hatte keine Ahnung, was in dieser Situation zu tun war. Alles Kopfzerbrechen nutzte nichts, weil ich wusste, dass ich das nicht alleine schaffen konnte.

Am Flughafen angekommen, erlaubte ich mir, für einen Moment tief durchzuatmen und meine Gedanken zu sammeln, bevor ich mein Smartphone wieder einschaltete.

Weitere 23 entgangene Anrufe und 11.273 Direct Messages auf Instagram und Twitter. Ein dicker Kloß sammelte sich in meinem Hals, als ich die Nummer meines Managementteams wählte.

Es dauerte keine zwei Sekunden, bis jemand abnahm.

»Gott, Paxton, wir versuchen dich seit fast zwei Stunden zu erreichen! Wo bist du und was ist passiert?«, fragte Kyle Hill aufgeregt, während er mich auf Lautsprecher schaltete. Ich konnte hören, wie sich Lucy im Hintergrund mit einem Klatschmagazin stritt und wütend auflegte.

»Ich bin am JFK und gerade –«

Noch bevor ich meinen Satz beenden konnte, bekam ich Lucys geballte Wut ab. »Wright, was glaubst du eigentlich, wer wir sind? Wir sind nicht dazu da, die Scherben deiner Verflossenen hinter dir aufzukehren! Wie konntest du uns verschweigen, dass du doch etwas Ernstes mit diesem Möchtegern-Sternchen angefangen hast? Ich dachte, das wäre nur Sex!«

»Komm runter, Lucy, und lass Paxton zu Wort kommen«, beruhigte Kyle seine Frau. Die beiden waren das perfekte Paar. Er war der diplomatische Part in der Beziehung und sie war die Armee. Lucy war wirklich gut darin, Druck zu machen, wenn es sein musste, und er war wirklich gut darin, die Wogen zu glätten.

»Es war nur Sex, ehrlich. Charakterlich ist sie überhaupt nicht mein Fall. Sie hat das Bild gemacht, als ich geschlafen habe. Das, was sie mir da ankreidet, ist nie passiert! Heute Morgen ist sie ausgeflippt, weil ich gesagt habe, dass aus uns nichts wird, und als ich gegangen bin, hat sie offensichtlich das Bild gepostet.«

Ich beteuerte meine Unschuld, als ginge es um mein Leben und nicht um meinen Social-Media-Auftritt. Oder eher gesagt, um das, womit Caralie gerade versuchte, meine Karriere zu ruinieren.

Meine Worte brachten mein Management zum Nachdenken. Lucy gab nur ein leises »Hmmm« von sich und Kyle sagte überhaupt nichts.

»Zuerst sollten wir Shawn die ganzen Hassnachrichten löschen lassen und die Markierung entfernen«, schlug Lucy nachdenklich vor. Ich konnte quasi hören, wie Kyle zur Antwort nickte.

»Und dann? Was kommt als Nächstes?« Meine Worte waren vorsichtig gewählt.

»Schadensbegrenzung. Wir müssen uns eine Strategie überlegen, wie wir am besten vorgehen.« Kyles Antwort erinnerte mich an etwas, das mich aus dem Schlamassel herausholen konnte.

»Sie hat doch eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben, als wir unsere Freundschaft Plus begonnen haben. Können wir die nicht verwenden und klagen?«

»Nein, auf keinen Fall. Das würde nicht verborgen bleiben und deinen Ruf noch mehr ruinieren. Es würde dich unglaubwürdig machen. Die Leute würden denken, dass du das tätest, um eure Beziehung zu vertuschen. Jedes Statement, das du von da an herausgäbst, käme an wie eine Lüge«, warf Lucy ein.

»Warum haben wir dann eine?«, fragte ich irritiert.

»Normalerweise melden sich die Affären vorher und wollen Geld, damit sie nicht an die Öffentlichkeit gehen. Dann erinnern wir sie an die Vertragsstrafe aufgrund der Verschwiegenheitserklärung. Für gewöhnlich reicht das, damit sie den Mund halten. Hin und wieder gibt es aber auch gewitzte Menschen, die sagen, dass die Summe, die sie für die Informationen bekämen, deutlich höher wäre als die Vertragsstrafe. Dann kommt es häufig zu einem stillen Vergleich, bei dem wir die Differenz zu dem Angebot bezahlen, damit sie nichts ausplaudern. So sparen wir uns meistens den Millionenschaden, der durch eine Rufschädigung erzeugt werden würde, und geben ihnen das Gefühl, gewonnen zu haben.«

Kyles Erklärung war schlüssig. Ich musste zugeben, dass ich mich bisher kaum damit auseinandergesetzt hatte, worum sich mein Management alles kümmern musste. Ich war ihr erster Klient gewesen und wusste, dass ich damit eine besondere Stellung in ihrer noch recht jungen Agentur innehatte. Lucy und Kyle waren manchmal mehr Familie als meine eigene. Dieses Gefühl hatten sie mir von der ersten Sekunde an gegeben, als ich ihr kleines Büro in Venice betreten hatte, um ihnen meinen Vertrag für Road Explosion auf den ranzigen Holztisch zu legen und nach Hilfe zu fragen. Sie waren jetzt genauso wie damals für mich da. Ich konnte mich glücklich schätzen, in dieser ausweglosen Situation nicht allein zu sein.Ohne Lucy und Kyle wäre ich wahrscheinlich schon lange nicht mehr im Geschäft.

»Und was soll ich jetzt tun?«, fragte ich. Ich war mir sicher, dass sie die Verzweiflung hören konnten, die in meinen Worten mitschwang.

»Ich schätze, am besten gar nichts, bis wir einen Weg finden. Du solltest auf keinen Fall nach Hause fliegen. Vor deinem Haus in den Hollywood Hills steht mit Sicherheit bereits eine ganze Kolonne an Reportern und Paparazzi. Ich kaufe dir gleich ein Ticket zum Anchorage International Airport in Alaska. Lass um Himmels willen dein Smartphone an, du wirst in wenigen Minuten die Buchung in deinen Mails finden. Erste Klasse mit Priority Boarding.

In der Zwischenzeit wird Kyle dir ein Zimmer in dem Hotel organisieren, in dem Snowlight gedreht wird. Dann hast du schon die Chance, dich ein paar Tage früher als geplant dort einzugewöhnen, bevor wir nächste Woche mit den Dreharbeiten starten. Wir werden dafür sorgen, dass dir jemand zur Verfügung steht. Vielleicht nutzt du die Zeit, um dich vorher noch ein wenig zu erholen.« Lucys Vorschlag war vielmehr ein Befehl, denn mir war klar, dass ich keine Wahl hatte.

»Du meinst wohl eher, um mich zu verstecken.«

»Man kann allem etwas Positives abgewinnen, Pax. Mach das Beste daraus, um alles andere kümmern wir uns.« Lucys Worte waren eine Mischung aus tröstlich und mitleidig. Wir wussten alle, dass die nächsten Wochen nicht leicht werden würden. Vielleicht täte mir eine Auszeit tatsächlich ganz gut.

So oder so fieberte ich dem Dreh entgegen, denn der würde mich von alldem ablenken. Zumindest hoffte ich das.

29.08.

Liebes Tagebuch,

Paxton hat sich noch nicht gemeldet. Das ist bestimmt so eine Hinhaltetaktik, damit ich ihn noch mehr will. Und sie funktioniert. Ich will ihn jeden Tag mehr. Wenn ich ihn im Fernsehen reden höre, stelle ich den Ton immer lauter. In den letzten Tagen habe ich bestimmt zehnmal Road Explosion geschaut, obwohl ich für die Prüfungen hätte lernen müssen. Aber nachdem er in dem Interview bei Oprah angedeutet hat, dass es da jemanden gibt, für den er sich interessiert, kribbelt es in meinem Bauch noch mehr. Er meldet sich bestimmt in den nächsten Tagen und dann wird alles gut.

KAPITEL 3

FARAH

SPÄTER AM SELBEN TAG IN LOS ANGELES

»Schön, dass Sie hier waren, wir melden uns bei Ihnen«, erklärte der dickbäuchige Mann, der mich mit seinen Worten mehr oder weniger aus dem kleinen Büro schob.

Als mir ein leicht enttäuschtes »Danke« über die Lippen kam, war die Tür hinter mir bereits wieder zu. Der würde sich wohl kaum bei mir melden, um mir zu sagen, dass ich morgen anfangen konnte. Was im Grunde lächerlich war, weil es nicht um eine Anstellung als Hollywoods neue Top-Regisseurin ging.

Nein, ich hatte mich als Aushilfe in einem Vintage-Kino beworben. Popcorn poppen, Sirup-Cola in Becher füllen und Tickets verkaufen. Wie konnte es angehen, dass ich nicht mal so einen Job bekam? Das war bereits das fünfte erfolglose Bewerbungsgespräch, seit ich vor drei Wochen gefeuert worden war. Langsam wurde es echt knapp mit meinen Ersparnissen.

Frustriert lief ich die mit rotem Teppich bezogene Treppe des Kinos hinab in den Eingangsbereich und streifte meinen spießigen Blazer ab. Die Mitarbeiter schienen mich in ihren Uniformen geradewegs zu verhöhnen. Jeder von ihnen wusste genau, dass sie mich nicht als Kollegin wiedersehen würden. Langsam überlegte ich wirklich, ob ein Stripschuppen meine letzte Alternative war. Ich sah mich bereits in transparenten Glitzerheels um eine Stange herumtanzen und umknicken. Vielleicht sollte ich dann aber vorher eine Krankenversicherung abschließen.

Als die Eingangstür des Kinos hinter mir zuschwang, spürte ich die angenehme Abendluft auf meiner Haut. Statt nach Hause zu gehen, entschied ich, noch einen kleinen Abstecher an den Strand zu machen, der weniger als vierhundert Meter von meinem Apartment entfernt lag. Je später es wurde, desto leerer wurde der Strand und desto voller die Restaurants an der Strandpromenade.

Ich lief einen schmalen Weg zwischen den gepflasterten Terrassen entlang, von denen lautes Lachen und fröhliche Musik, die so gar nicht zu meiner Stimmung passte, zu mir herüberschallte. Als ich den Sand sah, zog ich meine Sandalen aus und warf sie in meinen Rucksack. Mit jedem Schritt spürte ich die feinen Körner ganz deutlich zwischen meinen Zehen.

Ich suchte mir eine freie Liege, die etwas abgelegen von allen stand, und genoss für einen Moment das Rauschen des Meeres. Es war so leicht, hier zu liegen, die untergehende Sonne zu beobachten und für eine Sekunde nicht daran zu denken, wie düster die Realität derzeit aussah. Und gerade als ich kurz davor war einzudösen, klingelte mein Telefon.

Ich öffnete meine Augen und stemmte meinen Oberkörper leicht auf, während ich meinen Daumen auf den kleinen Sensor des Telefons legte.

Eingehender Anruf: Shauna

Verwirrt runzelte ich die Stirn. Weshalb rief mich meine Cousine jetzt an? Sie lebte gerade als Au-pair bei einer neureichen Familie in Reykjavík. Dort musste es bereits nach Mitternacht sein, wenn man die sieben Stunden Zeitverschiebung zwischen Island und Los Angeles einrechnete. Das machte unsere normalerweise täglichen Telefonsessions zu einer Seltenheit. Ich liebte niemanden auf diesem Planeten so sehr wie Sha, aber die Zeitverschiebung war echt anstrengend.

Ich drückte auf den grünen Hörer und rollte mich auf den Rücken, bereit, mit einer Hiobsbotschaft konfrontiert zu werden. Vielleicht hatte der dreiundzwanzigjährige Sohn ihrer Gastfamilie und Erbe eines Multimillionen-Euro-Konzerns sie dazu verleitet, irgendwo einzubrechen oder Drogen zu nehmen, oder sie hatte einen schlimmen Autounfall gebaut und lag im Krankenhaus. Es war bezeichnend, dass der Gedanke, sie könnte verletzt sein, mir zuletzt kam. Eigentlich klang Lyall, so der Name des Sonnyboys, in ihren Erzählungen immer echt sympathisch. In der Presse fiel er jedoch hin und wieder mit dem ein oder anderen Frauenskandal auf.

»Hey, Sha, was gibt’s?«, fragte ich meine Cousine erwartungsvoll.

»Lyall hat mich gerade gefragt, ob ich ihn nächste Woche zu einer Gala begleite«, quietschte sie aufgeregt. Nicht ganz das, was ich erwartet hatte, aber doch irgendwie beruhigend. Ein dumpfes rhythmisches Geräusch drang dabei durch den Hörer.

»Sag mal, hüpfst du gerade?«

»Jap, tue ich. Ich bin so aufgeregt, Farah! Das wird spitze! Ich brauche ein Kleid. So ein richtig atemberaubendes langes«, japste sie immer noch hüpfend.

Ich beneidete sie dafür, dass sie so eine Frohnatur war. Ihr Lächeln war ansteckend und fast schon hypnotisierend. Auch jetzt sorgte ihre aufgeregte Stimme dafür, dass es mir ein wenig besser ging. Trotzdem hielt es mich nicht davon ab, mich zu fragen, ob ich sie jemals richtig traurig erlebt hatte.

»O mein Gott! Endlich«, stöhnte ich lachend. »Wie lange schmachtest du ihn schon an? Sechs Monate? Sieben?«

»Seit ich ihn das erste Mal gesehen habe, trifft es wahrscheinlich eher. Deshalb ist es ja so wichtig, dass ich unbeschreiblich gut aussehe. Ich will, dass Lyall sich grün und blau darüber ärgert, dass ich ihm noch nicht früher aufgefallen bin.«

»Hast du nicht noch dieses schwarze Ballkleid von deiner Collegeabschlussparty? Nimm doch das«, schlug ich vor, während ich mit meiner freien Hand Kreise in den warmen Sand zeichnete.

»Meinst du? Ist das nicht etwas zu aufreizend mit der Spitze und dem Beinschlitz?«

»Ich dachte, du möchtest ihn reizen?«, antwortete ich. Ein Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen.

»Ach, Farah, du weißt doch, wie ich das meine. Ich glaube, die Isländer sind prüde.«

»Prüder als die Amerikaner?«

»Hmm, gute Frage. Hier ist es oft kalt, da trägt man selten kurze oder weit ausgeschnittene Klamotten. Halbwegs warm ist es gefühlt keine zwei Monate im Jahr.«

»Aber die werden ja wohl Heizungen haben und die Gala nicht auf einem kalten Kiesstrand mit Meerwind veranstalten.«

»Ich hoffe nicht.«

»Dann zieh das Kleid an. Er wird nicht anders können, als dich anzusehen«, bestimmte ich mehr, als dass ich es ihr riet.

»Okay, werde ich. Und dazu welche Schuh–«

Mein lauter Klingelton unterbrach unser Gespräch.

»Moment, Sha, bleib mal dran. Gerade ruft mich eine unbekannte Nummer an«, sagte ich und schob meine Cousine in den Wartebereich. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wer am anderen Ende der Leitung sein konnte. Alle, von denen ich dachte, sie hätten meine Nummer, hatte ich für gewöhnlich unter meinen Kontakten gespeichert.

Mit gerunzelter Stirn wischte ich den grünen Hörer auf meinem gesprungenen Display zur Seite und hielt das Telefon an mein Ohr. »Hallo?«

»Hallo, ist da Farah Stewart?«, fragte eine freundliche Frauenstimme am anderen Ende der Leitung.

»Ja, hier ist Farah Stewart.«

Erleichtert stöhnte die Frau durch den Hörer. »Es ist super, dass ich Sie erreiche. Ich bin Sarah Willson von Californian Broadcasting Film Productions.«

Moment. Hatte sie gerade CBF Productions gesagt? Augenblicklich saß ich kerzengerade auf der Sonnenliege. Ich war so überrascht, dass ich, statt zu fragen, was ich für sie tun konnte, nur »Das ist ja schön« hervorbrachte.

Das ist ja schön? Ist das dein Ernst, Farah?

Aber Sarah lachte zu meiner Beruhigung nur. »Ja, auf jeden Fall. Ich rufe an, weil ein Job in meinem Team am Set der romantischen Komödie Snowlight frei geworden ist. Ich bin die zweite Regieassistenz von Nolan White und würde mich freuen, Sie für uns gewinnen zu können. Ihre Bewerbung und Ihre ausgezeichneten Noten im Studium sprechen für sich.«

Eine Sekunde lang überlegte ich, ob ich mich wirklich kneifen musste oder ob Sarah Willsons Angebot echt war.

»Wow«, wisperte ich beinahe sprachlos in den Hörer meines kaputten Telefons. Ich hatte in den letzten Sekunden offenbar vergessen, wie es war zu denken oder selbstbewusst zu antworten. Geistreiche Bemerkungen in Stresssituationen gehörten leider nicht zu meinen Stärken. Sarah hingegen schien das einfach zu ignorieren. Ihr musste klar sein, dass ich alles dafür getan hätte, um an ihrer und Nolan Whites Seite zu arbeiten.

»Ich freue mich wirklich, Sie anrufen zu können. Eine meiner Assistentinnen ist aufgrund eines Fauxpas leider in letzter Minute ausgeschieden und dann kamen Sie mir in den Sinn. Die Stelle wäre aber sehr kurzfristig anzutreten. Der Dreh beginnt bereits nächste Woche und Sie müssten umgehend Ihre Koffer packen und nach Alaska zu dem Resort aufbrechen, in dem wir hauptsächlich drehen werden. Die Kosten übernimmt CBF natürlich.«

Das war das Angebot, auf das ich so verflucht lange gewartet hatte. Sarah Willson bot mir die Chance meines Lebens in dem Moment, in dem ich sie am meisten brauchte. Wäre ich religiös erzogen worden, hätte ich Sarah bestimmt für einen Engel gehalten.

»Das klingt großartig! Danke schön!«

»Keine Ursache. Da gibt es allerdings etwas, das ich Ihnen noch sagen muss. Der Titelheld wird von Paxton Wright verkörpert. Wahrscheinlich ist Ihnen nicht entgangen, wie es momentan in den Medien um ihn steht. Paxton liegt mir sehr am Herzen, er ist ein toller Mann und das passiert ihm zu Unrecht. Aber ich kenne ihn gut und weiß, wie impulsiv er sein kann. Deshalb möchten sein Management, die Produktion und ich, dass Sie ihn bis zum Drehbeginn keine Sekunde aus den Augen lassen.«

Ich schnappte nach Luft, als Sarah den Namen des männlichen Schauspielers aussprach. Ein paar der Surfer, die gerade aus dem in Rot getauchten Meer kamen, steckten ihre Boards nur zehn Meter entfernt von meiner Liege zum Trocknen in den Sand. Sie sahen mich stirnrunzelnd an, bevor sie sich in Richtung der Strandbars aufmachten, deren Beleuchtung mit der untergehenden Sonne immer heller strahlte.

»Ist alles in Ordnung?«

»Jaja, ich bin nur gerade … eine Treppe hochgelaufen«, log ich, um zu vermeiden, von meiner zukünftigen Chefin als unprofessionelles Fangirl abgestempelt zu werden. Nicht, dass ich ein großer Fan von Paxton Wright war, aber in seinen Filmen mitzuwirken, bedeutete etwas. Er war der aktuelle Superstar, der sogar Tom Holland neben sich alt aussehen ließ. Von so einem Posten hatte ich immer geträumt. Gut, Babysitten war nicht darin vorgekommen, aber direkt in das Team der zweiten Regieassistenz zu kommen, war der Wahnsinn.

»Das ist kein Problem. Mit ihm werde ich schon fertig. Ich bin zielstrebig und sehr bestimmt«, antwortete ich fast schon ein wenig zu euphorisch.

»Das höre ich gern. Aber eine Sache wäre da noch. In der zweiten Woche werden die Filmhunde eintreffen, ein Rudel aus acht Huskys. Der zweite Hundetrainer kommt aus persönlichen Gründen erst später. Sie müssten dann übergangsweise auch zwei oder drei Abende lang die Tiere versorgen. Ich hoffe, dass Sie keine Allergie haben«, ergänzte Sarah.

Hunde. Huskys. Acht. Bei der bloßen Erwähnung der Tiere lief es mir kalt den Rücken herunter. Seit dem Unfall meines Dads war ich jedem Tier aus dem Weg gegangen und wenn das nicht geklappt hatte, war ich regelmäßig zu einer Salzsäule erstarrt. Schon allein der Gedanke daran, einen Hund vor mir zu haben, beschleunigte meinen Herzschlag auf das Tausendfache seiner normalen Geschwindigkeit. Und trotzdem sagte ich mechanisch: »Das klingt gut. Ich liebe Hunde«, während ich mir vornahm, einen Weg zu finden, aus der Geschichte rauszukommen. Ich hatte nicht vor, diese einmalige Chance auszuschlagen, nur weil ich an Zoophobie litt. Das schaffte ich schon … irgendwie.

»Dann sind Sie perfekt für den Job. Sie werden meine wichtigste Assistentin. Ihnen ist das hoffentlich klar«, scherzte Sarah. »Ich sende Ihnen gleich per Mail alles zu, was Sie wissen müssen, und werde das Hotel anweisen, Ihnen die Zimmerkarte der Suite zukommen zu lassen, die Paxton später beziehen wird. Dann können Sie auch im Notfall zu ihm. Ich wünsche Ihnen ganz viel Spaß und herzlich willkommen bei Snowlight. Ich freue mich, Sie nächste Woche persönlich kennenzulernen. Machen Sie es gut!«, verabschiedete sie sich. Und noch bevor ich etwas erwidern konnte, hörte ich das nervige Piepssignal, das verkündete, dass sie bereits aufgelegt hatte.

Als ich völlig apathisch mein Smartphone einstecken wollte, fiel mir ein, dass Sha immer noch in der Leitung war.

»Hey, da bin ich wieder.«

»Ist alles in Ordnung? Du hörst dich an, als wärst du einen Marathon gelaufen.« Shas Stimme klang etwas besorgt. Wahrscheinlich fühlte sie sich gerade, wie ich mich gefühlt hatte, als sie mich vorhin angerufen hatte.

»Ich habe einen Job, bei einem echten Film. Ich fliege morgen nach Alaska. Und Paxton Wright wird die Hauptrolle übernehmen!«

Ich konnte es kaum fassen. Sie wollten mich im Team der zweiten Regieassistentin. Mich! Farah Stewart aus Daytona Beach, Florida. Das war das erste Positive, das mir seit einer gefühlten Ewigkeit passiert war. Wahrscheinlich sogar, seit ich mein Studium am Santa Monica College beendet hatte.

»Moment. Der Paxton Wright aus Road Explosion? Der superheiße Paxton Wright?«, fragte Sha ungläubig.

»Ja, genau der.« Meine Stimme klang tonlos, fast schon emotionslos. Ich konnte es nicht fassen. Vielleicht wollte ich es aber auch einfach nicht, aus Angst, Sarah würde gleich zurückrufen und mir erklären, dass sie doch jemand anderes gefunden hatte.

Sha hingegen flippte völlig aus. »Das wird deine Karriere endlich voranbringen! Herzlichen Glückwunsch, Farah! Du hast dir das echt verdient. Heute scheint unser Glückstag zu sein!«

»Ich bin überwältigt.«

»Das glaube ich dir. Das klingt einfach zu gut, um wahr zu sein.«

Während ich Sha durch den Lautsprecher giggeln hörte, kam mir der Gedanke, dass sie vielleicht recht hatte.

»Es gibt einen Haken.«

Meine Cousine wurde hellhörig. »Und der wäre?«

»Es werden acht Hunde am Set sein und ich werde mich um sie kümmern müssen.«

Sha antwortete nicht, und dass ich ihren Atem nicht hörte, beunruhigte mich. Nicht mal sie kannte die ganze Geschichte dessen, was vor fast fünf Jahren passiert war. Aber sie wusste genug, um sich darüber im Klaren zu sein, dass es für mich die Hölle werden würde.

»Du hast es denen nicht gesagt, oder?«

Ich schüttelte stumm den Kopf. Sha kannte mich, sie wusste, dass ich das tat.

»Und was willst du jetzt tun?«

»Keine Ahnung. Ich glaube, ich kaufe mir ein Buch mit dem Titel Wie überwinde ich meine Zoophobie über Nacht? oder Zehn Dinge, mit denen Sie Ihrer Zoophobie den Kampf ansagen. Es gibt hier in L. A. immerhin ganze Buchhandlungen nur mit Ratgebern.«

»Das klingt nicht besonders überzeugend, Farah.«

»Ich weiß, aber es ist meine einzige Chance. Ich bekomme das schon hin.«

Sha war genauso klar wie mir, warum ich meine übermenschliche Angst vor Tieren nicht erwähnt hatte. Ich wollte den Job und würde alles dafür tun, selbst wenn das pure Konfrontationstherapie bedeutete. Wie schlimm konnte es schon werden?

01.09.

Liebes Tagebuch,

ich glaube, dass Paxton sich nicht traut, mich anzusprechen. Anders kann ich mir nicht erklären, weshalb er sich noch nicht bei mir gemeldet hat. Immerhin folge ich ihm auf Instagram und meinen Social-Media-Namen habe ich ihm auf der Party sogar auf den Handrücken geschrieben, weil gerade keine Serviette in der Nähe lag. Vielleicht sollte ich ihm einen Brief schreiben oder eine Nachricht auf Social Media … oder beides.

Ja, beides klingt gut. Dann weiß er, dass er sich bei mir melden kann und ich auch interessiert bin. Wenn ich das Datum unseres ersten Treffens verwende, erkennt er bestimmt sofort, wer ich bin.

KAPITEL 4

PAXTON

Als mein Flieger in Anchorage aufsetzte, hatte ich zum ersten Mal seit Langem das Gefühl, meinem Leben im Rampenlicht entfliehen zu können. In Alaska schien ich noch keine große Nummer zu sein, zumindest wurde ich am Flughafen weder nach Fotos noch nach Autogrammen oder meiner Handynummer gefragt, was zur Abwechslung mal ganz schön war. Und trotzdem fühlte ich mich verfolgt.

Ich kam aus relativ einfachen Verhältnissen, weshalb es mir besonders an solchen Tagen schwerfiel, in der Öffentlichkeit zu stehen. Meine Mutter war nach Dads Tod wieder ins Berufsleben eingestiegen, weil sie die Summe aus der Lebensversicherung hatte sparen wollen, damit mein Bruder Julian und ich aufs College gehen konnten. Zu diesem Zeitpunkt hatte absolut niemand in unserer Familie damit gerechnet, dass gerade ich derjenige sein würde, der irgendwann mal vor der Kamera stehen würde. Und doch war ich hier auf einem Flughafen in Alaska, eine Woche vor dem Drehstart meines neuen Films.

Ich musste zugeben, dass mir der Flughafen gefiel. An den weißen Säulen und Wänden war immer wieder flächenweise grauer Bruchstein eingearbeitet, was für ein rustikales Flair sorgte. Es wirkte gemütlich, trotz der Menschen.

Normalerweise war ich kein Freund des Fliegens, selbst in der ersten Klasse. Aber der Flughafen wirkte zumindest alles andere als voll, was vermutlich daran lag, dass es mittlerweile wieder Nacht war. Der Zwischenstopp in Seattle hatte doch länger gedauert als gedacht. Ich hatte eine Nacht in einem Flughafenhotel verbringen müssen, bevor ich am Abend darauf einen weiteren Flieger in die Hauptstadt Alaskas hatte erwischen können.

Ich lief durch die vereinzelten beschäftigten Reisenden und niemand würdigte mich auch nur eines Blickes. Trotzdem setzte ich sicherheitshalber meine Cap wieder auf. Es war schön, mal undercover zu reisen, zwischen all den normalen Leuten. Ich wünschte, ich könnte es genießen. Doch sobald ich an einem Grüppchen vorbeikam, spürte ich, wie meine Hände schwitziger wurden. Jetzt konnte ich mich nicht hinter einem Buch, das ich sowieso nicht las, oder einem Bodyguard verstecken. Mein Herz schlug schneller und mein Körper spannte sich an, bis ich an ihnen vorbei war. Wie ich es hasste, und ich konnte nichts dagegen tun. Es gab Momente, in denen es mir fast nichts ausmachte, aber langfristig hatte bisher nichts geholfen.

Im letzten Frühjahr, nachdem ich gefühlt über Nacht groß rausgekommen war, war es besonders schlimm geworden. Ich hatte eine Panikattacke nach der nächsten bekommen und war von meinem Management dazu verdonnert worden, eine Therapie zu beginnen. Immerhin nahm meine Therapeutin meine Situation wirklich ernst, was hoffentlich nicht nur daran lag, dass sie fast tausend Dollar pro Stunde an mir verdiente. Die Sitzungen bei ihr hatten bisher geholfen, auch wenn ich die Angst noch nicht abschütteln konnte. Aber ich wusste dank Dr. Sanders, wie ich sie kontrollierte und klein hielt. Und genau das musste ich jetzt tun.

Für einen Augenblick verließ ich den Weg zum Ausgang und stellte mich in eine Nische am Rand. Normalerweise hätte ich jetzt die Augen geschlossen und tief durchgeatmet, aber dazu fühlte ich mich doch nicht sicher genug. Das Durchatmen musste reichen, also tat ich genau das.