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Tarzans Dschungelgeschichten ("Jungle Tales of Tarzan") ist eine Sammlung von zwölf lose miteinander verbundenen Kurzgeschichten aus Tarzans späten Jugendjahren, die kurze Zeit vor Tarzans ersten Begegnungen mit weißen Menschen, darunter Jane Porter, spielen. Es handelt sich um folgende Geschichten: Tarzans erste Liebe, Tarzan gefangen, Der Kampf um das Affenbaby, Tarzans Gott, Tarzan und der Negerjunge, Der Zauberer sucht sich zu rächen, Bakawais Ende, Der Löwe, Der Kampf um Teeka, Ein Dschungelstreich, Tarzan rettet den Mond, Die Orthografie wurde der heutigen Schreibweise behutsam angeglichen. Null Papier Verlag
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Seitenzahl: 324
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Edgar Rice Burroughs
Tarzan
Band 6 – Tarzans Dschungelgeschichten
Edgar Rice Burroughs
Tarzan
Band 6 – Tarzans Dschungelgeschichten
(Jungle Tales of Tarzan)Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]Übersetzung: J. Schulze, Tony Kellen EV: Pegasus Verlag, Wetzlar, 1952 (226 S.) 2. Auflage, ISBN 978-3-962818-14-2
null-papier.de/neu
Inhaltsverzeichnis
Tarzans erste Liebe
Tarzan gefangen
Der Kampf um das Affenbaby
Tarzans Gott
Tarzan und der Negerjunge
Der Zauberer sucht sich zu rächen
Bakawais Ende
Der Löwe
Der Kampf um Teeka
Ein Dschungelstreich
Tarzan rettet den Mond
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Ihr Jürgen Schulze
Tarzan – Band 1 – Tarzan und die weiße Frau
Tarzan – Band 2 – Tarzans Rückkehr
Tarzan – Band 3 – Tarzans Tiere
Tarzan – Band 4 – Tarzans Sohn
Tarzan – Band 5 – Der Schatz von Opar
Tarzan – Band 6 – Tarzans Dschungelgeschichten
Teeka, in üppiger Behaglichkeit hingestreckt im Schatten eines Baumes, bot unzweifelhaft ein höchst anziehendes Bild junger, weiblicher Lieblichkeit. Wenigstens kam es dem Affentarzan so vor, der im tiefherabgebogenen Zweige eines benachbarten Baumes saß und zu ihr hinuntersah.
So musste man ihn sehen, wie er sich auf dem schwanken Zweig eines Urwaldriesen schaukelte. Die leuchtende Sonne des Äquators durchbrach den grünen Baldachin über ihm wie ein Gewebe und überströmte seine braune Haut mit Lichtpünktchen, sein schön gemeißelter Körper bog sich in leichter Anmut, in Betrachtung versunken neigte er das Haupt und verschlang den Gegenstand seiner Anbetung mit den klugen grauen Augen – wie die Wiedergeburt eines Halbgottes der Vorzeit sah er aus.
Wer hätte annehmen können, dass er seine Kindheit an der Brust einer hässlichen, behaarten Äffin verbracht hatte und dass er (seit dem Tode seiner Eltern in jener kleinen Hütte vor dem landumschlossenen Hafen am Dschungelrand) in seiner ihm bewussten Vergangenheit keine anderen Genossen gekannt hatte als die mürrischen Bullen und die knurrenden Weibchen von Kerschaks, des großen Affen, Horde!
Wer umgekehrt die Gedanken in seinem scharfsinnigen, fähigen Gehirn hätte lesen können, das Verlangen, die Wünsche und Hoffnungen, welche Teekas Anblick bei ihm erweckte, würde ebensowenig an die wahre Abstammung des Affenmenschen geglaubt haben. Dass er der Sohn einer edlen, englischen Dame war, dessen Vater sich rühmen konnte, dem englischen Hochadel anzugehören, das hätte aus seiner Gedankenwelt niemand schließen können.
Dem Affentarzan war seine Herkunft unbekannt. Dass er John Clayton, Lord Greystoke, Mitglied des Oberhauses war, wusste er nicht. Aber wenn er es auch gewusst hätte, hätte er es doch nicht verstanden.
Ach, Teeka war wirklich schön!
Kala war natürlich auch schön gewesen – die Mutter erscheint uns immer schön – aber Teeka war schön in ganz anderem, eigenen Sinne, in einem unerklärbaren Sinne, den Tarzan gerade um diese Zeit in noch recht unbestimmter und traumhafter Form zu empfinden begann.
Seit Jahren waren Tarzan und Teeka Spielgefährten gewesen und Teeka blieb immer noch mutwillig und zum Spielen geneigt, während die gleichaltrigen jungen Bullen bereits sauertöpfisch und mürrisch wurden. Falls sich Tarzan überhaupt darüber Gedanken machte, konnte er seine wachsende Vorliebe für das junge Weibchen leicht damit begründen, dass sie allein von allen früheren Spielkameraden mit ihm zusammen weiter Spaß an den bisherigen Streichen hatte.
Aber als er heute zu ihr hinabspähte, fand er sich in Bewunderung von Teekas Gestalt und Gesicht – was er früher nicht getan hatte, denn keine von diesen Eigenschaften hatte etwas mit Teekas Geschicklichkeit zu tun, die sie beim Springen durch die unteren Waldterrassen oder bei dem urwüchsigen Abschlagen oder Versteckensuchen entwickelte, Spiels, welche Tarzans fruchtbares Gehirn ersonnen hatte.
Tarzan kratzte sich auf dem Kopf, wühlte mit den Fingern tief in dem schwarzen Haarschopf, der sein wohlgeformtes Jungengesicht einrahmte – er kratzte sich auf dem Kopfe und seufzte. Teekas neuentdeckte Schönheit verursachte ihm plötzlich Verzweiflung. Er beneidete sie um den hübschen Rock aus Haaren, der ihren Körper bedeckte. Er hasste seine eigene, glatte, braune Haut mit einer Mischung aus Abscheu und Verachtung. Vor Jahren hatte er noch die Hoffnung gehegt, er werde eines Tages doch wie alle seine Brüder und Schwestern ein Haarkleid bekommen, aber er hatte aus diesem tröstlichen Traum schließlich erwachen müssen.
Dann besaß Teeka große Zähne, natürlich nicht so große wie die Männchen, aber immerhin mächtige, hübsche -Dinger im Vergleich zu seinen armseligen, weißen. Und erst ihre hervorstehenden Brauen, ihre breite, flache Nase und ihr Mund!
Wie oft hatte Tarzan versucht, seinen Mund zu einem kleinen, runden Kreis zu ziehen und dann die Backen aufzublasen und rasch mit den Augen zu zwinkern; aber er bekam doch nie so einen verschmitzten und unwiderstehlichen Ausdruck heraus, wie ihn Teeka fertigbrachte.
Als er sie an diesem Nachmittag bewundernd belauschte, kam ein junger Affe, der bisher träge unter der feuchten, verfilzten Matte aus verwesenden Pflanzen in der Nähe nach Nahrung gesucht hatte, plump in der Richtung auf Teeka angewackelt. Die übrigen Affen von Kerschaks Horde trieben sich sorglos herum oder lagen träge in der heißen Mittagshitze des Tropendschungels herum. Ab und zu war einer davon nahe vor Teeka vorbeigegangen, ohne dass Tarzan ihm Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Warum zog er aber jetzt die Brauen zusammen und spannte die Muskeln, als Taug vor der jungen Äffin anhielt und sich dicht neben ihr niederhockte?
Tarzan hatte den Taug stets gerne gehabt. Seit der Kindheit hatten sie sich gebalgt, Seite an Seite hatten sie am Wasser gehockt, um mit ihren raschen, starken Fingern Pisah, den Fisch, herauszufangen, wenn dieser schlaue Bewohner der kühlen Tiefe nach dem Köder von Insekten heraufkam, den Tarzan auf den Wasserspiegel des Tümpels geworfen hatte.
Sie beide hatten zusammen Tublat geplagt und den Löwen Numa gehänselt. Warum fühlte also Tarzan, dass sich seine kurzen Nackenhaare sträubten, nur weil sich Taug nahe zu Teeka hockte?
Allerdings war Taug nicht mehr der lustige Affe von gestern. Wenn seine Backenmuskeln die riesigen Fangzähne bloßlegten, konnte man nicht länger annehmen, Taug sei in der spielfrohen Stimmung wie damals, als er sich mit Tarzan im Scheinkampf über den Rasen kollerte. Der Taug von heute war ein ungeheurer, mürrischer Affenbulle, ein finsterer Geselle. Doch hatte er sich mit Tarzan noch nie gezankt.
Einige Minuten sah der junge Affenmensch zu, wie sich Taug enger an Teeka presste. Aber als seine große Pfote mit rauer Zärtlichkeit die schlanke Schulter des Weibchens streichelte, schlüpfte Affentarzan wie eine Katze auf den Boden und näherte sich den beiden.
Er fletschte die Fangzähne unter der zum Knurren hochgezogenen Oberlippe und rollte ein tiefes Brummen aus seiner breiten Brust. Taug sah auf und blinzelte mit seinen blutunterlaufenen Augen. Teeka erhob sich halb und schielte nach Tarzan. Ahnte sie den Grund der Störung? Wer kann das sagen. Aber sie war ein Weibchen, deshalb langte sie hinauf und kratzte Taug hinter einem seiner kleinen, platten Ohren.
Als Tarzan das sah, war Teeka für ihn nicht länger die kleine Spielgefährtin von vor einer Stunde. Jetzt war sie ein Wundergeschöpf – das wunderbarste der Welt – um dessen Besitz Tarzan mit Taug und jedem anderen, der sein Eigentumsrecht zu bestreiten wagte, bis auf den Tod kämpfen würde. Affentarzan schob sich gebückt, eine Schulter voran, dem jungen Bullen näher und näher. Das Gesicht hielt er etwas abgewendet, aber seine scharfen grauen Augen blickten starr in die Taugs. Je näher er kam, desto lauter und tiefer wurde sein Knurren. Taug richtete sich auf seinen kurzen Beinen auf und sträubte die Haare. Er fletschte die Reißzähne, schob sich steifbeinig auch mit der Seite voran und knurrte.
Teeka gehört Tarzan, sagte der Affenmensch in den tiefen Kehltönen der großen Menschenaffen.
Teeka gehört Taug, erwiderte der Affenbulle.
Teeka, Numgo, Gunto, die das Knurren der zwei jungen Bullen störte, sahen halb gleichgültig, halb gespannt zu. In Taugs kleinem Gehirn saß ein mächtiger Respekt vor dem blanken Stückchen scharfen Metalls, das der Affenknabe so gut zu gebrauchen verstand. Tublat, seinen trotzigen Pflegevater, und den Gorilla Volgani hatte er damit getötet. Taug wusste um diese Tatsachen, deshalb ging er in einer Spirale auf Tarzan los, um einen günstigen Anfang abzuwarten. Der andere, vorsichtig im Hinblick auf sein geringeres Gewicht und die Schwäche seiner natürlichen Waffen, verfolgte eine ähnliche Taktik.
Eine Zeit lang sah es aus, als ob diese Auseinandersetzung wie die Mehrzahl solcher Streitigkeiten zwischen den Angehörigen der Horde verlaufen würde, nämlich so, dass einer der Beteiligten zum Schlusse das Interesse verlor und anscheinend mit einer anderen Angelegenheit beschäftigt abzog. Bei einem anderen »casus belli«1 wäre das sicher der Fall gewesen. Aber Teeka fühlte sich durch die Aufmerksamkeit, die sie erregt hatte, und durch den Umstand, dass zwei Bullen um sie kämpfen wollten, geschmeichelt. So etwas war bisher in Teekas kurzem Leben noch nicht vorgekommen. Sie hatte mitangesehen, wie andere Bullen um andere und ältere Weibchen kämpften und tief in ihrem kleinen Tierherz hatte sie den Tag ersehnt, an dem sich um ihretwillen die Dschungelgräser im Kampf auf Leben und Tod röten würden.
Darum hockte sie sich jetzt breit auf ihre Schenkel und beschimpfte unparteiisch ihre beiden Anbeter gleichmäßig. Sie spottete über deren Feigheit, nannte sie mit verächtlichen Namen wie Histah, die Schlange, und Dango, die Hyäne. Sie drohte, sie werde Mumga rufen, sie solle die beiden mit dem Stock züchtigen – Mumga, die so alt war, dass sie nicht einmal mehr klettern konnte und so zahnlos, dass sie sich mit ihrem Futter bereits auf Bananen und Raupen beschränken musste! Die Affen ringsum hörten es und lachten. Taug war wütend. Er machte einen plötzlichen Sprung auf Tarzan zu, aber der junge Affenmensch hüpfte flink zur Seite, ließ ihn vorbei, drehte sich so schnell wie eine Katze und kam ihm in den Rücken. Im Anspringen hob er das Jagdmesser über den Kopf und hieb gefährlich nach Taugs Genick. Der Affe drehte sich, um der Waffe zu entgehen, sodass ihn die scharfe Klinge nur an der Schulter streifte.
Das fließende rote Blut rief einen schrillen Schrei des Entzückens auf Teekas Lippen. Ha! das war doch einmal etwas wert! Sie sah sich um, ob die anderen auch diesen Beweis ihrer Beliebtheit bemerkt hatten. Helena von Troja war kein bisschen stolzer als Teeka in diesem Augenblick.
Wäre Teeka nicht so sehr mit der Befriedigung ihrer Eitelkeit befasst gewesen, dann hätte sie wohl das Rascheln der Blätter im Baume über sich bemerken müssen – der Wind konnte dieses Rascheln nicht verursacht haben, denn es wehte kein Wind. Und hätte sie aufgeblickt, dann hätte sie gesehen, dass ein geschmeidiger Körper gerade über ihr kauerte und dass ein Paar boshafte, gelbe Augen hungrig auf sie herunterblickten. Aber Teeka sah nicht auf.
Der verwundete Taug ging mit fürchterlichem Knurren etwas zurück. Tarzan folgte ihm, beschimpfte ihn und schwang drohend sein Messer. Teeka kam unter dem Baume hervor, um den zwei Duellanten möglichst nahe zu bleiben.
Der Zweig über Teeka schwankte und bog sich etwas, als sich der lauernde Körper darauf streckte. Taug hatte jetzt halt gemacht und bereitete sich für eine neue Runde vor, während ihm der Schaum auf den Lippen stand. Zu einem neuen Angriff bereit, senkte er den Kopf. Dann streckte er die Arme aus. Wenn er erst seine mächtigen Hände auf die weiche, braune Haut legen konnte, dann war der Sieg sein. Taug betrachtete Tarzans Kampfweise als unschön. Jener wollte sich nicht auf ein Handgemenge einlassen und schlüpfte immer gewandt gerade unter Taugs muskulösen Fingern weg.
Da der junge Affenmensch seine Kräfte bisher noch nicht ernstlich, anders als im Spiele, mit einem Affenbullen gemessen hatte, war er nicht recht sicher, ob es geraten sei, seine Muskeln in einem Ringen um Leben und Tod auf die Probe zu stellen. Nicht als ob er Furcht gehabt hätte; Tarzan kannte keine Furcht. Aber der Selbsterhaltungstrieb warnte ihn. Er setzte nur etwas aufs Spiel, wenn es nötig war; dann schreckte er aber auch vor nichts zurück.
Seine eigene Kampfesweise entsprach am besten seiner Gestalt und Bewaffnung. So stark und scharf seine Zähne waren, als Angriffswaffen waren sie im Vergleich mit den mächtigen Fängen der Menschenaffen armselig. Aber so im Herumtanzen, gerade außer dem Bereich des Gegners konnte Tarzan mit seinem langen, scharfen Jagdmesser unbegrenztes Unheil zufügen und gleichzeitig den vielen, gefährlichen und schmerzhaften Wunden entgehen, die ihm sicher gewesen wären, wenn ihn der Affenbulle in die Finger bekommen hätte.
Wieder griff Taug an und brüllte wie ein Stier, und wieder tanzte Affentarzan leicht dahin und dorthin, rief seinem Gegner Ausdrücke vom »Dschungelfischmarkt« zu und ritzte ihn hin und wieder mit dem Messer.
Gelegentlich machten die beiden Kämpfer Pausen, wenn sie sich einander nach Atem ringend besahen und Witz und Kräfte für einen neuen Gang zusammennahmen. Als sie wieder eine solche Pause machten, sah Taug zufällig über seinen Feind hinweg. Sogleich änderte sich das ganze Benehmen des Affen. Statt der Wut brachten seine Züge Angst zum Ausdruck.
Mit einem Schrei, der jedem Affen wohlbekannt war, drehte sich Taug um und floh. Eine Frage war unnötig – sein Warnungsruf meldete die Nähe ihres Erbfeindes.
Tarzan setzte zur rettenden Flucht an wie die anderen Mitglieder des Stammes, als er hörte, wie sich das Fauchen des Leoparden mit dem Angstschrei einer Äffin mischte. Auch Taug hörte es, aber er hielt nicht an.
Anders der Junge. Er sah herum, ob irgendein Mitglied der Horde von dem Raubtier nahe bedroht war und bekam einen mächtigen Schrecken.
Es war Teeka, die vor Entsetzen geschrien hatte, denn als sie nach dem nächsten Baum jenseits der Lichtung eilte, lief ihr Sheeta, der Leopard, in kurzen eleganten Sprüngen nach. Sheeta schien gar keine Eile zu haben. Sein Mahl war ihm sicher, denn selbst wenn der Affe die Bäume vor ihm erreichte, hatte er ihn trotzdem noch, ehe er aus dem Bereich seiner Pranken hochklettern konnte.
Tarzan sah, dass Teeka sterben musste. Er schrie Taug und den anderen Bullen zu, sie sollten Teeka zu Hilfe eilen, während er sich, hinter der verfolgenden Katze herrennend, das Wurfseil abnahm. Tarzan wusste, wenn er die großen Bullen heranholen konnte, gab es keinen im Dschungel, nicht einmal den Löwen Numa, der besondere Lust verspürt hätte, sich mit ihnen zu messen, und wenn alle, die von der Horde eben anwesend waren, zum Angriff vorgingen, dann würde Sheeta, die große Katze, davonrennen, wenn ihr das Leben lieb wäre.
Taug hörte den Ruf so gut wie die anderen, aber keiner kam Tarzan zu Hilfe oder zur Rettung Teekas, und Sheeta verkürzte rasch den Abstand zwischen sich und seiner Beute.
Der Knabe sprang hinter dem Leoparden her und schrie das Tier laut an, um es von Teeka abzubringen, oder seine Aufmerksamkeit so lange abzuziehen, bis die Äffin sich auf die höheren Zweige gerettet hatte, wohin der Leopard sich nicht wagte. Er rief Sheeta jeden Schimpfnamen zu, der ihm einfiel. Er forderte ihn auf, zu bleiben und mit ihm zu kämpfen. Aber Sheeta lief unbeirrt hinter dem schmackhaften Bissen her, den er jetzt beinahe in Reichweite hatte. Tarzan war nicht weit zurück und holte auf, aber die Entfernung war nur noch so kurz, dass er kaum hoffen konnte, das Raubtier zu überholen, ehe es Teeka zu Boden schlug. Mit der rechten Hand schwang der Knabe sein Grasseil über dem Kopf, aber er hatte Furcht vor einem Fehlwurf, weil die Entfernung größer war als die, welche er bisher außer zur Übung geworfen hatte. Die volle Reichweite seines Grasseils trennte ihn noch von Sheeta, aber es blieb ihm nichts weiter übrig. Er konnte nicht an die Seite der Bestie kommen, ehe sie Teeka überholt hatte; er musste den Wurf wagen.
Eben jetzt sprang Teeka nach dem untersten Zweig eines großen Baumes und Sheeta flog mit einem langen, geschmeidigen Satze dahinter hoch, da schoss die Schlinge des Knaben blitzschnell durch die Luft, das Seil streckte sich zu einer geraden, dünnen Linie, als die offene Schlinge über dem wilden Kopf und dem fauchenden Rachen einen Augenblick stillstand. Dann fiel sie – haarscharf saß sie um den braunen Nacken, Tarzan zog mit kurzem Ruck der Wurfhand die Schlinge fest und stemmte sich gegen den Stoß, der kommen musste, sobald Sheetas Wucht das Seil spannte.
Um Haaresbreite hinter Teekas glattem Rumpf fegten die grausamen Tatzen durch die Luft, als sich das Seil straffte und Sheeta plötzlich zum Halten brachte – einem Halt, der das Tier auf den Rücken riss. Wie ein Gedanke war Sheeta wieder hoch – die Augen glühten, der Schwanz peitschte, der offene Rachen entsandte Schreie der Wut und Enttäuschung. Da, kaum vierzig Fuß vor sich sah er den Affenjungen, die Ursache seines Fehlsprunges, und Sheeta griff an.
Teeka war mittlerweile in Sicherheit, so viel hatte Tarzan mit einem raschen Blick nach dem Baum gesehen, dessen Schutz sie nicht einen Augenblick zu früh gewonnen hatte. Sheeta kam an. Es war zwecklos, das Leben in einem eitlen und ungleichen Kampf zu wagen, bei dem nichts Gutes herauskommen konnte; aber wie den Kampf mit der wütenden Katze vermeiden? Und wenn er zum Kampfe gezwungen war, welche Aussicht hatte er, ihn zu überleben? Tarzan musste zugeben, dass seine Lage nicht gerade beneidenswert war. Die Bäume waren zu fern, um sie rechtzeitig vor der Katze zu erreichen. Tarzan konnte nur noch diesem fürchterlichen Angriff die Stirne bieten. Seine Rechte hielt das Jagdmesser – ein winziges, wertloses Ding gegen die gewaltigen Reihen mächtiger Fänge in Sheetas furchtbarem Rachen und gegen die scharfen, in den weichen Tatzen verborgenen Krallen. Doch der junge Lord Greystoke begegnete ihnen mit derselben mutvollen Ergebung, mit welcher sich seine furchtlosen Ahnen bei Hastings von dem Senlac Hill hinab in Niederlage und Tod stürzten.
Von ihren sicheren Baumwipfeln aus sahen die großen Affen zu, kreischten hasserfüllt auf Sheeta und gaben Tarzan gute Ratschläge, denn naturgemäß zeigen die Vorfahren des Menschen schon viele menschliche Charakterzüge. Teeka war zu Tode erschrocken. Sie schrie den Bullen zu, sie sollten Tarzan zu Hilfe kommen, aber die Bullen waren gerade anderweitig beschäftigt – hauptsächlich auf Gesichterschneiden und Erteilen guter Ratschläge. Außerdem war Tarzan gar kein richtiger Mangani, warum sollten sie also beim Versuche, ihn zu beschützen, ihr Leben aufs Spiel setzen?
Da, nun war Sheeta schon auf dem weichen, nackten Leib und – der Leib war nicht mehr da. Flink war die große Katze, der Knabe war flinker. Als sich die Fänge des Leoparden fast schon in ihn gruben, schnellte er zur Seite, und während Sheeta im Schwung über die Stelle hinausschoss, raste Tarzan nach dem Sicherheit bietenden nächsten Baum.
Der Leopard fing sich sofort, wendete und flog, das Seil des Jungen auf dem Boden nach sich schleppend, hinter seiner Beute her. Als Sheeta im Bogen hinter Tarzan hersprang, musste er um einen kleinen Busch herum. Für ein Dschungeltier von Sheetas Größe und Gewicht war das so viel wie kein Hindernis – wenn kein mitgeschlepptes Seil im Wege war. Aber Sheeta hatte das Seil als Hindernis, und als er wieder dem Affentarzan nachsprang, schlang sich die Leine um den kleinen Busch, verwickelte sich darin und nötigte den Leoparden zu einem ruckweisen Halten. Einen Augenblick später befand sich Tarzan auf den höheren Zweigen eines Baumes, auf die ihm Sheeta nicht folgen konnte, in Sicherheit.
Dort saß er und schleuderte Zweige und Schimpfworte auf das unten rasende Katzentier. Nun nahmen auch die übrigen Glieder der Horde die Beschießung auf und warfen an harten Früchten und dürren Zweigen hinab, was sie finden konnten, bis Sheeta in seiner Raserei wie toll nach dem Grasseil biss und so schließlich seine Fessel zertrennte. Eine Zeit lang starrte der Leopard noch von einem seiner Quäler zum anderen, bis er mit einem letzten Wutschrei im Urwalddickicht verschwand.
Eine halbe Stunde später war wieder der ganze Stamm unten auf dem Boden bei der Nahrungssuche, als ob nichts die dumpfe Eintönigkeit des Lebens unterbrochen hätte. Tarzan hatte den größten Teil seines Seiles wiedergefunden und brachte eifrig eine neue Schlinge an, während Teeka dicht neben ihm hockte als offensichtliches Anzeichen, dass sie ihre Wahl getroffen hatte.
Taug sah die beiden mürrisch an. Einmal kam er näher, da fletschte Teeka ihre Zähne und knurrte ihn an, und Tarzan zeigte mit bösartigem Schnarren seine Fangzähne. Aber Taug suchte keinen neuen Streit. Nach der Gewohnheit seiner Artgenossen nahm er augenscheinlich die Entscheidung des Weibchens als Hinweis, dass er im Kampf um ihre Gunst besiegt worden war.
Spät am Tage hatte Tarzan sein Wurfseil ausgebessert und nahm seinen Weg durch die Bäume, um zu jagen. Mehr als seine Gefährten trug er Verlangen nach Fleisch, und während sie mit Früchten, Kräutern und Kerbtieren zufrieden waren, die sie ohne besondere Mühe finden konnten, verbrachte Tarzan den größten Teil seiner Zeit auf der Jagd nach Wild, dessen Fleisch allein den Ansprüchen seines Magens genügte und den mächtigen Muskeln, die sich jeden Tag stärker unter seiner glatten, braunen Haut entwickelten, Nahrung und Kraft lieferte.
Taug sah ihn aufbrechen und kam ganz zufällig auf der Nahrungssuche immer mehr in Teekas Nähe. Als er nur noch einige Fuß von ihr entfernt war und nach ihr hinüberschielte, sah er, dass sie keinerlei Ärger zeigte und seine Annäherung anscheinend billigte. Taug warf sich in die breite Brust und stolzierte auf seinen kurzen Beinen umher, wobei er aus seiner Kehle merkwürdige, knurrende Geräusche hervorholte. Jetzt hob er die Lippen und bleckte die Zähne. Nein, was für große, wunderschöne Fangzähne er hatte! Teeka musste das wirklich feststellen. Dann ließ sie ihre Augen voll Bewunderung auf Taugs mächtigen Brauen und seinem kurzen, starken Nacken ruhen. Was für ein Prachtgeschöpf er doch war!
Durch die unverhehlte Bewunderung in ihren Augen fühlte sich Taug geschmeichelt und begann so stolz und eitel wie ein Pfau herumzustolzieren. Dann zählte er für sich seinen Bestand an Vorzügen auf und bald verglich er sie mit denen seines Nebenbuhlers.
Taug grunzte: da war nichts zu vergleichen! Wie konnte man sein schönes Fell mit der glatten, nackten Scheußlichkeit von Tarzans haarloser Haut vergleichen? Wer konnte an des Tarmangani spitzer Nase etwas Schönes finden, wenn er Taugs breite Nüstern gesehen hatte? Und erst Tarzans Augen! Hässliche Dinger, die das Weiße sehen ließen und kein Spürchen roten Rand hatten! Taug wusste, wie schön seine eigenen blutunterlaufenen Augen waren, denn er hatte sie oft schon in der glatten Oberfläche eines tränkenden Wassertümpels spiegeln sehen.
Der Affe schlich näher an Teeka und drückte sich schließlich eng an ihre Seite. Als Tarzan bald danach von seiner Jagd zurückkam, sah er, wie Teeka seinem Rivalen zufrieden den Rücken kratzte.
Tarzan war empört. Weder Taug noch Teeka sahen es, als er aus den Bäumen auf die Waldwiese herauskam. Er schaute ihnen einen Augenblick zu, dann wendete er sich mit seiner jammervollen Grimasse ab und verschwand wieder in dem Gewirr belaubter Zweige und Moosgirlanden, aus denen er aufgetaucht war.
Tarzan wünschte sich von der Ursache seines Herzeleides so weit fort wie möglich. Er erlitt die ersten Stiche verschmähter Liebe und wusste nicht einmal ganz genau, was eigentlich mit ihm los war. Er glaubte erst, es sei Ärger über Taug, aber dann verstand er nicht, warum er davongelaufen war, statt sich zum tödlichen Kampfe auf den Zerstörer seines Glücks zu stürzen.
Dann dachte er wieder, es sei wohl Ärger über Teeka, aber die Vorstellung ihrer vielen Schönheiten verfolgte ihn, sodass sie ihm wieder nur im Lichte der Liebe als das begehrenswerteste Ding auf der Welt erschien.
Dem Affenknaben fehlte Zuneigung. Von seiner Kindheit bis zurzeit ihres Todes, als Kulongas vergifteter Pfeil ihr wildes Herz durchbohrte, war Kala für den englischen Knaben die einzige gewesen, für die er Anhänglichkeit empfinden konnte.
Kala hatte ihren angenommenen Sohn in ihrer wilden, rauen Art geliebt und Tarzan hatte diese Liebe erwidert, obgleich die äußerlichen Zeichen davon nicht größer waren, als man es auch von jedem anderen Dschungeltier erwarten konnte.
Erst als er ihrer beraubt war, wusste der Junge, wie innig er an seiner Mutter, denn dafür hielt er sie, gehangen hatte.
In Teeka hatte er in den letzten paar Stunden einen Ersatz für Kala gesehen – etwas, für das er kämpfen, für das er jagen konnte – etwas, das er liebkosen konnte! Nun war sein Traum zerbrochen. Irgendetwas in der Brust tat ihm weh. Er legte die Hand auf das Herz und fragte sich verwundert, was ihm denn geschehen war. Ganz unbestimmt fühlte er, dass er seinen Schmerz Teeka zuzuschreiben habe. Je mehr er daran dachte, wie er zuletzt Teekas Liebkosung für Taug gesehen, desto weher tat ihm das Ding in der Brust.
Tarzan schüttelte den Kopf und brummte. Immer weiter durch den Dschungel schwang er sich, und je weiter er zog und je mehr er über das erlittene Unrecht nachdachte, desto näher war er daran, unwiderruflich ein Weiberfeind zu werden.
Volle zwei Tage später jagte er immer noch allein – recht mürrisch und recht unglücklich; er war entschlossen, nie wieder zur Horde zurückzukehren. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, Taug und Teeka stets beieinander sehen zu müssen. Als er sich gerade auf einen großen Ast schwang, schritten Numa, der Löwe, und Sabor, die Löwin, unter ihm durch. Seite an Seite gingen sie und Sabor lehnte sich an den Löwen und biss ihn im Spiel in die Wange. Es war eine halbe Zärtlichkeit. Tarzan seufzte und schleuderte ihnen eine Nuss nach.
Nachher stieß er auf mehrere von Mbongas schwarzen Kriegern. Er wollte schon einem, der sich etwas von den anderen entfernt hatte, seine Schlinge um den Hals werfen, als ihn der Gegenstand anzog, mit dem sich die Schwarzen beschäftigten. Sie bauten auf der Wildfährte einen Käfig und bedeckten ihn mit belaubten Zweigen. Als sie ihr Werk beendet hatten, war der Bau kaum noch zu sehen.
Tarzan wunderte sich, wozu das Ding dienen sollte und warum seine Erbauer nach der Fertigstellung wieder den Wildpfad hinab nach ihrem Dorfe zurückgingen.
Es war einige Zeit her, seit Tarzan die Schwarzen besucht und sich aus der Deckung des großen Baumes über der Palisade die Beschäftigungen seiner Feinde, deren einer Kala ermordete, wieder angesehen hatte. Obgleich er sie hasste, verschaffte es ihm doch viele Unterhaltung, ihr tägliches Leben im Dorfe, besonders bei den Tänzen, zu belauschen, wenn der Feuerschein auf den nackten Körpern spielte, die im Getümmel des Scheinkampfs sprangen und sich bogen und drehten. Wohl in der Hoffnung, etwas Derartiges zu sehen zu bekommen, folgte er ihnen bis zum Dorfe, aber er war enttäuscht. Diese Nacht fand kein Tanz statt.
Dafür sah Tarzan aus seinem sicheren Baumversteck, wie kleine Gruppen, um Feuerchen hockend, die Tagesereignisse besprachen, während er in den dunkleren Ecken des Dorfes einzelne Paare erspähte, die miteinander lachten und schwatzten. Und immer war einer von dem Paare ein junger Mann und das andere ein junges Weib.
Tarzan neigte den Kopf auf die Seite und überlegte. Ehe er in dieser Nacht in einer Astgabel des großen Baumes am Dorfe einschlief, erfüllte ihn der Gedanke an Teeka und nachher träumte er von ihr – von ihr und den jungen Schwarzen, die mit den jungen Negermädchen lachten und scherzten.
Taug hatte sich beim Alleinjagen etwas von dem übrigen Stamm entfernt. Er strich langsam eine Elefantenfährte entlang, als er entdeckte, dass sie an eine Stelle von Pflanzen verwachsen war. Nun war der erwachsene Taug ein übellauniges, ungeduldiges Tier geworden. Wenn ihn etwas hinderte, dachte er nur daran, das Hindernis durch rohe Kraft und Wildheit zu beseitigen. Als er daher jetzt den Weg versperrt sah, riss er ärgerlich an dem Vorhang aus Zweigen, fand sich alsbald in einem wunderlichen Raum und fand weiter, dass der Durchgang versperrt war und dass er trotz heftigster Anstrengung nicht durchbrechen konnte.
Taug biss und schlug nach dem Gitter und geriet zuletzt in eine fürchterliche Wut, aber es nützte ihm alles nichts; schließlich sah er ein, dass er umkehren musste. Aber als er es tun wollte, fand er zu seinem Grimm, dass ein anderes Gitter hinter ihm herabgefallen war, während er das vordere hatte niederbrechen wollen! Taug saß in der Falle. Er kämpfte verzweifelt bis zur völligen Erschöpfung um seine Freiheit, aber es war ganz vergeblich.
Am Morgen rückte aus Mbongas Dorf eine Abteilung Schwarzer nach der tags zuvor gebauten Falle ab, während ein nackter junger Riese, von der Neugierde der wilden Geschöpfe erfüllt, in den Zweigen über ihnen schwebte. Manu, das Äffchen schnatterte und schalt, als Tarzan vorbeikam, und obgleich er die wohlbekannte Gestalt des Affenjungen nicht fürchtete, zog er doch den kleinen braunen Körper seiner Lebensgefährtin enger an sich. Tarzan lachte, als er das sah, aber nach dem Lachen zog eine Wolke über sein Gesicht und er seufzte tief.
Ein paar Schritte weiter stolzierte ein Vogel in buntem Prachtgefieder vor den bewundernden Augen seines dunkelfarbigen Weibchens umher. Es kam Tarzan vor, als ob sich alles im Dschungel vereinigt hätte, um ihn an Teekas Verlust zu erinnern; sonst hatte er diese Dinge jeden Tag gesehen und sich nichts dabei gedacht.
Als die Schwarzen die Falle erreichten, machte Taug einen mächtigen Aufruhr. Er packte die Stangen seines Gefängnisses und schüttelte sie wahnsinnig, während er ohne Aufhören brüllte oder schrecklich knurrte. Die Schwarzen waren ganz übermütig vor Freude, denn obgleich sie ihre Falle nicht für diesen haarigen Baummann gebaut hatten, waren sie doch entzückt über ihren Fang.
Tarzan spitzte die Ohren. Als er die Stimme eines großen Affen hörte, schlug er rasch einen Bogen, bis er unter Wind der Falle war und suchte in der Luft nach der Witterung des Gefangenen. Nach kurzer Frist drang in seine feine Nase ein vertrauter Geruch, der ihm so untrüglich, als es seine Augen gekonnt hätten, Taug als den Gefangenen angab. Jawohl, Taug war es, und zwar allein.
Tarzan lachte und näherte sich, um festzustellen, was die Schwarzen mit ihrem Gefangenen vorhatten. Ohne Zweifel würden sie ihn sofort töten. Wieder freute sich Tarzan. Jetzt hatte er Teeka für sich und keiner würde sie ihm mehr streitig machen können. Er beobachtete noch, wie die Schwarzen die Zweige vom Käfig nahmen, Seile anbrachten und den Käfig nach dem Dorfe zu die Wildfährte hinabschleiften.
Tarzan wartete, bis sein Nebenbuhler außer Sicht kam, der immer an den Gitterstäben rüttelte und seinen Zorn und seine Drohungen durch Knurren kundgab. Dann wandte sich der Affenjunge um und machte sich rasch auf die Suche nach der Horde und nach Teeka.
Unterwegs überraschte er Sheeta und seine Familie auf einer kleinen, halbverwachsenen Lichtung. Das große Männchen lag ausgestreckt auf dem Boden, während das Weibchen seinem Herrn eine Tatze über das wilde Gesicht legte und ihm den weichen, weißen Pelz am Hals beleckte.
Tarzan vergrößerte seine Geschwindigkeit, bis er fast durch den Wald flog und traf bald auf die Horde. Er hatte sie längst erspäht, ehe sie ihn erblickten, denn von allen Dschungelgeschöpfen kam keines leiser als Affentarzan. Er sah Kamma mit ihrem Gefährten Seite an Seite, wie sie die behaarten Körper aneinanderrieben. Aber er sah Teeka allein Futter suchen. Sie sollte nicht lange allein suchen, dachte Tarzan, als er mit einem Satze mitten unter ihnen erschien.
Es gab ein entsetztes Rennen, und ein Chor ärgerlicher und erschreckter Knurrstimmen ertönte, denn Tarzan hatte sie überrascht. Aber es musste mehr als nur ein nervöses Erschrecken dabei sein, sonst war nicht zu erklären, warum das Haar der Affen noch gesträubt blieb, obwohl sie schon lange die Person des Ankömmlings festgestellt hatten.
Tarzan fand wieder, wie schon so oft, dass immer sein plötzliches Erscheinen unter ihnen sie für lange Zeit völlig aus der Fassung brachte und dass sie sich erst beruhigten, wenn sie ihn samt und sonders ein halbes dutzendmal oder öfter berochen hatten.
Er drängte sich zwischen ihnen durch und ging auf Teeka zu; aber als er näherkam, wich die Äffin zurück. Teeka, sagte er, ich bin Tarzan. Du gehörst Tarzan. Ich bin deinetwegen gekommen.
Die Äffin kam näher und besah ihn sorgfältig. Endlich beroch sie ihn, wie um ganz sicher zu gehen.
Wo ist Taug? fragte sie.
Die Gomangani haben ihn, erwiderte Tarzan. Sie werden ihn töten.
Tarzan sah in den Augen des Weibchens einen Ausdruck von Verstehen und einen traurigen Blick, als er ihr Taugs Schicksal mitteilte; aber sie kam ganz nahe heran und schmiegte sich an ihn und Tarzan, Lord Greystoke, legte seinen Arm um sie.
Da fuhr er auf, denn er bemerkte die merkwürdige Unstimmigkeit seines glatten, braunen Armes neben dem schwarzen, behaarten Fell seiner Angebetenen. Er dachte an die Pfote von Sheetas Weibchen über Sheetas Gesicht – da war keine Unstimmigkeit! Er dachte, wie der kleine Manu sein Weibchen an sich drückte und wie eines zu dem anderen zu gehören schien. Selbst das stolze Männchen der Vögel mit seinem hübschen Gefieder trug eine gewisse Ähnlichkeit mit seiner ruhiger getönten Gefährtin zur Schau. Auch Numa, der Löwe, war, wenn man seine zottige Mähne wegließ, das Gegenstück zur Löwin Sabor. Zwischen Männchen und Weibchen bestanden wohl Unterschiede, aber nicht so große, wie zwischen Tarzan und Teeka.
Tarzan war verwirrt. Irgendetwas stimmte nicht. Sein Arm rutschte von Teekas Schulter. Ganz langsam wich er vor ihr zurück. Sie blickte ihm mit schräg gehaltenem Kopf nach. Tarzan erhob sich zu seiner vollen Größe und schug mit den Fäusten auf seine Brust. Er hob den Kopf zum Himmel, öffnete den Mund und stieß aus der Tiefe der Lungen den wilden, unheimlichen Kampfruf des siegreichen Affenbullen hervor. Der Stamm besah ihn mit neugierigen Augen. Er hatte doch nichts erlegt und ein Gegner war auch nicht da, um sich durch den wilden Schrei zur Kampftollheit anzustacheln! Nein, es gab wirklich keine Entschuldigung für diese Störung, sie hielten daher stets ein Auge auf den Affenmenschen gerichtet für den Fall, dass sein Schrei die Vorbereitung zum Amoklaufen war.
Sie beobachteten noch, wie er sich auf einen nahen Baum schwang und aus dem Gesichtskreis verschwand. Dann vergaßen ihn alle wieder; auch Teeka.
Mbongas schwarze Krieger kamen nur langsam dem Dorfe näher, denn sie schwitzten sehr bei ihrer anstrengenden Arbeit und mussten oft ausruhen. Jedes Mal, wenn sie den Käfig bewegten, knurrte und brüllte das wilde Tier in dem rohgebauten Käfig und trommelte an den Stäben. Es war ein fürchterlicher Lärm.
Die Schwarzen hatten ihren Weg fast beendet und ruhten zum letzten Male aus, ehe sie die Lichtung erreichten, auf welcher ihr Dorf lag. Ein paar weitere Minuten würden sie aus dem Walde gebracht haben, und dann würde wahrscheinlich das, was nun kam, nicht eingetreten sein. Eine schweigende Gestalt huschte über ihnen durch die Bäume. Scharfe Augen prüften den Käfig und zählten die Krieger. Ein erfindsames und wagehalsiges Gehirn erwog die Möglichkeit des Erfolges, wenn ein gewisser Plan nötig wurde.
Tarzan beobachtete, wie die Schwarzen im Schatten ruhten. Sie waren erschöpft. Einige schliefen bereits. Er kroch näher, hielt schon über ihnen. Kein Blättchen raschelte bei seinem behutsamen Vorrücken. Mit der unerschöpflichen Geduld des Raubtieres wartete er. Jetzt waren nur noch zwei Krieger wach und einer der beiden war bereits schlaftrunken. Affentarzan zog sich zum Angriff zusammen, als der nicht eingeschlafene Schwarze aufstand und um den Käfig herumging. Der Junge blieb über seinem Kopf. Taug folgte dem Krieger mit den Augen und knurrte laut, sodass Tarzan fürchtete, der Menschenaffe werde die Schlafenden wecken.
In einem den Ohren des Negers unhörbaren Flüstern nannte Tarzan Taug beim Namen, empfahl ihm Schweigen, und Taugs Knurren verstummte.
Der Schwarze ging an die Rückseite des Käfigs, um die Befestigung zu prüfen, und als er dort stand, stürzte sich der Affenmensch über ihm vom Baume gerade auf seinen Nacken. Stählerne Finger umklammerten seinen Hals, den Schrei erstickend, der sich über die Lippen des erschrockenen Mannes ringen wollte, starke Zähne gruben sich in seine Schulter und kraftvolle Beine wanden sich um seinen Rumpf.
Der vor Angst wahnsinnige Schwarze suchte das stille, auf seinem Rücken hängende Etwas loszuwerden. Er warf sich auf den Boden und überkollerte sich, aber die mächtigen Finger nahmen ihren Griff immer enger und fester. Der Mann riss den Mund weit auf, die geschwollene Zunge drückte sich vor, die Augen traten aus den Höhlen, aber die erbarmungslosen Finger verstärkten ihren Druck noch.
Taug war schweigsamer Zeuge des Ringens. In seinem wilden, kleinen Hirn fragte er sich zweifellos, was Tarzan bewegen mochte, den Schwarzen anzugreifen. Taug hatte weder den Kampf jüngst mit dem Menschenjungen noch den Grund dazu vergessen. Plötzlich sah er die Gestalt des Gomangani nachgeben. Ein krampfhaftes Zucken noch und der Mann lag still. Tarzan sprang von seinem Opfer auf und lief an die Türe des Käfigs. Mit seinen geschickten Fingern löste er die Riemen, welche die Tür an ihrem Platze hielten. Taug konnte nur zusehen, helfen konnte er nicht. Gleich darauf stieß Tarzan das Ding ein paar Fuß hoch und Taug kroch heraus. Der Affe wollte sich sofort auf die schlafenden Schwarzen stürzen, um sein Mütchen an ihnen zu kühlen, aber Tarzan duldete es nicht. Statt dessen zog der Affenknabe den bewusstlosen Schwarzen in den Käfig und lehnte ihn gegen das Seitengitter. Dann ließ er die Türe wieder herunter und befestigte die Riemen, wie sie gewesen waren. Ein vergnügtes Lächeln erhellte seine Züge bei dieser Beschäftigung, denn eine seiner Lieblingsunterhaltungen war es, die Schwarzen in Mbongas Dorf zu plagen. Er stellte sich ihren Schrecken vor, wenn sie beim Erwachen ihren toten Kameraden statt des ein paar Minuten vorher darin gewesenen Menschenaffen im Käfig eingeschlossen fanden.
Taug und Tarzan schwangen sich in die Bäume, das zottige Fell des wilden Affen streifte die glatte Haut des englischen Lordsohnes, als sie zusammen durch den Urwald zogen.
Geh zu Teeka zurück, sagte Tarzan. Sie gehört dir. Tarzan braucht sie nicht.
Hat Tarzan ein anderes Weibchen gefunden? fragte Taug.
Der Junge zuckte die Schultern. Die Gomangani nehmen eine andere Gomangani, Numa der Löwe hat die Löwin Sabor; Sheeta hat ein Weibchen von seiner Art, so hat es Bara, der Hirsch, und Manu, das Äffchen. Alle Tiere und Vögel des Dschungels finden eine Gefährtin. Nur für Affentarzan gibt es keine. Taug ist ein Affe. Teeka ist eine Äffin. Geh du zurück zu Teeka. Tarzan ist ein Mensch. Er muss allein bleiben.
Kriegsfall, bzw. -grund <<<
Die schwarzen Krieger arbeiteten in der feuchten Hitze mühsam unter den erstickenden Schatten des Dschungels. Mit den Speeren lockerten sie den festen dunklen Lehm und die tiefe Lage vermoderter Pflanzen. Mit ihren Fingernägeln kratzten sie die zerkleinerte Erde aus der Mitte der uralten Waldfährte. Oft hielten sie in der Arbeit an, hockten sich auf den Rand der Grube, die sie anlegten, ruhten sich aus, lachten und schwatzten. Während sie mit ihren Speeren gruben, lehnten ihre langen ovalen Schilde aus dicker Büffelhaut an den nahen Baumstämmen. Ihre glatte, schwarze Haut, unter der sich die schönen, vollen Muskeln in der runden Form vollster Gesundheit strafften, glänzte vom Schweiß.
Eine Riedantilope zog vorsichtig auf dem Wege zur Wasserstelle die Fährte entlang, als ihr das Gelächter zu Gehör kam. Sie stand einen Augenblick bis auf die witternden Nüstern bewegungslos, dann wendete sie sich und floh geräuschlos aus der schrecklichen Nähe der Menchen.
Hundert Schritte davon entfernt im Dickicht des undurchdringlichen Dschungels hob der Löwe Numa seinen massigen Kopf. Numa hatte heute fast bis zum Tagesanbruch gefressen, sodass er erst durch den großen Lärm geweckt wurde. Jetzt hob er die Schnauze, zog die Luft ein und fing die scharfe Witterung des Riedbocks und die dumpfe des Menschen auf. Aber Numa war wohl gesättigt. Mit einem leisen, unzufriedenen Grunzen erhob er sich und schlich davon.