Tarzan – Band 5 – Der Schatz von Opar - Edgar Rice Burroughs - E-Book

Tarzan – Band 5 – Der Schatz von Opar E-Book

Edgar Rice Burroughs

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Beschreibung

Tarzan kehrt nach Opar zurück, wo sich eine verlorene Kolonie des sagenumwobenen Atlantis befinden soll. Während Atlantis selbst vor Tausenden von Jahren in den Fluten versank, bauten die Menschen von Opar weiterhin das Gold ab. Aber nur Tarzan weiß um den wahren Standort des Goldschatzes Natürlich weckt ein solcher Schatz die Gier der zwielichtigsten Gestalten. Ein desertierter belgischer Armeeoffizier, Albert Werper, der im Dienste eines kriminellen Arabers steht, folgt Tarzan heimlich nach Opar. Dort verliert Tarzan durch einen Unfall sein Gedächtnis. Die Orthografie wurde der heutigen Schreibweise behutsam angeglichen. Null Papier Verlag

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Edgar Rice Burroughs

Tarzan

Band 5 – Der Schatz von Opar

Edgar Rice Burroughs

Tarzan

Band 5 – Der Schatz von Opar

(Tarzan and the Jewels of Opar)Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2021Übersetzung: Tony Kellen, J. Schulze EV: Pegasus Verlag, Wetzlar, 1952 (224 S.) 1. Auflage, ISBN 978-3-962818-10-4

null-papier.de/704

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Bel­gier und Ara­ber

Auf dem Wege nach Opar

Der Ruf des Dschun­gels

Pro­phe­zei­ung und Er­fül­lung

Der Al­tar des Feu­er­got­tes

Der Über­fall der Ara­ber

Der Edel­stein­hort von Opar

Das Ent­kom­men aus Opar

Der Dieb­stahl der Edel­stei­ne

Achmed Zek er­blickt die Ju­we­len

Tar­zan wird wie­der zum Tier

La sucht sich zu rä­chen

Der Kampf mit Feu­er, Son­nen­an­be­tern und ra­sen­dem Ele­fan­ten

Trotz Pries­ter­amt noch Weib

Der abes­si­nische Jagd­trupp

Tar­zan führt wie­der die großen Af­fen

Zehn Tra­g­las­ten Gold

Der Kampf um die Gold­bar­ren

Jane un­ter Raub­tie­ren

Jane ist wie­der Ge­fan­ge­ne

Die Flucht in den Dschun­gel

Tar­zan fin­det sein Ge­dächt­nis wie­der

Der Lö­wen­an­griff

Da­heim

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie sich für ein E-Book aus mei­nem Ver­lag ent­schie­den ha­ben.

Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

Ihr

Tar­zan bei Null Pa­pier

Tar­zan – Band 1 – Tar­zan und die wei­ße Frau

Tar­zan – Band 2 – Tar­zans Rück­kehr

Tar­zan – Band 3 – Tar­zans Tie­re

Tar­zan – Band 4 – Tar­zans Sohn

Tar­zan – Band 5 – Der Schatz von Opar

Tar­zan – Band 6 – Tar­zans Dschun­gel­ge­schich­ten

Belgier und Araber

Nur dem gu­ten Na­men, wel­chen er ent­ehr­te, hat­te es Leut­nant Al­bert Wer­per zu ver­dan­ken, dass er nicht schimpf­lich aus dem Diens­te ge­sto­ßen wur­de. Als man ihn nach dem gott­ver­las­se­nen Pos­ten am Kon­go ver­setzt hat­te, statt ihn vor ein Kriegs­ge­richt zu stel­len, wie er es ei­gent­lich ver­dient ge­habt hät­te, war er in sei­ner da­ma­li­gen, ge­knick­ten Stim­mung da­für dank­bar ge­we­sen. Aber sechs Mo­na­te der Lan­ge­wei­le in der furcht­ba­ren Ein­öde und Ver­las­sen­heit hat­ten sei­ne Ge­füh­le ge­än­dert.

Der jun­ge Mensch brü­te­te be­stän­dig über sei­nem Ge­schick. Dass er die Tage mit krank­haf­tem Be­kla­gen sei­nes Lo­ses hin­brach­te, schuf all­mäh­lich in sei­nem cha­rak­ter­schwa­chen Ge­hir­ne Hass ge­gen eben die Leu­te, wel­che ihn her­ge­sandt hat­ten, ob­gleich er ih­nen erst in­ner­lich so dank­bar ge­we­sen war, dass sie ihn vor schimpf­li­cher De­gra­die­rung ge­ret­tet hat­ten.

Er be­klag­te den Ver­lust sei­nes lus­ti­gen Brüs­se­ler Le­bens, aber nie die Ver­feh­lun­gen, wel­che ihn aus je­ner le­bens­fro­he­s­ten al­ler Groß­städ­te hin­weg­ge­ris­sen hat­ten, und mit der Zeit fass­te er so­gar einen im­mer wach­sen­den Hass ge­gen den im Kon­go an­we­sen­den Ver­tre­ter je­ner Be­hör­de, die ihn ver­bannt hat­te – ge­gen sei­nen nächs­ten Vor­ge­setz­ten, den Haupt­mann.

Be­sag­ter Of­fi­zier war ein kal­ter, schweig­sa­mer Mensch, der sei­nen un­mit­tel­ba­ren Un­ter­ge­be­nen we­nig Zu­nei­gung ein­flö­ßte, ob­gleich ihn die schwar­zen Sol­da­ten sei­nes klei­nen Kom­man­dos ver­ehr­ten, wenn auch fürch­te­ten.

Wenn die bei­den auf der Ve­ran­da ih­res ge­mein­sa­men Quar­tiers sa­ßen, stier­te Wer­per ge­wöhn­lich stun­den­lang sei­nen Vor­ge­setz­ten an, wäh­rend sie ihre Zi­ga­ret­ten rauch­ten, ohne dass ei­ner von bei­den Lust zu ha­ben schi­en, das Schwei­gen zu bre­chen.

Der sinn­lo­se Hass des Leut­nants wuchs sich end­lich zu ei­ner Art Ver­fol­gungs­wahn aus. Des Haupt­manns an­ge­bo­re­ne Schweig­sam­keit wur­de in Wer­pers Emp­fin­den zum ge­such­ten Be­stre­ben, ihn we­gen sei­ner ver­gan­ge­nen Ent­glei­sung zu de­mü­ti­gen. Er bil­de­te sich ein, dass ihn sein Vor­ge­setz­ter ver­ach­te und sta­chel­te sich selbst in­ner­lich so lan­ge auf, bis sei­ne Narr­heit ei­nes Abends plötz­lich mord­lus­tig wur­de.

Sei­ne Fin­ger such­ten den Griff des Re­vol­vers in der Hüf­ten­ta­sche, sei­ne Au­gen­brau­en zo­gen sich zu­sam­men, und schließ­lich sprang er auf und schrie:

Jetzt ha­ben Sie mich die längs­te Zeit be­lei­digt! Ich bin ein Ehren­mann und las­se mir das nicht län­ger ge­fal­len, ohne Re­chen­schaft zu for­dern! Du ver­damm­ter Kerl!!

Der Haupt­mann dreh­te sich über­rascht nach sei­nem Leut­nant um. Da er schon öf­ter Leu­te mit dem Tro­pen­kol­ler ge­se­hen hat­te – eine Ge­hirn­er­kran­kung, wel­che durch Ein­sam­keit, lan­ges Grü­beln, viel­leicht auch durch Fie­ber­an­fäl­le ent­steht – er­hob er sich, woll­te dem an­de­ren be­ru­hi­gend die Hand auf die Schul­ter le­gen und ihm güt­lich zu­re­den, aber er kam nicht mehr dazu. Wer­per leg­te die Be­we­gung sei­nes Vor­ge­setz­ten als Ver­such aus, ihn an­zu­fas­sen. Er ziel­te mit dem Re­vol­ver nach des Haupt­manns Herz und, als die­ser einen Schritt mach­te, drück­te er ab.

Ohne einen Laut von sich zu ge­ben, sank der Ge­trof­fe­ne auf die ro­hen Die­len der Ve­ran­da und mit sei­nem Fall ver­zog sich der Ne­bel, wel­cher das Ge­hirn des un­glück­li­chen Wer­per um­hüllt hat­te. Er sah, was er an­ge­rich­tet hat­te, und sah sei­ne Tat im glei­chen Lich­te, in dem sie sei­nen künf­ti­gen Rich­tern er­schei­nen muss­te.

Aus der Un­ter­kunft der Mann­schaf­ten ver­nahm er er­reg­te Rufe und hör­te, wie Leu­te auf ihn zu­rann­ten. Sie wür­den ihn er­grei­fen, und selbst wenn sie ihn nicht gleich um­brach­ten, wür­den sie ihn den Kon­go hin­un­ter­brin­gen, wo das Kriegs­ge­richt das eben­so gründ­lich, wenn auch et­was form­ge­rech­ter be­sor­gen wür­de.

Wer­per hat­te kei­ne Lust zu ster­ben. Nie hat­te er sich so nach dem Le­ben ge­sehnt als jetzt, da er das sei­ne gründ­lich ver­wirkt hat­te.

Die Leu­te ka­men ge­lau­fen. Was tun? Er sah sich nach ir­gend­ei­ner Tat­sa­che um, die sein Ver­bre­chen be­rech­tigt er­schei­nen las­sen könn­te, aber er sah nur die Lei­che des grund­los er­schos­se­nen Man­nes.

Verzwei­felt vor den her­an­na­hen­den Sol­da­ten flie­hend, rann­te er quer über das Kam­pong, das Wohn­la­ger, im­mer noch mit dem Re­vol­ver in der Hand, aber der Wacht­pos­ten am Tore rief ihn an. Wer­per hielt sich nicht mit Re­den auf, noch war­te­te er ab, ob ihm sein Dienst­grad vor­bei­hel­fen wür­de; er hob die Waf­fe und schoss den ar­men Schwar­zen nie­der. In ei­nem Au­gen­blick riss er Ge­wehr und Pa­tro­nen­gurt des ge­tö­te­ten Wacht­pos­tens an sich, stieß das Tor auf und ver­schwand in den fins­te­ren Dschun­gel.

Wer­per floh die gan­ze Nacht, wei­ter, im­mer wei­ter in das Herz der Wild­nis. Dann und wann brach­te ihn das Brül­len ei­nes Lö­wen zu ei­nem kur­z­en Lau­schen; aber er fürch­te­te die mensch­li­chen Ver­fol­ger mehr als die Raub­tie­re vor sich und mit schuss­be­reit ge­hal­te­nem Ge­wehr hetz­te er wie­der vor­wärts.

Die Däm­me­rung kam her­auf, aber im­mer noch quäl­te sich der Mann für­bass. Die Angst vor Fest­nah­me ver­scheuch­te Hun­ger und Mü­dig­keit. Er konn­te nur an Flucht den­ken. Ehe er nicht vor wei­te­rer Ver­fol­gung si­cher war, wag­te er nicht zum Ru­hen oder zum Es­sen zu ras­ten, und so stol­per­te er vor­wärts, bis er end­lich fiel und das Auf­ste­hen ver­gaß. Er wuss­te nicht, wie weit er ge­kom­men war und mach­te sich kei­ne Ge­dan­ken mehr dar­über. Eine Ohn­macht in­fol­ge äu­ßers­ter Er­schöp­fung ver­barg ihm die Er­kennt­nis, dass er am Ende sei­ner Kräf­te und sei­ner Flucht an­ge­langt sei.

So fand ihn der Ara­ber Achmed Zek. Achmeds Leu­te wa­ren da­für, ih­rem Erb­feind ein­fach einen Speer durch den Leib zu trei­ben, aber er hat­te an­de­re Ge­dan­ken. Er wünsch­te den Bel­gier zu be­fra­gen, und es war leich­ter, den Mann erst aus­zu­fra­gen und dann zu tö­ten als um­ge­kehrt.

Er ließ da­her den Leut­nant Al­bert Wer­per in sein ei­ge­nes Zelt brin­gen, wo sei­ne Skla­ven dem Ge­fan­ge­nen so lan­ge Palm­wein und fes­te Nah­rung in klei­nen Men­gen ein­ga­ben, bis er wie­der zu sich kam. Als er end­lich die Au­gen auf­schlug, sah er schwar­ze Ge­sich­ter um sich und einen Ara­ber im Zelt­ein­gang ste­hen, aber nir­gends war eine Uni­form sei­ner Sol­da­ten.

Der Ara­ber dreh­te sich um und trat ins Zelt, als er in die ge­öff­ne­ten Au­gen des Ge­fan­ge­nen blick­te:

Ich bin Achmed Zek, be­lehr­te er ihn. Wer bist du und was bringt dich in mein Ge­biet? Wo sind dei­ne Sol­da­ten?

Achmed Zek! Wer­per riss die Au­gen weit auf und fühl­te sei­nen Mut sin­ken. Er war in den Kral­len des be­rüch­tig­ten Ban­di­ten, wel­cher alle Eu­ro­pä­er und be­son­ders sol­che in bel­gi­scher Uni­form hass­te. Seit Jah­ren führ­te die Mi­li­tär­macht von Bel­gisch-Kon­go einen er­folg­lo­sen Krieg ge­gen die­sen Mann und sei­ne Spieß­ge­sel­len, einen Krieg, in wel­chem von kei­ner Sei­te Par­don ge­ge­ben oder auch nur um Gna­de ge­be­ten wur­de.

Und doch, ge­ra­de in dem Hass die­ses Man­nes ge­gen al­les, was bel­gisch war, er­blick­te Wer­per für sich einen Hoff­nungs­schim­mer. Auch er war ja ein Aus­ge­sto­ße­ner, ein Ver­bre­cher. In­so­weit we­nigs­tens hat­ten sie ge­mein­sa­me In­ter­es­sen, und Wer­per war so­fort ent­schlos­sen, die­se Tat­sa­che bis zum Äu­ßers­ten aus­zunüt­zen.

Ich habe von dir ge­hört, er­wi­der­te er, und ich such­te nach dir. Mei­ne Lands­leu­te ha­ben sich wi­der mich ge­kehrt. Ich has­se sie. Eben jetzt su­chen ihre Sol­da­ten nach mir, um mich zu tö­ten. Ich weiß, dass du mich vor ih­nen schüt­zen wirst, denn auch du has­sest sie. Ich bin ein tüch­ti­ger Sol­dat, ich weiß zu kämp­fen und dei­ne Fein­de sei­en mei­ne Fein­de!

Achmed Zek be­trach­te­te schwei­gend den Eu­ro­pä­er. Er über­leg­te hin und her und war im In­ne­ren, über­zeugt, dass die­ser Ungläu­bi­ge log. Im­mer­hin war es mög­lich, dass er doch nicht log, und wenn er wirk­lich die Wahr­heit ge­spro­chen hat­te, war sein Vor­schlag wohl der Be­trach­tung wert, denn streit­ba­re Män­ner konn­te man nie ge­nug be­kom­men, be­son­ders nicht Wei­ße mit der Schu­lung und Er­fah­rung, wel­che ein eu­ro­päi­scher Of­fi­zier in mi­li­tä­ri­scher Be­zie­hung not­wen­dig be­sitzt.

Achmed Zek mach­te ein fins­te­res Ge­sicht, und Wer­per be­kam es be­reits mit der Angst zu tun. Aber er kann­te eben Achmed Zek nicht, der im­mer da, wo an­de­re Leu­te lä­chel­ten, fins­ter blick­te und da lä­chel­te, wo an­de­re mit Bli­cken droh­ten.

Wenn du mich be­lo­gen hast, sag­te er, kann ich dich je­der­zeit tö­ten. Wel­chen wei­te­ren Lohn au­ßer dei­nem Le­ben ver­langst du für dei­ne Diens­te?

Vo­rerst nur dei­nen Schutz, er­wi­der­te Wer­per. Spä­ter, wenn ich dir mehr wert bin, kön­nen wir wie­der dar­über re­den. Wer­per hat­te ja im Au­gen­blick nur den Wunsch, sein Le­ben zu ret­ten. So ei­nig­ten sie sich zu­nächst, und Leut­nant Al­bert Wer­per ward Mit­glied ei­ner Ban­de von El­fen­bein- und Skla­ven­jä­gern un­ter dem be­rüch­tig­ten Achmed Zek.

Mo­na­te ritt der ab­trün­ni­ge Bel­gier mit den wil­den Ker­len. Er focht mit wil­der Hin­ga­be. Achmed Zek über­wach­te sei­nen Re­kru­ten mit Ad­lerau­gen und sich stei­gern­der Ge­nug­tu­ung, die schließ­lich in hö­he­rem Ver­trau­en zum Aus­druck kam und da­hin führ­te, dass Wer­per grö­ße­re Hand­lungs­frei­heit be­kam.

Achmed Zek zog den Bel­gier in ho­hem Maße in sein Ver­trau­en und ent­hüll­te ihm end­lich einen lan­ge ge­heg­ten Lieb­lings­plan, zu des­sen Aus­füh­rung sich aber nie eine Ge­le­gen­heit ge­bo­ten hat­te. Mit Hil­fe ei­nes Wei­ßen wür­de sich die Sa­che in­des­sen leicht er­mög­li­chen las­sen. Nun fühl­te er bei Wer­per vor:

Hast du von ei­nem Man­ne ge­hört, den die Leu­te Tar­zan nen­nen? frag­te er.

Wer­per nick­te. Ich hör­te von ihm, aber ich ken­ne ihn nicht.

Wenn er nicht wäre, be­gann der Ara­ber wie­der, könn­ten wir un­ser »Ge­schäft« in Si­cher­heit und mit ho­hem Ge­winn be­trei­ben. Aber er be­kämpft uns seit Jah­ren, ver­treibt uns aus den bes­ten Land­stri­chen, be­un­ru­higt uns und be­waff­net die Ein­ge­bo­re­nen, da­mit sie uns zu­rück­schla­gen kön­nen, wenn wir in un­se­ren »Ge­schäf­ten« kom­men. Nun ist er sehr reich. Könn­ten wir ihn da­her ir­gend­wie zwin­gen, uns vie­le Gold­stücke zu zah­len, so wür­den wir uns nicht al­lein an ihm rä­chen, wir wür­den uns auch an ihm für al­les das be­zahlt ma­chen, was wir an den Schwar­zen un­ter sei­nem Schut­ze nicht ver­die­nen konn­ten.

Wer­per nahm eine Zi­ga­ret­te aus sei­ner bril­lan­ten­ge­schmück­ten Dose und zün­de­te sie an.

Hast du einen Plan, der ihn zum Zah­len bringt? frag­te er. Er hat ein Weib, er­wi­der­te Achmed Zek. Die Leu­te sa­gen, sie sei sehr schön. Wei­ter dro­ben im Nor­den wür­de sie uns ein schö­nes Stück Geld brin­gen, falls es zu schwie­rig ist, von die­sem Tar­zan Lö­se­geld zu er­hal­ten.

Wer­per ließ ge­dan­ken­voll den Kopf sin­ken, wäh­rend Achmed Zek vor ihm stand und auf sei­ne Ent­geg­nung war­te­te. Das Gute, wel­ches noch in Al­bert Wer­per ge­blie­ben war, em­pör­te sich bei dem Ge­dan­ken, eine wei­ße Frau in die Skla­ve­rei und Ent­wür­di­gung ei­nes mos­le­mi­ti­schen Ha­rems zu ver­scha­chern. Aber als er auf­sah und in die zu­sam­men­ge­knif­fe­nen Au­gen des Ara­bers blick­te, da wuss­te er, dass der an­de­re sei­ne Ab­nei­gung ge­gen die­sen Plan her­aus­fühl­te. Was hat­te er, Wer­per, da­von, wenn er sich wei­ger­te? Sein Le­ben hat­te die­ser Halb­wil­de in der Hand, dem stand das Le­ben ei­nes Ungläu­bi­gen kaum so hoch wie das ei­nes Hun­des. Und Wer­per hing am Le­ben. Was galt ihm über­haupt die­ses Weib! Als Wei­ße war sie zwei­fel­los ein Mit­glied der zi­vi­li­sier­ten Ge­sell­schaft, er aber war ein Aus­ge­sto­ße­ner. Je­des Wei­ßen Hand war ge­gen ihn er­ho­ben. Sie war also sei­ne na­tür­li­che Fein­din. Wenn er sich wei­ger­te, die Hand zu ih­rer Ent­füh­rung zu bie­ten, wür­de ihn Achmed Zek ein­fach tö­ten las­sen.

Du zö­gerst, mur­mel­te der Ara­ber.

Ich er­wog nur die Wahr­schein­lich­keit ei­nes Er­fol­ges, log Wer­per. Und mei­ne Be­loh­nung? Ich als Eu­ro­pä­er kann leicht Zu­tritt zu ih­rem Heim fin­den und Ein­blick in ihre Le­bens­ge­wohn­hei­ten be­kom­men. Du hast kei­nen an­de­ren, der so viel tun kann. Aber das Wa­g­nis ist groß. Ich müss­te also gut be­zahlt wer­den, Achmed Zek!

Ein be­ru­hig­tes Lä­cheln glitt über das Ge­sicht des Räu­bers.

Wohl ge­spro­chen, Wer­per, sag­te Achmed Zek und klopf­te sei­nem Leut­nant auf die Schul­ter. Du ver­dienst gute Be­zah­lung und du sollst sie ha­ben. Komm, las­se uns zu­sam­men einen Plan ent­wer­fen, wie wir das Un­ter­neh­men am bes­ten durch­füh­ren.

Die gan­ze Nacht hock­ten die zwei Män­ner mit­ein­an­der in lei­ser Un­ter­hal­tung in Achmeds ver­schos­se­nem, einst so präch­ti­gem Sei­den­zelt. Sie wa­ren bei­de groß und bär­tig, und Son­ne und Wind hat­ten dem Ge­sicht des Eu­ro­pä­ers ein fast ara­bi­sches Aus­se­hen ver­lie­hen. Da die­ser au­ßer­dem bis ins kleins­te in der Be­klei­dung die Tracht sei­nes Füh­rers nach­ahm­te, war er äu­ßer­lich ein eben­so ech­ter Ara­ber wie der an­de­re. Als er sich end­lich er­hob, um in sein Zelt zu ge­hen, war es spät ge­wor­den.

Wer­per sah den gan­zen fol­gen­den Tag sei­ne alte bel­gi­sche Uni­form nach und ent­fern­te jede Klei­nig­keit an ihr, wel­che die frü­he­re mi­li­tä­ri­sche Be­stim­mung hät­te ver­ra­ten kön­nen.

Achmed Zek sei­ner­seits such­te un­ter ei­nem kun­ter­bun­ten Hau­fen von Beu­te einen Kork­helm und einen eu­ro­päi­schen Sat­tel her­aus. Dann stell­te er aus ei­ni­gen sei­ner schwar­zen Skla­ven und Ge­folgs­man­nen eine Ab­tei­lung von Trä­gern, Asa­kern und Die­nern auf, so­dass sie eine be­schei­de­ne Sa­fa­ri wie für einen Jagd­zug auf schwe­res Hoch­wild bil­de­te. An der Spit­ze die­ser Jagd­trup­pe brach Wer­per aus dem La­ger auf.

Auf dem Wege nach Opar

Zwei Wo­chen spä­ter, als er ge­ra­de auf dem Heim­ritt von ei­ner Be­sich­ti­gungs­rei­se über sei­ne weit­läu­fi­gen afri­ka­ni­schen Be­sit­zun­gen war, er­blick­te John Clay­ton, Lord Grey­sto­ke, die Spit­ze ei­ner Ka­ra­wa­ne, wel­che die Ebe­ne über­schritt, die zwi­schen sei­nem Bun­ga­low, sei­ner Dschun­gel­be­hau­sung, und dem Wal­de im Nor­den und Wes­ten lag.

Er zü­gel­te sein Pferd und be­wach­te die klei­ne Trup­pe bei ih­rem Auftau­chen aus ei­nem sie ver­ber­gen­den Stück Tief­land. Als sei­ne schar­fen Au­gen die Son­ne auf dem wei­ßen Helm ei­nes Rei­ters leuch­ten sa­hen, war er über­zeugt, dass ein wan­dern­der eu­ro­päi­scher Jä­ger sei­ne Gast­freund­schaft su­che, und lenk­te lang­sam sein Reit­tier dort­hin, um den An­kömm­ling zu be­grü­ßen.

Eine hal­be Stun­de dar­auf stieg er die Stu­fen zur Ve­ran­da sei­nes Bun­ga­lows hin­an und stell­te der Lady Grey­sto­ke einen Mon­sieur Ju­les Fre­coult vor.

Ich habe mich voll­stän­dig ver­irrt, er­zähl­te M. Fre­coult. Der Häupt­ling mei­ner Trä­ger war noch nie in die­sem Land­strich und die Füh­rer, wel­che mich vom letz­ten Dor­fe her be­glei­ten soll­ten, wuss­ten noch we­ni­ger von der Ge­gend als wir selbst. Vor zwei Ta­gen sind sie mir schließ­lich weg­ge­lau­fen und ich bin froh, dass die Vor­se­hung Sie zu mei­ner Hil­fe hin­ge­führt hat. Ich weiß wirk­lich nicht, was ich hät­te an­fan­gen sol­len, wenn ich Sie nicht ge­fun­den hät­te.

Es wur­de nun aus­ge­macht, dass Fre­coult und sei­ne Leu­te ei­ni­ge Tage blei­ben soll­ten, bis sie sich völ­lig aus­ge­ruht hät­ten, dann woll­te Lord Grey­sto­ke ih­nen Füh­rer be­sor­gen und sie si­cher bis in eine Ge­gend brin­gen las­sen, in der sich Fre­coults Häupt­ling wie­der aus­kann­te.

In sei­ner Ver­klei­dung als Fran­zo­se aus gu­ten Krei­sen, der sei­nem Ver­gnü­gen leb­te, fand es Wer­per leicht, sei­nen Wirt zu täu­schen und sich bei Tar­zan und sei­ner Frau be­liebt zu ma­chen. Aber je län­ger er blieb, de­sto we­ni­ger Hoff­nung mach­te er sich auf eine leich­te Durch­füh­rung sei­nes Pla­nes.

Al­lein ritt Lady Grey­sto­ke nie­mals weit vom Bun­ga­low fort und die wil­de Er­ge­ben­heit der trot­zi­gen Wa­zi­ri­krie­ger, wel­che einen großen Teil von Tar­zans Ge­fol­ge bil­de­ten, mach­te schon den Ver­such ei­ner ge­walt­sa­men Ent­füh­rung un­mög­lich. An et­wai­ge Be­ste­chung der Wa­zi­ri war gar nicht zu den­ken.

Eine Wo­che ver­ging, und Wer­per sah sich nach ei­ge­nem Ein­ge­ständ­nis sei­nem Zie­le nicht nä­her als bei der An­kunft. Aber zu die­sem Zeit­punk­te gab ihm ein Vor­fall er­neu­te Hoff­nung und ließ ihn so­gar an noch grö­ße­ren Ge­winn als nur an das Lö­se­geld für die Frau den­ken.

Ein Bote mit der wö­chent­lich an­kom­men­den Post traf im Bun­ga­low ein, und Lord Grey­sto­ke ver­brach­te den Nach­mit­tag in sei­nem Ar­beits­zim­mer mit Le­sen und Brief­schrei­ben. Beim Abendes­sen schi­en er zer­streut und zog sich früh­zei­tig mit ei­ner Ent­schul­di­gung zu­rück. Lady Grey­sto­ke folg­te ihm bald nach.

Wer­per saß auf der Ve­ran­da al­lein und konn­te an ih­ren Stim­men hö­ren, dass sie in er­reg­ter Dis­kus­si­on wa­ren. Er dach­te sich, dass et­was Au­ßer­ge­wöhn­li­ches los sei, des­halb er­hob er sich und schlich im Schat­ten der üp­pig das Bun­ga­low um­wu­chern­den Sträu­cher un­ter das Schlaf­zim­mer­fens­ter sei­ner Gast­ge­ber.

Er lausch­te nicht ohne Er­folg, denn schon die ers­ten er­hasch­ten Wor­te füll­ten ihn mit Er­re­gung. Als Wer­per in Hör­wei­te kam, war ge­ra­de Lady Grey­sto­ke am Spre­chen:

Ich hat­te im­mer mei­ne Be­den­ken hin­sicht­lich der Zu­ver­läs­sig­keit je­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft, hör­te er sie sa­gen, aber ich kann mir nicht vor­stel­len, dass sie mit ei­ner solch enor­men Schuld in Kon­kurs ge­ra­ten sein soll! – es müss­te denn ge­ra­de sein, dass un­sau­be­re Ma­chen­schaf­ten vor­lie­gen.

Das ver­mu­te ich auch, er­wi­der­te Tar­zan, aber wie die Sa­che auch sein mag, Tat­sa­che ist, dass ich all mein Geld ver­lo­ren habe, und es bleibt mir nichts wei­ter üb­rig, als nach Opar zu ge­hen und neu­es zu ho­len. Oh, John! rief Lady Grey­sto­ke, und Wer­per merk­te an ih­rer Stim­me, wie sie schau­der­te, gibt es kei­nen an­de­ren Weg? Ich kann den Ge­dan­ken nicht er­tra­gen, dass du noch ein­mal nach je­ner schreck­li­chen Stadt willst. Lie­ber möch­te ich in Ar­mut wei­ter­le­ben, als dass du dich in die grau­en­vol­len Ge­fah­ren von Opar wagst.

Du brauchst kei­ne Angst zu ha­ben, er­wi­der­te Tar­zan la­chend. Ich kann ganz gut auf mich auf­pas­sen, und selbst wenn ich es nicht könn­te, habe ich im­mer noch die Beglei­tung mei­ner Wa­zi­ri, die mich schon vor Un­fäl­len schüt­zen wür­den.

Sie lie­fen aber schon ein­mal in Opar weg und über­lie­ßen dich dei­nem Schick­sal, er­in­ner­te sie ihn.

Das wer­den sie nicht wie­der tun, ent­geg­ne­te er. Sie schäm­ten sich sehr vor sich selbst und wa­ren schon wie­der auf dem Rück­weg zu mir, als ich sie traf. Aber es muss doch auch einen an­de­ren Weg ge­ben, be­harr­te die Frau in ihr.

Kein an­de­rer Weg ist auch nur halb so leicht, ein neu­es Ver­mö­gen zu er­lan­gen, als der zu den Schatz­kam­mern von Opar, ant­wor­te­te er. Ich wer­de sehr vor­sich­tig sein, Jane, und wahr­schein­lich wer­den die Be­woh­ner von Opar es nie ge­wahr wer­den, dass ich wie­der dort war, um ih­nen noch einen Teil ih­rer Schät­ze zu ent­füh­ren, von de­ren Vor­han­den­sein wie von de­ren Wert sie gleich we­nig ah­nen.

Das End­gül­ti­ge in sei­nem Tone schi­en Lady Grey­sto­ke zu über­zeu­gen, dass wei­te­re Er­ör­te­run­gen nutz­los sei­en, denn sie ver­lie­ßen die­sen Ge­sprächs­ge­gen­stand. Wer­per lausch­te noch kur­ze Zeit wei­ter. Da er aber si­cher war, al­les Nö­ti­ge ge­hört zu ha­ben und Ent­de­ckung fürch­te­te, kehr­te er zur Ve­ran­da zu­rück, rauch­te noch eine große An­zahl Zi­ga­ret­ten hin­ter­ein­an­der weg und ging dann zur Ruhe.

Am nächs­ten Mor­gen sprach Wer­per beim Früh­stück die Ab­sicht aus, nun­mehr bald wie­der auf­zu­bre­chen und er­bat Tar­zans Er­laub­nis zur Jagd auf Groß­wild wäh­rend sei­nes We­ges durch das Wa­zi­ri­land, eine Er­laub­nis, die Lord Grey­sto­ke be­reit­wil­lig er­teil­te.

Der Bel­gier ver­brach­te zwei vol­le Tage mit nö­ti­gen Vor­be­rei­tun­gen, aber end­lich rück­te er mit sei­ner Sa­fa­ri ab. Ein von Lord Grey­sto­ke ge­lie­he­ner Füh­rer be­glei­te­te ihn. Die Trup­pe hat­te erst einen ein­zi­gen kur­z­en Ta­ges­marsch hin­ter sich, als sich Wer­per krank stell­te und er­klär­te, er wol­le blei­ben, wo er sei, bis er sich wie­der völ­lig er­holt hät­te. Da sie noch nicht weit vom Bun­ga­low der Grey­sto­kes ent­fernt wa­ren, entließ Wer­per den Wa­zi­ri­füh­rer mit der Er­klä­rung, er wer­de ihn ho­len las­sen, wenn er wie­der im­stan­de sei, wei­ter­zu­zie­hen.

Als der Wa­zi­ri ge­gan­gen war, rief der Bel­gier einen von Achmed Zeks schwar­zen Ver­trau­ten in sein Zelt und ent­sand­te ihn, um auf­zu­pas­sen, wann Tar­zan auf­bre­che. Dann soll­te er Wer­per da­von Nach­richt ge­ben und die von dem Eng­län­der ein­ge­schla­ge­ne Rich­tung an­zei­gen.

Der Bel­gier brauch­te nicht lan­ge zu war­ten, denn schon am nächs­ten Tage kam sein Spi­on mit der Kun­de, dass Tar­zan mit ei­nem Trupp von fünf­zig Wa­zi­ri­krie­gern früh am Mor­gen in süd­öst­li­cher Rich­tung aus­ge­zo­gen sei. Wer­per schrieb einen lan­gen Brief an Achmed Zek, rief sei­nen Sa­fa­ri­füh­rer zu sich und gab ihm das Schrei­ben.

Schi­cke so­fort einen Läu­fer mit die­sem zu Achmed Zek, be­fahl er dem Man­ne. Du war­test hier im La­ger auf wei­te­re An­wei­sun­gen von ihm oder mir. Soll­te je­mand aus dem Bun­ga­low des Eng­län­ders hier­her­kom­men, so sage, ich lie­ge schwer­krank in mei­nem Zel­te und kön­ne nie­mand vor­las­sen. Jetzt gib nur noch sechs Trä­ger und sechs Asa­ker – die kräf­tigs­ten und mu­tigs­ten der Ka­ra­wa­ne – denn ich will selbst hin­ter dem Eng­län­der her und se­hen, wo sein Gold ver­bor­gen ist.

So kam es, dass Tar­zan, nackt bis auf das Len­den­tuch und in der pri­mi­ti­ven Be­waff­nung, die ihm am liebs­ten war, sei­ne er­ge­be­nen Wa­zi­ri nach der to­ten Stadt Opar führ­te, wäh­rend der ab­trün­ni­ge Wer­per sei­ner Spur den gan­zen glü­hend­hei­ßen Tag folg­te und nachts dicht hin­ter ihm la­ger­te.

Und wäh­rend sie so wei­ter­zo­gen, ritt Achmed Zek mit sei­ner gan­zen Ban­de nach Sü­den auf die Grey­sto­ke-Farm zu.

*

Für den Af­fentar­zan war die­ses Un­ter­neh­men eine Art Sonn­tags­aus­flug. Sei­ne Zi­vi­li­sie­rung war bes­ten­falls ein Fir­nis, den er froh ge­nug war, mit­samt sei­nen un­be­que­men eu­ro­päi­schen Klei­dern ab­strei­fen zu kön­nen, so­bald sich nur ir­gend­ein ver­nünf­ti­ger Vor­wand dazu fand. Nur ei­nes Wei­bes Lie­be hielt Tar­zan an einen An­schein von Zi­vi­li­sa­ti­on ge­fes­selt, weil bes­se­res Ver­traut­wer­den mit der so­ge­nann­ten Kul­tur ihn ge­lehrt hat­te, sie zu ver­ach­ten. Er hass­te ihre Lüge und Heu­che­lei, denn mit der kla­ren Ein­sicht ei­nes un­be­fleck­ten Geis­tes hat­te er den fau­len Kern in de­ren Her­zen er­kannt – die fei­ge Sucht nach Frie­den, nach Be­hag­lich­keit und nach Si­cher­stel­lung des Be­sit­zes. Er leug­ne­te hart­nä­ckig, dass die ed­len Sei­ten des Le­bens – Kunst, Mu­sik, Li­te­ra­tur – auf solch ent­wer­te­tem Ge­dan­ken­bo­den ent­spros­sen sein soll­ten und be­haup­te­te lie­ber, sie hät­ten sich trotz der Zi­vi­li­sa­ti­on er­hal­ten. Zeigt mir doch den fet­ten, wohl­ha­ben­den Feig­ling, pfleg­te er zu sa­gen, wel­cher je ein ho­hes Ide­al ge­schaf­fen hat! Im Klir­ren der Waf­fen, im Kampf um das Da­sein, un­ter Hun­ger, Tod und Ge­fahr, im An­ge­sicht Got­tes, wie es sich in der schreck­volls­ten Ent­fes­se­lung der Na­tur­kräf­te zeigt, da wird all das ge­bo­ren, was edel und gut ist im mensch­li­chen Herz und Ge­müt.

Da­rum kam Tar­zan im­mer wie­der zur Na­tur zu­rück, wie ein treu­er Lieb­ha­ber sich nach lan­ger Haft hin­ter Ker­ker­mau­ern wie­der zum lan­ge ver­zö­ger­ten Stell­dich­ein ein­fin­det. Im in­ners­ten Mark wa­ren sei­ne Wa­zi­ri zi­vi­li­sier­ter als er. Sie koch­ten ihr Fleisch, ehe sie es aßen, und sie ver­ab­scheu­ten vie­le Nah­rungs­mit­tel als un­rein, die Tar­zan sein Le­ben lang mit Ge­nuss ver­zehrt hat­te, und so wirk­sam ist das Gift der Heu­che­lei, dass selbst der trot­zi­ge Af­fen­mensch sich scheu­te, vor ih­nen sei­nen na­tür­li­chen Emp­fin­dun­gen nach­zu­ge­ben. So aß er ge­bra­te­nes Fleisch, ob­gleich er es lie­ber roh und un­ver­dor­ben ge­nos­sen hät­te und er brach­te sei­ne Jagd­beu­te mit Pfeil und Speer zur Stre­cke, wäh­rend er doch viel lie­ber aus der Lau­er dar­auf ge­sprun­gen wäre, um ihr die Zäh­ne in die Hals­adern zu schla­gen. Aber der Trieb, wel­chen er als Kind mit der Milch sei­ner wil­den Nähr­mut­ter ein­ge­so­gen hat­te, wur­de zu­letzt doch un­über­wind­lich – er muss­te das war­me Blut ei­ner fri­schen Beu­te ha­ben und sei­ne Mus­keln sehn­ten sich da­nach, in je­nem Kampf um das Da­sein ge­gen das wil­de Dschun­gel­le­ben ein­ge­setzt zu wer­den, wie es wäh­rend der ers­ten zwan­zig Jah­re sei­nes Le­bens sein ein­zi­ges Ge­burts­recht ge­we­sen war.

Der Ruf des Dschungels

An der klei­nen Boma aus Dorn­ge­strüpp, das sei­ne Leu­te ei­ni­ger­ma­ßen vor den An­grif­fen der großen Fleisch­fres­ser schütz­te, lag der Af­fen­mensch wäh­rend ei­ner der nächs­ten Näch­te un­ter dem Ein­druck die­ser un­kla­ren aber all­ge­wal­ti­gen Trie­be wach. Ne­ben dem Feu­er, wel­ches gel­be Au­gen drau­ßen in der Dun­kel­heit vor dem La­ger nö­tig mach­ten, hielt schläf­rig ein ein­zel­ner Krie­ger Wa­che. Das Heu­len und Fau­chen der großen Kat­zen ver­meng­te sich mit den My­ria­den an­de­rer Geräusche von den klei­ne­ren Be­woh­nern des Dschun­gels, um die wil­de Flam­me in der Brust die­ses grim­men eng­li­schen Lords noch zu ent­fa­chen. Eine Stun­de lang wälz­te er sich ru­he­los auf sei­nem Gras­la­ger um­her, dann er­hob er sich ge­räusch­los wie ein Ge­s­penst und, als der Wa­zi­ri den Rücken dreh­te, sprang er vor den glit­zern­den Au­gen über die He­cke der Boma, schwang sich in einen großen Baum und war ver­schwun­den.

Eine Zeit lang jag­te er nur so durch die mitt­le­re Ter­ras­se der Zwei­ge da­hin, um sei­ne ani­ma­li­sche Stim­mung aus­zu­to­ben, wo­bei er sich über ge­fahr­voll wei­te Lücken zwi­schen den Dschun­gel­rie­sen hin­über­schwang; dann klet­ter­te er hö­her in die fe­dern­den schwä­che­ren Zwei­ge der obe­ren Ter­ras­se, wo der Mond voll auf ihn schi­en, wo ein leich­ter Wind­hauch weh­te und griff­be­rei­ter Tod in je­dem ge­brech­li­chen Zwei­ge lau­er­te. Hier mach­te er halt und er­hob sein Ant­litz zu Goro, dem Mond. Mit er­ho­be­nem Arm stand er, der Schrei des Af­fen­bul­len zit­ter­te schon auf sei­nen Lip­pen, aber er blieb ru­hig, um sei­ne treu­en Wa­zi­ri nicht zu we­cken, wel­chen der grau­en­vol­le Kampf­ruf ih­res Ge­bie­ters nur zu be­kannt war.

Von hier ab ging er lang­sa­mer und mit grö­ße­rer Vor­sicht und Ver­stoh­len­heit wei­ter, denn jetzt such­te der Af­fentar­zan Beu­te. Her­un­ter auf den Bo­den in den ra­ben­schwar­zen Schat­ten der eng­ste­hen­den Baum­stäm­me und des über­hän­gen­den Grüns des Dschun­gels stieg er. Von Zeit zu Zeit bück­te er sich und nä­her­te sei­ne Nase dem Bo­den. Er such­te und fand eine brei­te Wild­spur und end­lich be­lohn­te die Wit­te­rung ei­ner fri­schen Spur von Bara, dem Hirsch, sei­ne Nüs­tern. Tar­zan lief das Was­ser im Mun­de zu­sam­men und ein lei­ses Knur­ren ent­wich sei­nen Lip­pen. Die letz­te Spur von er­küns­tel­tem Stan­des­be­wusst­sein war ab­ge­streift – er war wie­der ganz der Ur­wald­jä­ger – der Ur­mensch – der reins­te Ver­tre­ter der mensch­li­chen Ras­se. Sein Wahr­neh­mungs­ver­mö­gen, mit dem er der trü­ge­ri­schen Spur un­ter Wind folg­te, über­traf das ei­nes ge­wöhn­li­chen Men­schen in ei­nem uns un­be­greif­li­chen Maße. Durch alle Ge­gen­strö­mun­gen des schwe­ren Ge­ruchs der Fleisch­fres­ser hin­durch ver­folg­te er die Spur von Bara; der süß­li­che, ekle Ge­ruch von Hor­ta, dem Eber, konn­te die Wit­te­rung sei­ner Beu­te nicht über­täu­ben – den durch­drin­gen­den, wei­chen Bi­sam­duft vom Huf des Hir­sches.

Da! jetzt zeig­te schon der kör­per­li­che Ge­ruch des Hir­sches Tar­zan die Nähe sei­ner Beu­te an. Also wie­der hin­auf in die Bäu­me – auf die un­te­re Ter­ras­se, von wo er den Bo­den über­sah und mit Ohr und Nase die ers­ten An­zei­chen der greif­ba­ren Nähe sei­ner Beu­te wahr­neh­men konn­te. Der Af­fen­mensch brauch­te nicht mehr weit zu strei­fen; da stand Bara wach­sam an der Ecke der in Mond­schein ge­ba­de­ten Lich­tung. Geräusch­los kroch Tar­zan durch die Zwei­ge, bis er ge­ra­de über dem Hirsch war. In der Rech­ten hielt er das lan­ge Jagd­mes­ser sei­nes Va­ters, im Her­zen koch­te die Blut­lust des Raub­tiers. Nur einen Au­gen­blick schweb­te er über dem ah­nungs­lo­sen Tier, dann stürz­te er sich auf den schlan­ken Rücken. Die Wucht sei­nes Kör­pers brach­te den Hirsch auf sei­ne Knie, und ehe er sich wie­der er­he­ben konn­te, fand das Mes­ser den Weg zum Her­zen. Als sich Tar­zan auf dem Rücken sei­nes Op­fers auf­rich­te­te, um dem Mond sei­nen schau­er­li­chen Sie­ges­ruf ent­ge­gen­zu­sen­den, trug der Wind sei­nen Nüs­tern et­was zu, das ihn stumm und starr wie eine Bild­säu­le mach­te. Sei­ne wil­den Au­gen fun­kel­ten nach der Rich­tung, aus wel­cher ihm der Wind die War­nung zu­ge­tra­gen hat­te, und eben jetzt teil­ten sich die Grä­ser am Ran­de der Lich­tung: Numa, der Löwe, schritt ma­je­stä­tisch her­aus in das Ge­sichts­feld. Mit­ten auf der Lich­tung hielt er, hef­te­te sei­ne gelb­grü­nen Au­gen auf Tar­zan und blick­te nei­disch auf sei­nen Jag­der­folg, denn Numa hat­te die­se Nacht nur Mis­ser­fol­ge ge­habt.

Von den Lip­pen des Af­fen­menschen kam ein rol­len­des War­nungs­knur­ren. Numa ant­wor­te­te ohne vor­zu­rück­en; lang­sam mit sei­nem Schweif hin und her peit­schend blieb er ste­hen. Tar­zan hock­te sich auf sei­ne Beu­te nie­der und schnitt ein or­dent­li­ches Stück aus der Keu­le. Wäh­rend der Af­fen­mensch zwi­schen ein­zel­nen Bis­sen sein war­nen­des Knur­ren aus­stieß, be­äug­te ihn Numa mit zu­neh­men­der Ver­ach­tung und Wut. Da ge­ra­de die­ser Löwe noch nie bis­her mit dem Af­fentar­zan in Berüh­rung ge­kom­men war, kam er sich gänz­lich an­ge­führt vor. Dies Ding da war doch nach Aus­se­hen und Wit­te­rung ein Men­sch­lein, und Numa hat­te Men­schen­fleisch ge­kos­tet und fest­ge­stellt, dass es zwar nicht am bes­ten schmeck­te, aber da­für si­cher am leich­tes­ten zu ha­ben war. Al­ler­dings lag in dem tie­ri­schen Knur­ren des merk­wür­di­gen Ge­schöp­fes et­was, das ihn an ir­gend­wel­chen ge­fähr­li­chen Geg­ner er­in­ner­te. Er war­te­te da­her noch ab, wäh­rend ihn der Hun­ger und der Duft von Ba­ras war­mem Fleisch fast toll mach­ten. Tar­zan er­riet, was in dem klei­nen Ge­hirn des Raub­tie­res vor sich ging und war stän­dig auf der Hut. Es war sein Glück, dass er das tat, denn Numa konn­te es end­lich nicht mehr aus­hal­ten. Als der Schweif senk­recht in die Höhe schoss, wuss­te der vor­sich­ti­ge Af­fen­mensch nur zu gut, was das Zei­chen be­deu­te­te. Er pack­te den Rest der Hirsch­keu­le mit den Zäh­nen und sprang ge­ra­de auf den nächs­ten Baum, als sich Numa mit schnell­zug­s­ähn­li­cher Ge­walt und sau­sen­dem Schwung auf ihn stürz­te.

Tar­zans Rück­zug war kein Zei­chen von Furcht. Das Le­ben im Dschun­gel hat an­de­re Ge­sichts­punk­te wie wir, und an­de­re Re­geln gel­ten dort. Hät­te Tar­zan Hun­ger ge­habt, er hät­te zwei­fel­los sei­ne Stel­lung be­haup­tet und wäre Nu­mas An­griff be­geg­net. Er hat­te das schon bei mehr als ei­ner Ge­le­gen­heit ge­tan, ge­nau so wie er frü­her selbst auf Lö­wen los­ge­gan­gen war. Aber heu­te Nacht war er kei­nes­wegs sehr hung­rig und die mit­ge­nom­me­ne Keu­le hat­te mehr Fleisch, als er es­sen konn­te. Aber er sah doch nicht gleich­gül­tig von oben zu, wie Numa sich das Fleisch von Tar­zans Beu­te riss. Die An­ma­ßung die­ses frem­den Numa ver­lang­te Stra­fe. Und Tar­zan ging denn auch gleich dar­an, der großen Kat­ze das Da­sein zu ver­lei­den.

Zahl­rei­che Bäu­me in der Nähe tru­gen große, har­te Früch­te und auf einen sol­chen schwang sich der Af­fen­mensch mit der Ge­wandt­heit ei­nes Eich­hörn­chens. Und nun be­gann eine Be­schie­ßung, auf wel­che Numa mit marker­schüt­tern­dem Ge­brüll ant­wor­te­te. Eine nach der an­de­ren, so schnell er sie pflücken und schleu­dern konn­te, saus­ten die har­ten Früch­te hin­ab auf den Lö­wen. Un­ter die­sem Ha­gel von Wurf­ge­schos­sen war es der gel­ben Kat­ze un­mög­lich, zu fres­sen – sie konn­te nur im­mer brül­len, knur­ren und bei­sei­te­sprin­gen, und manch­mal wur­de sie gänz­lich von Ba­ras, des Hir­sches, Kör­per weg­ge­trie­ben. Brül­lend und wut­schnau­bend wich der Löwe. Aber plötz­lich erstarb sei­ne Stim­me mit­ten auf der Lich­tung. Tar­zan sah, wie sich der Kopf senk­te und die Ohren sich breit stell­ten, wie der Kör­per sich duck­te und der lan­ge Schweif zit­ter­te, als das Tier vor­sich­tig auf der an­de­ren Sei­te drü­ben durch die Bäu­me schlich.

So­fort war Tar­zans Auf­merk­sam­keit ge­weckt. Er hob den Kopf und zog das leich­te Dschun­gel­lüft­chen ein. Was hat­te wohl Nu­mas Span­nung er­regt und ihn auf so sanf­ten Pfo­ten vom Schau­platz sei­ner Em­pö­rung weg­ge­bracht? Gera­de als der Löwe jen­seits der Lich­tung un­ter den Bäu­men ver­schwand, be­kam Tar­zan durch den Wind die Er­klä­rung sei­ner neu­en Ab­sich­ten. Die Wit­te­rung ei­nes Men­schen weh­te deut­lich in sei­ne emp­find­li­chen Na­sen­flü­gel.

Der Af­fen­mensch pack­te den Rest sei­ner Hirsch­keu­le in eine Baum­ga­bel, wisch­te die fet­ti­gen Hand­flä­chen an den nack­ten Schen­keln ab und schwang sich zur Ver­fol­gung Nu­mas da­von. Von der Lich­tung aus führ­te eine brei­te, stark aus­ge­tre­te­ne Ele­fan­ten­fähr­te in den Wald. Par­al­lel zu ihr schlich Numa und über ihm zog Tar­zan wie ein Schat­ten­ge­spenst durch die Bäu­me. Die wil­de Kat­ze und der wil­de Mann sa­hen fast gleich­zei­tig Nu­mas Beu­te, ob­gleich bei­de, schon ehe sie ih­nen zu Ge­sicht kam, wuss­ten, dass es ein Ne­ger war. Ihr emp­find­li­cher Ge­ruch hat­te ih­nen so viel ge­sagt, aber Tar­zan wuss­te au­ßer­dem, dass es die Wit­te­rung ei­nes Frem­den war und zwar ei­nes al­ten Man­nes, denn so­wohl Ras­se wie Ge­schlecht und Al­ter ha­ben ihre un­ter­schied­li­che Wit­te­rung.

Es war ein al­ter Mann, der sich al­lein sei­nen Weg durch den düs­te­ren Dschun­gel brach, ein ver­schrum­pel­tes, aus­ge­trock­ne­tes, al­tes Männ­chen mit häss­li­chen Schmar­ren und Tä­to­wie­run­gen. Dazu trug er einen merk­wür­di­gen Auf­putz, ein Hyä­nen­fell hing ihm um die Schul­tern und der ge­trock­ne­te Kopf da­von war über sei­nen grau­en Schä­del ge­stülpt. Tar­zan er­kann­te ihn an sei­nen Ab­zei­chen als Zau­be­rer und war­te­te mit be­frie­dig­tem Vor­ge­fühl auf Nu­mas An­griff, denn der Af­fen­mensch hat­te für die Zau­be­rer nicht viel üb­rig. Aber eben als Numa vor­sprang, fiel dem Wei­ßen plötz­lich ein, dass der Löwe ihm vor ei­ni­gen Mi­nu­ten sei­ne Beu­te ge­stoh­len hat­te und Ra­che ist süß. Erst als Numa kaum zwan­zig Schrit­te hin­ter ihm kra­chend durch die Bü­sche auf den Wild­pfad her­aus­brach, merk­te der Ne­ger, dass er in Ge­fahr war. Als er sich her­um­dreh­te, konn­te er ge­ra­de noch be­mer­ken, dass ein mäch­ti­ger, schwarz­mäh­ni­ger Löwe auf ihn los­schnell­te, aber noch im He­rum­dre­hen pack­te ihn Numa auch schon. Gleich­zei­tig fiel der Af­fen­mensch von ei­nem über­hän­gen­den Zweig ge­nau auf des Lö­wen Rücken. Als sich der Löwe auf­rich­te­te, stieß er ihm sein Mes­ser hin­ter dem lin­ken Schul­ter­blatt in das brau­ne Fell, wühl­te die Fin­ger der rech­ten Hand in die lan­ge Mäh­ne, grub die Zäh­ne in Nu­mas Na­cken und schlang sei­ne kräf­ti­gen Bei­ne um des Tie­res Rumpf. Un­ter Schmerz- und Wut­ge­brüll stieg Numa hoch und fiel nach hin­ten über auf den Af­fen­menschen. Aber das mäch­ti­ge mensch­li­che We­sen hielt fest und tauch­te wie­der­holt blitz­schnell das lan­ge Mes­ser in sei­ne Flan­ke. Numa, der Löwe, über­kol­ler­te sich, kratz­te, biss in die Luft und ver­such­te un­ter schreck­li­chem Ge­heul das Ding auf sei­nem Rücken zu fas­sen. Tar­zan fühl­te sich mehr als ein­mal bei­na­he von sei­nem Griff los­ge­ris­sen. Aber so zer­beult und ge­quetscht er war, mit Nu­mas Blut und dem Schmutz der Wild­fähr­te be­schmiert, nicht für einen Au­gen­blick ließ die Wild­heit sei­nes toll­küh­nen An­griffs oder das grim­me Haf­ten am Rücken sei­nes Geg­ners nach. Wenn er auch nur einen Au­gen­blick den Griff ge­lo­ckert hät­te, wäre er in den Be­reich je­ner rei­ßen­den, schla­gen­den Fän­ge ge­kom­men und die wil­de Lauf­bahn des im Dschun­gel auf­ge­wach­se­nen eng­li­schen Lords hät­te für im­mer ihr Ende ge­fun­den.

Der Zau­be­rer lag noch an der­sel­ben Stel­le, wo er un­ter dem Lö­wen nie­der­ge­stürzt war. Zer­fleischt und blu­tend, war er nicht mehr im­stan­de, sich weg­zu­schlep­pen und muss­te bei dem schreck­li­chen Kamp­fe der zwei Dschun­gel­be­herr­scher Au­gen­zeu­ge sein. Mit glän­zen­den Au­gen star­rend mur­mel­te er wir­re An­ru­fun­gen der Teu­fel sei­ner re­li­gi­ösen Bräu­che zwi­schen run­ze­li­gen Lip­pen und zahn­lo­sen Kie­fern.

Eine Zeit lang war er nicht im Zwei­fel über den Aus­gang – der frem­de wei­ße Mann muss­te si­cher dem schreck­li­chen Sim­ba er­lie­gen – wer hör­te je, dass ein ein­zel­ner Mann nur mit ei­nem Mes­ser ein so mäch­ti­ges Tier er­legt hät­te! Aber bald riss der Schwar­ze die Au­gen auf und be­kam Zwei­fel und Be­sorg­nis. Was war das für ein wun­der­ba­res Ge­schöpf, das Sim­ba be­kämpf­te und sich ge­gen die rie­si­gen Mus­keln des Tie­res be­haup­te­te? Lang­sam däm­mer­te in den ein­ge­fal­le­nen Au­gen, die so hell aus dem run­ze­li­gen, ver­narb­ten Ge­sicht her­vor­leuch­te­ten, die Er­kennt­nis. Die Hand der Erin­ne­rung griff zu­rück in die Ver­gan­gen­heit, bis sie ein mit den Jah­ren ver­blass­tes und ver­gilb­tes Bild fass­te: Ein ge­schmei­di­ger, weiß­häu­ti­ger Jüng­ling schwang sich in Ge­sell­schaft ei­ner Hor­de von Rie­sen­af­fen durch die Bäu­me. In die al­ten Au­gen trat große Angst, die aber­gläu­bi­sche Angst des Men­schen, wel­cher an Ge­s­pens­ter, an Geis­ter und Dä­mo­nen glaubt. Und als dann der Zau­be­rer über den Aus­gang des Zwei­kamp­fes nicht mehr zwei­fel­haft war, denn ent­ge­gen sei­ner vor­he­ri­gen Über­zeu­gung wuss­te er nun, dass der Dschun­gel­gott Sim­ba tö­ten wür­de, da hat­te der alte Ne­ger noch mehr Angst um sein be­vor­ste­hen­des Ge­schick aus der Hand des Sie­gers als vor­her vor dem si­che­ren und schnel­len Tod, wel­chen ihm der Löwe be­rei­tet hät­te. Er sah, wie matt der Löwe vom Blut­ver­lust wur­de, wie die mäch­ti­gen Glie­der zit­ter­ten und wank­ten und er sah zu­letzt das Tier nie­der­sin­ken, um sich nicht mehr zu er­he­ben. Und dann sah er, wie der Wald­gott oder Teu­fel sich Von dem be­sieg­ten Geg­ner er­hob: er setz­te einen Fuß auf den noch zu­cken­den Kör­per, hob das Ant­litz zum Mond und stieß einen schau­er­li­chen Schrei aus, dass dem Zau­be­rer das klop­fen­de Blut in den Pul­sen ge­fror.

Prophezeiung und Erfüllung

Tar­zans Auf­merk­sam­keit wen­de­te sich nun dem Man­ne zu. Er hat­te kei­nes­wegs Numa er­schla­gen, um den Ne­ger zu ret­ten – er woll­te sich nur an dem Lö­wen rä­chen. Aber als er den al­ten Mann hilf­los und ster­bend vor sich lie­gen sah, rühr­te so et­was wie Mit­leid sein rau­es Herz. In der Ju­gend hät­te er den Zau­be­rer ohne die ge­rings­ten Be­den­ken ge­tö­tet. Aber die Zi­vi­li­sa­ti­on hat­te ihre be­sänf­ti­gen­de Wir­kung auf ihn so we­nig wie auf von ihr be­rühr­te Ras­sen und Na­tio­nen ver­fehlt, ob­gleich sie noch nicht so weit ge­kom­men war, ihn fei­ge oder weich­lich zu ma­chen.

Er sah einen al­ten Mann un­ter Schmer­zen ster­ben und er bück­te sich, un­ter­such­te des­sen Wun­den und hemm­te das strö­men­de Blut.

Wer bist du? frag­te der Greis mit zit­tern­der Stim­me. Ich bin Tar­zan, der Af­fentar­zan! er­wi­der­te der Af­fen­mensch mit viel­leicht grö­ße­rem Stolz als er ge­sagt ha­ben wür­de: Ich bin John Clay­ton, Lord Grey­sto­ke. Der Zau­be­rer schüt­tel­te sich krampf­haft und schloss die Au­gen. Als er sie wie­der öff­ne­te, zeig­ten sie Er­ge­bung in das wenn auch noch so schreck­li­che Ge­schick, das ihn aus der Hand die­ses ge­fürch­te­ten Teu­fels der Wäl­der er­war­te­te. Wa­rum tö­test du mich nicht? frag­te er.

Wes­halb soll­te ich dich tö­ten? forsch­te Tar­zan. Du hast mir nichts ge­tan und au­ßer­dem liegst du schon im Ster­ben. Numa, der Löwe, hat dich ge­tö­tet.

Du wür­dest mich nicht tö­ten?! Über­ra­schung und Zwei­fel la­gen im Tone der zitt­ri­gen, al­ten Stim­me.

Wenn ich könn­te, wür­de ich dich ret­ten, er­wi­der­te Tar­zan. Aber das geht nicht mehr. Wa­rum dach­test du, ich wür­de dich tö­ten?

Der alte Mann schwieg einen Au­gen­blick. Als er wie­der sprach, hat­te er an­schei­nend erst sei­nen Mut zu­sam­men­ge­nom­men: Ich ken­ne dich von frü­her, sag­te er, von da­mals, als du in des Häupt­lings Mbon­ga Ge­biet im Dschun­gel haus­test. Ich war schon Zau­be­rer, als du Ku­lon­ga und die an­de­ren er­schlugst und un­se­re Hüt­ten und un­se­ren Gift­topf be­raub­test. Ich er­kann­te dich erst nicht. Aber jetzt weiß ich es – du bist der weiß­häu­ti­ge Affe, der un­ter den haa­ri­gen Af­fen leb­te und das Le­ben in Mbon­gas Dorf zur Höl­le mach­te, der Herr – der Wald­gott – der Mun­an­go-Ki­wa­ti, wel­chem wir im­mer Op­fer an Nah­rung vor das Tor setz­ten und der dann kam und es aß. Sage mir, ehe ich st­er­be – bist du Mensch oder Teu­fel? Tar­zan lach­te: Ich bin ein Mensch!

Der Alte seufz­te und schüt­tel­te den Kopf. Du such­test mich vor Sim­ba zu ret­ten. Ich will dich da­für be­loh­nen. Ich bin ein großer Zau­be­rer. Höre auf mich, wei­ßer Mann! Ich sehe, dass dir böse Tage be­vor­ste­hen. In mei­nem ei­ge­nen Blut, das mir über die Hand läuft, steht es ge­schrie­ben. Ein Grö­ße­rer als du selbst wird er­ste­hen und dich nie­der­schla­gen. Keh­re um, Mun­an­go-Ki­wa­ti! Keh­re um, ehe es zu spät ist. Ge­fahr liegt vor dir, Ge­fahr lau­ert hin­ter dir; aber grö­ßer ist die Ge­fahr vor dir. Ich sehe … Er mach­te eine Pau­se, und at­me­te lang und rö­chelnd. Dann krümm­te er sich zu ei­nem klei­nen, schrum­pe­li­gen Hau­fen zu­sam­men und starb. Tar­zan hät­te ger­ne ge­wusst, was er noch wei­ter ge­se­hen hat­te.

Als der Af­fen­mensch die Boma wie­der be­trat und sich zwi­schen sei­nen schwar­zen Krie­gern nie­der­leg­te, war es ziem­lich spät ge­wor­den. Kei­ner hat­te be­merkt, dass er ge­gan­gen war und kei­ner sah sei­ne Rück­kehr. Im Ein­schla­fen dach­te er noch an die Wor­te des Zau­be­rers und beim Er­wa­chen wa­ren sie sein ers­ter Ge­dan­ke. Aber er hat­te des­we­gen kei­ne Ab­sicht, um­zu­keh­ren, denn er kann­te kei­ne Furcht. Hät­te er al­ler­dings ge­ahnt, was der Frau be­vor­stand, wel­che er über al­les in der Welt lieb­te, er wür­de wie auf Flü­geln durch die Bäu­me an ihre Sei­te ge­eilt sein und das Gold von Opar hät­te für im­mer ver­bor­gen und ver­ges­sen in sei­nem Schatz­hau­se lie­gen­blei­ben kön­nen.