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Unglaublich! Torben-Henriks bester Freund Mehmet, der so gut Kung-Fu kann, ist bei seinem Besuch in der Heldenstadt Hero City spurlos verschwunden. Und nicht nur Mehmet – viele Kinder gelten auf einmal als vermisst. Klar, dass Torben sofort helfen muss! Mit seinen Superheldenfreunden Flashboy und Flowerboy findet er heraus, dass sich die Kinder im Bergkloster Shao-Shao aufhalten – ein unheimlicher Ort, wo der geheimnisvolle Mr. Pi das Sagen hat. Und auch in dem Kloster verschwinden Kinder, seltsamerweise in jeder Vollmondnacht ... Der zweite Band der Superreihe um Torben und seine Freunde aus Hero City Geschrieben von Superautor Salah Naoura Super illustriert von Kai Schüttler
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Seitenzahl: 142
Salah Naoura
Unglaublich! Torben-Henriks bester Freund Mehmet, der so gut Kung-Fu kann, ist bei seinem Besuch in der Heldenstadt Hero City spurlos verschwunden. Und nicht nur Mehmet – viele Kinder gelten auf einmal als vermisst. Klar, dass Torben sofort helfen muss! Mit seinen Superheldenfreunden Flashboy und Flowerboy findet er heraus, dass sich die Kinder im Bergkloster Shao-Shao aufhalten – ein unheimlicher Ort, wo der geheimnisvolle Mr. Pi das Sagen hat. Und auch in dem Kloster verschwinden Kinder, seltsamerweise in jeder Vollmondnacht ...
Der zweite Band der Superreihe um Torben und seine Freunde aus Hero City, geschrieben von Superautor Salah Naoura
Weitere Informationen finden Sie unter www.fischerverlage.de/kinderbuch-jugendbuch
Salah Naoura, geboren 1964, studierte Deutsch und Schwedisch in Berlin und Stockholm und arbeitete danach zunächst zwei Jahre als Lektor in einem Kinderbuchverlag. Seit 1995 ist er freier Übersetzer und Autor. Er übersetzte zahlreiche Kinder-, Jugend- und Sachbücher und veröffentlichte eigene Kinderromane, Erstlesebücher, Gedichte und Geschichten für Kinder und wurde vielfach ausgezeichnet. Er ist außerdem Lesekünstler des Jahres 2016.
Kai Schüttler, geboren 1988, studierte Design an der FH Münster mit dem Schwerpunkt Illustration. Seit seinem Bachelor 2013 lebt und arbeitet er in Borghorst (Steinfurt) als freiberuflicher Illustrator. Neben Kinderbüchern arbeitet er an Projekten aus den verschiedensten Bereichen wie z. B. Editorialillustration.
Für Julian Hayley
Mitternacht.
Vom Big Bing, dem alten Rathausturm von Hero City, schlägt es zwölf. Elfmal ding und einmal dong.
Die großen Prachtstraßen der Heldenhauptstadt sind noch hell erleuchtet. Zwischen den glänzenden Glasfassaden der Wolkenkratzer kriecht eine endlos lange Autoschlange. Darüber, in der Luftspur, rasen Taxis, Busse und Rettungswagen mit Flugfunktion. Überall hupt und blinkt es, Motoren heulen auf, und stinkende Abgaswolken ziehen umher. In Herodonia, dem Land der Helden, dürfen Auspuffrohre nämlich so viel qualmen, wie sie wollen. Es gibt zwar ein Gesetz für gute Luft, doch die Regierung findet Autos wichtiger als Gesundheit. Deswegen laufen viele Fußgänger mit weißen Atemschutzmasken herum.
Abseits vom grellbunten Stadtzentrum sehen die Straßen völlig anders aus. Hier stehen keine schicken Wolkenkratzer, sondern uralte, baufällige Mietshäuser, bei denen es durchs Dach regnet und die Farbe von den Wänden blättert. Die Balkone bröckeln, und manche sind so locker, dass sie abbrechen, während man gerade schön gemütlich beim Frühstück sitzt! Dann müssen die Helden blitzschnell zur Stelle sein, um abstürzende Familien aufzufangen.
Die Gassen der heruntergekommenen Stadtteile sind eng und verwinkelt, deshalb wird es dort auch tagsüber nicht richtig hell. Und nachts funktioniert nur ungefähr jede fünfte Straßenlaterne.
Hier, in den dunkelsten Ecken der finstersten Gegenden, treiben die Schurken ihr Unwesen, denn Halunken mögen Dunkelheit!
Gerade war noch alles ruhig, doch kaum ist der letzte Glockenschlag von Big Bing verhallt, als ein unheimlicher Schatten auf eine rissige alte Mauer fällt … Ein leises, boshaftes Gekicher ist zu hören!
Zu wem gehört der Schatten?
Wer hat da so fies gekichert?
Mr. Dark! Der schlimmste Schattenschurke von Herodonia!
Und der Schatten auf der Mauer gehört zu niemandem, denn Mr. Dark hat keinen Körper, sondern besteht aus nichts als Dunkelheit und Elektrizität. Früher einmal hieß er Erwin Hitzfeld und war ein netter Landwirt. Bis er bei der Arbeit auf dem Acker vom Blitz getroffen wurde – an einem brütend heißen Sommertag! Die Sonne stand hoch am Himmel, und Erwins schwarzer Schatten fiel auf die Kartoffelpflanzen. Die Gewitterwolke war nur klein, aber hinterhältig. Lautlos schwebte sie heran und blieb genau über Erwin stehen. Und als er sich nach vorne beugte, traf ihn der Blitz, der seinen Schatten abtrennte wie mit einer scharfen Axt!
Erwins Körper zerfiel leider zu einer Handvoll Staub, den der Wind davontrug. Doch sein Schatten lebte weiter und wurde zu einem weltberühmten Schurken.
So entstand Mr. Dark.
Schattenschurken sind biegsam und können sich so dünn machen, dass sie überall hindurchpassen. Sie kriechen unter Türen in Zimmer hinein, sie schlüpfen in Schubladen und stöbern in Schränken. Und ganz besonders gerne dringen sie durch kleine Ritzen in Geldautomaten ein. Dann blasen sie sich dadrin so lange auf, bis der Automat explodiert. Und ehe die Polizei kommt, sind sie mit ihrer Beute längst über alle Berge.
Diesmal hat sich Mr. Dark einen Geldautomaten der Heldenbank Hero Cash ausgesucht. Aber als er gerade durch den Türspalt in den Automatenraum schlüpfen will, sieht er oben am Himmel einen hellen Punkt, der sich rasch nähert.
Mr. Dark stößt einen Fluch aus, denn er weiß genau, was dort fliegt – nämlich ein Schurkenjäger! Genauer gesagt: Superflashboy, der stärkste Kinderheld der Welt. In seinen Augen glüht ein Feuer, und aus seinen Armen schießen Blitze, die alle Bauern von Herodonia sekundenschnell in Schattenschurken verwandeln könnten! Aber wenn Mr. Dark von einem solchen Superblitz getroffen würde, wäre es um ihn geschehen. Superflashboys Blitz würde Mr. Darks Starkstrom aus der Gewitterwolke neutralisieren, und dann gäbe es keine Energie mehr, um seinen Schattenkörper zusammenzuhalten. Schon ein Windhauch würde genügen, um ihn in kleine Nebelfetzen zu zerreißen!
«Gib dich geschlagen, Mr. Dark!», ruft Superflashboy, als er zur Landung ansetzt. «Gleich ist es aus mit dir!»
Niemand weiß, dass dieser junge Held in Wirklichkeit gar nicht Superflashboy ist, sondern ein ganz normaler Junge, der ihm täuschend ähnlich sieht. Er heißt Torben-Henrik von Werthen und vertritt Superflashboy neuerdings, sooft es geht. Die beiden sind befreundet, und Flash hat überhaupt keine Lust, als Held zu arbeiten wie sein Vater. Er will lieber Musiker werden und auf der ganzen Welt Konzerte geben. Sport mag er nicht besonders, und früher hat er enge T-Shirts mit eingenähten Schaumstoffmuskeln getragen, um heldischer zu wirken. Aber inzwischen sind die falschen Muskeln im Müll gelandet. Soll doch jeder sehen, dass er dünne Stockärmchen hat, ist doch egal!
Torben dagegen liebt Sport und hat richtig echte Muckis. Und außerdem auch keine Flugangst, ideal für eine Heldenkarriere! Die Jetstiefel, die er von Flash geschenkt bekommen hat, katapultieren ihn raketenschnell ein paar hundert Meter in den Himmel! Da darf man sich nicht davor fürchten, wie ein Vogel auf die Welt hinabzublicken.
Kaum ist Torben in der finsteren Gasse gelandet, da kommt Mr. Darks Schattenarm schon um die nächste Ecke geschossen! Der Arm zieht sich auseinander wie schwarzes Kaugummi und wird dabei immer dünner. In Sekundenbruchteilen hat er sich um Torbens rechten Jetstiefel gewickelt, so fest wie eine Drahtschlinge.
Verdammt! Damit hat Torben nicht gerechnet. Einen Schattenschurken zu berühren, ist nicht gerade gesund. Seine dunkle Energie kann auf den eigenen Körper überspringen. Und wenn es Mr. Dark gelänge, mit seinem anderen Arm Torbens zweiten Fuß zu erwischen, würde sich ein Stromkreis schließen. Dann würde Mr. Darks gespeicherter Gewitterblitz einmal im Kreis durch Torbens Körper zucken, und er müsste auf der Stelle zu Staub zerbröseln. Keine angenehme Vorstellung.
Torben muss dringend etwas unternehmen! Hektisch haut er auf den Superflasher, der in seinem linken Ärmel steckt, aber leider kommt kein Blitz raus. Nach zehnmal Schuss ist nämlich Schluss. Und Torben vergisst leider meistens, nach Gebrauch des Superflashers für den nächsten Einsatz nachzuladen. «Torben-Henrik, du Schussel», sagt Mama immer. «Deine Schusseligkeit wird dich noch mal Kopf und Kragen kosten!» Das könnte jetzt der Fall sein, denn Mr. Darks zweiter Schattenarm nähert sich bereits und steuert dabei zielstrebig auf Torbens anderen Fuß zu!
Da fällt Torben zum Glück die Armbanduhr ein, die Papa ihm zum Geburtstag geschenkt hat! Die hat nämlich eine superhelle LED-Leuchte, eine Art Minitaschenlampe.
Torben drückt schnell auf den Knopf, und aus der Uhr schießt ein greller Lichtstrahl, der Mr. Darks Fußschlinge trifft. Es dampft und zischt, als das Licht sich in den dunklen Schattenkörper brennt.
Mr. Dark heult vor Schmerz auf, lässt Torben los und flüchtet in das gähnend schwarze Loch einer Toreinfahrt.
Aber ein wenig von der fiesen Schurkenenergie scheint trotzdem auf Torben übergesprungen zu sein. Jedenfalls merkt er, wie ihm im Kopf plötzlich ganz komisch wird. Ringsum beginnt sich alles zu drehen, und Sekunden später verliert er das Bewusstsein …
Als er die Augen aufschlägt, liegt er nicht mehr auf dem feuchten Straßenpflaster von Hero City, sondern in seinem Bett. Durchs Fenster fällt schummriges Dämmerlicht herein, und ein paar erste Sonnenstrahlen glimmen auf. Also muss es früh am Morgen sein.
Torben zuckt vor Schreck zusammen. Auf seiner Bettkante sitzt eine schattenhafte Gestalt! Aber zum Glück kein Schurke, sondern ein Mädchen mit dichten, schulterlangen Haaren.
«Ich bin’s, keine Angst.»
Hm, die Stimme kommt ihm irgendwie bekannt vor …
Torben knipst die Nachttischlampe an.
«Flowerboy?»
«Genau. Hallo, Torben-Henrik.»
Flowerboy hat wirklich schöne Haare. Und er ist leicht mit einem Mädchen zu verwechseln.
«Ich heiße nicht mehr Torben-Henrik, nur noch Torben», sagt Torben, dem sein Name viel zu lang war. Seine Eltern waren nicht gerade begeistert von der Umbenennung. Zwei Namen braucht man doch mindestens, finden sie. Aber immerhin gibt es ja noch seine kleine Schwester Anna-Lara, und die findet Doppelnamen gut.
«Gut, dann eben Torben», sagt Flowerboy.
«Und wo ist Mr. Dark?» Torben blickt sich ängstlich um.
Flowerboy lacht. «Wahrscheinlich in irgendeinem Loch in Hero City … Du hast wohl schlecht geträumt!»
Torben wirft einen Blick auf seinen rechten Fuß, aber der sieht ganz normal aus. Keine Spuren von dunkler Energie. «Puh, Gott sei Dank. Was machst du denn hier? Habt ihr heute schulfrei?»
Flowerboy nickt. «In Herodonia fangen die Ferien eine Woche früher an», erklärt er. Stimmt ja, jetzt fällt Torben auch wieder ein, dass Flash demnächst für längere Zeit verreisen wollte.
«Kungfuboy schickt mich», sagt Flowerboy mit ernster Miene. «Mehmet ist verschwunden!»
Wie bitte, was heißt denn verschwunden? Torben ist beunruhigt. Er und Mehmet gehen in dieselbe Klasse und sind allerbeste Freunde. Mehmet bewundert Torben, und Torben bewundert Mehmet. Und sie haben sich geschworen, den anderen auf jeden Fall zu retten, falls mal irgendetwas Schlimmes passieren sollte.
«Mann, Alter!», hat Mehmet gesagt. «Kennst du Snakeman, den Schlangenmann?» Mehmet liebt nämlich Comics. «Der hat fünf Köpfe, voll mit Giftzähnen! Wenn der dich entführen würde, würde ich ihm, kick, in einer halben Sekunde gegen seine fünf Mäuler treten, dann wärst du, zack, wieder frei!» Das glaubt Torben sofort, denn Mehmet ist der beste Kung-Fu-Kämpfer der Welt.
«Danke, Mehmet. Und wenn dein Balkon abbricht, würde ich mit meinen Helden-Jetstiefeln superschnell angeflogen kommen und dich auffangen, ehe du auf die Straße knallst!»
«Danke, Torben.»
Mehmet hat ebenfalls einen Doppelgänger in Herodonia, nämlich Kungfuboy, und Torben weiß, dass die beiden sich gestern zum ersten Mal getroffen haben.
Dass es im Land der Helden so viele Doppelgänger gibt, ist übrigens kein Zufall, denn Helden sind Kopien von Menschen. Wenn Heldeneltern sich ein Baby wünschen, bestellen sie es einfach online, im Kinderwunschkatalog von Herodonia. Dort sind unzählige Menschenkinder mit einer Kurzbeschreibung abgespeichert. Nach dem Anklicken wird der Gencode des Wunschkindes an die Kopierbehörde gesendet. Ein 3D-Drucker druckt das Baby aus, und der Babybote bringt es auf seinem Motorroller direkt an die Haustür, gut verpackt in einer Wärmebox wie eine ofenfrische Pizza.
«Kungfuboy schickt mich», sagt Flowerboy. «Mehmet ist wahrscheinlich entführt worden!»
Torben springt aus dem Bett und reißt die Tür vom Kleiderschrank auf. Wenn der beste Freund entführt wurde, muss die Schule leider warten!
In null Komma nichts hat er das Superflashboy-Kostüm an, das seine Eltern ihm zu Fasching geschenkt haben. Die schwarze Augenmaske sitzt perfekt. Das Muskelshirt ebenfalls. Und der rote Umhang hat weder Flecken noch Falten, weil Papa ihn gestern erst frisch gewaschen und gebügelt hat.
Flowerboy und Torben wollen gerade aus dem Fenster steigen, als die Tür aufgeht und Anna-Lara hereinkommt. Mist, natürlich mal wieder ohne anzuklopfen, obwohl Torben ihr schon hundertmal gesagt hat, dass sie das nicht darf. Aber da kann man sich den Mund fusselig reden, Anna-Lara macht einfach, was sie will!
«He!», ruft sie, als sie Flowerboy entdeckt, der Torben am Arm gepackt hat. «LASS SOFORT MEINEN BRUDER LOS, DU ALIEN!»
Anna-Lara glaubt nämlich an Außerirdische, die in Häuser einsteigen, um die Leute, die dort wohnen, zu entführen.
«WEHE, DU OPERIERST IHM DAS HIRN RAUS UND TUST EIN ANDERES REIN, WEHE!», brüllt Anna-Lara.
Flowerboy guckt ganz erschrocken, und Torben kriegt einen Lachanfall. Kleine Schwestern sind manchmal richtig witzig!
Wie ein Alien sieht Flowerboy nun wirklich nicht aus. Sein Haarschmuck ist ein Kranz aus Butterblumen, und seine selbstgenähten Heldenklamotten sind manchmal etwas bunt. Im Moment trägt er ein rot-gelb gestreiftes T-Shirt und eine grüne Cordhose, die nach unten immer breiter wird. Zwar nicht gerade angesagt, aber auch nicht außerirdisch. Vielleicht hält Anna-Lara ihn ja wegen der Kaktuskanone für einen Alien? Die Kaktuskanone hängt an einem Gurt über Flowerboys Schulter und ist seine Lieblingswaffe. Sie feuert drei Kakteen pro Sekunde und hat ein Magazin mit hundert Schuss. Jeder Kaktus wird vorher zu Hause in der Unterdruck-Mikrowelle auf Apfelkerngröße geschrumpft und dehnt sich im Moment des Schusses dann wieder auf Normalgröße aus.
«Das ist Flowerboy, ein Freund aus Hero City», erklärt Torben. «Wir müssen wirklich dringend weg, Anna-Lara. Verrat Mama und Papa nicht, dass ich in Herodonia bin, okay? Ich komm so schnell wie möglich wieder zurück.»
«Dein komisches Heldenland gibt es sowieso nicht!», motzt Anna-Lara. «Du lügst doch! Sag mir, wo du wirklich hingehst!»
«Irrtum, das Heldenland gibt es auf jeden Fall», stellt Torben klar. «Aber dafür keine Außerirdischen!»
«Das stimmt aber nicht, Torben», mischt sich Flowerboy ein. «Natürlich gibt es Außerirdische. Supermans Tante zum Beispiel. Die wohnt auf Neu-Krypton …»
«Ha!», ruft Anna-Lara. «Siehst du?»
Torben ist nicht gerade begeistert davon, dass Anna-Lara recht hat. Flowerboy erzählt sicher keinen Unsinn, dafür ist er viel zu ehrlich.
«Na gut, dann gibt es eben beides. Aber ich muss jetzt wirklich los, Anna-Lara. Mama und Papa sollen sich keine Sorgen machen. Ich bin bald wieder da.»
Und dann steigen er und Flowerboy schnell durchs Fenster und rennen durch den Vorgarten bis zum Mülltonnenhäuschen, wo Flowerboys Fahrrad parkt.
Von der Waldsiedlung, wo Torben wohnt, ist es praktischerweise gar nicht weit bis zum nächsten Verbindungstunnel nach Hero City. Man muss nur rechts in die Kastanienallee einbiegen, die direkt zu einer Querstraße führt. Dort gibt es eine lange, alte Mauer mit tollen gemalten und gesprühten Bildern. Das beste ist eine dunkle, hufeisenförmige Tunneleinfahrt, die links und rechts von Superman und Batman bewacht wird. Die beiden sehen fast wie lebendig aus – sind sie aber nicht. Die Tunneleinfahrt ist allerdings tatsächlich echt, obwohl man denkt, sie sei gemalt. Tagsüber sieht man weit hinten am Ende des Tunnels helles Licht – dort beginnt Herodonia.
Flowerboys Fahrrad ist eigentlich ein Dreirad und ähnelt einer indischen Rikscha. Torben darf hinten auf dem Fahrgastsitz Platz nehmen, und Flowerboy strampelt los. Man merkt, dass er Blumen wirklich gerne mag, denn vorne am Lenker hängt ein kleiner Blumenkasten mit Stiefmütterchen, und links und rechts von Torben sind außen über den beiden Hinterrädern zwei schmale Kästen mit Balkonblumen angebracht.
Die Leute auf der Straße gucken ziemlich verdutzt, als im Morgengrauen ein Blumen-Dreirad vorbeirollt, auf dem hinten ein Held mit Augenmaske und Umhang sitzt und vorne ein langhaariger Junge in knallbunten Klamotten.
«He, ihr zwei! Fasching ist vorbei!», brüllt ein Fahrer aus seinem Wagenfenster, als sie an einer roten Ampel halten.
Flowerboy fährt ziemlich flott. Er tritt kräftig in die Pedale, und es dauert nicht mal eine halbe Stunde, bis sie durch den Tunnel durch sind und die Wolkenkratzer von Hero City sehen.
Die Flowers wohnen ziemlich weit draußen, in einem kleinen Haus mit großem Garten. Flowerman steht gerade auf dem Rasen und wässert mit dem Schlauch die Beete. Und ab und zu hebt er den linken Arm und schießt aus seinen Fingern Pflanzensamen. Wo sie hinfallen, wachsen in Sekundenschnelle Blumen, Sträucher oder sogar hohe Bäume! Wenn Schurken vor ihm weglaufen wollen, lässt Flowerman einfach blitzschnell Tannenbäume wachsen, die so dicht nebeneinanderstehen, dass man nicht vorbeikommt. Oder meterhohe unüberwindbare Dornenhecken. Dann setzen sich die Schurken hinter ihrer Hecke fluchend auf den Boden und müssen wie Dornröschen warten, bis Flowerman sie holen kommt.
Torben merkt sofort, dass Flowerboys Vater ein ganz besonders netter Held ist. Er winkt und lacht, als die Rikscha vor der Gartenpforte hält.
«Hallo!», ruft er und schickt einen feinen Sprühnebel aus dem Schlauch zu ihnen herüber. Sein Bauch ist dicker als bei anderen Helden, und Blumen scheint er genauso gern zu mögen wie sein Sohn – auf seinem Kopf sitzt ein Kranz aus Sonnenblumenblüten.
«Hallo, Papa!», ruft Flowerboy. «Ist Kungfuboy wieder da?»
«Der ist in deinem Zimmer und wartet auf dich», sagt Flowerman.
Kungfuboy qualmt mal wieder fast vor Wut, als sie ins Zimmer kommen. Er sieht wirklich genauso aus wie Mehmet, aber trotzdem ist Torben sofort klar, dass es nicht Mehmet sein kann, weil Kungfuboy sich einfach ganz anders benimmt: Wenn Mehmet wütend ist, dann wird er still und grübelt vor sich hin. Kungfuboy dagegen regt sich auf. In der Kopierbehörde schleichen sich beim Kinderkopieren regelmäßig kleine Fehler ein – deswegen gibt es zwischen Menschen und ihren heldischen Doppelgängern immer irgendwelche Unterschiede.
«MANN, ISCH EXPLODIER GLEISCH!», ruft Kungfuboy, der auch anders spricht als Mehmet.
«Aber bitte nicht in meinem Zimmer», sagt Flowerboy.
«Erinnerst du dich an unseren Entspannungskurs?», fragt Torben. Der Kursus Finde deine Mitte mit Chi-Ging-Lang-Lang-Lü-Dü bei Frau Om hat Torben sehr geholfen. Auf das richtige Atmen kommt es an! «Na los, Kungfuboy, du kannst es! Bei drei! Eins, zwei, drei.»
Kungfuboy atmet erst einmal gaaanz laaangsam: püüüüüüüüüüf. Danach stoßweise: püff-püff-püff. Und zum Schluss noch einmal kurz: püff.
Danach geht es ihm schon etwas besser.