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Hayley liebt Scott, und Scott liebt Hayley. Ihre Traumhochzeit ist schon in Vorbereitung - doch plötzlich geben die beiden ihre Trennung bekannt. Während Freunde und Familie noch über die Gründe rätseln, sucht Hayley ihr Heil in der Flucht: Sie nimmt im weit entfernten Kalifornien eine Stelle als Gourmetköchin an. Doch sie kann Scott nicht vergessen, und so kehrt sie zurück in ihre Heimat Boston. Er hat mittlerweile eine steile Karriere hingelegt, gilt nun als einer der begehrtesten Junggesellen der Ostküste. Bekommt ihre Liebe trotzdem eine zweite Chance?
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Seitenzahl: 350
Cover
Über das Buch
Über die Autorin
Titel
Impressum
Widmung
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Epilog
Mein Dank gilt
Hayley liebt Scott, und Scott liebt Hayley. Ihre Traumhochzeit ist schon in Vorbereitung – doch plötzlich geben die beiden ihre Trennung bekannt. Während Freunde und Familie noch über die Gründe rätseln, sucht Hayley ihr Heil in der Flucht: Sie nimmt im weit entfernten Kalifornien eine Stelle als Gourmetköchin an. Doch sie kann Scott nicht vergessen, und so kehrt sie zurück in ihre Heimat Boston. Er hat mittlerweile eine steile Karriere hingelegt, gilt nun als einer der begehrtesten Junggesellen der Ostküste. Bekommt ihre Liebe trotzdem eine zweite Chance?
Poppy J. Anderson hatte schon immer eine große Schwäche für das Geschichtenerzählen, ihre ersten schriftstellerischen Versuche brachte sie bereits mit zwölf Jahren zu Papier. Nach ihrem Studium nahm sie allen Mut zusammen und stellte endlich einen ihrer Texte einem größeren Publikum vor. Mit umwerfendem Erfolg: Ihre witzigen Romane, die alle in den USA spielen und von der großen Liebe handeln, begeisterten so viele Leser, dass Poppy als erste deutsche Selfpublisherin zur Auflagenmillionärin wurde. Wenn sie nicht gerade schreibt oder über neue Geschichten nachdenkt, reist sie gerne an die abgelegenste Orte der Welt oder spielt zuhause in einer westdeutschen Großstadt mit ihren beiden Hunden Anton und Zipi.
POPPY J. ANDERSON
TASTE OF LOVE
Roman
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Originalausgabe
Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, KölnLektorat und Textredaktion: Bettina Steinhage und Steffi KordaUmschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München unter Verwendungvon Motiven von © shutterstock: FinePic
eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf
ISBN 978-3-7325-5028-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Für Ari und Pippa,
»Ab morgen ist das süße Leben vorbei, Frischling.«
»Ich will dir deine Illusionen nicht rauben, Nick, aber mit dir als Chef waren bereits die letzten Wochen nicht besonders süß.« Hailey nippte an ihrem Glas Champagner und maß Nick O’Reilly, der sie um Haupteslänge überragte, mit einem kurzen Blick. »Außerdem bin ich alles andere als ein Frischling. Das solltest du längst bemerkt haben, immerhin schlägt meine Bouillabaisse deine um Längen.«
Dass ihr Chefkoch Humor besaß, bewies er, als er glucksend lachte. »Oho – klingt das nur in meinen Ohren wie eine Kriegserklärung?«
Hailey verdrehte die Augen und wandte sich an die Frau an seiner Seite: »Benimmt er sich immer so?«
»So?« Claire, die rothaarige Journalistin, die schon den ganzen Abend stolz neben ihrem Freund stand und die Neueröffnung seines Restaurants feierte, war bestens gelaunt. »Mit so meinst du sicherlich selbstgefällig, selbstbewusst, übergriffig …«
»Hey«, beschwerte Nick sich prompt. »Baby, jetzt liefere meiner neuen Souschefin keine Munition gegen mich. Du solltest auf meiner Seite sein.«
Amüsiert verfolgte Hailey Sinclair, wie die beiden miteinander flirteten, sich neckten und nicht die Augen voneinander lassen konnten. Obwohl Hailey erst seit ein paar Wochen für ihren neuen Chef arbeitete, hatte sie längst erkannt, dass er bis über beide Ohren in seine Freundin verliebt war, auch wenn er gerne den coolen Typen spielte.
Und dabei war er wirklich cool.
Hailey hatte bereits in einigen Spitzenküchen gearbeitet und nicht selten ihre Ellenbogen einsetzen müssen, weil sie sich als Frau in einer typisch männlichen Domäne befand, in der sie nicht immer herzlich willkommen war. Es gab jede Menge Küchenchefs des alten Kalibers, die Frauen in ihrem Reich nicht gerne sahen. Nick gehörte glücklicherweise nicht dazu.
Ihr machte es Spaß, mit ihm zu arbeiten, obwohl sie natürlich noch nicht wusste, wie es sein würde, wenn das Bonfire seine Tore öffnete. In den letzten Wochen hatten sie an Rezepten gefeilt, das neue Küchenteam eingearbeitet, die Gerichte immer und immer wieder gekocht, bis sie perfekt waren, und sich die Nächte um die Ohren geschlagen, damit der Ablauf in der Küche reibungslos klappte, sobald sie Gäste bewirten würden. Was ab morgen offiziell der Fall sein würde.
Ehrlich gesagt konnte Hailey es gar nicht erwarten.
Sie liebte den Stress in einer Restaurantküche, liebte die Hektik und liebte die anspruchsvollen Aufgaben, die auf sie warteten. Alles in ihr brannte darauf, wieder am Herd zu stehen, die Hitze der Küche zu spüren und kleine Kunstwerke zu erschaffen. Als Souschefin war sie die rechte Hand des Küchenchefs und würde ihn vertreten, wenn er nicht auf seinem Posten war. Und sie würde mit ihm zusammen das Bonfire zu einem vollen Erfolg führen.
Endlich hatte sie die Chance, allen zu beweisen, was wirklich in ihr steckte! Ganz besonders die Aussicht darauf, sich nicht einfach in ein bestehendes Küchenteam einarbeiten zu müssen, sondern es von Anfang an mitgestalten zu können, hatte sie gereizt. Sie war ein ehrgeiziger Mensch, und ihre Freunde behaupteten gerne, sie wäre stur. Hailey beschrieb sich selbst lieber als durchsetzungsfähig und ambitioniert. Und ihre Ambitionen waren, das Bonfire zum besten Restaurant der Szene zu machen und irgendwann selbst Küchenchefin zu werden.
Als ihr Chef leise auflachte und seiner Freundin etwas zuraunte, was diese lächeln ließ, sah Hailey diskret beiseite und nippte an ihrem Glas. Anstatt die beiden weiter zu beobachten, betrachtete sie nun lieber die Partygäste um sich herum.
Die Eröffnungsparty schien ein voller Erfolg zu sein. Das frisch renovierte und durchgestylte Restaurant, in dem vor allem Holz und Stein vorherrschten, erstrahlte im neuen Glanz, überall unterhielten sich die Gäste angeregt und der Champagner floss in Strömen.
Der Anblick so vieler gut gekleideter und anscheinend extrem betuchter Menschen auf einem Haufen war nichts Neues für Hailey. Zu solchen Gelegenheiten trugen die Damen der Gesellschaft gerne ihren besten Schmuck zur Schau, während ihre Ehemänner nicht nur die Gunst der Stunde nutzten, um mit dem jüngst erworbenen Sportwagen zu prahlen, sondern auch, um Networking zu betreiben. Die meisten Geschäftsabschlüsse fanden nicht hinter Konferenztüren statt, sondern auf Partys wie der heutigen, auf denen sich das Who is Who der Elite von Boston traf.
Hailey bekochte die Superreichen nicht nur, im Grunde gehörte sie selbst zu ihnen. Immerhin war ihr Dad Bill Sinclair. Der Bill Sinclair. Als seine Tochter kannte sie die Gepflogenheiten der Upperclass sehr gut und war froh, dass ihr Dad stets auf dem Boden geblieben war. Dank dieser Bodenständigkeit war auch sie nie abgehoben, sondern arbeitete hart für ihren Lebensunterhalt, selbst wenn sie es nicht musste. Und sie verfolgte ihre eigenen Ziele ohne das Geld und den Einfluss ihres Dads. Sie liebte ihren Vater, aber sie wollte es selbst schaffen. Glücklicherweise hatte er vollstes Verständnis dafür.
»Natürlich stehe ich auf deiner Seite, Nick, aber Hailey besitzt alle meine Sympathien, schließlich weiß ich, wie anstrengend du in der Küche sein kannst.«
Claires Worte rissen Hailey aus ihren Gedanken. Möglichst gelassen wandte sie sich wieder dem Paar zu und ignorierte Richard Summers, den derzeitigen Bürgermeister Bostons, der lediglich ein paar Meter entfernt mit seiner grauenvollen Schwiegermutter Alma Fletcher stand. Sie konnte nur hoffen, dass keiner der beiden auf die Idee kam, herüberzukommen und sie zu begrüßen, weil Hailey nun wirklich nicht der Sinn danach stand, sich mit ihnen zu unterhalten. Sie hatte bereits mit neunzehn Jahren weder Richard noch Alma leiden können, die sich beide bei ihrem Dad eingeschleimt hatten, damit der eine nicht unbeträchtliche Summe für Richards politischen Werdegang spendete. Aber heute, mit neunundzwanzig Jahren war sie regelrecht abgestoßen, als sie Almas protzigen Schmuck und die Luxusuhr am Handgelenk des Bürgermeisters funkeln sah.
Patek Philippe.
Da schien es jemand zu etwas gebracht zu haben, überlegte sie zynisch und nippte ein weiteres Mal an ihrem Glas.
»Ich bin ganz und gar nicht anstrengend in der Küche«, echauffierte sich gerade der Küchenchef empört. »Ich besitze Durchsetzungsvermögen, Claire. Das ist etwas völlig anderes.«
»Hailey«, warf Claire ein, die im Gegensatz zu Nick die Gelassenheit in Person war. »Was ist der Unterschied zwischen einem Küchenchef mit Durchsetzungsvermögen und Nick?«
Hailey verdrehte die Augen. »Hey, ich hänge an meinem Job, Claire, und halte lieber die Klappe, bevor mich Nick feuert, ehe ich überhaupt zu kochen anfangen konnte.« Weil ihr Chef zufrieden nickte und anscheinend glaubte, dass er gegen seine Liebste hatte punkten können, setzte Hailey versonnen hinzu: »Und deshalb würde ich auch niemals verraten, wie tief seine Zornesfalte auf der Stirn wird, wenn der Gewürzhändler keine Guadeloupe-, sondern nur Tahiti-Vanille bekommen hat.«
Während Nick brummte, lachte Claire hell auf. Sie schnalzte mit der Zunge und tadelte ihn. »Du bist so ein Kontrollfreak!«
Das liebevolle Necken der beiden versetzte Hailey für eine Sekunde einen Stich, der ihr mitten ins Herz fuhr.
Seit sie zurück in Boston war, fiel es ihr zunehmend schwer, nicht an das zu denken, was drei Jahre zuvor passiert war und weshalb sie aus der Stadt geflohen war. Ja, Boston war ihre Heimat, der Ort, in dem sie aufgewachsen war und in dem sie die große Liebe gefunden hatte. Boston war aber auch der Ort, an dem sie es einfach nicht mehr ausgehalten hatte, morgens wach zu werden und sich zu fühlen, als hätte man ihr das Herz aus der Brust gerissen.
Dass sie anschließend fortgezogen war, um erst in San Francisco und dann in Dubai zu arbeiten, war für sie eine logische Konsequenz gewesen. Sie hatte Abstand dringend gebraucht, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Wenn sie geblieben wäre, dann wäre sie vermutlich durchgedreht.
Nach so langer Zeit war Hailey davon ausgegangen, dass es ihr nichts mehr ausmachen würde, zurück in Boston zu sein, schließlich besagte doch schon ein Sprichwort, dass die Zeit alle Wunden heilte. Nun ja … in ihrem Fall traf dies offenbar leider nicht zu. Zwar lenkte sie sich mit Arbeit ab und stürzte sich förmlich in ihre neuen Aufgaben, um keine Zeit zu haben, großartig nachzudenken – aber insbesondere in Momenten wie diesem, wenn sie ein Paar dabei beobachtete, wie es miteinander lachte, bekam sie einen Kloß im Hals. Und dann fragte sie sich, was geworden wäre, wenn damals nicht alles den Bach hinuntergegangen wäre.
Leider war diese Frage schmerzhaft.
»Wenn du glaubst, dass ich ein Kontrollfreak bin, solltest du mal Hailey erleben.« Nick grunzte laut. »Unser Gemüsehändler hat mir bereits damit gedroht, uns nicht mehr zu beliefern, wenn weiterhin Hailey die Abnahme durchführt. Anscheinend kontrolliert sie jedes einzelne Stück Gemüse, untersucht jedes Salatblatt und befragt dabei den armen Mann so forsch, dass der sich wie bei der CIA vorkommt.« Nicks Mundwinkel zuckten. »Carl denkt, du würdest bei ihm am liebsten einen Lügendetektortest machen, weil du ihm nicht glauben wolltest, dass die Zitrusfrüchte aus Israel kamen.«
Nicht schon wieder diese Geschichte!
»Sie kamen auch nicht aus Israel«, beharrte sie. »Die Form war viel zu perfekt. Man konnte sehen, dass sie gespritzt waren.«
»Himmel, Hailey!« Nick verdrehte gut gelaunt die Augen.
Verächtlich rümpfte sie die Nase. »Der Mann wollte dich übers Ohr hauen und dir Gewächshausobst andrehen.«
»Ich kenne Carl seit Ewigkeiten.«
»Schön für dich, aber das Obst hatte dennoch einen wässrigen Geschmack.«
»Mit dem Geschmack war alles in Ordnung!«
»Wenn du lasche Pampelmusen für in Ordnung hältst …« Hailey zuckte mit den Schultern und gab sich völlig unbeteiligt. »Beim nächsten Mal werde ich nichts sagen und danebenstehen, während du mit minderwertiger Ware abgespeist wirst, Chef.«
Nick knurrte geradezu. »Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du einem auf den Sack gehen kannst?«
»Das eine oder andere Mal.« Zuckersüß lächelte sie ihn an und hob prostend das Glas.
Neben ihnen erklang ein männliches Räuspern, als Andrew Knight zu ihnen stieß. Der blonde Vorbesitzer und Nicks ehemaliger Küchenchef war zur Restauranteröffnung des Bonfire aus Maine nach Boston gekommen. Hailey kannte ihn flüchtig aus New York, wo sich ihre Wege gekreuzt hatten. Die Welt der Profiköche war klein.
»Hey, Nick! Heute ist dein großer Tag, also mach nicht so ein Gesicht, als hätte Claire bereits eine vernichtende Kritik über das Bonfire geschrieben. Vielleicht ist sie mittlerweile gnädig und nimmt Rücksicht darauf, wie sehr du schmollen kannst, wenn jemand dein Essen zu stark gesalzen findet.«
»Mein Essen ist nie zu stark gesalzen«, blökte Nick los. »Außerdem schmolle ich nicht, und Claire würde niemals eine vernichtende Kritik über das Bonfire schreiben.«
Im Gegensatz zu dem mittlerweile richtig grantig wirkenden Küchenchef versprühte Andrew Knight beste Laune. »Das bleibt abzuwarten. Und warum machst du dann ein Gesicht, als wäre dir eine Laus über die Leber gelaufen?«
»Hailey und Nick streiten sich über Zitrusfrüchte«, erklärte Claire hilfsbereit, die tatsächlich eine ziemlich üble Kritik über Nicks Gerichte geschrieben hatte, als er noch Küchenchef des vorherigen Restaurants gewesen war. Hailey kannte die Kritik: Immerhin hatte die Küchenbrigade den Zeitungsausschnitt an Nicks Bürotür gepinnt und machte sich immer wieder einen Heidenspaß daraus, ihren Chef damit aufzuziehen.
Weil Claire Nicks Essen damals indirekt mit Fast Food von der Tanke verglichen hatte, konnte es sogar vorkommen, dass einer der Scherzkekse Nicks Kopf auf das Foto eines Tankwarts kopierte und an die Küchentür klebte. Besonders einfallsreich waren auch die Kommentare darüber, dass Nick doch lieber in einem ölverschmierten Blaumann statt in einer Kochjacke zur Arbeit erscheinen sollte. Die vielen Fernfahrerwitze hingegen hingen Hailey bereits zu den Ohren raus.
»Himmel.« Andrew sah zwischen Nick und Hailey hin und her und schüttelte den Kopf, während seine Schultern vor unterdrücktem Lachen bebten. »Es gibt also doch einen Gott.«
Gerne hätte Hailey Claire widersprochen, dass sie nicht stritt – vor allem nicht über geschmacksneutrale Pampelmusen –, aber es war viel unterhaltsamer, die Blicke zu beobachten, die sich Nick und Andrew zuwarfen. Auch ihre Mimik war sehr interessant: Während ihr neuer Küchenchef die Stirn runzelte und die Lippen aufeinanderpresste, glich der Gesichtsausdruck von Andrew dem eines unschuldigen Engels.
»Was soll das bedeuten, Drew?«
»Das soll bedeuten, dass du hoffentlich herausfinden wirst, wie es ist, mit einem nervtötenden Souschef geschlagen zu sein, der ständig seinen Kopf durchsetzen will.«
Nick plusterte sich auf. »Ich war nie ein nervtötender Souschef, der seinen Kopf durchsetzen wollte.«
»Wer sagt denn, dass ich von dir spreche? Drückt der Schuh?«
»Drückt bei dir der Schuh, wenn ich einen Küchenchef erwähne, der außergewöhnliche Rezeptideen nicht ausprobieren wollte, weil sie nicht von ihm kamen?«
»Deine Freundin kann bestätigen, dass viele deiner Rezeptideen nicht so außergewöhnlich sind, wie du vielleicht denkst, Nick.«
»Zufälligerweise weiß ich, dass deine Freundin besser kochen kann als du, Drew.«
»Ha!«
Zwar hatte sich Hailey nicht angesprochen gefühlt, als über einen nervtötenden Souschef gesprochen wurde, der ständig seinen Kopf durchsetzen wollte, aber sie zog dennoch die Augenbrauen in die Höhe, um den beiden Männern zu signalisieren, dass sie sich albern benahmen. Leider nahmen sie es nicht zur Kenntnis, da sie bereits mitten in einer Diskussion darüber steckten, wer von ihnen beiden anstrengender in der Küche war und wer besser kochen konnte.
Sie schaute zu Claire, die bedeutungsvoll die Augen verdrehte. Dann räusperte sich diese herrisch. »Oh bitte.« Der Tonfall der britischstämmigen Restaurantkritikerin war durch und durch gelangweilt. »Weder Hailey noch mich beeindruckt euer gastronomischer Pinkelwettbewerb.«
»Gastronomischer Pinkelwettbewerb?« Nick wirkte amüsiert.
»Ganz genau. Ihr benehmt euch wie halbwüchsige Idioten, die sich vor ihren Mitschülerinnen produzieren und beweisen wollen, wer den größeren …« Sie unterbrach sich und wirkte beinahe erschrocken.
Nick O’Reilly grinste breit. »Nur weiter, Schatz. Was wolltest du sagen?«
Hailey schaute aufmerksam zu Claire, der anzusehen war, dass sie nicht wusste, wie sie fortfahren sollte. Und plötzlich bildete sich ein typisches männliches Konglomerat zwischen den beiden Köchen, die sich gerade noch wie zwei Streithähne aufgeführt hatten.
Andrew räusperte sich vernehmlich. »Ich glaube, Claire wollte sagen, dass wir uns wie zwei halbwüchsige Idioten aufführen, die beweisen wollen, wer den größeren Was-auch-immer hat.«
»Stimmt, Drew. Genau da war sie stehen geblieben. Also, Schatz? Was meintest du mit dem größeren Was-auch-immer?«
Obwohl Claire die Abgeklärtheit in Person war, nahmen ihre Wangen einen zartrosa Hauch an. Hailey fühlte mit ihr, schließlich trieben sich hier irgendwo ihre Eltern herum – ein gebildetes Paar aus der britischen Oberschicht, das Hailey bereits kennengelernt hatte. In deren Gegenwart würde auch sie einen Teufel tun und über Was-auch-immer reden, obwohl sie sonst nicht auf den Mund gefallen war.
Um der anderen Frau hilfreich beizustehen, warf Hailey gelassen ein: »Du meintest sicher einen Füllfederhalter.«
»Was?«
»Ein Füllfederhalter«, wiederholte sie ruhig und nippte erneut an ihrem Glas, während sie von Nick zu Drew sah. »Von der Form und von der Größe ähnelt es dem, was ihr gerade im Sinn hattet, auch wenn Männer insbesondere bei der Größe gerne so tun, als besäße es eher die Ausmaße einer Zucchini.«
Claire gurgelte vor Lachen. Die beiden Männer nicht.
Andrew sah sie sehr nachdenklich an. »Eigentlich war ich voller Schadenfreude, dass Nick eine Souschefin bekommt, die ihm so sehr auf die Nerven gehen wird, wie er es bei mir getan hat. Aber weißt du was, Hailey? Er fängt an, mir leidzutun.«
»Mir nicht«, warf Claire fröhlich ein.
»Ich werde ihm nicht auf die Nerven gehen, sondern die beste Souschefin sein, die er sich wünsche kann – ohne gastronomischen Pinkelwettbewerb«, erwiderte Hailey ruhig und in der Gewissheit, dass sie ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen musste. Da ihr Glas nun leer war, hielt sie es demonstrativ in die Höhe. »Meine Herren, würdet ihr mich entschuldigen? Mein Glas ist leer.« Sie zwinkerte Claire zu, stellte das leere Glas weg und ließ die drei stehen, um zum Buffet zu schlendern.
Auf dem Weg dorthin griff sie nach einem neuen Champagnerglas, als ein Kellner mit einem voll beladenen Tablett an ihr vorbeieilte. Der Abend war ein großes Ereignis, auf das sie lange hingearbeitet hatten. Das Team des Bonfire hatte Tage damit verbracht, die erlesenen Köstlichkeiten vorzubereiten, von denen die Gäste nun probieren konnten: mild gebackene Hummerkrabben an einer Feigen-Limonen-Creme, getrüffelte Polentataler an einem Gartenkräuterschaum, Steinpilzcrostini mit karamellisierten Feigen, gratinierte Jakobsmuscheln mit einer Chili-Koriander-Tapenade, pochierte Wachteleier auf Avocadosalat, Creme brûlée von der Entenleber und in würzigen Blätterteigmantel gehüllte Rinderfiletspitzen. Nick hatte heute Abend nicht nur die Speisekarte seines Restaurants enthüllt, sondern mit den wunderbaren Häppchen auch einen Einblick geben wollen, was die Gäste in Zukunft kulinarisch im Bonfire zu erwarten hatten.
In den letzten Wochen hatte sich Hailey mit ihrem Chefkoch und der restlichen Küchenbrigade mehr als nur eine Nacht um die Ohren geschlagen, um die perfekte Speisenauswahl zu kreieren, für die das Bonfire berühmt werden sollte. Hailey war ganz versessen darauf, dass das Restaurant mit ihrer Mithilfe erfolgreich und bekannt wurde. Und sie wollte einen weiteren Schritt nach oben machen – auf dem Weg zur Chefköchin eines Spitzenrestaurants. Das hier war genau der richtige Ort dafür.
Das Bonfire war ein neues, junges und vor allem innovatives Restaurant, ohne den angestaubten Ruf, den viele Gourmetrestaurants besaßen. Sie passte in Nicks Konzept. Ihre neuen Aufgaben waren nicht nur anspruchsvoll und forderten ihren Ehrgeiz heraus, sondern könnten ihr auch über den Kopf wachsen. Sie wollte keinesfalls versagen, sondern beweisen, dass sie eine fabelhafte Souschefin war, Frau hin oder her. Der Erfolgsdruck war gigantisch, aber Hailey würde niemanden wissen lassen, dass sie sogar ein wenig eingeschüchtert war. Nein, da hielt sie sich lieber an ihr loses Mundwerk. Irgendwann würde ihr Name auf einem Restaurantschild stehen, und sie würde den Ton angeben. Bis dahin wollte sie in so vielen Küchen wie möglich arbeiten, alles lernen und sich ihren Erfolg selbst erarbeiten. Für ihren Dad wäre es ein Leichtes gewesen, ein Restaurant zu kaufen und sie zur Chefköchin zu machen, aber das wollte Hailey nicht. Und ihr Dad hatte es auch nie angeboten, weil er wissen musste, dass sie es allein schaffen wollte.
Ohne das Geld ihres Vaters.
Sobald ein Kollege erfuhr, wer ihr Vater war, ging das Getuschel los, und ihre Kollegen spekulierten, ob sie sich den Abschluss an der erstklassigen Kochschule erkauft hatte und ob der Job, den sie gerade bekleidete, etwas mit den Beziehungen zu tun hatte, die ihr Vater besaß. Wer sie wirklich kannte, wusste aber genau, dass es Hailey zuwider war, auf ihren Vater und dessen geschäftlichen Erfolg reduziert zu werden. Wer sie war und was sie tat, hatte sie sich selbst erarbeitet.
Deshalb wollte sie sich ihre Sporen selbst verdienen.
Sie konnte stolz auf das sein, was sie bisher erreicht hatte. Nachdem sie in New York, Boston und San Francisco gearbeitet hatte, war sie vor einem Jahr in Dubai gewesen, um im La Petite Maison zu arbeiten. Es war eine kleine Sensation gewesen, dass sie als Frau in diesem preisgekrönten Restaurant in einem arabischen Staat Souschefin geworden war. Nach ihrem Einsatz dort hätte sie beinahe überall arbeiten können, aber es hatte sie nach Hause gezogen. Zurück nach Boston. Das Angebot von Nick O’Reilly war zu verlockend gewesen.
Und nach drei Jahren, so hatte sie gedacht, war genug Gras über die Sache gewachsen, dass es für sie kein Problem sein sollte, wieder in Boston zu arbeiten und zu leben.
Sie war sich sicher, dass es ihr nichts mehr ausmachte. Nur in Momenten wie gerade, wenn ein Paar besonders zärtlich wurde oder vertraut miteinander sprach – ja, in solchen Momenten dachte sie noch an ihn.
Hailey ließ den Blick über die Häppchen gleiten und kontrollierte beinahe reflexartig, ob alles seine Richtigkeit hatte. Alle Portionen waren ansprechend angerichtet und auf edlem Geschirr serviert. Die Gäste wirkten höchst zufrieden.
Dieser Abend war zwar nicht die Feuerprobe, aber das Bonfire war gut gestartet.
Sie atmete erleichtert aus und beobachtete die Gästeschar, die sich in den frisch renovierten Räumen verteilt hatte.
Das Prickeln in ihrem Nacken hätte sie vielleicht warnen sollen, bevor sie nach links in Richtung der bodentiefen Glasfronten schaute, durch die man die Lichter des Hafens erspähen konnte. Wenn sie gewarnt gewesen wäre, hätte sie es vermutlich geschafft, dass ihr die Gesichtszüge nicht vollständig entgleisten, sobald sie den blonden Mann entdeckte, der lässig ein Glas Scotch in der einen Hand hielt und die andere in der Hosentasche seines schwarzen Anzuges vergraben hatte. Im Gegensatz zu Hailey, die sich fühlte, als wäre ein Schnellzug über sie hinweggerollt, blieb er die Ruhe in Person, als sich ihre Blicke trafen, und nickte ihr zu. Er hatte sie also schon gesehen, bevor sie ihn entdeckt hatte.
Sie hatte das Gefühl, dass sich vor ihr der Boden auftat. Die Zeit schien für einige Sekunden stillzustehen.
Was zum Teufel hatte er hier zu suchen?
In ihrem Kopf rotierte die Frage hin und her, während er sich in Bewegung setzte und langsam auf sie zukam.
Bevor Hailey überhaupt auf die Idee kommen konnte, sich umzudrehen und zu gehen, stand er plötzlich vor ihr. Groß, selbstsicher, gelassen. Sie bebte innerlich.
»Du hast dir die Haare abgeschnitten. Das steht dir, Hailey.«
Sie konnte nicht einmal blinzeln und starrte ihn mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Hilflosigkeit an. Drei Jahre waren vergangen, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Drei Jahre! Und er begrüßte sie mit einem Kommentar zu ihren Haaren.
Auch wenn es in ihren Fingerspitzen kribbelte, automatisch ihre kurzen Haare anzufassen, die früher bedeutend länger gewesen waren, zwang sich Hailey dazu, es nicht zu tun. Stattdessen erwiderte sie beinahe kühl: »Scott.«
Er lächelte knapp – nicht unfreundlich, jedoch auch nicht besonders warmherzig.
Dabei war Scotts Lächeln immer etwas Besonderes gewesen. Sobald er sie angeschaut hatte und sich dabei seine Mundwinkel gekräuselt hatten, war ihr regelrecht warm geworden und ihr Herz hatte schneller und schneller geschlagen. Scott hatte diese eigenartige Magie über sie besessen. Er hatte sie nur anlächeln müssen, um Hailey weiche Knie zu bescheren.
Jetzt konnte sie lediglich daran denken, dass sein Lächeln aufgesetzt wirkte und dass auch seine dunkelgrauen Augen nicht den humorvollen Schimmer besaßen, den sie noch von früher kannte.
Er wirkte ganz anders. Irgendwie härter, ernster und geschäftsmäßiger. Anscheinend hatte er den Weg weiterverfolgt, den er vor drei Jahren eingeschlagen hatte.
»Was tust du hier?«, stieß sie mit einem Krächzen aus.
Eine dunkelblonde Augenbraue wanderte in die Höhe. »Ich stehe auf der Gästeliste, falls du das wissen willst.«
Beinahe hätte sie mit den Zähnen geknirscht und sich selbst in den Hintern getreten, dass sie vorher nicht wenigstens einen kurzen Blick auf die Gästeliste geworfen hatte. Wenn sie es getan hätte, wäre sie für diese Begegnung gewappnet gewesen. Scott hatte sie kalt erwischt. »Wusstest du nicht, dass ich hier sein würde?«
»Du bist die Souschefin. Natürlich wusste ich das.« Seine Miene war unergründlich. »Ich weiß so ziemlich alles, was sich in Boston abspielt.«
Bittere Magensäure stieg ihr in die Kehle.
Scott hätte sie nicht darauf hinweisen müssen, dass er sich in den letzten Jahren zu einem der einflussreichsten Männer der Stadt gemausert hatte. Sogar bis nach Dubai war die Kunde von seinen Erfolgen gedrungen. Mit einer Investition in ein marodes Unternehmen, das sich dank seines Engagements innerhalb weniger Monate zu einer rentablen Firma gemausert hatte und für eine Rekordsumme verkauft worden war, hatte er nicht nur ein Vermögen gemacht, sondern galt nun auch als unternehmerisches Wunderkind.
Haileys Stimme klang nicht ehrlich, als sie sagte: »Herzlichen Glückwunsch zu deinem Aufstieg.«
»Danke.«
»Über wie viele Leichen musstest du dafür gehen?«
Seine Antwort bestand aus einem schwachen Lächeln. »Als es zweistellig wurde, habe ich aufgehört zu zählen.«
Sie fand das nicht besonders lustig.
»Wenn wir schon dabei sind, uns zu gratulieren: Ich habe gehört, dass sie dir im La Petite Maison noch immer hinterhertrauern. Mein Kompliment, Hailey.«
Beinahe hätte sie abfällig geschnaubt.
Mein Kompliment.
Gestelzter hätte er wirklich nicht klingen können. Wer redete denn so reserviert daher, wenn man jeden Zoll des anderen in und auswendig kannte und wenn man wusste, welche Laute der andere ausstieß, wenn er zum Höhepunkt kam?
»Danke.«
»Ich hätte nicht gedacht, dass du zurück nach Boston kommen würdest.«
Hailey wusste nicht, weshalb seine Worte ihr ins Fleisch schnitten. Auf jeden Fall wollte sie ihm nicht zeigen, dass er sie verletzen konnte, und hob deshalb das Kinn, um sich möglichst unbeteiligt zu geben. »Das Angebot war verlockend.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Taxierend ließ er seinen Blick über ihr Gesicht wandern. »Ein neues Restaurant, ein junges Küchenteam und ein ehrgeiziger Küchenchef. Hier musst du ganz in deinem Element sein.«
Darauf erwiderte Hailey nichts. Eine andere Frage brannte ihr auf der Zunge – die Frage, was er hier tat. Sie hätte nämlich einiges dafür gegeben, ihn nicht zu treffen. Und irgendwie glaubte sie nicht, dass es ihm da anders ging. Warum war er also hier, wenn er gewusst hatte, dass er auf sie treffen würde?
Hailey hörte selbst, dass ihre Stimme bebte. »Bist du meinetwegen hier, Scott? Weil du wusstest, dass ich hier sein würde?«
Seine Miene zeigte keinerlei Regung, und trotz aller Wut und sogar Verachtung, die Hailey nach drei Jahren noch immer für ihn empfand, war das darunterliegende Gefühl von Trauer geradezu greifbar, denn diesen emotionslosen, kalten Scott kannte sie nicht.
»Sco-ott!« Eine kurvige Blondine mit rot geschminkten Lippen und einem winzigen Kleid in dem gleichen Farbton stand plötzlich neben Scott und klammerte sich förmlich an seinen Arm. »Können wir endlich gehen? Bitte! Mir ist so-o langweilig.«
»Jetzt nicht, Mandy.« Das kam von Scott, barsch und abweisend.
Die Blondine namens Mandy schob die Unterlippe vor und schmollte, schwieg aber und betrachtete Hailey nun so interessiert, als wäre sie ein seltenes Insekt.
Hailey wusste nicht, was sie mehr schockierte. Die Tatsache, dass Mandy nicht alt genug zu sein schien, um legal Alkohol trinken zu dürfen, oder dass sie Silben wie ein jammerndes Kleinkind in die Länge zog. Oder dass Scott sie wie ein unliebsames Haustier behandelte, das nicht schnell genug auf seine Befehle reagierte. Mit ihr hätte er damals ganz sicher niemals so geredet. Davon mal abgesehen, hätte sie sich das auch nicht gefallen lassen.
Seine jetzige Begleitung kam nicht auf die Idee, dass er sich wie ein Idiot benahm, sondern klammerte sich weiterhin an seinen Arm und stieß gequälte Laute aus, die ihm wohl signalisieren sollten, dass sie sich langweilte. Gleichzeitig funkelte sie Hailey wütend an. Wenn es sich um jemand anderen als Scott gehandelt hätte, wäre sie vermutlich in prustendes Gelächter ausgebrochen.
Doch statt Belustigung fühlte Hailey Groll. Und sie konnte sich einen Kommentar nicht verkneifen. »Du bist einunddreißig, Scott. Ist sie mit achtzehn nicht ein bisschen zu jung für dich?«
»Ich bin neunzehn«, widersprach Mandy empört und setzte hinzu: »Neunzehneinhalb. Ich habe noch keine Falten.«
Sollte das etwa eine Beleidigung sein? Beinahe hätte Hailey über den putzigen Versuch des Teenagers gelacht. Noch größer war der Drang, das Mädchen beiseitezunehmen und ihm zu sagen, dass es lieber nach Hause gehen und sich einen Jungen in ihrem Alter suchen sollte.
Ihr Blick begegnete Scotts, und er musste wissen, dass sie ihn für übergeschnappt hielt. Früher hatte er schließlich immer ihre Gedanken lesen können.
Seine Kinnlinie wurde starr, als würde er die Zähne zusammenbeißen – ein untrügliches Zeichen, dass ihn etwas störte. »Warte bitte draußen auf mich, Mandy.«
»Aber …«
»Ich komme sofort nach …«, er räusperte sich, »… Süße.«
Die schmollende Neunzehneinhalbjährige schaute finster zwischen ihnen hin und her und hob beinahe patzig das Kinn. »Die Party ist sowieso total lahm. Beeil dich, Sco-ott.« Dann drehte sie sich wortlos um und stöckelte auf hohen Absätzen durch das Restaurant davon.
Hailey blickte ihr kopfschüttelnd hinterher. Was war mit Scott passiert? Der Scott, den sie kannte, wäre nie mit schmollenden Teenagern ausgegangen. Der Scott von früher hatte sich mit Frauen, mit denen er schlief, auch unterhalten wollen.
»Neunzehneinhalb«, erklärte Hailey in seine Richtung. »Sie spricht, als würde sie noch mit Puppen spielen. Kommst du dir nicht wie ein Triebtäter vor, wenn Bibo der Bär euch beim Sex beobachtet?«
Weil er nicht antwortete, wandte sie den Blick von der in der Menge verschwundenen Blondine ab und schaute wieder zu ihm. Er wirkte wütend. Hailey wusste wirklich nicht, warum ausgerechnet er wütend sein sollte, schließlich war er derjenige, der hier mit einer Neunzehneinhalbjährigen aufgetaucht war. Eigentlich hätte sie wütend sein sollen. Aber sicherlich nicht Scott.
Gut, sie wollte hier keinen Aufstand anzetteln – nicht auf der Eröffnungsfeier ihres neuen Arbeitgebers. Also wandte sie sich zum Gehen. Es gab sowieso nichts mehr, über das sie beide hätten reden können.
Scott schien das anders zu sehen: Er griff nach ihrer Hand und hielt sie wie in einem Schraubstock fest.
Die Berührung spürte sie bis in die Fußsohlen. Eins war plötzlich glasklar: Drei Jahre waren wirklich nicht genug gewesen.
Drei Jahre waren mehr als genug gewesen.
Seit drei Jahren wartete Scott nun schon darauf, dass Hailey nach Hause kam, nachdem sie ihn Hals über Kopf verlassen und für sie beide entschieden hatte, dass es vorbei war. Er selbst hatte damals nichts dazu zu sagen gehabt – ihrer Meinung nach jedenfalls.
Zu gut erinnerte er sich an den Abend, an dem es aus gewesen war. Nach sieben Jahren Beziehung, einer gemeinsamen Wohnung und einer Verlobung hatte Hailey ihren Koffer gepackt und war nach San Francisco gegangen. Zwei Jahre später nach Dubai.
Und er war in Boston geblieben und hatte darauf gewartet, dass sie zur Vernunft kam.
Wie es aussah, war Hailey zwar nach Hause gekommen, aber das hieß nicht, dass sie vernünftig geworden war. Und sie mied ihn noch immer. Warum sonst hatte sie sich umgedreht und offenbar nicht länger mit ihm reden wollen?
Nachdem Scott drei Jahre lang Geduld bewahrt und sich gesagt hatte, dass sie irgendwann einsichtig sein und sich beruhigen würde, konnte er es jetzt kaum ertragen, dass sie ihn stehen lassen wollte. Deshalb hatte er ihr Handgelenk gepackt, obwohl er es eigentlich hätte besser wissen müssen. Schließlich kannte er seine Hailey. Stur bis zum Schluss.
Ja, sie war stur wie ein Esel und würde sich erst dann von der Stelle bewegen, wenn sie es so wollte.
Diese Entschlossenheit hatte er immer an ihr bewundert. Heute machte sie ihn verrückt, weil Scott am eigenen Leib erfahren hatte, wie es war, wenn Hailey nicht einfach das tat, was er wollte. Dummerweise würde sie nur dann zu ihm zurückkommen, wenn es ihr fester Wille war. Also hatte er sie gehen lassen, ohne ein Wort zu verlieren, und darauf vertraut, dass sie ihn vermissen und deshalb zurückkommen würde. Scott war der felsenfesten Überzeugung gewesen, dass sie gar nicht anders konnte. Sie waren füreinander bestimmt.
Hailey selbst war es gewesen, die das zu ihm gesagt hatte.
Damals hatten sie sich gerade ein paar Monate gekannt und waren verliebt gewesen. Sie waren auf die Art verliebt gewesen, wie man es mit Anfang zwanzig ist, wenn man eine rosarote Brille auf der Nase trägt. Aber auch ein Jahr danach hatte sich nichts geändert. Und in dem Jahr darauf ebenfalls nicht.
Sieben Jahre lang waren sie das perfekte Team gewesen, das sich blind verstand, das sich liebte und das seine Zukunft bis ins letzte Detail geplant hatte.
Leider konnte man das Leben nur selten planen.
»Lass mich los, Scott.«
Er biss die Zähne zusammen und zog sie langsam zu sich, anstatt sie loszulassen. Hailey sollte begreifen, dass er nicht mehr das tat, was sie von ihm verlangte. Vor drei Jahren hatte er sie gehen lassen, aber heute würde er einen Teufel tun und seelenruhig zusehen, wie sie wieder verschwand. Sie mochte sich äußerlich verändert haben und eine Kurzhaarfrisur tragen, er aber hatte sich innerlich verändert und war nicht länger der verständnisvolle Mann, der sie schalten und walten ließ, wie es ihr passte.
Jetzt war er am Zug.
»Wieso sollte ich das tun? Vielleicht bin ich gerade erst auf den Geschmack gekommen, mit dir einen kleinen Plausch zu halten.«
Ihre blauen Augen funkelten, während sie warnend seinen Namen hervorbrachte. »Scott.«
Sie standen so nah beieinander, dass er nicht nur den wütenden Schimmer über ihren Augen wahrnahm, sondern auch ihren unverwechselbaren Duft einatmete. Hailey schien noch immer die gleiche Bodylotion zu benutzen, Mandelmilch mit Früchten. Das leichte Apfelaroma stieg ihm in die Nase und war für das Prickeln auf seiner Haut verantwortlich, während er jeden Quadratmillimeter ihres Gesichts betrachtete und die Veränderungen wahrnahm.
Da war eine winzige Narbe, die kaum auffiel, aber Scott kannte ihr Gesicht so gut wie sein eigenes und registrierte den blassen Strich unter der elegant geschwungenen Augenbraue sofort. Die Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken waren ein wenig verblasst, und ihre Wangen wirkten schmaler. Generell musste sie ein paar Kilos abgenommen haben. Ihm war bereits zuvor aufgefallen, dass sie den blauen Hosenanzug nicht mehr so sehr ausfüllte, wie sie es vor drei Jahren getan hätte. Ihre Kurven waren weniger geworden, ohne dass Hailey mager wirkte. Der Babyspeck war vollends verschwunden. Als er sie mit neunzehn Jahren kennengelernt hatte, war sie nicht dick gewesen, aber ihr Gesicht hatte rundlicher gewirkt. Mit sechsundzwanzig war sie kurvig gewesen und hatte vor Gesundheit gestrotzt. Jetzt, mit neunundzwanzig, wirkte Hailey athletisch. Wäre sie einen Kopf kleiner gewesen, hätte Scott sie als elfenhaft bezeichnet, aber da sie für eine Frau ziemlich groß war, passte der Ausdruck nicht wirklich zu ihr.
Sie war eine wunderschöne Frau mit zarten Gesichtszügen, großen blauen Augen, dunklen Haaren und einem breiten Mund, der vielleicht etwas zu groß für ihr Gesicht war, aber ihren Ehrgeiz und ihre Durchsetzungskraft perfekt charakterisierte.
Während Scott sie ansah, wurde ihm von Sekunde zu Sekunde bewusster, wie sehr er sie vermisst hatte.
Zwar hatte sie ihm mit ihrem Umzug etwas beweisen wollen, aber die Trennung hatte ihm lediglich gezeigt, dass er ohne Hailey nicht glücklich sein konnte.
»Nach drei Jahren ist es doch selbstverständlich, dass wir uns einiges zu erzählen haben«, sagte er möglichst leichthin und war erleichtert, dass man seiner Stimme das Gefühlschaos nicht anhörte, das in seinem Inneren tobte.
Ihre Mundwinkel fielen herab, und ihr Tonfall klang abfällig. »Du solltest deine Zeit nicht mit mir verschwenden, wenn Mandy draußen auf dich wartet. Vielleicht vermisst sie bereits ihre Stofftiere und lässt sich von einem anderen Mann nach Hause fahren, der nur zu gerne ihr neuester Sugar Daddy wird.«
Gott, am liebsten hätte er laut gelacht. »Bist du eifersüchtig, Hailey?«
»Mach dich nicht lächerlich! Wieso sollte ich eifersüchtig auf eine Neunzehneinhalbjährige sein?!«
»Sag du es mir.«
»Mir ist es egal, was du treibst – und mit wem.«
»Ist das so?«
»Ja!« Sie kniff die Augen zusammen. »Wenn es dir egal ist, dass du dich lächerlich machst, weil du mit einem Grundschulkind gesehen wirst, ist es mir erst recht egal.«
»Die Grundschule hat sie bereits hinter sich. Sie kann sogar bis einhundert rechnen, ohne dabei ihre Finger zu Hilfe zu nehmen.«
Das Schnauben, das Hailey ausstieß, klang verdächtig nach einem unterdrückten Lachen. »In meinen Ohren hört sich das perfekt an. Neunzehneinhalb, blond und kann bis einhundert zählen. Schnapp sie dir, bevor sie auf die Idee kommt, den Busfahrplan zu entziffern und sich jemanden in ihrem Alter zu suchen, mit dem sie spielen kann.«
»Egal, wie sehr du es abstreitest, du klingst eifersüchtig, Hailey.«
»Du verwechselst Eifersucht mit Abscheu.« Sie riss ihren Arm zurück, sodass Scott dazu gezwungen war, ihr Handgelenk freizugeben.
Er hörte wohl nicht recht. »Abscheu?«
»Ja, du bist genauso geworden, wie du es nie sein wolltest.« Verächtlich schüttelte sie den Kopf. »Anscheinend ist dir der Erfolg zu Kopf gestiegen. Warum sonst solltest du hier mit einem Kind auftauchen, das nicht versteht, dass es nur schmückendes Beiwerk ist und auf seine Brüste reduziert wird?«
Nach wie vor schaffte es Hailey, ihn wütend zu machen. Scott ballte die Hände zu Fäusten. »Du redest von Dingen, von denen du keine Ahnung hast.«
»Du vergisst, dass ich weiß, mit wem ich rede.« Ihr Blick war stahlhart. »Ich rede mit Scott MacIntosh, der niemals skrupellos sein und über Leichen gehen wollte, um erfolgreich zu werden, und der zur Schau gestellten Reichtum nicht leiden konnte. Der Scott MacIntosh, den ich einmal kannte, wäre hier nie mit einem Trophäenweibchen aufgetaucht, um es seiner früheren Verlobten unter die Nase zu reiben.«
Ihr letzter Satz fühlte sich wie ein Schlag in den Magen an.
Ganz automatisch machte er einen Schritt auf sie zu, aber Hailey wich zurück und drehte sich um. Bevor Scott auch nur ein einziges Wort hätte sagen können, war sie schon verschwunden.
Natürlich hatte er sie eifersüchtig machen wollen.
Scott hatte eine Reaktion von ihr sehen wollen – er hatte sie regelrecht provoziert, schließlich war er in den vergangenen drei Jahren mit seiner Passivität nicht weitergekommen. Aber er hatte sie nicht verletzen wollen. Doch der erstickte Laut, den Hailey von sich gegeben hatte, ließ genau darauf schließen.
Niedergeschlagen verließ er das Restaurant.
Im Vorfeld hatte er sich ausgemalt, was passieren könnte, wenn er auf Hailey treffen würde. Er hatte alles genauestens geplant, aber nicht damit gerechnet, dass er das Restaurant in dieser Stimmung verlassen würde. Es war deprimierend, denn heute Abend hatte er den ersten Schritt machen wollen, um die Frau zurückzubekommen, die er liebte.
Und er hatte es versaut.
Als er Mandy entdeckte, die mit biestiger Miene neben seinem Jaguar stand und die Arme vor ihren Brüsten verschränkt hielt, von denen Mitch behauptete, dass sie echt wären, sank seine Laune noch mehr, auch wenn er hätte schwören können, dass sie ihren Tiefpunkt schon davor erreicht hatte. Wenn er ehrlich war, wäre es ihm am liebsten gewesen, sie wäre bereits beleidigt abgezogen. Er war sich wie der letzte Idiot vorgekommen, als er sie Süße genannt hatte. Das musste so gestellt gewirkt haben, als wäre er ein Laiendarsteller in einer Reality-Show. Und jetzt hatte er nur noch wenig Lust, mit ihr den restlichen Abend zu verbringen. Bestimmt war sie ein nettes Mädchen – aber er konnte mit ihr nichts anfangen.
Neunzehneinhalb.
Er sollte mit seinem Freund ein ernstes Wort sprechen, denn kein Mann bei Verstand ging mit jemandem aus, der wie ein Kind darauf bestand, bereits neunzehneinhalb und nicht erst neunzehn zu sein.
Himmel!
Sein Kumpel hatte in Scotts Augen den grauenvollsten Frauengeschmack der Welt. Solange sie hübsch und jung waren und nicht viel Wert auf zu viel Kleidung legten, waren sie Mitchs Typ.
»Können wir jetzt endlich ge-hen?«
Scott reagierte auf den jammervollen Tonfall seiner Begleitung, indem er seinen Autoschlüssel aus der Hosentasche zog.
Die schmollende Blondine stieß sich von seinem Jaguar ab und runzelte die Stirn. »Ich bin hungrig. Mitch hat gesagt, hier gäbe es etwas zu essen.«
»Es gab doch etwas zu essen.« Er drückte auf den Autoschlüssel, um die Zentralverriegelung zu deaktivieren.
»Aber das mochte ich nicht«, entgegnete Mandy genervt. »Zu dem Fleisch gab es nicht einmal Ketchup. Und was das andere war, wusste ich nicht.«
Allein die Vorstellung, wie Hailey geguckt hätte, wenn man nach Ketchup zu ihren Rinderfiletspitzen vom Wagyu-Rind gefragt hätte, ließ ihn schmunzeln. Sie wäre vermutlich Amok gelaufen.
»Können wir nicht irgendwo einen Burger essen gehen?«
Scott hatte heute vor Aufregung zwar kaum etwas hinunterbekommen, aber von den Häppchen hatte er dennoch probieren müssen. Sie waren ein Gedicht gewesen – jedes einzelne war eine Köstlichkeit für sich. Und seine Begleitung wollte jetzt Burger und fettige Pommes essen.
Aber er wollte kein Arsch sein, schließlich hatte er sie hergebracht. Außerdem war sie eben erst neunzehneinhalb. In dem Alter hatte er auch lieber Fast Food als filigrane Häppchen gegessen.
Und so endete sein Abend an einem Plastiktisch eines Schnellrestaurants, wo er zum ersten Mal seit Ewigkeiten einen doppelten Cheeseburger aß.
***
»Mandy hat mich heute Nacht angerufen und sich bei mir über dich beschwert.«
Scott sah von den Unterlagen auf seinem Schreibtisch auf und begegnete dem Blick seines Freundes und Anwalts Mitch. »Ach ja?«
»Sie war ziemlich wütend.« Sein Kumpel schien darüber nicht sonderlich besorgt zu sein, immerhin grinste er breit. Außerdem setzte er sich unaufgefordert in den Besuchersessel, der vor Scotts Schreibtisch stand, und streckte die Beine von sich. »Hast du sie wirklich auf einen Burger mit Pommes eingeladen und sie danach zu Hause abgesetzt, obwohl sie dich auf einen Kaffee nach oben gebeten hat?«
»Das hat sie dir erzählt?« Scott sah seinen Freund ungläubig an und warf den Stift beiseite, mit dem er gerade ein paar Notizen an den Rand eines Vertrages gesetzt hatte.
Mitch war die Ausgelassenheit in Person. »Was Dating betrifft, gehörst du nicht gerade zu den Experten, oder? Mit einer Imbissbude reißt du bei Frauen wie Mandy nicht viel. Mandy möchte ein bisschen hofiert werden, bevor sie ihre Klamotten ablegt. Und wenn sie dich auf einen Kaffee zu sich in die Wohnung bittet, solltest du Kondome dabeihaben.«
Scott zeigte ihm den Mittelfinger.
Als Antwort lachte Mitch fröhlich auf. »Mandy ist eigentlich ein unkompliziertes Mädchen …«
»Du sagst es: Sie ist ein Mädchen.«
»Ein nettes Mädchen.« Er zwinkerte eindeutig zweideutig.