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Tarzan sucht nach seiner Frau Jane, Lady Greystoke. Er entdeckt dabei eine neue Welt, ein den zivilisierten Menschen bisher unbekanntes Gebiet der Erde, das durch ein fast unbezwingbares Sumpfgebiet von den bislang bekannten Ländern abgeschlossen ist. Dieses Gebiet ist ebenso unbekannt wie unglaublich: Es ist eine Welt der Menschen unserer Vorzeit. Tarzan trifft Wesen, die dem Urmenschen gleichen. Aber auch hier findet er in Ta-den und Om-at wahre Freunde. Ta-den und Om-at wurden durch die Beherrscher ihrer Stämme zur Flucht gezwungen. Aber gemeinsam mit Tarzan kehren sie zurück in ihre Höhlenwohnungen und zurück nach A-lur, der Stadt des Lichtes. Alle werden von einem Sturm der Abenteuer erfasst und hinaus in die grausame Wildnis der Vorzeit gewirbelt. Hier trifft Tarzan auf Tiere, von deren früherer Existenz er nur aus großen Museen wusste, riesige Ungeheuer der grauen Vorzeit. Aber er besteht auch eines der waghalsigsten Abenteuer seines Lebens, er zähmt das riesige vorsintflutliche Ungeheuer, das Gryf. Auch der Kampf mit den tyrannischen Herrschern in dieser utopischen Welt zwingt Tarzan zur Anwendung raffinierter Mittel, um sein Ziel zu erreichen... Der Roman TARZAN IN GEFAHR erschien erstmals von Februar bis März 1921 (unter dem Titel TARZAN THE TERRIBLE) im Argosy-All-Story-Weekly-Magazin. Eine erste Buchveröffentlichung folgte im gleichen Jahr. Der Apex-Verlag veröffentlicht TARZAN IN GEFAHR in der deutschen Übersetzung von Anne Steul, bearbeitet von Christian Dörge.
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Seitenzahl: 433
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EDGAR RICE BURROUGHS
Tarzans in Gefahr
Zehnter Band des TARZAN-Zyklus
Roman
Apex-Verlag
Copyright 1921 © by Edgar Rice Burroughs.
Der Roman Tarzan The Terrible ist gemeinfrei.
Copyright dieser Ausgabe © by Apex-Verlag.
Übersetzung: Anne Steul und Christian Dörge (OT: Tarzan The Terrible).
Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.
Cover: J. Allen St. John/Christian Dörge/Apex-Graphixx.
Satz: Apex-Verlag.
Verlag: Apex-Verlag, Winthirstraße 11, 80639 München.
Verlags-Homepage: www.apex-verlag.de
E-Mail: [email protected]
Alle Rechte vorbehalten.
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
Der Autor
TARZAN IN GEFAHR
1. Der Urmensch
2. Bis zum Tode
3. Dunkle Blume
4. Tarzan, der Schreckliche
5. In der Wildnis
6. Das Untier
7. Dschungellist
8. A-lur, die Stadt des Lichtes
9. Dor-ul-Otho, der Sohn des Gottes
10. Die verbotenen Gärten
11. Das Todesurteil
12. Der Fremde
13. Unter der Maske
14. Der Tempel des Gryf
15. Der König ist tot
16. Der geheime Gang
17. Flucht in den Dschungel
18. Die Löwengrube von Tu-lur
19. Diana des Dschungels
20. Der Wahnsinnige
21. Reise auf einem Gryf
22. In Gefangenschaft
23. Der Botschafter des Todes
24. Heimwärts
Tarzan sucht nach seiner Frau Jane, Lady Greystoke. Er entdeckt dabei eine neue Welt, ein den zivilisierten Menschen bisher unbekanntes Gebiet der Erde, das durch ein fast unbezwingbares Sumpfgebiet von den bislang bekannten Ländern abgeschlossen ist. Dieses Gebiet ist ebenso unbekannt wie unglaublich: Es ist eine Welt der Menschen unserer Vorzeit. Tarzan trifft Wesen, die dem Urmenschen gleichen. Aber auch hier findet er in Ta-den und Om-at wahre Freunde. Ta-den und Om-at wurden durch die Beherrscher ihrer Stämme zur Flucht gezwungen. Aber gemeinsam mit Tarzan kehren sie zurück in ihre Höhlenwohnungen und zurück nach A-lur, der Stadt des Lichtes.
Alle werden von einem Sturm der Abenteuer erfasst und hinaus in die grausame Wildnis der Vorzeit gewirbelt. Hier trifft Tarzan auf Tiere, von deren früherer Existenz er nur aus großen Museen wusste, riesige Ungeheuer der grauen Vorzeit. Aber er besteht auch eines der waghalsigsten Abenteuer seines Lebens, er zähmt das riesige vorsintflutliche Ungeheuer, das Gryf. Auch der Kampf mit den tyrannischen Herrschern in dieser utopischen Welt zwingt Tarzan zur Anwendung raffinierter Mittel, um sein Ziel zu erreichen...
Der Roman Tarzan in Gefahr erschien erstmals von Februar bis März 1921 (unter dem Titel Tarzan The Terrible) im Argosy-All-Story-Weekly-Magazin. Eine erste Buchveröffentlichung folgte im gleichen Jahr.
Der Apex-Verlag veröffentlicht Tarzan in Gefahr in der deutschen Übersetzung von Anne Steul, bearbeitet von Christian Dörge.
Edgar Rice Burroughs - * 01. September 1875, † 19. März 1950.
Edgar Rice Burroughs war ein US-amerikanischer Schriftsteller, der bekannt wurde als Erzähler diverser Abenteuergeschichten, die sich vor allem dem frühen Fantasy- und Science-Fiction-Genre zuordnen lassen. Die bekanntesten von ihm eingeführten - und in der Folge von anderen in zahlreichen Filmen und Comics etablierten - Heldencharaktere sind Tarzan, John Carter, Carson Napier.
Der Sohn des Fabrikanten und Bürgerkriegsveteranen Major George Tyler Burroughs (1833–1913) und der Lehrerin Mary Evaline Zieger (1840–1920) verlebte nach dem Besuch mehrerer Privatschulen den Großteil seiner Jugend auf der Ranch seiner Brüder in Idaho.
Nach seinem Abschluss auf der Michigan Military Academy im Jahr 1895 trat Burroughs in die 7. US-Kavallerie ein. Als ein Armeearzt bei ihm einen Herzfehler diagnostizierte und er deshalb nicht Offizier werden konnte, verließ Burroughs die Armee vorzeitig im Jahr 1897 und arbeitete bis 1899 wieder auf der Ranch seines Bruders. Danach ging er zurück nach Chicago und arbeitete in der Firma seines Vaters.
Am 1. Januar 1900 heiratete Burroughs seine Jugendliebe Emma Centennia Hulbert. Das Paar bekam drei Kinder: Joan Burroughs Pierce (1908–1972), Hulbert Burroughs (1909–1991) und John Coleman Burroughs (1913–1979). Da die tägliche Routine in der Fabrik seines Vaters Burroughs nicht zufriedenstellte, verließ das Ehepaar 1904 Chicago, um abermals in Idaho zu leben. Mit seinen Brüdern, die inzwischen ihre Ranch aufgegeben hatten, versuchte er sich erfolglos als Goldgräber. Kurze Zeit später arbeitete er als Eisenbahnpolizist in Salt Lake City. Auch diesen Job gab Burroughs auf und zog mit seiner Frau wieder zurück nach Chicago, wo er eine Reihe Jobs annahm, unter anderem als Vertreter. 1911 investierte er sein letztes Geld in einer Handelsagentur für Bleistiftanspitzer und scheiterte.
Burroughs, der zu dieser Zeit an schweren Depressionen litt und, nach einigen seiner Biographen, an Selbstmord dachte, kam auf die Idee, eine Geschichte für ein Magazin zu schreiben, in dem er zuvor Anzeigen für seine Bleistiftanspitzer geschaltet hatte. Seine erste Erzählung Dejah Thoris, Princess of Mars (unter dem Pseudonym Normal Bean für das All-Story-Magazin von Thomas Metcalf geschrieben) wurde zwischen Februar und Juli 1912 als Fortsetzung veröffentlicht.
Metcalf hatte sein Pseudonym in Norman Bean geändert, und auch der Titel seiner Geschichte wurde zu Under the Moon of Mars abgewandelt. Auf Burroughs Beschwerde bezüglich der Änderungen, lenkte Metcalf ein und bot an, Burroughs nächste Geschichte unter seinem richtigen Namen zu drucken. Eine weitere Beschwerde Burroughs betraf den Zusatz For all Rights auf seinem Honorarscheck. Nach längerem Briefwechsel erreichte er, dass die 400 Dollar nur für den Erstabdruck galten.
Burroughs zweite Geschichte, The Outlaw of Torn, wurde jedoch von All-Story abgelehnt. Der große Erfolg kam mit Burroughs drittem Anlauf, Tarzan of the Apes.
Die Geschichte von Tarzan wurde ebenfalls 1912 von All-Story veröffentlicht. Burroughs schrieb in der Folgezeit immer wieder neue Tarzan-Geschichten und konnte sich - kaum zehn Jahre nach der Veröffentlichung von Tarzan of the Apes - ein riesiges Stück Land in der Nähe von Los Angeles kaufen. Selbst nach Burroughs Tod im Jahr 1950 erschienen weitere Tarzan-Geschichten. Das Landstück bei Los Angeles ist heute die Gemeinde Tarzana.
In den frühen 1930er Jahren wurde sein schriftstellerischer Erfolg allerdings immer mehr von privaten Problemen überschattet. 1934 ließ er sich scheiden und heiratete ein Jahr später Florence Dearholt. Doch schon 1942 wurde auch diese Ehe geschieden. Nach der Bombardierung von Pearl Harbor begab sich Burroughs 1941 als Kriegsreporter nach Hawaii. Nach dem Krieg kehrte er nach Kalifornien zurück, wo er, nach vielen gesundheitlichen Problemen, 1950 einem Herzanfall erlag.
In Burroughs Werk vermischen sich Science Fiction und Fantasy. Er etablierte Geschichten vor einem planetarischen Hintergrund in der Science Fiction. Dabei war Burroughs bewusst, dass seine Literatur bei den Kritikern nicht ankam. Er machte auch nie ein Hehl daraus, dass er schrieb, um Geld zu verdienen.
Die Helden seiner Romane und Erzählungen haben keine Alltagsprobleme. Bei den Charakterzeichnungen schwach, sprudeln Burroughs Geschichten über vor Ideen und Action. Die Helden seiner Romane haben verschiedene Merkmale gemeinsam, beispielsweise das Geheimnis um ihre Herkunft. Entweder haben die Helden nie eine Kindheit erlebt, oder können sich nicht daran erinnern, oder aber sie sind wie Tarzan und The Cave Girl Waisen. Ein weiteres Merkmal von Burroughs Geschichten ist der, wie Brian W. Aldiss es nennt, ausgeprägte sexuelle Dimorphismus. Das jeweils dominante Geschlecht ist hässlich.
Obwohl es in den Romanen und Geschichten Burroughs von schönen, nackten Frauen nur so wimmelt, werden sexuelle Beziehungen weder angedeutet noch erwähnt. Burroughs Welt scheint eine präpubertäre zu sein. Doch ist die Jungfräulichkeit immer in Gefahr (vgl. Aldiss). Fast schon zwanghaft mutet an, dass es in den Geschichten Burroughs, die zwischen 1911 und 1915 geschrieben wurden, nicht weniger als 76 Mal zu Vergewaltigungsdrohungen kommt, die natürlich alle abgewendet werden können. Zu den Bedrohern der weiblichen Unschuld gehören verschiedene Marsianer, Sultane, Höhlenmenschen, japanische Kopfjäger und Affen.
E. F. Bleiler schreibt über Burroughs, seine Texte seien „Fantasien von Erotik und Macht.“
Der Apex-Verlag veröffentlicht Burroughs' Venus-Romane (in der deutschen Übersetzung von Thomas Schlück), Neu-Übersetzungen des Tarzan- und des John Carter-Zyklus sowie als deutsche Erstveröffentlichung die Pellucidar-Serie.
Durch die Schatten des nächtlichen Urwalds schlich die große Bestie. All ihre Muskeln waren gespannt und fiebernd auf das Abenteuer der Jagd gerichtet. Wo der Mond den Dschungel an kleinen, natürlichen Lichtungen durchbrach, wich die große Katze behutsam in die tiefen Schatten zurück. Ihr Weg führte sie durch dichtes Grün, über einen Teppich von Blättern, unzähligen Zweigen und gebrochenen Ästen, aber kein Laut verriet ihre Bewegungen. Das ungeübte menschliche Ohr hätte den unsichtbaren Feind niemals gehört.
Das gejagte Wild war nur etwa hundert Schritte von der gelbbraunen Bestie entfernt. Obwohl es sich genau so leise vorwärts bewegte wie der Löwe, war es doch offensichtlich weniger vorsichtig. Statt den Strahlen des Mondes auszuweichen, überquerte es die erhellten Lichtungen. Im Gegensatz zu seinem grimmigen Verfolger ging es aufrecht - es ging auf zwei Beinen und außer einem Büschel schwarzer Haare auf dem Kopf war es völlig unbehaart. Seine Arme waren gut geformt und muskulös, die Hände stark und schlank mit langen, schmal zulaufenden Fingern. Die Daumen reichten beinahe bis an das oberste Gelenk des Zeigefingers. Auch seine Beine waren gut geformt, aber seine Füße wichen von der Norm aller menschlichen Rassen ab. Wie bei den primitivsten Urmenschen standen die großen Zehen beinahe im rechten Winkel zum Fuß. Einen kurzen Augenblick verweilte das Geschöpf im vollen Licht des prächtigen afrikanischen Mondes, das lauschende Ohr nach hinten gewandt. Sein Kopf hob sich. Die Züge lagen klar und deutlich im Mondlicht. Es waren starke, scharf gemeißelte und ebenmäßige Züge - Züge, die in ihrer männlichen Schönheit in jeder Großstadt der Erde Aufmerksamkeit erregt hätten. Aber war dies Geschöpf ein Mensch? Als es sich wieder auf den Weg machte und über den silbernen Teppich eilte, den das Mondlicht auf dem Boden des düsteren Urwalds ausgebreitet hatte, wäre diese Frage für einen Beobachter in den nächsten Bäumen der Lichtung schwer zu beantworten gewesen. Dieses Wesen trug einen schwarzen Pelz um die Hüften, aus dem hinten ein langer, haarloser weißer Schwanz hing.
In einer Hand hielt das seltsame Geschöpf einen starken Knüppel. Über die linke Schulter lief ein Riemen, an dem ein Messer in einer Scheide hing, während ein anderer Riemen an seiner rechten Seite einen Beutel befestigte. Diese Riemen und der schwarze Pelz wurden von einem breiten Gürtel gehalten, der im Mondlicht glänzte, als sei er mit Gold bedeckt. In der Mitte des Gürtels saß eine riesige Schnalle, deren Ornamente gleißten und glitzerten, als seien sie voller Edelsteine. Näher und näher schlich Numa, der Löwe, an sein Opfer heran. Doch dieses war offenbar nicht im Ungewissen über die drohende Gefahr, denn es drehte sich immer häufiger um und lauschte, während seine schwarzen Augen in die Richtung blickten; wo die Wildkatze auf seiner Spur folgte. Seine Geschwindigkeit vergrößerte sich nicht bedeutend, denn das Messer saß lose in der Scheide, und der Knüppel war jederzeit zum Zuschlagen bereit.
Das Menschenwesen bahnte sich seinen Weg durch eine enge Stelle des dichten Dschungels und kam auf eine breite Lichtung. Einen Augenblick zögerte es und blickte rasch nach hinten und nach oben, wo der Schutz in den Zweigen der Bäume winkte. Aber sein Entschluss wurde offensichtlich nicht von Furcht oder Vorsicht bestimmt, denn es nahm seinen Weg über die Lichtung und ließ den Schutz der Bäume hinter sich. In größeren und kleineren Abständen ragten belaubte Schutzwinkel aus dem Gras der Wildnis vor ihm auf. Das gehetzte Menschenwesen lief von einer dieser Baumgruppen zur anderen und zeigte so, dass es nicht auf die gebotene Vorsicht völlig verzichten wollte. Aber nachdem es den zweiten Baum hinter sich gelassen hatte, war die Entfernung bis zum nächsten ziemlich groß. Soeben schlich Numa, der Löwe, aus dem Schutz des Dschungels, in dem er sich bisher versteckt hatte. Als er seine Beute so weit von jedem Zufluchtsorte hilflos vor sich sah, reckte er den Schwanz und griff an.
Zwei Monate - zwei lange ermüdende Monate, erfüllt von Hunger, Durst, Mühsal, Enttäuschung und mehr als dies, von nagendem Schmerz - waren vergangen, seit Tarzan aus dem Tagebuch des toten Hauptmanns erfahren hatte, dass seine Frau noch lebte. Eine kurze Untersuchung, bei der ihn die Kolonialpolizei unterstützte, ergab, dass man den Versuch unternommen hatte, Lady Jane im Innern des Landes zu verbergen. Die Gründe dafür waren wohl nur dem dortigen Oberkommando bekannt.
Unter dem Schutz eines Lieutenants und einer Abteilung eingeborener Truppen war sie über die Grenze gebracht worden.
Tarzan, der sich allein auf die Suche gemacht hatte, war es gelungen, das Dorf zu finden, in dem man sie gefangen gehalten hatte. Dort erfuhr er jedoch, dass sie vor etlichen Monaten entflohen und dass jener Offizier zur gleichen Zeit verschwunden war. Außer dieser Tatsache waren die Angaben des Häuptlings und der Krieger, die er befragte, ungenau und widersprechend. Auch die Richtung, welche die Fliehenden eingeschlagen hatten, konnte Tarzan nur aus den verschiedensten Angaben erraten.
Einige Beobachtungen, die er in dem Eingeborenendorf machte, ließen ihn Schlimmes befürchten. Einmal war dies die unwiderlegliche Erkenntnis, dass die Eingeborenen Menschenfresser waren, zum anderen befanden sich die verschiedensten Uniform- und Ausrüstungsgegenstände der Banditen-Soldaten im Dorf. Obwohl der Häuptling seine Zustimmung verweigerte, nahm er das Wagnis auf sich, jede Hütte genau zu untersuchen. Das gab ihm neue Hoffnung, denn er fand nichts, was seiner Frau gehört haben konnte.
Er verließ das Dorf in südwestlicher Richtung und überquerte unter unbeschreiblichen Mühen und Beschwerden eine nahezu unendliche, wasserlose Gegend, die meist von dichtem Dornengestrüpp bedeckt war. Die Steppe, die er nun erreichte, hatte wahrscheinlich noch kein Weißer betreten. Sie war auch nur in den Erzählungen der Stämme bekannt, die an ihrem Rande wohnten. Hier gab es steile Gebirge, wild bewachsene Hochländer, tiefe Ebenen und ausgedehnte Sümpfe. Aber es erwies sich, dass ihm weder die Ebenen, noch die Hochländer, noch das Gebirge zugänglich waren. Erst nach anstrengenden Wochen fand er eine Stelle, an der er die Sümpfe überqueren konnte. Es war ein abschreckender Streifen Morast, der von giftigen Schlangen und noch größeren gefährlichen Reptilien heimgesucht wurde. Gelegentlich erspähte er in der Feme oder bei Nacht Gestalten, die gewaltigen vorsintflutlichen Ungeheuern glichen. Da es aber in dem Morast Nilpferde, Nashörner und Elefanten in großen Mengen gab, war er nie sicher, ob er nicht diese für unbekannte Ungeheuer angesehen hatte.
Als Tarzan den Sumpf durchquert hatte und wieder auf festem Boden stand, wurde ihm klar, warum dieses Gebiet vielleicht seit unerdenklichen Zeiten dem Mut und den Anstrengungen der Menschen widerstanden hatte, die nach unzähligen Niederlagen und unglaublichen Leiden doch fast jedes andere Gebiet von Pol zu Pol besiegt und erobert hatten.
Die Unmenge und die Verschiedenheit des Wildes schienen sämtliche bekannten Rassen von Vögeln, Reptilien und wilden Tieren zu umfassen, die hier einen Zufluchtsort vor den Ansturm der Menschen gesucht hatten. Es war ein letztes Stück Urwelt, das sich gegen die Menschen behauptet hatte, die sich über die Erde ausgebreitet und den niedrigeren Rassen die Jagdgründe entrissen hatten.
Die zwei Monate voller Anstrengungen ergaben nicht den geringsten Beweis, dass seine Frau dieses herrliche, aber wilde Land betreten hatte. Seine Fragen bei den Kannibalen und den Nachbarstämmen hatten ihm jedoch die Gewissheit gebracht, dass Lady Jane, falls sie noch am Leben war, in dieser Richtung gesucht werden musste. Er konnte sich zwar nicht vorstellen, wie sie den Sumpf überquert hatte, aber er glaubte doch, dass sie in dieser wilden Welt zu finden war. Falls sie noch lebte, musste er hier nach ihr suchen. Die unbekannte Wildnis war von riesigen Ausmaßen. Steile Gebirge versperrten jeden Weg. Gebirgsbäche stürzten aus den felsigen Höhen und hemmten das Vorwärtskommen. Außerdem war Tarzan immer wieder gezwungen, seinen Geist und seine Kraft mit den großen Bestien zu messen, die sein Leben bedrohten.
Immer wieder belauerten Tarzan und Numa, der Löwe, die gleiche Beute. Abwechselnd trug der eine oder der andere den Sieg davon. Nur selten litt der Affenmensch Hunger, denn das Land war reich an jagdbaren Tieren, Vögeln und Fischen. Auch gab es Früchte und tausenderlei Pflanzen, von denen der Dschungelmann leben konnte.
Oft fragte sich Tarzan, warum er in so einem reichen Land keinerlei menschliche Spuren fand und kam immer wieder zu der Überzeugung, dass die ausgetrocknete, dornige Steppe und die schrecklichen Sümpfe einen ausreichenden Schutz vor dem Eindringen der Menschen gewährten.
Nach tagelanger Suche hatte er endlich einen Weg durch das Gebirge gefunden. Auf der anderen Seite der Berge fand er das völlig gleiche Land. Die Jagd war gut. Bei einem Wasserloch am Ausgang einer Schlucht, die auf eine baumreiche Ebene führte, fiel Bara, der Hirsch, der List des Affenmenschen zum Opfer und wurde seine leichte Beute.
In der Dämmerung erhoben sich von Zeit zu Zeit die Stimmen der großen vierfüßigen Jäger, und da die Schlucht keinen ausreichenden Schutz gewährte, um dem Affenmenschen ein bequemes Nachtlager zu sichern, legte er sich den erlegten Hirsch über die Schulter und schritt der Ebene zu. Am entgegengesetzten Ende erhoben sich die Gipfel der Bäume. Der Affenmensch ging darauf zu, aber als er in der Mitte der Ebene war, sah er einen einsamen Baum, der ihm für sein Nachtlager geeignet erschien. Mühelos schwang er sich in seine Zweige und fand sehr bald einen behaglichen Ruheplatz.
Hier verzehrte er das Fleisch von Bara, dem Hirsch, und als er satt war, trug er den Rest seiner Beute auf die andere Seite des Baumes und legte es an eine sichere Stelle. Dann kehrte er zu der Astgabelung zurück und legte sich zum Schlafen nieder. Kurz darauf trafen das Gebrüll der Löwen und das Heulen der kleineren Katzen nur taube Ohren.
Der übliche Lärm des Dschungels störte den Affenmenschen nicht, er beruhigte ihn, aber jedes ungewöhnliche Geräusch, mochte es noch so leise - dem Ohr eines wachen, zivilisierten Menschen kaum vernehmbar - sein, nahm der Affenmensch wahr, selbst wenn er fest eingeschlafen war.
Als der Mond hoch am Himmel stand, weckte das Geräusch hastiger Tritte auf dem Grasteppich in der Nähe seines Baumes den Affenmenschen auf und brachte ihn sofort in Alarmbereitschaft. Denn Tarzan erwachte nicht vom Schlummer befangen mit trübem Geist und trübem Auge. Würden die Tiere der Wildnis so erwachen, wäre es bald um sie geschehen. Als sich Tarzans Augen öffneten, waren sie hell und klar, und ebenso hell und klar alarmierten sie die Nervenzentren seines Gehirns. Sie reagierten sofort auf die verschiedenen Wahrnehmungen aller seiner Sinne.
Beinahe unter ihm lief etwas auf seinen Baum zu, was zunächst ein fast nackter, weißer Mann zu sein schien. Aber schon der erste Blick verfehlte nicht, die Aufmerksamkeit des Affenmenschen auf den langen weißen Schwanz zu lenken, der dieses Geschöpf von den Menschen unterschied.
Numa, der Löwe, war im Angriff und bereits so dicht hinter der fliehenden Gestalt, dass seine Beute ihm nicht mehr entkommen konnte. Kein Laut kam von dem Opfer, kein Laut von dem Jäger. Wie zwei Geister in einer toten Welt bewegten sich die beiden mit schweigender Eile dem Höhepunkt dieses grausamen Wettlaufes zu.
Als sich Tarzans Augen geöffnet hatten und das Bild unter sich erblickten, erfolgte seine Reaktion so schnell, dass der Affenmensch sogleich mitten im Sprung war, als er die Beute auf der Flucht und seinen Erzfeind Numa im Angriff sah. Der Löwe war so dicht an das fliehende Wesen herangekommen, dass Tarzan keine Zeit blieb, seinen Angriff zu planen. Wie ein Taucher mit dem Kopf zuerst in das vor ihm liegende Wasser stürzt, so warf er sich, auf Numa, den Löwen. Unbekleidet, in seiner rechten Hand das Messer seines Vaters, das schon so oft in Löwenblut getaucht worden war.
Eine ausgestreckte Kralle fuhr Tarzan in die Seite und riss eine lange, tiefe Wunde. Aber dann war der Affenmensch auf dem Rücken Numas, und seine Klinge sauste immer wieder in die Seite der Bestie. Auch das fremde Wesen floh nicht weiter. Auch es, ein Geschöpf der Wildnis, hatte sofort die Bedeutung des Wunders, welches seine Rettung brachte, erkannt, wandte sich um und sprang mit erhobener Keule Tarzan zur Hilfe. Ein einziger schrecklicher Schlag auf den Schädel der Bestie ließ sie bewusstlos umfallen. Dann, als Tarzans Klinge das wilde Herz traf, zeigten ein paar krampfhafte Zuckungen und eine jähe Entspannung den Tod des Löwen an.
Der Affenmensch sprang auf, setzte den Fuß auf seine Beute und hob sein Gesicht zu Goro, dem Mond. Aus seinem Mund erscholl der wilde Siegesschrei, der so oft das Echo des Heimatdschungels geweckt hatte.
Als der entsetzliche Schrei von den Lippen des Affenmenschen ertönte, trat das fremde Wesen in plötzlicher Furcht zurück. Aber nachdem Tarzan das Jagdmesser wieder in die Scheide gesteckt hatte und sich ihm zuwandte, sah es keine Ursache zu Befürchtungen mehr. Eine kurze Weile standen sich die beiden gegenüber und musterten sich. Dann sprach das fremde Geschöpf. Tarzan erkannte, dass die Kreatur vor ihm artikulierte Laute ausstieß, aber es war eine Sprache, die Tarzan unbekannt war. Tarzan begriff bald, obgleich die Kreatur, die vor ihm stand, den Schwanz, die Daumen und Ziehen eines Affen hatte, dass sie doch, nach allen anderen Anzeichen zu schließen, ein Mensch war. Er musste einer viel früheren Entwicklungsstufe angehören, er war in Tarzans Vorstellung ein lebender Urmensch. Das Blut, welches an der Seitenwunde Tarzans herunterlief, erweckte die Aufmerksamkeit des anderen. Aus seiner Seitentasche nahm er einen kleinen Beutel und näherte sich damit Tarzan. Durch Zeichen gab er ihm zu verstehen, Tarzan möge sich hinlegen, damit er die Wunde behandeln könne. Dann öffnete er die Ränder der Wunde und bestreute das rohe Fleisch mit einem Pulver aus einem Beutel. Der Schmerz der Wunde war klein im Verhältnis zu der Qual, die das Heilmittel verursachte. Aber da der Affenmensch an körperlichen Schmerz gewöhnt war, hielt er still. In wenigen Augenblicken jedoch hatten nicht nur die Blutungen, sondern auch die Schmerzen aufgehört.
Um auf die weichen und sehr angenehmen Laute des anderen zu antworten, sprach Tarzan sowohl in den verschiedenen Dialekten der Eingeborenen als auch in der Sprache der großen Affen zu ihm, aber es war offensichtlich, dass der Mann keine dieser Sprachen verstand. Da er sah, dass sie sich nicht verständigen konnten, ging der Urmensch auf Tarzan zu und legte seine linke Hand auf das eigene Herz, während er die rechte Handfläche auf das Herz des Affenmenschen legte. Tarzan schien dies eine Art freundschaftlichen Grußes zu sein. Da er mit den Gewohnheiten wilder Stämme vertraut war, tat er das gleiche, wie es zweifellos von ihm erwartet wurde. Sein Verhalten schien seinem neugefundenen Bekannten zu gefallen und ihn zu befriedigen, denn er begann sogleich wieder zu sprechen. Plötzlich warf er seinen Kopf zurück und sog den Geruch ein, der vom Baum zu ihnen herunter kam. Er zeigte auf den Rest von Bara, dem Hirsch, und berührte dann seinen Magen. Dies war eine Geste, die auch der Dümmste verstehen musste. Mit einer Handbewegung lud Tarzan seinen Gast ein, an seiner Mahlzeit teilzuhaben. Sogleich schwang sich der andere leicht wie ein Äffchen in die Zweige des Baumes und kletterte rasch zu dem Fleisch, wobei er auf seinem Weg von dem langen, starken, muskulösen Schwanz unterstützt wurde.
Der Urmensch schnitt sich mit seinem scharfen Messer schmale Streifen von der Lende des Hirsches und aß schweigend. Von seiner Astgabel aus beobachtete Tarzan seinen Gefährten und beobachtete das Übergewicht menschlicher Merkmale, die zweifellos gegenüber dem großen Daumen, den großen Zehen und dem Schwanz ins Auge fielen.
Er fragte sich wieder, ob dieses Wesen der Vertreter einer seltsamen Rasse war oder, was ihm wahrscheinlicher schien, ein Mensch der Urzeit. Jede dieser Annahmen wäre widersinnig genug erschienen, wenn er diese Kreatur nicht selbst vor sich gesehen hätte. Aber da saß in der Tat ein Mann vor ihm, der einen Schwanz und die Hände und Füße hatte, die auf das Leben in den Bäumen hinwiesen. Seine Ausrüstung war mit Gold bedeckt, und mit Edelsteinen verziert. Dies konnte nur die Arbeit erfahrener Künstler sein. Aber ob es das Werk des Menschen vor ihm oder anderer, die ihm glichen, war, oder vielleicht einer ganz anderen Rasse, konnte Tarzan natürlich nicht beurteilen.
Nachdem er sein Mahl beendet hatte, wischte sich der Gast die Finger und Lippen mit den Blättern, die er von einem nahen Aste abstreifte. Dann schaute er Tarzan mit einem befriedigten Lächeln an und entblößte dabei eine Reihe starker, weißer Zähne. Seine Eckzähne waren nicht größer als die Tarzans. Dann sprach er ein paar Worte, von denen Tarzan annahm, dass sie der freundliche Dank für die Mahlzeit bedeuten sollten. Wenig später hatte auch der andere einen Platz für seine Nachtruhe gefunden.
Die Erde war noch in die Dunkelheit getaucht, die der Dämmerung vorausgeht, als Tarzan durch eine heftige Erschütterung des Baumes wieder geweckt wurde. Als er die Augen öffnete, sah er, dass sein Gefährte ebenfalls wach war und rasch um sich schaute, um die Ursache der Störung zu finden. Der Affenmensch war erstaunt über den Anblick, der sich ihm bot.
Der trübe Umriss einer gewaltigen Gestalt war dicht am Baum zu erkennen, und er sah, wie der riesige Körper sich an den Ästen scheuerte, wodurch der Baum ins Schwanken gebracht wurde. Dass solch ein gewaltiges Tier so nahe an ihn herangekommen war, ohne ihn aufzuwecken, erfüllte Tarzan mit Staunen und Kummer. In der beginnenden Dämmerung wollte es dem Affenmenschen scheinen, als sei das Tier ein Elefant. Doch wenn dies ein Elefant war, so übertrafen seine Ausmaße bei weitem die aller anderen Elefanten. Als die trüben Umrisse weniger unklar wurden, sah Tarzan in Augenhöhe, etwa zwanzig Fuß über dem Boden, den Umriss eines grotesk gezackten Rückens. Es sah so aus, als ob jeder Rückenwirbel des Tieres einen dicken, schweren Hornkamm trug. Leider konnte der Affenmensch nur einen Teil des Rückens sehen, da der Rest des Tieres sich in dem Schatten des Baumes verlor. Von unten hörte er das Kaugeräusch gigantischer Backen, welche Fleisch und Knochen zermalmten. Die Gerüche verrieten ihm, dass jenes gewaltige Tier den Löwen verspeiste, den sie in der vergangenen Nacht erschlagen hatten.
Während Tarzan seine Blicke neugierig durch die dunklen Schatten schweifen ließ, fühlte er eine leichte Berührung auf seiner Schulter. Er wandte sich um und sah seinen Gefährten, der versuchte, Tarzans Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Der andere hielt einen Finger auf die Lippen gepresst, um sich Tarzans Schweigen zu versichern. Dann zog er Tarzan am Arm und bedeutete ihm, dass sie sofort von hier fort müssten.
Da es ihm klar geworden war, dass er sich in einem fremden Land befand, das augenscheinlich von gigantischen Ungeheuern bewohnt wurde, mit deren Gewohnheiten und Eigenschaften er nicht im geringsten vertraut war, ließ sich Tarzan von seinem Gefährten fortziehen. Äußerst vorsichtig stieg der Urmensch den Baum an der Seite hinunter, die dem nächtlichen Störenfried gegenüber lag. Von Tarzan dicht gefolgt, überquerte er die Ebene.
Es passte dem Affenmenschen an sich wenig, die Gelegenheit aufzugeben, ein Tier zu beobachten, welches so ganz aus dem Rahmen seiner bisherigen Erfahrungen und Erlebnisse herausfiel. Aber er war klug genug, zu wissen, wann die Vorsicht der bessere Teil der Tapferkeit ist. Jetzt wie auch in der Vergangenheit unterwarf er sich dem Gesetz, das alles Leben in der Wildnis regiert. Es verhindert, dass die Geschöpfe der Wildnis ihr Leben sinnlos aufs Spiel setzen, das ohnehin täglich von tausend Gefahren umlauert ist, wenn sie ihren natürlichen Notwendigkeiten wie Fressen und Fortpflanzung der Art nachgehen.
Die aufgehende Sonne zerstreute die Schatten der Nacht und Tarzan fand sich am Rande eines großen Urwaldes, in den sein Gefährte eindrang. Er schwang sich auf die Äste der Bäume und verfolgte hier seinen Weg mit der Leichtigkeit langer Gewohnheit und ererbten Instinktes. Obgleich er auf seinem Weg sowohl von dem zugreifenden Schwanz, den großen Fingern und Zehen unterstützt wurde, kam der andere nicht rascher und leichter durch den Wald als der Affenmensch.
Während ihrer Kletterei erinnerte sich Tarzan an die Wunde, die ihm in der vergangenen Nacht von Numas Krallen gerissen worden war. Er untersuchte sie und bemerkte erstaunt, dass sie keinerlei Schmerzen verursachte und dass sich auch an den Rändern nirgends eine Entzündung zeigte, was zweifellos auf das Pulver zurückzuführen war, mit dem sein seltsamer Gefährte ihn behandelt hatte.
Sie waren etwa ein» oder zwei Meilen vorangekommen, als sich Tarzans Gefährte auf einem Rasenhügel niederließ, wo unter den schattigen Zweigen eines Baumes ein klarer Bach floss. Hier tranken sie. Tarzan fand das Wasser nicht nur köstlich rein und frisch, es war auch von einer eisigen Kälte. Der Bach musste den Weg von seiner felsigen Gebirgsquelle bis hierher sehr rasch zurückgelegt haben.
Tarzan legte sein Lendentuch und seine Waffen ab und stieg in den kleinen Teich unter dem Baum. Nach kurzer Zeit kam er bedeutend erfrischt wieder heraus und fühlte heftigen Appetit auf ein Frühstück. Als er aus dem Teich kam, bemerkte er, dass sein Gefährte ihn mit erstauntem Gesichtsausdruck musterte. Der andere nahm den Affenmenschen bei der Schulter und drehte ihn herum, so dass Tarzan mit dem Rücken zu ihm stand. Dann berührte er das Ende von Tarzans Wirbelsäule mit seinen Fingern und rollte seinen eigenen Schwanz über die Schultern. Dann drehte er den Affenmenschen wieder um und deutete zuerst auf Tarzan und danach auf seinen Schwanz, und mit einem fragenden Gesichtsausdruck begann er aufgeregt in seiner eigenen Sprache zu reden.
Der Affenmensch erkannte, dass sein Gefährte erst jetzt entdeckt hatte, dass er nicht durch einen Unfall seinen Schwanz verloren hatte, sondern von Natur aus schwanzlos war. Daher lenkte er die Aufmerksamkeit seines Gefährten auf dessen großen Zehen und auf die Daumen, um ihm noch deutlicher zum Bewusstsein zu bringen, dass sie verschiedenen Rassen angehörten.
Der Bursche schüttelte zweifelnd den Kopf. Er schien keineswegs begreifen zu können, wie es möglich war, dass sich Tarzan so sehr von ihm unterschied, aber er gab es achselzuckend auf, das Problem zu lösen. Nachdem er seine Sachen abgelegt hatte, stieg auch er in das Wasser.
Als er sein Morgenbad beendet hatte, legte er seine Ausrüstung wieder an, die kärglich genug war, ließ sich am Fuße des Baumes nieder und bedeutete Tarzan, sich zu ihm zu gesellen. Dann öffnete er die Tasche, welche an seiner rechten Seite hing, und entnahm ihr einige Streifen getrockneten Fleisches und ein paar Hände voll Nüsse mit dünnen Schalen, die Tarzan unbekannt waren. Er beobachtete, wie der andere die Schalen mit den Zähnen zerbiss und den Kern verzehrte und folgte seinem Beispiel. Der Kern war nahrhaft und schmeckte ausgezeichnet. Auch das getrocknete Fleisch war schmackhaft, obgleich es offenbar ohne Salz zubereitet worden war. Salz war jedoch ein Luxus, den man in dieser Gegend kaum erwarten konnte. Während sie aßen, deutete Tarzans Gefährte auf die Nüsse, das getrocknete Fleisch und verschiedene andere Gegenstände, die sich in ihrer Umgebung befanden und wiederholte jedes Mal die einzelnen Worte, die Tarzan als die Namen der Dinge in der Sprache seines Gefährten erkannte. Der Affenmensch lächelte bei diesem offensichtlichen Wunsch seines neuen Bekannten, ihm sein Wissen mitzuteilen, um so gelegentlich zu einer Verständigung zu kommen. Da er bereits mehrere Sprachen und eine Vielzahl von Dialekten beherrschte, fühlte der Affenmensch, dass er leicht noch eine dazu erlernen konnte, obgleich die Sprache seines Gefährten keinerlei Ähnlichkeiten mit irgendeinem der anderen Dialekte hatte.
Sie waren so sehr mit ihrem Frühstück und dem Unterricht beschäftigt, dass keiner der beiden die runden glitzernden Augen bemerkte, die auf sie hinunter sahen. Tarzan war sich keiner drohenden Gefahr bewusst, als urplötzlich eine große haarige Gestalt sich aus den Zweigen auf seinen Gefährten stürzte.
Sofort sah Tarzan, dass diese Kreatur beinahe das Gegenstück zu seinem Gefährten war. Sie ähnelten sich in Größe und Gestalt. Aber der Körper des Angreifers war mit einem dichten Pelz zottiger Haare bedeckt, welcher seine Züge fast verbarg, während seine Ausrüstung und seine Waffen völlig denen seines Gefährten glichen. Bevor Tarzan es verhindern konnte, hatte die Kreatur seinem Gefährten mit seinem dicken Knüppel einen Schlag auf den Kopf versetzt, der ihn ohnmächtig zu Boden sinken ließ. Sie konnte jedoch dem wehrlosen Opfer keinen weiteren Schaden mehr zufügen, denn Tarzan hatte den Kampf aufgenommen. Es wurde ihm sehr schnell klar, dass er mit einem Geschöpf von beinahe übermenschlicher Stärke kämpfte. Die sehnigen Finger der mächtigen Hand suchten seine Kehle, während die andere den Knüppel über seinem Kopf schwang. Mochte die Stärke des haarigen Feindes noch so groß sein, war doch die Kraft seines glatthäutigen Widersachers nicht geringer. Ein einziger schrecklicher Schlag der geballten Faust gegen das Kinn brachte den Angreifer ins Wanken. Dann schlossen sich Tarzans eigene Finger um die zottige Kehle, während die andere Hand den Arm packte, der den Knüppel hielt. Mit der gleichen Geschicklichkeit fuhr sein rechtes Bein hinter das zottige Geschöpf. Wuchtig warf er das Gewicht seines starken Körpers nach vorn und schleuderte die Kreatur über seine Hüfte und auf den Boden. Sein eigener Körper lag auf der Brust des anderen.
Durch die Wucht des Aufpralls entfiel der Knüppel der Hand des Angreifers und Tarzans Griff an seiner Kehle lockerte sich. Augenblicklich wurde ihre Lage für beide in gleicher Weise bedrohlich. Obgleich die Kreatur um sich biss, erkannte der Affenmensch sofort, dass er diese Angriffsart nicht fürchten musste. Die Eckzähne seines Widersachers waren kaum stärker entwickelt als seine eigenen. Hauptsächlich musste er sich jedoch vor dem muskulösen Schwanz in Acht nehmen, der ständig seine Kehle zu umschlingen drohte und gegen den seine Erfahrung noch kein Mittel zur Abwehr kannte. Zähnefletschend und keuchend rollten die beiden auf dem Rasenteppich unter dem Baum hin und her. Einmal lag der eine oben, mal der andere, aber beide waren so sehr damit beschäftigt, ihre Kehlen vor dem würgenden Griff des anderen zu schützen, dass sie keinen neuen Angriff unternehmen konnten. Plötzlich aber sah der Affenmensch eine Chance. Während sie fest umschlungen über den Boden rollten, zwang er die Kreatur immer näher an den Rand des Teiches, an dessen Ufer sich der Kampf abspielte. Als sie endlich den Rand des Wassers erreicht hatten«, wollte Tarzan einen Weg finden, um sie beide so ins Wasser zu stürzen, dass er an der Oberfläche und auf seinem Gegner blieb.
In diesem Augenblick sah Tarzan hinter der reglosen Gestalt seines Gefährten einen jener teuflisch aussehenden, gestreiften, säbelzahnigen Bastarde kauern, der ihn bösartig anstierte.
Fast gleichzeitig erkannte auch Tarzans zottiger Gegner die drohende Gefahr durch die große Katze. Sofort ließ er von Tarzan ab. Keuchend versuchte er sich aus Tarzans Griff zu lösen. Die Art und Weise, wie er dabei vorging, ließ erkennen, dass für ihn der Kampf zu Ende war. Der Affenmensch sah die Gefahr, in der sein ohnmächtiger Gefährte schwebte, und da er ihn vor dem Angriff des Säbelzahners beschützen wollte, ließ er seinen Widersacher frei. Beide erhoben sich schnell. Tarzan zog sein Messer und ging langsam auf seinen ohnmächtigen Gefährten zu. Er erwartete, dass sein vorheriger Gegner diese Gelegenheit zur Flucht ergreifen würde. Zu seiner Überraschung jedoch nahm die zottige Kreatur ihren Knüppel auf und ging an seiner Seite mit.
Die große Katze blieb reglos etwa fünfzig Fuß vom Körper des Urmenschen entfernt liegen. Nur ihre Zähne fletschten und der Schwanz bewegte sich unruhig hin und her. Als Tarzan über den Körper seines Gefährten stieg, sah er dessen Augenlider zucken und sich langsam öffnen. Er empfand eine seltsame Erleichterung darüber, dass der Urmensch nicht tot war. Dabei wurde ihm bewusst, dass ohne sein Wissen ein Gefühl der Zuneigung zwischen ihm und diesem seltsamen neuen Freund in seiner wilden Brust entstanden war.
Unaufhaltsam näherte sich Tarzan dem Säbelzahner. Die zottige Kreatur zu seiner Rechten blieb keinen Schritt hinter ihm zurück. Sie hatten sich auf etwa zwanzig Fuß genähert, als das Tier zum Angriff überging. In raschem Lauf rannte es auf den zottigen, affenähnlichen Menschen zu, der stehengeblieben war und mit erhobenem Knüppel den Angriff parieren wollte. Tarzan jedoch sprang vorwärts. Seine Geschicklichkeit gab der schnellen Bewegung der Bestie in nichts nach. Wie ein Rugby-Spieler sprang er vor. Sein rechter Arm glitt von vorn über die rechte Schulter der Bestie und umklammerte das Genick. Sein linker Arm griff hinter die linke Vordertatze. Die Wucht des Aufpralls war so groß, dass beide sich mehrmals überschlugen. Während die Katze brüllte und ihre Krallen gebrauchte, um sich zu befreien und den Angreifer zu vernichten, hielt sich Tarzan verzweifelt fest.
Es schien, als sei der Angriff von einer sinnlosen Wildheit und weder von Vernunft noch Erfahrung gelenkt. Das war aber keineswegs so. Jeder einzelne Muskel in der gigantischen Gestalt des Affenmenschen gehorchte den Befehlen eines gewitzten Verstandes, der, durch eine lange Reihe von Erfahrungen geschult, wusste, worauf es bei einer solchen Begegnung ankam. Obgleich die langen kräftigen Beine hoffnungslos mit den Hinterläufen der Wildkatze verschlungen schienen, wichen sie jedes Mal wie durch ein Wunder den scharfen Krallen der Bestie aus. Immer waren sie zur rechten Zeit wieder da, wo sie zur Verteidigung des Affenmenschen nötig waren. Jedes Mal, wenn der Bastard bereits glaubte, den Sieg über seinen Widersacher errungen zu haben, wurde er plötzlich wieder hochgerissen. Da erhob sich Tarzan und presste den gestreiften Rücken eng an seinen Körper, bis seine Krallen nur noch hilflos hinter seinem Rücken in die Luft ragten.
Sofort war der zottige Schwarze mit gezogenem Messer zur Stelle und stieß es in das Herz der Bestie. Tarzan hielt das Tier noch eine Weile in seinem Griff, bis der Körper sich nach der letzten Zuckung entspannt hatte. Dann stieß er den Kadaver von sich, und die beiden, die noch kurz vorher um Tod oder Leben gekämpft hatten, standen sich über der Leiche des gemeinsamen Feindes gegenüber.
Tarzan war jedoch nicht sicher, wie sich der Urmensch jetzt verhalten würde. Da aber hoben sich zwei zottige schwarze Hände. Die linke legte sich auf das eigene Herz, die rechte reckte sich vor, bis ihre Handfläche Tarzans eigene Brust berührte. Es war der gleiche freundliche Gruß, durch den der helle Urmensch seine Freundschaft mit dem Affenmenschen besiegelt hatte. Tarzan, der sich über jeden Verbündeten freute, den er in dieser fremden und wilden Welt gewinnen konnte, nahm die dargebotene Freundschaft willig an.
Am Ende dieser kurzen Zeremonie entdeckte Tarzan, als er zu dem haarlosen Urmensch hinüberschaute, dass dieser das Bewusstsein wiedererlangt und sich aufgesetzt hatte. Langsam erhob er sich. Gleichzeitig wandte sich der zottige Schwarze nach ihm um und richtete ein paar Worte an ihn, die dieser offenbar in der gleichen Sprache beantwortete. Dann gingen die beiden langsam aufeinander zu. Tarzan beobachtete gespannt, wie das Treffen wohl ausgehen mochte. Ein paar Schritte voneinander entfernt blieben sie stehen. Erst sprach der eine, dann der andere schnell ein paar Sätze, aber keiner schien erregt zu sein. Jeder blickte hin und wieder zu Tarzan hinüber oder nickte in seine Richtung, woraus zu entnehmen war, dass sich ihre Unterhaltung bis zu einem bestimmten Grade auch auf ihn bezog.
Daraufhin gingen sie wieder aufeinander zu, bis sie dicht zusammenstanden. Nun wiederholte sich noch einmal die kurze Zeremonie der Verbundenheit, die bereits vorher die Feindschaft zwischen Tarzan und dem Schwarzen beendet hatte. Endlich kamen beide zu dem Affenmenschen und sprachen in ernstem Ton zu ihm, als ob sie eine Botschaft von besonderer Wichtigkeit zu übermitteln hätten. Sie gaben ihre hoffnungslose Aufgabe jedoch sehr schnell auf und bedienten sich der Zeichensprache. Diesmal bedeuteten sie Tarzan, dass sie ihren Weg gemeinsam fortsetzen wollten und dass er sie begleiten solle.
Tarzan hatte die angegebene Richtung noch nicht erforscht und war daher sofort bereit, ihnen zu folgen. Er hatte sich vorgenommen, das unbekannte Land zu durchstreifen, bevor er seine Suche nach Lady Jane, die dort sein konnte, aufgab.
Tagelang führte ihr Weg sie über die Hügel, die sich unter den ragenden Gipfeln des Gebirges entlangzogen. Oft wurden sie von den wilden Tieren dieser entfernten Weiten bedroht. Von Zeit zu Zeit erspähte Tarzan die gigantischen Ausmaße seltsamer Tiere in dem Schatten der Nacht.
Am dritten Tag kamen sie zu einer großen natürlichen Höhle gegenüber einer abfälligen Klippe, zu deren Füßen einer der zahlreichen Gebirgsbäche floss, von denen die Ebene unter ihnen und die Sümpfe in den Niederungen an der Grenze des Landes gespeist wurden. Hier nahmen die drei vorläufig Wohnung und Tarzans Unterricht in der Sprache seiner Gefährten machte nun bessere Fortschritte als während ihres Marsches.
Spuren in der Höhle deuteten darauf hin, dass sie in grauer Urzeit von anderen menschenähnlichen Geschöpfen bewohnt worden war. Überreste einer in den Fels geschlagenen Feuerstätte waren noch vorhanden. Wände und Decke waren schwarz von dem Rauch vieler Feuer. An manchen Stellen konnte man durch den Ruß in dem darunter liegenden Fels eingegrabene Hieroglyphen und Zeichnungen erkennen. Es waren die Umrisse von Tieren, Vögeln und Reptilien, welche an die ausgestorbenen Kreaturen der Kreidezeit erinnerten. Einige der Hieroglyphen waren jedoch neueren Ursprungs. Tarzans Gefährten lasen diese sehr aufmerksam und machten ihre Bemerkungen dazu. Mit den Spitzen ihrer Messer trugen auch sie zu dem wahrscheinlich Jahrhunderte alten Bericht auf den geschwärzten Wänden bei.
Tarzans Neugier war geweckt. Aber die einzige Erklärung, die ihm in den Sinn kam, ließ darauf schließen, dass dies vielleicht das primitivste Gästebuch der Welt war. Wenigstens verstand er nun etwas mehr von der Entwicklung der seltsamen Kreaturen, mit denen ihn das Schicksal zusammengeführt hatte. Hier gab es Menschen mit Affenschwänzen, einer von ihnen behaart wie irgendein anderes Pelztier der niederen Klassen, und trotzdem besaßen beide augenscheinlich nicht nur eine Sprache, sondern auch eine primitive Schrift. Die erstere begann er langsam zu meistern. Dieser neue Beweis einer erstaunlichen Zivilisation bei Geschöpfen, die so zahlreiche tierische Merkmale aufwiesen, stachelte Tarzans Wissbegier nur noch mehr an. Sein Wunsch, ihre Sprache möglichst bald völlig zu beherrschen, verstärkte sich, so dass er sich mit noch größerem Eifer auf die vor ihm liegende Aufgabe stürzte. Er kannte bereits die Namen seiner Gefährten und die gewöhnlichen Bezeichnungen für Tiere und Pflanzen, mit denen sie in Berührung gekommen waren.
Ta-den, der Haarlose mit der weißen Haut, hatte die Rolle des Erziehers übernommen und führte seine Aufgabe mit einem Eifer durch, der seinen Niederschlag in den schnellen Fortschritten seines fleißigen Schülers fand. Om-at, der haarige Schwarze, schien zu fühlen, dass auch auf seiner Schulter ein Teil der Verantwortung für Tarzans Erziehung ruhte. Deshalb bemühte auch er sich, Tarzan mancherlei beizubringen. Das Ergebnis war überaus erfreulich: Bevor einer von ihnen sich dessen recht bewusst werden konnte, war die mündliche Verständigung eine vollendete Tatsache. Tarzan erklärte seinen Gefährten den Zweck seiner Expedition, aber keiner von ihnen konnte ihm den leisesten Hoffnungsschimmer auf Erfüllung seiner Sehnsucht geben. In ihrem Land hatte es niemals eine Frau gegeben, die seiner Beschreibung entsprach, überhaupt hatten sie vor dem Zusammentreffen mit ihm jemals einen Menschen ohne Schwanz gesehen.
»Ich bin von A-lur schon so lange fort wie Bu, der Mond, braucht, um siebenmal zu essen«, sagte Ta-den. »Viele Dinge können in siebenmal achtundzwanzig Tagen geschehen. Aber ich bezweifle, dass deine Frau durch die schrecklichen Sümpfe in unser Land kommen konnte, die selbst du kaum zu bezwingen vermochtest. Und selbst wenn es ihr gelungen wäre, hätte sie die Gefahren überleben können, denen du begegnet bist, ganz zu schweigen von denen, die du noch kennenlernen musst? Nicht einmal unsere Frauen wagen sich in die Wildnis außerhalb der Städte.«
A-lur, Lichtstadt, Stadt des Lichtes, sann Tarzan, indem er das Wort in seine eigene Sprache übersetzte. »Und wo liegt A-lur?«, fragte er. »Ist es deine Stadt, Ta-den und die von Om-at?«
»Es ist meine«, erwiderte Ta-den, der Haarlose. »Aber nicht die Stadt Om-ats. Die Waz-don haben keine Städte - sie leben in den Bäumen des Waldes und den Höhlen der Berge - nicht wahr, schwarzer Mann?«, sagte er und wandte sich an den haarigen Riesen neben ihm.
»Ja«, gab Om-at zurück. »Wir Waz-don sind frei - nur die Ho-don sperren sich selbst in Städte ein. Ich möchte kein weißer Mann sein!«
Tarzan lächelte. Sogar hier gab es den Rassenunterschied weiß und schwarz - Ho-don und Waz-don. Auch nicht die Tatsache, dass sie in ihrer Entwicklung und ihren Fähigkeiten ebenbürtig waren, machte einen Unterschied - der eine war weiß, der andere schwarz, und es war nicht schwer zu erraten, dass sich der Weiße dem anderen überlegen fühlte - man konnte es in seinem ruhigen Lächeln lesen.
»Wo liegt A-lur?«, fragte Tarzan nochmals. »Du kehrst dorthin zurück?«
»Sie liegt jenseits der Berge«, erwiderte Ta-den. »Ich kehre nicht zurück - noch nicht. Ich kehre zurück, wenn Ko-tan nicht mehr ist.«
»Wer ist Ko-tan?«, fragte Tarzan.
»Ko-tan ist König««, erklärte ihm der weiße Urmensch. »Er regiert das Land. Ich war einer seiner Krieger. Ich lebte im Palast Ko-tans und traf dort seine Tochter Sonnenlicht. Wir liebten uns, Sonnenlicht und ich. Aber Ko-tan wollte mich nicht haben. Er schickte mich fort, um mit den Männern eines Dorfes im Dschungel zu kämpfen, die ihm den Tribut als König verweigerten. Er hoffte, dass ich dabei getötet würde. Es gab harte Kämpfe, aber ich wurde nicht getötet. Siegreich kehrten wir zurück und brachten den Anführer der Aufständischen selbst als Gefangenen mit. Aber Ko-tan war nicht zufrieden, denn er sah, dass Sonnenlicht mich nun noch mehr liebte als zuvor. Mein Vater, Ja-don, der Löwenmensch, ist mächtig. Er ist der Häuptling des größten Dorfes außerhalb von A-lur. Ko-tan wagte nicht, ihn zu beleidigen. Daher konnte er nicht anders, er musste mich meiner Verdienste wegen loben, obgleich er es nur mit einem zwiespältigen Lächeln tat. Aber du verstehst nicht! Wir nennen es ein Lächeln, das nur die Muskeln des Gesichtes bewegt und kein Licht in die Augen bringt - es bedeutet Heuchelei und Doppelzüngigkeit. Ich musste gelobt und belohnt werden. Wie hätte er mich besser belohnen können, als mit der Hand von Sonnenlicht seiner Tochter? Aber nein, er hebt Sonnenlicht für Bu-lot auf, den Sohn von Mo-sar, dem Häuptling, dessen Urgroßvater König war. Dieser bildet sich ein, er müsste von Rechts wegen König sein. So hoffte Ko-tan, Mo-sar zu besänftigen und auch die Freundschaft derer zu gewinnen, die wie Mo-sar selbst durchsetzen wollten, dass Mo-sar König wurde.
Aber welche Belohnung sollte Ko-tan mir für meine treuen Dienste aussprechen? Wir verehren unsere Priester sehr. Im Tempel beugen sich die Häuptlinge und sogar der König vor ihnen. Keine größere Ehre konnte Ko-tan einem Untertan erweisen - denn die meisten wünschen nichts mehr, als Priester zu werden, aber ich nicht. Alle Priester, der höchste Priester ausgenommen, müssen Eunuchen werden, da sie nicht heiraten dürfen.
Sonnenlicht selbst warnte mich zur rechten Zeit. Der Befehl ihres Vaters sollte den Beginn der Tempelzeremonien veranlassen. Ein Bote war bereits unterwegs, um mich zu Ko-tan zu rufen. War die Priesterwürde erst einmal vom König angeboten, so wäre ihre Zurückweisung eine Beleidigung des Tempels und der Götter gewesen, die meinen Tod bedeutet hätte. Da ich jedoch nicht vor Ko-tan erschien, brauchte ich daher nichts zurückzuweisen. Es war besser, mit einer geringen Hoffnung im Herzen zu fliehen, als zu bleiben und mit der Priesterschaft die letzte Hoffnung zu begraben.
Im Schatten der großen Bäume, die den Palast umgeben, drückte ich Sonnenlicht zum letzten Male an mich. Dann kletterte ich über die hohe Mauer, die den Palast umschließt, damit nicht der Zufall mich dem Boten begegnen ließ und floh durch die dunkle Stadt. Mein Name und Rang öffneten mir die Tore. Seither habe ich mich fern von den Plätzen der Ho-don aufgehalten, aber die Sehnsucht bedrängt mich sehr. Und wäre es nur, um außerhalb ihrer Mauern auf die Stadt zu blicken, in der sie lebt, die mir teuer ist. Wäre es nur, um wieder das Dorf zu besuchen, in dem ich geboren wurde, um Vater und Mutter wieder zu sehen. Ich möchte zurückkehren!«
»Aber das Wagnis ist zu groß?«, fragte Tarzan.
»Es ist groß, aber nicht zu groß«, gab Ta-den zurück. »Ich werde gehen.«
»Und ich werde mit dir gehen, wenn du erlaubst«, sagte der Affenmensch, »denn ich muss die Stadt des Lichtes sehen, dein A-lur, um auch dort nach meiner verschollenen Frau zu suchen, obwohl du glaubst, dass ich sie dort nicht finden werde. Und du, Om-at, kommst du mit uns?«
»Warum nicht?«, fragte der Haarige. »Die Höhlen meines Stammes liegen in den Klippen über A-lur, und obwohl mich Es-sat, unser Häuptling, vertrieben hat, möchte auch ich gern wieder dorthin zurückkehren. Dort lebt eine Frau, die ich wiedersehen möchte, und die sehr froh wäre, auch mich zu sehen. Ja, ich werde mit euch gehen. Es-sat hatte Furcht, ich könnte Häuptling werden und vielleicht hatte Es-sat recht, wer weiß? Aber diese Frau, Dunkle Blume, ist mir wichtiger als das Häuptlingsamt.«
»Wir drei werden also gemeinsam gehen«, sagte Tarzan.
»Und gemeinsam kämpfen««, fügte Ta-den hinzu, »drei wie einer«, und während er sprach, zog er sein Messer und hielt es über seinen Kopf.
»Drei wie einer«, wiederholte Om-at, zog seine Waffe und folgte Ta-dens Beispiel. »Es ist gesagt.«
»Drei wie einer!«, rief Tarzan. Bis zum Tode!« Und seine Klinge leuchtete in der Sonne.
»Lasst uns gehen«, sagte Om-at. »Mein Messer ist trocken und schreit durstig nach dem Blut des Häuptlings.«
Der Pfad, den Ta-den und Om-at verfolgten und dem man kaum die schmeichelhafte Bezeichnung Pfad zubilligen konnte, war mehr für Affen oder Löwen geeignet als für Menschen. Aber die drei, die ihn entlangschritten, waren an Pfade gewöhnt, die kein gewöhnlicher Mensch gehen konnte. In den tiefen Niederungen ging es durch den dichten Urwald, wo der Boden derart mit gefallenen Bäumen, überhängenden Zweigen und Gesträuch bedeckt war, dass die drei sich meist in den schaukelnden Zweigen hoch über dem Gewirr vorwärts bewegten. Über gähnende Abgründe führte ihr Weg, wo glitschige Felsen nur sekundenlang den nackten Füßen Halt boten. Dort sprangen sie leicht wie Gämsen von einem trügerischen Halt zum andern. Schwindelerregend und grauenvoll war der Weg, den Om-at über dem Gipfel des Gebirges wählte. Er führte sie um eine hoch herausragende Klippe, die sich zweitausend Fuß senkrecht über einem Fluss erhob. Als sie endlich wieder auf verhältnismäßig ebenem Boden standen, drehte sich Om-at um und sah die beiden, besonders Tarzan, bedeutsam an.
»Ihr habt es bestanden«, sagte er. »Ihr seid den harten Anforderungen, die an Freunde Om-ats des Waz-don gestellt werden müssen, gewachsen.«
»Was willst du damit sagen?«, fragte Tarzan.
»Ich habe euch diesen Weg nehmen lassen«, gab der Schwarze zurück, »um zu sehen, ob einem von euch der Mut fehlen würde, dahin zu folgen, wohin Om-at führt. Hierher kommen die jungen Krieger unseres Häuptlings Es-sat, um ihren Mut zu erproben. Doch obgleich wir auf der Klippe geboren und erzogen werden, wird es nicht als Schande angesehen, wenn jemand zugibt, dass ihn der Vater der Berge besiegt hat. Denn von denen, die sich der Probe unterziehen, gelingt es nur wenigen - die Knochen der anderen liegen zu Füßen des Vaters der Berge.«
Ta-den lachte. »Ich dränge mich nicht, diesen Weg oft zu gehen«, sagte er.
»Nein«, gab Om-at zurück.» Aber wir haben unsere Reise mindestens um einen Tag verkürzt. So viel schneller soll Tarzan unsere Heimat sehen. Kommt!«
Und er führte sie aufwärts über den Rücken des Vaters der Berge, bis sich zu ihren Füßen ein Bild voller Geheimnisse und Schönheit auftat - ein grünes Tal, umgeben von ragenden Klippen, die marmorweiß leuchteten - ein grünes Tal mit den Flächen tiefblauer Seen, durchzogen von den Windungen eines Flusses. In der Mitte lag eine Stadt, deren Farbe den Marmorklippen glich - eine weiße Stadt, die selbst aus so großer Feme gesehen eine fremde und doch künstlerische Architektur verriet. Außerhalb der Stadt konnte man im Tal vereinzelte Gruppen von Gebäuden erkennen - manchmal nur eines, dann wieder zwei, drei und vier zusammen - aber überall war die gleiche glitzernde Helligkeit in irgendeiner phantasievollen Form. Am Rande des Tales wurden die Klippen gelegentlich von Abhängen durchbrochen, die von Grün erfüllt waren.
»Jad Pele ul Jad-ben-Otho, murmelte Tarzan in der Sprache der Urmenschen. »Das Tal des großen Gottes - es ist wunderbar!«
»Hier in A-lur lebt Ko-tan, der König, Herrscher über ganz Pal-ul-don«, sagte Ta-den.
»Und hier an diesen Hängen leben die Waz-don«, rief Om-at aus, »die Ko-tan nicht als Herrscher über das .Land des Menschen anerkennen.«