Starting Something Real - April Dawson - E-Book

Starting Something Real E-Book

April Dawson

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Beschreibung

Er beschützt sie mit seinem Leben und bringt ihr Herz in Gefahr ...

Novalee Wells ist ein Superstar. Doch das Leben im Rampenlicht hat auch seine Schattenseiten, und als ein Dating-Gerücht dafür sorgt, dass Nova von Paparazzi verfolgt wird und in einen Autounfall gerät, braucht die Sängerin eine Auszeit. Ausgerechnet ihr sonst so verschlossener Bodyguard Thorne McKinley bietet ihr an, auf der abgelegenen Ranch seiner Eltern unterzutauchen. Weit weg vom Trubel ihres Ruhms beginnt Nova tatsächlich zu heilen und lernt ganz neue Seiten an Thorne kennen, die ihr Herz höherschlagen lassen. Aber kann ihre Liebe überleben, wenn Nova wieder in ihr altes Leben im erbarmungslosen Scheinwerferlicht zurückkehren muss?

»Nova und Thorne sind Leidenschaft und Schmerz in jeder Zeile. Und überall dazwischen finden sie Heilung - sich nicht zu verlieben ist unmöglich.« JULIA NIEDERSTRASSER

Band 2 der neuen Reihe von April Dawson

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Seitenzahl: 490

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INHALT

Titel

Zu diesem Buch

Leser:innenhinweis

Widmung

Playlist

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Danksagung

Die Autorin

Die Romane von April Dawson bei LYX

Impressum

APRIL DAWSON

Starting Something Real

Roman

ZU DIESEM BUCH

Novalee Wells ist ein internationaler Superstar. Ihr kometenhafter Aufstieg vom Kinderstar zum Liebling der Nation verhalf START Entertainment zu dem goldenen Ruf, den das Label heute genießt. Doch das Leben als weltberühmte Sängerin ist alles andere als einfach. Jeder Schritt von Nova wird kommentiert und bewertet – ob von ihrer eigenen dominanten Mutter, der erbarmungslosen Presse oder den zahllosen hasserfüllten Kommentaren online. Als dann plötzlich auch noch ein Dating-Gerücht dafür sorgt, dass sie von Paparazzi verfolgt und daraufhin in einen Autounfall verwickelt wird, kann die Sängerin einfach nicht mehr – bis ausgerechnet ihr sonst so verschlossener Bodyguard Thorne McKinley ihr anbietet, auf der abgelegenen Ranch seiner Eltern eine Auszeit zu nehmen. Und obwohl Nova anfänglich damit hadert, helfen die körperliche Arbeit auf der Ranch und die pragmatische, aber herzliche Großfamilie ihr dabei, endlich wieder Vertrauen zu fassen. Bei alldem stets an ihrer Seite: Thorne, der sie auf nächtliche Ausflüge entführt und die Schönheit seiner kleinen Heimatstadt mit ihr teilt. Es entsteht schnell mehr als nur Freundschaft zwischen ihnen, doch Nova weiß, wie tief die Schatten ihres Berufs reichen – und dass ihre Liebe niemals im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit überleben würde …

Liebe Leser*innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!

Wir wünschen uns für euch alle

das bestmögliche Leseerlebnis.

Eure April und euer LYX-Verlag

Für alle, die sich in Thorne verlieben.

PLAYLIST

Taylor Swift – I Can See You (Taylor’s Version)

Taylor Swift – Clara Bow

Kacey Musgraves – Nothing to be Scared Of

Taylor Swift – Fortnight (feat. Post Malone)

Kelsea Ballerini – Penthouse

Taylor Swift – Miss Americana & The Heartbreak Prince

Taylor Swift – Better Man

Taylor Swift – Haunted (Taylor’s Version)

Lady A – Bartender

Alec Benjamin – Pick Me

Bella Poarch – Build a Bitch

Taylor Swift – I Can Do It With a Broken Heart

Switchfoot – You

Kelly Clarkson – Behind These Hazel Eyes

Taylor Swift – seven

Danielle Bradbery, Thomas Rhett – Goodbye Summer

Harry Styles – Boyfriends

MIIA – Dynasty

Taylor Swift – willow

Taylor Swift – illicit affairs

KAPITEL 1

Novalee

Ich bin Nova Wells, Pop-Prinzessin, Sängerin des Jahrzehnts, die Stimme vieler junger Frauen und ein Weltstar. Das sind einige der Titel, die mir von der Presse ohne mein Zutun gegeben wurden. Sie entbehren jeglicher Wahrheit, denn all diese Beschreibungen lassen die Menschen die Frau hinter der Stimme vergessen. Hinter alldem bin ich Novalee, eine junge Frau, die selbst bei ihrem hundertsten Konzert nervös ist, die Angst hat zu stolpern, wenn Tausende von Menschen zusehen. Die zu jung war, um zu begreifen, in welchem Ausmaß sich ihr Leben verändern wird, wenn sie diese berufliche Laufbahn wählt.

Siebzigtausend Menschen rufen meinen Namen. Laut, rau und mit einer Kraft, die es vermag, meine Welt aus den Angeln zu heben. Die Wände und auch der Boden vibrieren und befinden sich im Einklang mit meinem wild pochenden Herzen. Es ist ein elektrisierendes und doch beängstigendes Gefühl. Ich klammere meine Finger um die Tischkante und betrachte mein Spiegelbild. Dunkle Smokey Eyes betonen meine eisblauen Augen, genau wie das schwarze Kleid mit dünnen Fransen, das einen Kontrast zu meiner hellen Haut bildet.

Mein Aussehen ist makellos. Haare, Make-up und Outfit sind perfekt auf die Belichtung der Bühne angepasst. Die Verantwortlichen für Ton und Bild haben grünes Licht gegeben, meine Band ist bereit und die Setlist in Stein gemeißelt. Alles scheint perfekt zu sein, um meine Welttournee mit einem letzten Konzert in Los Angeles zu beenden. Doch auch wenn der Schein makellos ist, spricht das Sein eine andere Sprache.

Ich lächle mein Spiegelbild an, doch ich brauche ein paar Versuche, um es glaubhaft aussehen zu lassen. Es verrutscht, wenn ich daran denke, dass es das letzte Konzert für einen längeren Zeitraum ist und ich dann die sichere Blase des Tourlebens verlasse. Nichts liebe ich mehr, als auf der Bühne zu stehen, lächelnden Menschen dabei zuzusehen, wie sie meine Songs singen. Wo sich meine Welt nur darauf beschränkt, in welche Stadt wir als Nächstes reisen müssen.

Eine herrliche Blase aus Soundchecks, Konzerten und Social-Media-Präsenz, etwas, was mir nur in den Monaten auf Tour vergönnt ist. Es ist auch eine Zeit, in der meine Mutter nicht ständig um mich herumschwirrt, wie sie es sonst tun würde. In den letzten Monaten habe ich meine ganze Aufmerksamkeit und Konzentration auf die Tour gerichtet. Musik ist mein Leben, doch selbst wenn sie dieses ausfüllt, ist da auch eine andere Seite der Medaille, eine, an die ich jetzt nicht denken sollte. Nicht unmittelbar vor dem Konzert.

Ich werde zu Nova, dem Superstar, und verdränge somit Novalee, die Frau, die tief in mir schlummert. Ich stoße mich vom Tisch ab, trete ein paar Schritte zurück und sehe mich im luxuriösen Zimmer um, doch das Rufen wird lauter, und keine Sekunde später klopft es an der Tür.

Ich atme tief durch, öffne sie und sehe mich einem ernst dreinblickenden Thorne gegenüber. Ich muss den Kopf in den Nacken legen, um meinem Bodyguard in die Augen sehen zu können. Auch wenn sein Auftreten professionell wirkt und er den grimmigen Blick eines Security-Mitarbeitenden perfekt draufhat, schaffen es seine Augen immer, eine gewisse Beständigkeit auszustrahlen. Etwas, das ich gerade dringend brauche.

»Bereit?«, fragt er, wie immer kurz angebunden. Er sagt nicht viel, aber ich fühle mich sicher an seiner Seite und vertraue ihm.

»Das bin ich.« Worte, die ich schon oft gesagt, aber nicht immer gefühlt habe. Doch das ist im Moment nicht wichtig, jetzt geht es um die Musik und meine Fans, denen ich heute ein unvergessliches Konzerterlebnis bieten möchte.

Nach jedem Konzert überwältigen mich die Eindrücke, und ich fühle mich, als könnte ich Berge versetzen und würde über den Wolken schweben. Genauso wie am Anfang ruft die Menge meinen Namen, und die Begeisterung der Fans spiegelt sich in ihren Stimmen wider. Das Team applaudiert, und ich lächle als Antwort. Denn ich fühle mich tatsächlich unsagbar glücklich. Dass diese Tour zustande gekommen ist, habe ich so vielen Menschen zu verdanken, und ich teile ihnen meine Dankbarkeit auch mit. Ich verabschiede mich mit einer kurzen Umarmung von meiner Band und gehe endlich in die Garderobe.

Sobald die Tür hinter mir ins Schloss fällt, presse ich die Luft aus meinen Lungen. Dabei fällt mir das Lächeln vom Gesicht wie ein Schleier, der über meine schweißnasse Haut auf den Boden gleitet. Auch wenn die letzten zwei Stunden mitunter die besten meines Lebens waren, haben sie mir all meine Energie geraubt. Ich kann kaum die Kraft aufbringen, die es erfordern würde, wieder in die Rolle meines Alter Ego zu schlüpfen. Eine Weile stehe ich einfach nur da und höre dumpf die hektischen Geräusche auf dem Flur, während mein wild klopfendes Herz sich allmählich beruhigt. Es ist, als wäre ich in einem von mir geschaffenen Kokon, aus dem ich nicht ausbrechen möchte. Doch sosehr ich diesen Moment der Ruhe genieße, weiß ich, dass mein Team und vor allem meine Bodyguards auf mich warten.

Seufzend ziehe ich mich um und schnappe mir meine Tasche, während alles in mir nach einer Dusche im Hotel lechzt. Neben der Tür erwarten mich Thorne und sein Kollege Ismail, der mich mit einem leichten Lächeln begrüßt. Meine Mundwinkel zucken, doch für ein echtes Lächeln fehlt mir die Energie. Meine Assistentin Libby umrundet die großen Männer und kommt strahlend auf mich zu.

»Das war wie immer grandios, Nova. Ich hatte das Gefühl, als hätte die ganze Stadt gebebt. Es war unglaublich.« Sie gestikuliert wild, ehe sie ehrfürchtig ihre Hand auf die Brust legt. Sie hat langes, schwarzes Haar, das sie stets zu einem Zopf geflochten hat, den sie aufsteckt oder der an ihrer Seite herunterhängt. Ihre runde Brille ähnelt der von Harry Potter, und sie steht ihr unheimlich gut.

»Die Menge war wirklich außer Rand und Band.« Wie in jeder Stadt, füge ich im Geist noch hinzu. Auch die Menschenmenge und die Gesichter heute Abend wurden mit meinen zunehmenden Kopfschmerzen zu einer verschwommenen Masse.

»Wenn jemand die Stadien randvoll bekommen kann, dann bist du das.« Libby redet gerne und viel, doch langsam weicht das Adrenalin des Auftritts, und die Müdigkeit nagt an mir, sodass ihre Worte kaum zu mir durchdringen. Sie öffnet gerade den Mund, als Thorne sich zu Wort meldet.

»Entschuldigen Sie, Miss Portman, aber wir müssen jetzt gehen.« Thorne weiß wohl instinktiv, dass ich den Tag so schnell wie möglich ausklingen lassen möchte.

»Oh. Natürlich. Dann sehen wir uns später auf der Party«, erwidert Libby fröhlich.

»Party?« Meine Frage kommt mir lauter über die Lippen als beabsichtigt, und meine Miene verrät wohl jeder umstehenden Person, dass mir gerade nicht zum Feiern zumute ist.

»Aspen Knox hat heute seine Filmpremiere, und du bist eingeladen. Für den roten Teppich ist es zu spät, aber die Afterparty hat noch nicht angefangen.«

»Oh.« Mist, das hatte ich total vergessen. Ich mag Aspen, auch wenn ich ihn nicht gut genug kenne, um ihn wirklich als Freund zu bezeichnen. Hinzu kommt, dass ich beim Gedanken an Aspen auch automatisch an ihn denken muss.

»Du hast einen Song zum Soundtrack beigesteuert, und es wird erwartet, dass du zumindest auf der Party erscheinst.« Natürlich wird es das, denn in meiner Branche zählt nicht, wer du wirklich bist, sondern was du trägst und mit wem du dich blicken lässt. Ziemlich traurig, aber es ist die harte Wahrheit. Theoretisch könnte ich die Premierenparty sausen lassen, doch damit würde mir auch die gute Publicity entgehen. Also atme ich tief durch und setze mein antrainiertes Lächeln auf.

»Wann muss ich noch mal dort sein?«

»In einer Stunde steht ein Wagen vor deinem Hotel.«

»Das heißt schnell unter die Dusche, und dann geht’s auch schon los?«

»Es tut mir leid, dass es so knapp getaktet ist, aber Tate meinte, dass du dich sicher freuen wirst, deinen Freund Aspen wiederzusehen.« Mein Manager scheint davon auszugehen, dass ich nach meinem Konzert, bei dem ich mir die Seele aus dem Leib gesungen habe, auch noch Lust habe, mich aufzubrezeln und auf einer Party zu erscheinen. Der hat leicht reden! Vielleicht sollte ich ihn nach einem harten Arbeitstag dazu verdonnern, seine Schwiegermutter besuchen zu fahren, die immer an ihm herumnörgelt. Wer hat schon Lust, die gute Laune in Person darzustellen, wenn er doch eigentlich einfach nur in sein Bett kriechen und schlafen möchte?

Diese Worte hätte meine innere Novalee gesagt, wenn ich sie rauslassen würde. Doch diese hat nichts zu melden, weil es völlig fehl am Platz wäre, hier und jetzt meine wahre Meinung kundzutun.

»Ob ich es pünktlich schaffe, kann ich nicht sagen, aber ich werde hingehen.«

»Perfekt. Es werden einige Leute von der Presse anwesend sein, aber das sind sie ja immer, wenn du unterwegs bist.«

Libby denkt, es wäre etwas Schönes, 24/7 auf Schritt und Tritt verfolgt zu werden. Als würde ich darauf brennen, dass Presseleute mir ihre Mikros vor die Nase halten, während ich mir nur einen Bubble Tea holen oder einen Spaziergang machen will. Die Zeiten, in denen ich ohne Security das Haus verlassen konnte, gehören schon lange der Vergangenheit an.

»Wie dem auch sei. Dein Team ist bereits in der Hotellobby und wartet darauf, dich für die Party zu stylen. Und deine Bodyguards sind sowieso an deiner Seite.« Sie wirft den beiden Männern einen Blick zu, ehe sie sich wieder mir zuwendet.

»Okay.« Während ich spreche, unterdrücke ich ein Gähnen. Meine innere Novalee hätte vielleicht einen sarkastischen Kommentar auf Lager, den der Star Nova jedoch weglächelt. Libby verabschiedet sich fröhlich und geht ihres Weges, während ich einen müden Schritt nach dem anderen in Richtung der Fahrstühle mache.

»Nimm du den schnelleren Fahrstuhl und sichere den Ausgang. Ich bleibe bei Miss Wells«, sagt mein Bodyguard zu seinem Kollegen, doch ich bekomme es über das Rauschen in meinen Ohren kaum mit. Denn langsam, aber sicher kommen sie wieder, die Kopfschmerzen, mit denen ich seit Wochen zu kämpfen habe.

»Ist gut.« Ismail nickt und verschwindet aus meinem Sichtfeld.

Auf dem Weg zum VIP-Fahrstuhl lächle ich den entgegenkommenden Menschen zu und bin erleichtert, als wir uns endlich im Aufzug befinden. Ich atme laut aus und blinzle müde vor mich hin. Jetzt, wo das Kreischen der Menge und das geschäftige Treiben um mich herum nicht mehr zu hören ist, fühle ich mich merkwürdig leer.

»Wir fahren auf direktem Weg in Ihr Hotel. Wenn Sie es wünschen, werde ich Ihr Team erst eine halbe Stunde nach Ihrer Ankunft ins Zimmer lassen.« Thorne ist der Meister der Einsilbigkeit und Kühle. Anderen würden seine Worte vielleicht harsch vorkommen, doch mir fällt auf, dass sie weicher sind als sonst. Als hätte er Mitleid mit mir und meiner Verfassung. Nicht dass er das direkt sagen würde, denn obwohl wir seit einem Jahr zusammenarbeiten, tauschen wir keine Nettigkeiten oder privaten Informationen aus. Er sorgt für meine Sicherheit, und ich bedanke mich oder teile mich ihm mit, wenn es um organisatorische Dinge geht. Unser Umgang miteinander ist freundlich, aber auch sehr kühl. Ich denke über sein Angebot nach, doch mittlerweile ist die Premiere in vollem Gange, und je früher ich auf diese Party komme, desto früher darf ich sie auch wieder verlassen, also schüttle ich den Kopf.

»Nein. Nachdem ich geduscht habe, können sie rein und versuchen, einen vorzeigbaren Menschen aus mir zu machen.«

Ich sehe an Thorne vorbei zum Spiegel, der mir bestätigt, dass mein Haar völlig zerzaust ist und ich verschwitzt bin. Auch wenn ich mich eben umgezogen habe, rieche ich mit Sicherheit nach Schweiß. Ich weiche einen Schritt von Thorne zurück, der mich mit ausdrucksloser Miene mustert.

Die innere Novalee überlegt sich öfter, was wohl im Kopf dieses muskulösen und äußerst attraktiven Mannes vor sich geht.

Ich werde definitiv zu wenig bezahlt, um mich um dieses Popsternchen zu kümmern!

Noch eine Bücherbestellung! Als würden die tausenden Bücher, die sie noch nicht gelesen hat, nicht reichen!

Ich wünschte, ich wäre überall anders, nur nicht hier zwischen aufgebrachten Teenies, die sich um diese unscheinbare Frau reißen!

In meinem Kopf ist Thorne genervt über meinen Ruhm und darüber, dass er mich beschützen muss. Nicht dass er mir einen Anlass dazu gegeben hätte. Mein Bodyguard ist wie ein Roboter, ständig darauf erpicht, neutral und cool zu bleiben. Manchmal wünsche ich mir seine Gabe. Gelassen reagieren zu können, wenn sich Situationen zuspitzen, so wie er es meist tut, wenn mir die Fans auf die Pelle rücken.

Obwohl mein Pokerface keine Regung zulässt, schiebe ich innerlich Panik und würde mich am liebsten abschotten oder fliehen, doch das jahrelange Training als Kinderstar, Model und Popsängerin haben mich zu einem Profi gemacht. Bei Thorne habe ich jedoch das Gefühl, als wäre er äußerlich sowie innerlich die Ruhe in Person. Über Thornes Headset ist Ismails Stimme zu hören, woraufhin er mit dem Zeigefinger auf einen Knopf drückt, um zu antworten.

»Verstanden. Ich werde Belle informieren und melde mich.«

Belle. Ein weiterer Name, den ich mir allerdings selbst gegeben habe. Um für meine Sicherheit zu sorgen, brauchte ich ein Pseudonym, damit bei der Kommunikation unter den Security-Mitarbeitenden nie mein richtiger Name genannt wird. Und da ich Belle aus dem Disneyfilm Die Schöne und das Biest abgöttisch liebe und ihre Leidenschaft für Bücher teile, habe ich ihren Namen als Code genommen. Thorne wendet sich mir zu, sein Blick durchdringend wie eh und je, doch vielleicht liegt es an meiner Müdigkeit, dass es mich dieses Mal ein wenig aus der Bahn wirft. Als würde ich mich unter seiner Musterung winden wollen.

»Dort, wo das Auto geparkt ist, haben sich ein paar Fans versammelt. Sollen wir einen anderen Ausgang nehmen?«

»Nein, ich möchte keine Verzögerungen mehr, sondern so schnell wie möglich ins Hotel.« Das Pochen in meinem Kopf nimmt immer mehr zu und verwandelt sich schließlich in einen stechenden Schmerz, der kommt und geht, wie es ihm beliebt.

Thorne teilt seinem Kollegen meine Entscheidung mit und lässt langsam den Arm sinken, dabei hat er den Blick kein einziges Mal von mir abgewendet. Und dann merke ich, wie seine sonst so harten Gesichtszüge weicher werden. Das ist bisher so selten passiert, dass ich es an einer Hand abzählen kann.

»Zeigen Sie sich auf der Party, aber sobald Sie mir ein Zeichen geben, bringe ich Sie schnell ins Hotel. Dann haben Sie es überstanden.«

Bald ist es geschafft.

Bald.

KAPITEL 2

Novalee

Als wir das Gebäude durch den Hinterausgang verlassen, befindet sich eine Traube Menschen hinter einer Absperrung. Sie rufen nach mir und halten ihre Smartphones in die Höhe. Ich winke ihnen lächelnd zu, bevor ich in den Wagen steige und überrascht die Brauen hebe. Meine Mutter sitzt auf der Rückbank und blickt konzentriert auf ihr Smartphone. Sie hat mir nicht mitgeteilt, dass sie in L. A. ist und dass sie zu uns stoßen wird. Auch Thorne wirkt überrascht sie zu sehen, und blickt vorwurfsvoll zu Ismail, der es wohl versäumt hat, uns zu informieren. Er reicht Thorne etwas, doch ich kann nicht erkennen, was.

»Du hättest ruhig ein paar Autogramme geben können«, meint sie, ohne mich anzusehen. Ich setze mich neben meine Mutter und will mich gerade anschnallen, als mir Thorne einen Thermobecher reicht. Überrascht blicke ich zu ihm auf.

»Ihre Stimme klingt etwas rauer als sonst, also hat Libby Ihnen einen Kräutertee mit Honig besorgt.«

»Honig? Sie wissen schon, dass dieser zu achtzig Prozent aus Zucker besteht, oder?«, sagt meine Mutter empört, ohne sich die Mühe zu machen, in unsere Richtung zu sehen. Doch Thorne ignoriert ihren Einwand, schließt die Tür und nimmt auf dem Beifahrersitz Platz. Sobald er Ismail ein Zeichen gibt, fädelt dieser sich in den Verkehr ein und achtet darauf, keinen der Paparazzi anzufahren, die auf ein Foto von mir aus sind.

»Was für ein ungehobelter Mann«, murmelt sie und fährt die Trennwand hoch, die uns von den Blicken meiner Bodyguards abschirmt. Ich blicke mit einem leichten Lächeln auf den Behälter in meiner Hand. Libby war so aufmerksam und hat sich um mich gesorgt, während meine Mutter sich nicht mal die Mühe gemacht hat, von ihrem Smartphone hochzusehen, wo sie auf einer Homepage für Designertaschen scrollt.

»Du weißt, dass Honig nicht in deinen Diätplan passt. Lass uns auf dem Weg einen anderen Drink besorgen.«

»Das ist nicht nötig. Ich trinke den hier.« Ich halte den Thermobecher demonstrativ in die Höhe, doch auch diesmal sieht sie nicht von ihrem Display auf. Als wäre meine kleine Rebellion gegen sie nicht mal ihre Aufmerksamkeit wert. Die Kopfschmerzen werden stärker, sodass ich einen wehklagenden Laut unterdrücke. Meine innere Stimme würde meine Mutter gerne fragen, wieso sie überhaupt hier ist, wenn sie es nicht mal für nötig erachtet, ihre Tochter anzusehen.

Aber ich schweige, wie immer, denn auch wenn das Verhalten meiner Mutter seit einem Jahr immer merkwürdiger wird, ist sie immer noch meine einzige Freundin und das letzte Familienmitglied, das mir geblieben ist. Ich seufze auf, was meine Mutter nun doch dazu veranlasst, das Smartphone auf ihren Schoß zu legen und mich vorwurfsvoll anzusehen.

»Findest du es nicht verantwortungslos, deinen Essensplan nicht einzuhalten? Die Augen der ganzen Welt sind auf dich gerichtet. Ob du nun Konzerte gibst, oder einfach die Straße überquerst.«

Kannst du nicht einfach »Hallo, mein Schatz« sagen? Ich habe dich monatelang nicht gesehen und möchte das Wochenende mit dir verbringen, wie wir es früher getan haben. Du siehst müde aus, also sollten wir uns vielleicht in ein Spa stehlen und stundenlang reden.

Ich bräuchte liebevolle Worte von ihr, mehr als ich es zugeben möchte, doch sie begegnet mir nur mit Vorwürfen und verstärkt so das Hämmern in meinem Kopf.

»Es ist nur ein Tee und kein Taco«, sage ich und versuche meine stetige äußere Ruhe zu bewahren, auch wenn meine innere Novalee schreien möchte.

»Aber so fängt es an. Mit einem zuckerhaltigen Tee, dann geht es weiter mit Softdrinks, Süßkram und Fast Food. Du hast so hart für deinen Traumkörper gearbeitet. Du solltest dich nicht so gehen lassen.«

»Mom«, sage ich sanft und wende mich ihr ganz zu. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sie und ich wieder die Menschen werden können, die wir vor meinem Ruhm waren. Ein Team, das durch dick und dünn gegangen ist und aufeinander zählen konnte. Das komplette Gegenteil der distanzierten Frauen, die wir jetzt darstellen.

»Nur, weil ich einmal von meinem ursprünglichen Essverhalten abweiche, heißt das nicht, dass ich all meine Prinzipien über Bord werfen werde.«

»Trotzdem befürchte ich, dass es der Anfang vom Ende ist.«

Ich zucke resigniert mit den Schultern, denn eigentlich fehlt mir die Kraft, mit meiner Mutter zu diskutieren. Kurz dachte ich, dass wir fortan schweigen werden, doch dann ergreift Mom wieder das Wort.

»Hör mal, mein Schatz. Ich brauche eine andere Kreditkarte, denn die hier funktioniert nicht mehr«, meint sie, verstaut das Handy in ihrer Tasche und zieht dann die schwarze American-Express-Karte, die ich ihr vor Jahren gegeben habe, aus ihrem Portemonnaie. Manche wären bei den Worten mein Schatz nicht innerlich zusammengezuckt, doch ich schon. Denn als sie mich das letzte Mal mit diesem Kosenamen angesprochen hat, hat sie mir erzählt, dass sie sich von meinem Vermögen ein Haus in Kalifornien gekauft hat, ohne mich vorher darüber zu informieren.

Es ist auch das erste Mal, seit ich eingestiegen bin, dass sie mich anlächelt, und mir ist nicht entgangen, dass sie nicht einmal eine Begrüßung für ihre einzige Tochter übrighatte. Meine Laune verschlechtert sich, weil ich hier und jetzt nicht über Geld reden will.

»Du wirst wohl den Rahmen überschritten haben.« Sie gibt täglich viel Geld für alle möglichen Dinge aus, was mich bis jetzt kaum gestört hat, aber sie hat die Karte noch nie ans Limit gebracht.

»Es gibt einen Rahmen?«, fragt sie überrascht, als wäre ihr nie in den Sinn gekommen, dass ich ihren Konsum einschränken könnte.

»Natürlich. Es schockiert mich allerdings, dass du diesen je erreichen konntest.«

»Wie hoch ist er denn?«

Ich überlege kurz und erinnere mich schließlich an ein Gespräch mit meiner Bankberaterin.

»Vierhunderttausend Dollar pro Woche.« Ich habe das Limit als Sicherheitsmaßnahme setzen lassen, doch mir war nicht bewusst, dass sie dieses je ausschöpfen könnte. Wozu sollte sie so viel Geld benötigen?

»Aber ich dachte, die Black American Express hat kein Limit?«

»Nicht für mich.«

Sie hebt ihr Kinn an und verdreht dabei die Augen, als hätte ich sie beleidigt. Ich kann die in mir aufflammende Wut nur mühsam zurückhalten. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt. Nicht nach diesem harten Tag, nicht angesichts der Party, auf die ich nicht gehen möchte, aber auf der ich mich trotzdem blicken lassen muss.

»Dann hebe den Rahmen auf.«

»Wieso? Wozu brauchst du wöchentlich vierhundert Riesen?« Je länger wir dieses unsinnige Gespräch führen, desto tiefer sinkt meine Laune.

»Für essenzielle Dinge. Ich war beim Arzt, und sonst geht es mir auch nicht so besonders.«

»Beim Arzt? Ist etwas passiert?«, frage ich mit sorgenvoller Stimme und setze mich auf, doch sie legt ihre weiche Hand auf meine. Zuerst dachte ich, dass sie das Geld für Nichtigkeiten ausgeben möchte, doch wenn sie krank wäre, ist das eine andere Sache.

»Mach dir keine Sorgen, es ist nichts Schlimmes.« Als ich ihr näher komme und einen Blick in ihr Gesicht werfe, weiß ich, welche Art von Arzt sie meint. Die Falten um ihre Augen sind beinahe verschwunden. Sie war beim Schönheitschirurgen, der sie mittlerweile schon so stark gestrafft hat, dass sie fast jünger wirkt als ich.

Erschrocken senke ich den Blick, und mir fällt ein neuer Diamantring an ihrem Finger auf, den ich noch nie gesehen habe. Er sieht teuer aus und könnte der Grund für das Ausschöpfen des Rahmens gewesen sein. Mein Mitleid löst sich in Luft auf, als ich merke, dass sie bewusst mit meiner Sorge gespielt hat.

»Wieder eine Schönheitsoperation, Mom?«, will ich wissen, entziehe ihr meine Hand und nehme aus Trotz einen großen Schluck von meinem Tee. Er wärmt meinen Hals, sodass ich zufrieden die Augen schließe.

»Nun, ich kann nicht von Natur aus so aussehen wie du.« Der kurze Moment des Genusses ist vorbei, als sie auch noch demonstrativ an ihrem Diamantring herumfummelt.

»Und das ist auch gut so. Es ist der natürliche Lauf der Dinge.«

»Wen schert das? Ich möchte nicht alt und runzelig sein«, erwidert sie laut, woraufhin ich den Tee in der Halterung vor mir verstaue und meine schmerzenden Schläfen massiere. Zum Glück können meine Bodyguards diese unsinnige Unterhaltung nicht hören.

»Okay, lass uns bitte aufhören zu reden«, zische ich schließlich. Es war ein zu langer Tag.

»Erhöhst du mir nun den Rahmen?«, fragt sie trotzdem, doch ich schüttle den Kopf. Anstatt sich nach meinem Befinden zu erkundigen, interessiert sie nur das verdammte Geld. Und dabei sind mir meine Qualen sicherlich anzusehen.

»Nein!« Meine Erwiderung ist laut und kraftvoll. Ich habe das Wort beinahe geschrien, sodass meine Mutter erschrocken zusammenzuckt. Habe ich gerade zum ersten Mal meine Mutter angeschrien? Das sieht mir gar nicht ähnlich, denn auch wenn Audrey Wells eine Nummer für sich ist, liebe ich sie und ertrage ihre Launen. Sie hebt eine Braue, als könnte sie nicht glauben, dass ich ihr das verweigere, was ihr zusteht. Ich bin selbst überrascht über meinen Ausbruch, doch ich werde mich nicht entschuldigen.

Ich habe es satt, dass sie in letzter Zeit immer mehr und mehr Geld will. Je mehr Erfolg ich hatte, desto mehr wollte sie. Mittlerweile ist es sogar schon so auffällig, dass Artikel darüber kursieren, dass meine Mutter geldgeil ist und ihre eigene Tochter ausnimmt. Nie habe ich diesen Artikeln glauben wollen, doch langsam machen sich Zweifel in mir breit. Wann hat mich meine Mutter das letzte Mal umarmt oder hat mir einen Kuss aufs Haar gegeben?

Es muss ziemlich lange her sein, wenn ich mich nicht mehr daran erinnere. In meiner Kindheit gab es einige Momente, in denen meine Mutter mich mit Liebe überschüttet hat, dann gab es die Augenblicke, in denen sie mich ins Rampenlicht zerrte. Ich musste schon von klein auf einen Superstar spielen, bis der Erfolg tatsächlich eingetreten war und die Wünsche meiner Mutter sich endlich erfüllt hatten. Denn die wahre und innere Novalee wollte eigentlich Lehrerin oder Autorin werden.

»Schon gut, reden wir nicht jetzt darüber.« Sie macht eine wegwerfende Geste und wechselt das Thema. Als hätte sie einfach einen Schalter umgelegt, verändert sich ihre defensive Haltung, und sie ist wieder meine Mom. Meine einzige lebende Verwandte und die wichtigste Person in meinem Leben.

»Wie war das Konzert?«, fragt sie mich in einem liebevollen Tonfall, der einen starken Kontrast zu ihrer vorwurfsvollen Stimme von vorhin bildet.

»Es ging«, antworte ich bewusst vage. Denn meine Geduld hängt am seidenen Faden, der jederzeit reißen könnte.

»Willst du mich jetzt etwa mit Nichtachtung strafen? Weil ich als deine Mutter etwas für meinen Körper tun will und mir schöne Dinge kaufe?«

»Ich will einfach nur Stille! Ich bin seit Monaten auf Tour, arbeite mir den Arsch ab und will endlich zur Ruhe kommen, aber du interessierst dich nur dafür, ob ich dir mehr Geld gebe oder nicht.« Ich werfe ihr einen flehenden Blick zu, versuche ihr zu verstehen zu geben, dass ich nicht mehr kann.

»Ich …«, setzt sie an, doch sie überschreitet die Grenze und lässt zu, dass meine Wut aus mir herausbricht.

»Nein! Das Gespräch ist beendet. Jetzt.« Es ist das erste Mal, dass ich meiner Mutter gegenüber schroff bin, und vielleicht werde ich es morgen bereuen, aber jetzt kann ich sie einfach nicht ertragen. Meine innere Stimme jubelt und führt Freudentänze auf. Audrey Wells jedoch schnaubt empört und verschränkt die Arme vor der Brust, schweigt aber zum Glück. Sobald sich die Welle der Wut in mir wieder gelegt hat, wird mir klar, dass ich zum allerersten Mal meiner Mutter einen Wunsch ausgeschlagen habe.

In all den Jahren waren wir uns häufiger uneins in gewissen Dingen, doch ich habe ihr nie etwas vorenthalten. Bis jetzt. Das entspricht gar nicht meinem üblichen Verhalten. Oder haben mich die Schmerzen in die Mangel genommen, sodass ich nicht mehr Herrin meiner Sinne bin? Als wir endlich vor dem Hotel ankommen, verabschiedet sich meine Mutter beleidigt und steigt als Erste aus. Es wundert mich nicht, dass sie sich im selben Hotel wie ich einquartiert hat. Ich seufze auf und steige mit schweren Beinen aus dem SUV. Mit Thorne an meiner Seite fahre ich in das Stockwerk, auf dem sich mein Zimmer für heute befindet. Als ich endlich vor der Tür stehe, drehe ich mich kurz zu ihm um und versuche zu lächeln, doch es gelingt mir kaum.

»Wie immer liegt mein Zimmer neben Ihrem. Sollten Sie mich brauchen, dann klopfen Sie einfach an der Verbindungstür.« Wie es täglich der Fall ist, unterweist er mich hinsichtlich der relevanten Sicherheitsvorkehrungen, doch seine Stimme dringt kaum noch zu mir durch. Ich nicke mechanisch, doch meine Aufmerksamkeit ist schon längst verflogen.

»Gehen Sie duschen, ich werde das Team in einer halben Stunde zu Ihnen lassen.«

Bilde ich es mir ein, oder ist da Mitgefühl in seiner Stimme? Ich bin allerdings so müde, dass ich mich auch täuschen könnte. Denn Thorne ist und bleibt Grumpy-Thorne. Er wirkt durch sein Auftreten stets ein wenig schlecht gelaunt – ein Mann, der sich auf meine Sicherheit spezialisiert hat, sonst aber völlig unnahbar scheint.

»Hmm. Okay«, murmle ich und frage mich, was Thorne gerade sieht. Sieht er den Superstar Nova, der ich vorgebe zu sein, oder sieht er die verletzliche Novalee, die keine Ahnung hat, was sie hier eigentlich macht? In seinem Gesicht kann ich nichts lesen, nur seine Augen verraten ihn manchmal. Wir kennen einander kaum, und doch ist er derzeit die einzige Person, die sich um mein Wohlergehen sorgt.

KAPITEL 3

Novalee

Innerhalb einer Stunde wurde mir die Müdigkeit wie durch Zauberhand aus dem Gesicht gewischt, und ich bin zu einer sexy Göttin mutiert. Ich trage ein silberfarbenes Crop Top aus Seide und ein hauchdünnes Bauchkettchen, das unter meinem Bauchnabel im Licht glänzt. Das Top sowie der gerade geschnittene kurze Rock schimmern wie Quecksilber im Scheinwerferlicht, und alle Blicke liegen auf mir, als ich den Vorraum betrete, wo die Party für Fans ausgerichtet wird. Thorne ist an meiner Seite und behält alles im Auge, als ich zwei kurze Interviews gebe und dann von einer Mitarbeiterin der Veranstaltung in den VIP-Bereich geleitet werde.

Als ich an einem Spiegel vorbeigehe, erkenne ich mich selbst kaum wieder. Während meine innere Novalee völlig fertig von der monatelangen Tour ist, sieht mein Äußeres makellos aus. Dunkler Lidschatten, der meine eisblauen Augen betont, zartes Rouge und ein tiefroter Lippenstift: Der Farbklecks bildet einen Kontrast zu meinem eher kühlen Outfit.

»Miss Wells? Stimmt etwas nicht?«, fragt mich Thorne, der neben mich tritt und mich über den Spiegel hinweg ansieht. Mit seinem schwarzen Anzug, der ebenso tiefschwarzen Krawatte und seinen whiskeyfarbenen Augen sieht er aus, als würde er zu mir gehören. Nicht als Leibwächter, sondern als meine Begleitung. Warte, was? Habe ich das gerade tatsächlich gedacht?

»Es ist alles in Ordnung. Lass uns gehen«, sage ich über die lauter werdende Musik hinweg. Vom Eingangsbereich aus treten wir in einen weiteren Saal, der eine offene Fensterkuppel hat, die jedoch aus Milchglas besteht und so den Blick auf die Sterne verwehrt. Nicht dass man sie in einer Großstadt wie dieser gut hätte sehen können. Auf einer Bühne wurde ein DJ-Pult aufgestellt, und eine junge Frau spielt einen Remix von Beyoncés neuem Hit ab.

An den Seiten befinden sich Tische, an denen wohl das Abendessen eingenommen wurde, das ich verpasst habe. Ich habe vorhin einen kleinen Salat gegessen, aber ich habe immer noch das Gefühl, als würde ich verhungern. In der Mitte des Raumes befinden sich einige Stehtische, an denen sich der Großteil der Partygemeinschaft tummelt. Manche bewegen sich auf der Tanzfläche, doch vom Tanzen habe ich nach einer zweistündigen Show die Nase voll.

Ich gebe vor, die Menge nach Aspen Knox abzusuchen, doch eigentlich geißle ich mich selbst und halte nach seinem Manager Ausschau. Dem Mann, der mich abgewiesen und mir das Herz gebrochen hat. »Falls Sie Mr Knox suchen, er befindet sich an dem Stehtisch unmittelbar neben der Bar«, flüstert mir Thorne ins Ohr, ohne mich zu berühren. Seine tiefe Stimme legt sich wie eine vertraute warme Decke um mich und lässt mich in der fremden Umgebung trotzdem atmen.

»Es wundert mich nicht, dass du ihn mit deinen Adleraugen sofort gefunden hast.« Ich werfe ihm einen Seitenblick zu, und kurz glaube ich, ein Zucken an seinem Mundwinkel wahrzunehmen, als hätte ihn meine Aussage tatsächlich amüsiert.

»Für meinen Job sind diese Skills das A und O.«

»Und ich profitiere von ihnen, denn nach dem Gespräch mit Aspen werde ich mir einen Drink genehmigen, und dann hauen wir von hier ab.«

»Verstanden.«

Ich spüre die bewundernden Blicke und sehe Köpfe, die sich tuschelnd zusammentun – ein gewohnter Anblick für mich. Aspen ist in ein Gespräch vertieft, als ich auf seinen Tisch zusteuere. Es ist Daphne, die mich als Erste erblickt und anstrahlt. Vor einem Jahr habe ich Aspens Freundin beim Videodreh zu meinem Musikvideo kennengelernt.

Damals hatte es ihr gar nicht gefallen, dass Aspen und ich für das Video ein Liebespaar spielten, doch mittlerweile weiß sie, dass alles nur Schauspiel war. Sie ist Anwältin und laut eigenen Aussagen ein großer Fan von mir. Ich winke ihr zu, und nun blickt auch Aspen in meine Richtung. »Nova. Schön, dass du es einrichten konntest.« Aspen und ich begrüßen uns mit einem Wangenküsschen, ehe ich seine Freundin in die Arme nehme.

»Ich freue mich, hier zu sein. Leider habe ich den roten Teppich verpasst«, erwidere ich und stelle fest, dass Daphnes Wangen sich vor Aufregung rosa färben. Wie süß.

»Dein Konzert war mega. Ich habe es online ein wenig verfolgt, aber ich konnte leider nicht dabei sein«, meint Daphne traurig und macht einen Schmollmund. Ihr honigblondes Haar trägt sie heute offen und auf eine Seite gestylt, sodass die Wellen wie ein Wasserfall über ihre Schulter fallen. Sie trägt ein dunkelblaues Etuikleid, das dieselbe Farbe wie Aspens Krawatte hat, und dazu knallrote Lackpumps.

»Soll das heißen, dass du heute nur mit halbem Herzen an meiner Seite warst?« Aspen neckt seine Freundin und stupst sie mit der Hüfte an.

»Nun, da ich Novas Musik liebe, ist es ein Kopf-an-Kopf-Rennen«, gibt sie zu, was ihn die Augen verdrehen lässt. Er sieht sie mit einem verliebten Blick an.

»Hörst du das, Nova? Sie ist mehr dein Fan als meiner.«

»Das habe ich gerade mitbekommen, und auch wenn’s mir leid für dich tut, ich freue mich darüber.« Mit Aspen abzuhängen hat immer Spaß gemacht, und ich bin froh, dass er eine so zauberhafte und sympathische Freundin an seiner Seite hat.

»Du weißt, ich mag dich, aber ich kann deine Stimme nicht mehr hören. Jedes Mal, wenn wir im Auto sitzen, läuft irgendeiner von deinen Songs.« Mein Lachen ist laut und überraschenderweise echt.

»Ich bin eben ein Novaholic.« Dass Daphne zu meinen Vollblutfans gehört, finde ich ziemlich amüsant.

»Schon gut. Schon gut. Ich bin jedenfalls sehr froh, dich hier zu sehen. Deine Welttournee wird überall gelobt. Wie wars für dich?« Kurz überlege ich, ob ich ihm die einstudierte Antwort geben soll, die ich der Presse präsentiere, doch ich entscheide mich dagegen.

»Ich bin am Ende meiner Kräfte und habe das Gefühl, als könnte ich tagelang durchschlafen, aber es war auch aufregend.«

»Gott, ich bewundere dich. Wie schaffst du es nur, monatelang durch die Welt zu reisen und unzählige Auftritte zu absolvieren?«

»Es ist alles eine Frage der Übung.« Daphne hakt sich bei Aspen unter und wirft ihm einen so liebevollen Blick zu, dass ich mich kurz abwenden und zu Thorne schauen muss. Er steht in professionellem Abstand da, der mir eine Mischung aus Distanz und Sicherheit übermittelt. Er lässt mir meine Privatsphäre und macht trotzdem deutlich, dass er ein wachsames Auge auf mich hat. Sein Blick gleitet zu mir, und er hebt kaum merklich eine Augenbraue – seine Art zu fragen, ob alles okay ist. Mit einem Zucken meiner Mundwinkel signalisiere ich, dass es mir gut geht, und klinke mich wieder ins Gespräch ein. Während wir uns unterhalten, kann ich nicht aufhören, Aspen und Daphne zu mustern. Die Liebe, die die beiden füreinander empfinden, ist beinahe greifbar, wenn sie sich anstrahlen. Auch wenn es mich kaltlassen sollte, schnürt der Anblick etwas in mir zu.

Ich gönne Aspen sein Glück, aber ich frage mich auch, wieso ich noch nie auf diese Weise angesehen wurde. Wieso kann ich nicht glücklich sein? Diese Frage wird immer lauter und lauter in meinem Kopf, und unweigerlich sehe ich mich nach Dexter, Aspens Manager um. Da ich ihn nicht ausmachen kann, entschuldige ich mich und ziehe mich mit einer Schwere in der Brust zurück.

Nachdem ich mit schmerzhaft pochendem Herzen aus dem Saal geeilt bin, biege ich in einen schwach beleuchteten Flur, der zum Glück leer ist und wohl zu irgendwelchen Lagerräumen führen soll. Ich lehne meinen Rücken gegen die Wand und genieße die Kühle auf meiner plötzlich erhitzten Haut. Was ist nur los mit mir?

Zuerst der Ausbruch meiner Mutter gegenüber, dann meine heftige Reaktion auf das Glück eines Paares. Beinahe wäre mir mein jahrelang antrainiertes Pokerface entglitten, weswegen ich gehen musste. Ich habe nicht mal Thorne Bescheid gegeben, oder hält er sich bewusst zurück, weil er weiß, dass ich eine Pause brauche?

»Nova Wells. Was für eine Überraschung«, säuselt eine männliche Stimme und erschreckt mich so sehr, dass ich zusammenzucke. Ich wende mich mit rasendem Puls dem Mann zu, der gerade in den Gang getreten ist und nun auf mich zukommt. Torben Kliff, Sänger und zugleich einer der berüchtigtsten Bad Boys Hollywoods, nähert sich mir mit einem breiten Lächeln. In den letzten Monaten hat er vor allem durch Alkoholexzesse und ausschweifende Partys auf sich aufmerksam gemacht. Sofort versteife ich mich, als der freundliche Ausdruck in seinem Gesicht einem anzüglichen weicht. Wir sind uns schon häufiger auf Veranstaltungen begegnet, doch ich hatte nie die Gelegenheit, mehr als ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Und jetzt gerade bin ich mir nicht sicher, ob ich das überhaupt möchte.

»Torben. Hey«, sage ich und wische den Schreck wie mit einer Handbewegung aus meinem Gesicht. Die freundliche und medienoffene Nova nimmt wieder den Platz ein, auch wenn er der letzte Mensch ist, dem ich jetzt begegnen möchte.

»Schön, dich zu sehen. Du siehst toll aus«, sagt er, doch sein Kompliment beschert mir eine eher unangenehme Gänsehaut. Als würde er mir etwas vorspielen und es nicht ernst meinen.

»Danke. Wie läuft es mit dem neuen Song?« Eigentlich will ich das gar nicht wissen, aber ein neutrales Gesprächsthema ist besser als seine schmierigen Komplimente über mich ergehen zu lassen. Alles an seinem Auftreten lässt meine Alarmglocken schrillen.

»Ganz gut. Nicht annähernd so erfolgreich wie deine Musik, aber ich denke, das zu erreichen wird sowieso schwer.«

»Ach was. Deine Songs sind gut.« Er ist zwei Schritte von mir entfernt, und ich will mich gerade von der Wand lösen, als er stolpert und in meine Richtung fällt. Er stützt seine Hände neben meinem Kopf an der Wand ab und vermeidet somit eine Kollision. Erneut zucke ich erschrocken zusammen und kneife die Augen zu.

Als ich meine Lider wieder öffne, sehe ich direkt in Torbens Gesicht. Doch er wirkt weder überrascht noch verlegen, stattdessen erkenne ich Berechnung in seinen Zügen. Hat er das geplant? Er neigt leicht den Kopf, als würde er mich küssen wollen.

Was passiert hier?Das kann doch nicht wahr sein!Tu etwas, Nova, meint die um sich tretende Novalee, doch ich bin wie gelähmt. Ich habe weder die Kraft, meinen Kopf wegzudrehen, noch kann ich ihn von mir drücken. Mir entweicht ein hilfloses Keuchen, als ich seinen Atem an meinen Lippen spüren kann.

»Nova«, flüstert er, doch im nächsten Moment wird er gepackt und von mir gezogen. Zwar nicht aggressiv, aber mit Nachdruck. Thorne krallt seine großen Hände in Torbens T-Shirt und drückt ihn hart gegen die gegenüberliegende Wand, in sicherer Entfernung zu mir. Mit einem Rauschen in den Ohren sehe ich, wie Thorne etwas zu ihm sagt, so leise, dass ich es nicht hören kann. Ich blinzle, will diese aufsteigende Panik unterdrücken, doch ich kann nichts weiter tun als meine Hand an die Brust zu legen.

»Tu es«, höre ich Thorne sagen. Er spricht die Worte mit einer solchen Schärfe aus, dass es mich schaudert. Die Adern an seinem Hals sind hervorgetreten, und sein gesamter Körper bebt vor Anspannung. Es wirkt auf mich, als würde er sich mit aller Kraft zurückhalten, um Torben nicht wehzutun.

»Es tut mir leid, Nova. Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Wirklich nicht.« Mit vor Schreck geweiteten Augen sieht Torben panisch zwischen Thorne und mir hin und her und macht auf mich einen so jämmerlichen Eindruck, dass der trübe und ängstliche Schleier von mir abfällt. Ich bin Nova fucking Wells, und ich lasse mich nicht bedrängen. Von niemandem.

»Bete zu Gott, dass wir zwei uns nie wiedersehen«, sage ich mit kühler Berechnung, und ich meine es ernst. Noch einmal wird er mir nicht zu nahe kommen. Das werde ich nicht zulassen.

»Und jetzt verschwinde«, sagt Thorne schließlich, und kaum hat er seine Hände von ihm gelöst, flieht der ängstlich aussehende Torben aus meinem Sichtfeld. Thornes Atem geht schwer, als er vor mich tritt. Seine Augen mustern mich besorgt und wütend zugleich. Er scheint meinen Körper nach Verletzungen abzusuchen, doch diese sind nicht äußerlicher Natur.

»Hat er Ihnen etwas angetan?«

»Nein«, hauche ich, und es gelingt mir kaum, meine Fassade aufrechtzuerhalten. Es ist, als hätte ich meine professionelle Haltung abgelegt. Nun bin ich verletzlicher denn je.

»Wir haben uns unterhalten, und dann ist er gestolpert und hat mich eingekesselt.« Ich bin mir nicht sicher, ob es ein Versehen war oder Berechnung, aber das tut jetzt auch nichts mehr zur Sache, denn Thorne hat mir geholfen, und ich konnte diesem Typen sagen, dass er keine Macht über mich hat. Ich bin stärker als das.

»Dieser verdammte …« Thorne mäßigt seine Stimme, wirkt aber immer noch wütender, als ich ihn je gesehen habe. Er strahlt etwas Bedrohliches aus, doch ich empfinde keine Angst. Thornes Wut ist greifbar, und ich sehe an seinem mahlenden Kiefer, seinen dunkel aufblitzenden Augen, dass er sich zurückhält. Mir zuliebe hat er Torben gehen lassen, auch wenn mir seine Körpersprache zeigt, dass er ihm am liebsten an die Gurgel gegangen wäre.

»Hey, Thorne. Alles ist gut. Mir geht es gut«, flüstere ich und unterdrücke den Drang, meine Hand auf seinen Oberarm zu legen. Alles an ihm ist angespannt, und sein Blick trüb und dunkel. Es wirkt, als würde er sich Horrorszenarien ausdenken, die hätten passieren können, wenn er nicht eingegriffen hätte. Schließlich werfe ich meine Bedenken über Bord und lege meine Handfläche sanft auf seinen Oberarm. Als würde die Berührung alles weichen lassen, was zwischen uns pulsiert hat, klärt sich sein Blick. Wimperschlag um Wimpernschlag verschwindet der von seinen Emotionen geleitete Bodyguard, und Grumpy-Thorne kehrt zurück.

Beinahe bin ich traurig darüber, dass er mir nur einen Herzschlag lang einen Blick in sein wahres Ich gewährt hat. Nicht der Bodyguard, der wie mechanisch darauf ausgerichtet ist, eine andere Person vor Gefahren zu schützen, sondern ein Mann, der sehr wohl zu starken Emotionen fähig ist. Thorne blinzelt, als würde er mich erst jetzt wahrnehmen und aus seinen Gedanken erwachen. Als hätte Thorne gemerkt, dass dieser Moment so anders ist, als die, die wir bis jetzt geteilt haben, weicht er einen Schritt zurück.

»Hat er Sie bedrängt oder angefasst? Wir müssen das wissen, falls Sie rechtliche Schritte einleiten möchten.«

»Er hat mich nicht berührt. Vielleicht wollte er mich gar nicht küssen, denn er hat nur meinen Namen gesagt und innegehalten, bis du aufgetaucht bist.«

»Okay. Das ist gut«, meint er, doch ich habe eher das Gefühl, als wollte er sagen: Dann hat er Glück gehabt, dass er noch alle Zähne behalten darf und ich ihn nicht in den Boden gestampft habe. Der kühle, unnahbare Bodyguard ist zurück, als hätte es diesen Moment, in dem ich glaubte, einen Blick auf den wahren Thorne erhaschen zu können, nie gegeben.

»Möchten Sie noch bleiben?«, fragt er mich, doch ich bin am Ende meiner Kräfte, also schüttle ich den Kopf. Thorne lässt mir den Vortritt, und in seinen Augen blitzt etwas auf. Etwas, was ich nicht benennen kann, aber es ist, als wolle er mir sagen: Geh du vor, ich bin immer hinter dir und werde nicht zulassen, dass dir etwas passiert. Und auch wenn mir bewusst ist, dass dies sein Job ist, fühlt es sich beinahe an, als würde ihm tatsächlich etwas an mir liegen. Als wäre er mein Freund.

Nachdem ich geduscht und mich abgeschminkt habe, falle ich sofort ins Bett und schlafe augenblicklich ein. Doch ein Piepen meines Smartphones weckt mich aus einem unruhigen Schlaf. Blind greife ich danach und öffne meine schweren Lider. Ich werde jedoch blitzschnell wach, als ich sehe, von wem die Nachrichten kommen. Eine ist von Libby und eine von Thorne. Ich habe mich vorhin per Nachricht bei Libby für den Tee bedankt, doch ihre Antwort lässt mich die Stirn runzeln.

Libby: Tee? Ich habe dir keinen geschickt, aber du kannst dich jederzeit melden, wenn du Getränkewünsche hast. Dafür bin ich doch da

Kopfschüttelnd denke ich an den Moment von vorhin. Thorne meinte, dass man ein Kratzen in meiner Stimme hört, weswegen er mir überhaupt das warme Getränk gereicht hat. Wenn Libby ihn nicht geordert hat, wer war es dann?

Nova: Danke für die Info, vielleicht habe ich im Trubel einfach etwas verwechselt. Gute Nacht. x N

Schließlich öffne ich die nächste Nachricht.

Grumpy-Thorne: Ich entschuldige mich für die Störung, aber ich wollte Ihnen mitteilen, dass Ihre Buchbestellung vor ein paar Stunden angekommen ist. Gerade habe ich das Paket entgegengenommen und es Ihnen vor die Tür gestellt. Sie haben heute einen großartigen Job gemacht und die Neuerscheinungen verdient. Sehen Sie es auch als Entschuldigung dafür, dass ich nicht da war, als Torben Ihnen zu nahe getreten ist.

T.

Ich krabble aus dem Bett, stehe auf und laufe energiegeladen zur Tür. Tatsächlich steht dort ein großer Karton am Boden. Harris, der Bodyguard, der im Gang Stellung bezogen hat, dreht gerade eine Runde, also greife ich nach dem Karton. Auch wenn er etwas schwer ist, trage ich ihn ins Zimmer, doch bevor ich ihn öffne und meine Neuheiten ansehen kann, schaue ich zur Wand, hinter der ich meinen Bodyguard vermute. Der Schreck von vorhin ist mittlerweile verflogen, denn es ist nichts passiert. Ich stemple es als unangenehme Begegnung mit jemandem, der mir auf die Pelle gerückt ist, ab. Situationen wie diese gab es in meiner Karriere schon einige.

Was mir im Kopf geblieben ist, ist Thornes emotionaler Gesichtsausdruck, den ich so an ihm noch nie wahrgenommen habe. Ich weiß, dass er sich Vorwürfe macht, weil er nicht schnell genug eingegriffen hat, aber ich gebe ihm nicht die Schuld dafür. Ich bin ja selbst aus dem Saal gegangen, weil ich allein sein wollte.

Thorne sorgt nicht nur für meine Sicherheit. Er ist auch ein aufmerksamer Mensch, der sich darum gekümmert hat, dass ich meine Bücher möglichst schnell erhalte. Er weiß, wie viel sie mir bedeuten. Etwas, was all die Bodyguards, die mich bisher beschützen sollten, gemeinsam hatten, war die Distanziertheit und der maskenhafte Gesichtsausdruck. Ihr Job war es, meine Sicherheit zu gewährleisten. Thorne ist der Erste, der mich nicht nur beschützt, sondern auch zu wollen scheint, dass es mir wirklich gut geht.

KAPITEL 4

Thorne

»Guten Morgen«, begrüße ich das sechsköpfige Team, das sich heute um Miss Wells Sicherheit kümmern wird. Izabella, die heutige Fahrerin, reicht mir eine Tasse Kaffee, die ich dankend annehme. Direkt nehme ich einen Schluck. Der Kaffee ist schön heiß, wie ich es mag. Sobald ich die Tasse abstelle, starte ich den Recorder an meinem Smartphone, um das Meeting aufzuzeichnen, und warte, bis ich die Aufmerksamkeit des Teams habe.

»Nach dem Frühstück stehen zwei große Interviews an, die hier im Hotel stattfinden werden. Ich habe schon dafür gesorgt, dass wir einen Raum bekommen, bei dem man die Fenster weit öffnen kann und der nur einen Ein- sowie Ausgang hat.« Jeder, der mit Miss Wells zusammenarbeitet, weiß, dass sie lichtdurchflutete Räume und offene Fenster als Arbeitsorte bevorzugt, und unter Berücksichtigung der Sicherheitsmaßnahmen möchten wir als Team ihr diese Wünsche erfüllen.

Für mich ist nicht nur ihre Sicherheit, sondern auch ihr seelisches Wohl wichtig. Diese junge Frau hat in den letzten Jahrzehnten mehr erlebt als manche kunstschaffenden Menschen in ihrer ganzen Karriere. Und dabei handelt es sich nicht nur um positive Erlebnisse. Dass ich gestern beinahe zu spät gekommen wäre, als dieses Arschloch Torben sie bedrängt hat, nagt an mir. Ich habe nur wenig Schlaf gefunden und bin schließlich noch mal aufgestanden, um ihr ihre Bücherbestellung vor die Tür zu stellen. Etwas anderes wusste ich ohnehin nicht mit mir anzufangen.

Was mich an dem gestrigen Vorfall beschäftigt, ist, dass es mehr war als die übliche Sorge um eine Klientin, die ich in der Situation empfand. Vielmehr wurde ich von blanker Furcht heimgesucht, die bei mir das Gefühl hinterließ, das alles wäre mehr als nur ein Job. Als wären wir befreundet. Dabei hat Nova Wells keine Freundinnen und Freunde, zumindest keine engen. In einem Jahr als ihr erster Bodyguard finde ich es erschreckend zu wissen, dass ihr Team sie zwar schätzt und für sie da ist, sie ansonsten aber kaum enge Beziehungen zu pflegen scheint.

Hat nicht jede junge Frau eine beste Freundin, der sie all ihre Geheimnisse anvertrauen kann?

Dass dies bei Miss Wells nicht der Fall ist, verwundert mich. Ich arbeite eng an ihrer Seite, kenne sie aber nicht wirklich. Zum einen, weil ich stets professionelle Distanz wahre, zum anderen, weil sie mir nicht oft Einblicke in ihr Inneres gewährt. Zumindest nicht im typischen Alltag. Wenn sie allerdings im Studio ist, sieht das anders aus. In diesem Raum trägt sie ihre Verletzlichkeit und Seele auf der Zunge. Während Studiosessions mit ihr zusammenzuarbeiten ist eine meiner liebsten Aufgaben. In diesen Stunden wirkt sie auf mich freier. Glücklicher.

»Nach den Interviews steht ein Fotoshooting an, bei dem wir die Sicherheitsmaßnahmen erhöhen müssen. Ihre Hardcorefans scheinen immer zu wissen, wo wir uns befinden, sodass wir Miss Wells so gut wie möglich vom Trubel abschirmen müssen. Nach dem Mittagessen hat Miss Wells ein paar Stunden Pause, jedoch weiß ich noch nicht, wie sie diese verbringen möchte. Die Sicherheitsvorkehrung werden wir übers Headset koordinieren.« Ich tippe mir mit dem Finger auf das Headset, das ich täglich trage, ehe ich fortfahre.

»Heute Abend geht es zu den Billboard Music Awards, wo Miss Wells in sechs Kategorien nominiert ist.«

»Wird Miss Wells zur Afterparty gehen?«, fragt Ismail, der mir am nächsten sitzt und nun zu mir aufsieht. »Diese Information habe ich noch nicht erhalten. Im Laufe des Tages werden wir uns noch mal updaten, aber so sieht der vorläufige Tagesplan aus.« Ich sehe in die Runde und trinke noch einen Schluck. Es werden Notizen gemacht und Informationen über die Fahrrouten ausgetauscht.

»Gibt es noch Fragen?«, will ich wissen, doch alle im Raum schütteln den Kopf, sodass ich zufrieden nicke. Nach dem Sicherheitsmeeting sehe ich auf meine Armbanduhr, die mir anzeigt, dass es bereits sieben Uhr morgens ist und Ismail und ich unsere Schicht antreten und Stellung vor der Tür beziehen müssen.

Mein Kollege und ich machen uns auf den Weg zu den Fahrstühlen und prüfen unsere Headsets. Nachdem der Aufzug auf der richtigen Etage zum Stehen gekommen ist, entdecken wir Harris und Mia, die vor Miss Wells Tür stehen. Da ich das Meeting aufgenommen habe, habe ich die Aufnahme an die beiden geschickt, damit sie über den Tagesablauf informiert sind.

»Belle hat sich noch nicht angemeldet«, informiert mich Harris, als wir zu ihnen aufschließen. Er hat sich sein halblanges Haar zu einem Knoten gebunden, sein Dreitagebart ist verschwunden.

»Noch nicht?« Wieder ein Blick auf die Uhr, doch es dauert noch eine Weile, bis der erste Termin ansteht. Es ist nur untypisch für Miss Wells, dass sie sich noch nicht gemeldet hat.

»Gut, dann übernehmen Ismail und ich ab jetzt.«

»Okay Sir.« Harris und Mia betreten den Aufzug, aus dem wir vorher gekommen sind, und diesmal sind es Ismail und ich, die vor der Tür Stellung beziehen.

»Wie lange willst du mich noch auf die Folter spannen? Oder wirst du mich diesmal mit Verachtung strafen?«, fragt mein Partner neben mir, ohne mich anzusehen. Seine angespannten Schultern zeigen mir, dass er nervös ist.

»Was meinst du?«

»Ich habe gestern nicht gemeldet, dass Miss Wells’ Mutter aufgetaucht ist. Und dein wütender Blick sagt mir, dass du nur auf einen ruhigen Moment wartest, um mich zurechtzuweisen.«

»Ich bin auch sauer.« War ich. Bin ich? Nach dem Vorfall mit Torben habe ich Ismails Versäumnis vergessen.

»Es tut mir leid. Es kommt nicht mehr vor.« Er wendet sich mir zu, und ich drehe meinen Kopf in seine Richtung. Ismail ist länger Teil des Teams als ich und ein fähiger Kollege. Ich sollte ihn nicht wegen einem Fehler festnageln, zumal er eher persönlicher Natur war und nicht die Sicherheit der Zielperson gefährdet hat. Miss Wells wünscht immer informiert zu werden, sobald ihre Mutter anwesend ist, und es ist unsere Pflicht, ihren Wünschen nachzukommen.

»Das weiß ich.«

»Sie stand einfach da und hat sich, ohne ein Wort an uns zu richten, in den Wagen gesetzt.« Das ist ein typisches Verhalten für Mrs Wells, die gerne zeigt, dass es unter ihrer Würde ist, mit einfachem Personal zu reden. Ich persönlich frage mich, wie Miss Wells zu solch einer liebevollen Person heranwachsen konnte, denn ihre Mutter wirkt kalt wie ein Fisch.

»Bist du immer so ernst?« Überrascht hebe ich die Brauen und neige leicht den Kopf. Mein Partner ist einen Kopf größer als ich und hat kurz geschorenen Haare, die an einen Army-Haarschnitt erinnern. Ich zucke mit den Schultern und verschränke die Arme vor der Brust.

»Wir sind für die Sicherheit von Miss Wells zuständig.«

»Ja, aber es ist nicht verboten, dass wir während unserer Arbeit lächeln.« Er grinst mich demonstrativ an. Als müsste er mir vorzeigen, wie so etwas überhaupt geht. Ich schüttle schnaubend den Kopf.

»Es gibt Grenzen, und diese möchte ich einhalten. Ein Moment, in dem wir scherzen, könnte Miss Wells das Leben kosten.« Ich weiß, dass sie der Liebling der Nation ist, doch auch sie bekommt Hassbriefe und Morddrohungen.

Wir schützen sie nicht nur vor aufdringlichen Fans, sondern vor Hatern, die ihr nach dem Leben trachten. Und diese Tatsache behalte ich immer im Hinterkopf.

»Du könntest trotzdem ein wenig lockerer werden. Es würde auch unserer Klientin guttun, wenn sie mal was anderes sieht als deine stoische Miene.«

»Ich denke, meine Miene ist Miss Wells geringste Sorge.«

Mein Job lässt mir nicht viel Zeit für gute Laune, denn das kann gefährlich werden, wenn es um die Sicherheit eines Weltstars geht. In jeder Person, die meinen Weg kreuzt, sehe ich eine potenzielle Bedrohung. Während Ismail die Umgebung unmittelbar um uns im Auge behält, kümmere ich mich um die Menschen, die in die Komfortzone von Miss Wells eindringen wollen.

»Vielleicht hast du recht, und ich rede mal wieder zu viel.«

»Vielleicht«, erwidere ich und hebe einen Mundwinkel an, was wohl einem Lächeln am nächsten kommt.

Beim Verlassen des Hotels erwarten uns ein Dutzend Paparazzi, die ihr Blitzlichtgewitter auf Miss Wells loslassen. Ihr Lächeln wirkt heute müde, trotzdem sieht sie hübsch aus in ihrem weißen Kleid mit dünnen Trägern, das ihr bis zum Knie reicht. Da wir heute ein größeres Sicherheitsaufgebot haben, sitze ich mit Miss Wells auf der Rückbank, während Harris und Ismail vorne sitzen. Sobald der Wagen losfährt, entweicht der jungen Frau neben mir ein erleichtertes Seufzen. Sie streicht sich eine perfekt gestylte blonde Strähne aus dem Gesicht, wendet sich mir zu und ertappt mich dabei, wie ich sie mustere. Normalerweise ist mein Blick aus dem Fenster gerichtet, sobald wir losfahren. Doch heute verweilt mein Blick länger auf meiner Klientin als sonst.

»Danke für die Bücher gestern Nacht. Oder besser gesagt heute Morgen.« Sie schenkt mir ein ehrliches, wenn auch träges Lächeln. Ihre Finger spielen mit dem Riemen ihrer Handtasche, der von ihrer Schulter geglitten ist.

»Gern geschehen. Ich weiß, wie viel Ihnen Bücher bedeuten. Sie haben meist mehr Bücher als Kleidung im Gepäck.« Warte mal? Wieso habe ich das gesagt? Der Schlafmangel meinerseits muss mir eine lockere Zunge beschert haben. Die ersten Worte hätten völlig ausgereicht. Wieso musste ich in Smalltalk verfallen?

»Das stimmt, und du bist der Einzige neben meiner Mutter, der das nicht als Schwachsinn abtut. Manche halten es für verrückt.«

»Wir haben alle etwas, das uns viel bedeutet. Niemand sollte das ins negative Licht rücken.«

»Sag das mal den unzähligen Menschen, die bei jedem Schritt meinerseits auf einen Skandal hoffen.« Ich zucke mit den Schultern, als Miss Wells’ Smartphone zu läuten beginnt.

»Hey, Libby. Was gibt’s?« Ihre Hand legt sie auf ihren Schoß, während sie ihrer Assistentin lauscht.

»Ja wir sind bereits losgefahren.« Miss Wells lehnt sich in ihrem Sitz zurück und schließt die Augen. Hat sie wieder die ganze Nacht gelesen? Es wäre nicht das erste Mal, und selbst wenn sie Augenringe hat, steht ihr ein talentiertes Team aus Make-up-Artists zur Seite, die darauf spezialisiert sind, die Erschöpfung und Müdigkeit aus ihrem Gesicht verschwinden zu lassen. Ich blende ihr Telefonat aus und sehe wieder nach draußen.

»Ein Kinderkrankenhaus? Heute noch?«, fragt Miss Wells plötzlich und lässt mich meinen Blick vom Fenster abwenden. Sie knabbert an ihrer Unterlippe und scheint nachzudenken.

»Doch, doch. Ich möchte das unbedingt tun, aber müssen wir es öffentlich machen? Ich meine, ich könnte die Kinder doch einfach ohne Medienrummel besuchen.« Wieder Stille, und als sie die Schultern sinken lässt, weiß ich, dass ihr die Antwort nicht gefällt.

»Publicity. Verstehe.« Während Miss Wells telefoniert, greife ich nach meinem Smartphone und öffne den Gruppenchat des heutigen Sicherheitsteams, den ich täglich anpasse, sodass nur das Team des Tages diese geheimen Informationen erhält. Mein Blick wandert zu ihren Lippen, an denen sie immer noch knabbert. Gestern haben sie vor Schock und Angst gezittert.

Es war einer der schlimmsten Momente seit meiner Anstellung und mein fahrlässigster. Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich zu spät gekommen wäre. Hätte Torben sie geküsst? Der Gedanke lässt mich die Hand zur Faust ballen, die andere klammert sich fester ums Handy. Dieser Arsch hätte eine Abreibung verdient, aber es ist wichtig, dass ich die Professionalität wahre und nicht persönlich werde. Als sie das Gespräch beendet, wendet sie sich mir zu.