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Das Werk "Tausendundeine Nacht" (persisch هزار و يک شب "hazār-o-yak šab", arabisch ألف ليلة وليلة "alf laila wa-laila") ist eine Sammlung morgenländischer Erzählungen und zugleich ein Klassiker der Weltliteratur. Typologisch handelt es sich um eine Rahmenerzählung mit Schachtelgeschichten. Schahriyâr, König einer ungenannten Insel "zwischen Indien und Kaiserreich China", ist so schockiert von der Untreue seiner Frau, dass er sie töten lässt und seinem Wesir die Anweisung gibt, ihm fortan jede - in einigen Versionen: jede dritte - Nacht eine neue Jungfrau zuzuführen, die jeweils am nächsten Morgen ebenfalls umgebracht wird. Nach einiger Zeit will Scheherazade, die Tochter des Wesirs, die Frau des Königs werden, um das Morden zu beenden. Sie beginnt, ihm Geschichten zu erzählen; am Ende der Nacht ist sie an einer so spannenden Stelle angelangt, dass der König unbedingt die Fortsetzung hören will und die Hinrichtung aufschiebt.
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Seitenzahl: 1014
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Geschichte des Prinzen Seif Almuluk und der Tochter des Geisterkönigs.
Der arme Fischer und der Beherrscher der Gläubigen.
Geschichte Ghanems und der Geliebten des Beherrschers der Gläubigen.
Geschichte der Tochter des Veziers und des Prinzen Uns Alwudjud.
Geschichte des Abul Hasan.
Geschichte der Hajat Alnufus mit Ardschir.
Geschichte des Hasan aus Baßrah und der Prinzessinnen von den Inseln Wak-Wak.
Die Sklavin Harun Arraschids.
Geschichte der Dichter mit Omar, Sohn des Abd Alafis.
Geschichte der zehn Veziere.
Geschichte des vom Schicksal verfolgten Kaufmanns.
Geschichte des Kaufmanns und seines Sohnes.
Geschichte des Gutsbesitzers Abu Saber.
Geschichte des Prinzen Bahsad.
Geschichte des Königs Dadbin.
Geschichte Bacht Samans.
Geschichte des Königs Bihkerd.
Geschichte Ilan Schahs und Abu Tamams.
Geschichte des Königs Ibrahim und seines Sohnes.
Geschichte des Schah Suleiman, seiner Söhne und Nichte und ihrer Kinder.
Geschichte des Gefangenen, den Gott befreite.
Geschichte der messingnen Stadt.
Geschichte Niamahs und Nuams.
Geschichte Ala Eddin Abu Schamats.
Geschichte Hatims aus dem Stamme Tai.
Geschichte Maans.
Geschichte Hischams, Sohn des Abd Almelik.
Geschichte Ibrahims, des Sohnes Mahdis.
Geschichte Schaddads und der Stadt Irem, der pfeilerreichen.
Geschichte des Ishak Al Moßuli.
Geschichte des falschen Kalifen.
Geschichte Haruns mit dem Kadhi Abu Jusuf.
Geschichte Chalids, des Emirs von Baßrah.
Geschichte des trägen Abu Muhamed.
Geschichte des Barmekiden Djafar.
Geschichte Ali Schirs.
Geschichte Ibn Manßurs und der Frau Bedur.
Geschichte der sechs Mädchen.
Geschichte Djaudars.
Parabeln.
Fußnoten
Geschichte des Prinzen Seif Almuluk und der Tochter des Geisterkönigs.
Man erzählt, o glückseliger und einsichtsvoller König! wie einmal in der Hauptstadt Ägyptens ein König war, welcher Assem, der Sohn Safwans, hieß; er war gerecht, edel und Ehrfurcht gebietend, besaß viele Länder und Schlösser, viele Festungen und Truppen. Sein Vezier hieß Fares, Sohn Salechs; sie kannten jedoch nicht den erhabenen Gott, sondern beteten die Sonne an. Dieser König lebte hundertachtzig Jahre, wurde daher in seinem hohen Alter sehr schwach und kränklich, und hatte kein Kind, weder einen Sohn noch eine Tochter; dies betrübte ihn Tag und Nacht. Nun wird erzählt, daß er einst auf seinem Thron saß, wie gewöhnlich von aufwartenden Vezieren und Großen des Reichs und Mamelucken umgeben. So oft jemand mit Kindern hereintrat, die neben ihrem Vater Platz nahmen, war er traurig, denn er dachte dabei: »Ein jeder ist glücklich und vergnügt mit seinen Kindern, und ich habe keines. Wenn ich sterbe, so werde ich mein Reich, meinen Thron, meine Pferde, meine Diener und meine Schätze Fremden hinterlassen müssen, und niemand wird mehr meiner mit Liebe erwähnen, ja, man wird gar meines Namens nicht mehr gedenken.« Diese betrübenden Gedanken beschlichen das Gemüt des Königs, sobald Leute mit ihren Kindern an ihm vorübergingen. Er mußte weinen, stieg vom Thron herab, setzte sich auf die Erde und jammerte. Als der Vezier und die übrigen Anwesenden dies sahen, fürchteten sie für ihr Leben. Sodann riefen die Großen des Reichs und die Djausch[1]: »Geht alle nach Hause und bleibt ruhig, bis der König von seinem jetzigen Zustand sich ermannen wird.« Alle entfernten sich, nur der Vezier blieb beim König zurück.
Als der König wieder zu sich kam, küßte der Vezier die Erde vor ihm und sagte: »O König der Zeit! was bedeutet dieses Weinen und dieses Seufzen? Sage mir, welcher König der Erde hat dir Unrecht getan? oder welcher Herr von Vesten und Schlössern? oder welcher Große des Reichs? Sage mir, wer hat sich deinen Befehlen widersetzt, daß wir uns gegen ihn aufmachen und ihm das Herz aus seinem Leib reißen?« Der König antwortete nicht, und hob auch seinen Kopf nicht in die Höhe. Der Vezier küßte dann die Erde wieder und sagte: »O Herr! ich bin doch wie dein Sohn und dein Sklave, ich habe dich auf meinen Armen getragen; wenn ich deinen Zustand, deinen Gram und deinen Schmerz nicht kennen darf, wer soll ihn dann kennen? Wer kann meine Stelle bei dir vertreten? Sage mir, warum du weinst und so traurig bist?« Aber der König sprach kein Wort, öffnete seinen Mund nicht und hob den Kopf nicht in die Höhe, sondern weinte immer fort; der Vezier sah ihm eine Weile zu, dann sprach er: »O König! wenn du mir nicht sagst, was dir geschehen, so bringe ich mich um und stoße mir lieber dies Schwert ins Herz, als daß ich dich länger so betrübt sehe. Der König hob dann seinen Kopf in die Höhe, trocknete seine Tränen und sagte: »O verständiger und wohlratender Vezier! überlasse mich meinem Gram und meinem Schmerz! Ich habe wohl genug an dem, was mich getroffen.« Der Vezier versetzte: »Sag mir, warum du weinst, vielleicht kann durch mich geholfen werden.« Da sprach der König: »O Vezier! ich weine nicht um Geld, noch um ein Königreich, oder etwas dem Ähnliches. Aber ich bin nun ein alter Mann geworden, schon hundert Jahre sind an mir vorübergegangen und ich habe weder Sohn noch Tochter! und wenn ich sterbe, wird mein Name mit mir begraben werden und jede Spur von mir verschwinden! Fremde werden meinen Thron und mein Reich nehmen, und niemand wird meiner mehr gedenken.« Da sagte der Vezier Fares: »O Herr! ich bin hundert Jahre älter als du; auch ich habe kein Kind und lebe deswegen Tag und Nacht in Gram dahin; doch was können wir beide tun?« Der König antwortete: »O Vezier! weißt du dafür gar kein Mittel und keine Aushilfe?« Er versetzte: »Wisse, ich habe gehört, im Lande Saba sei ein König, der Salomo, Sohn Davids, heiße, von dem behauptet wird, er sei ein Prophet; er ist ein sehr mächtiger König, der den Himmel, die Menschen, die Vögel, die Tiere, die Luft und die Geister beherrscht; denn er versteht die Sprache der Vögel wie die der Völker; er fordert alle auf zum Glauben an seinen Herrn, wir wollen ihm daher in deinem Namen, großmächtiger König! einen Gesandten schicken und von ihm fordern, was du wünschest. Ist sein Glaube der wahre, so wird sein Gott mächtig genug sein, um dir und mir einen Sohn oder eine Tochter zu bescheren; wir werden uns dann zu seinem Glauben bekehren und seinen Gott anbeten, wo nicht, so müssen wir eben Geduld haben und auf andere Mittel denken.«
Der König sprach: »Dein Rat ist der beste und deine Rede tut meinem Herzen wohl; doch wo findet sich ein Bote für eine so wichtige Angelegenheit? denn das ist kein geringer König; es ist eine ernste Sache, vor ihm zu erscheinen, und ich möchte nicht, daß ein anderer als du zu ihm ginge, denn du bist alt und erfahren; ich wünsche daher, daß du diese Mühe übernähmest, da du doch in derselben Not bist, wie ich: reise du zu ihm und suche Hilfe, vielleicht wird sie uns durch dich.« Der Vezier sagte: »Dein Wille ist mir Gebot! doch jetzt erhebe dich! besteige deinen Thron und versammle die Fürsten, die Großen des Reichs, die Truppen und dein Volk, wie gewöhnlich, vor dir; denn sie sind alle mit unruhigem Herzen von dir gegangen; ich will aber dann nicht länger zögern, zu dem fremden König zu reisen.« Der König erhob sich sogleich, setzte sich auf den Thron und der Vezier befahl dem obersten Kammerherrn: »Sage den Leuten, sie könnten, wie gewöhnlich, ihre Aufwartung machen.« Da kamen nun die Offiziere der Truppen und die Großen des Reichs; es wurden Tische für sie gedeckt, sie aßen und tranken und verließen, als dies vorüber war, den König wieder. Der Vezier entfernte sich dann auch; er ging in sein Haus und machte seine Vorbereitungen zur Reise; dann kehrte er wieder zum König zurück, der ihm seine Schatzkammer öffnen und die kostbarsten Stoffe und andere unschätzbare Gegenstände, die weder ein Vezier, noch ein Fürst zu umfassen imstande ist, übergeben ließ. Er empfahl ihm dann noch, vor Salomo mit Würde zu erscheinen, ihn ja zuerst zu grüßen und in seiner Gegenwart nicht zu viel zu sprechen. Dann sagte er: »Trag ihm deine Angelegenheit vor, und sagt er dir seine Hilfe zu, so ist's schon gut, kehre dann schnell zurück, denn ich erwarte dich!« Der Vezier küßte noch die Hand des Königs und reiste fort mit den Geschenken Tag und Nacht, bis er nach dem Lande Saba kam und nur noch vierzehn Tagesreisen von der Hauptstadt entfernt war. Da offenbarte Gott dem Salomo, Sohn Davids - Friede sei mit ihm! - »Der König von Ägypten schickt dir seinen Vezier mit vielen Geschenken, er befindet sich an dem und dem Ort; sende du nun deinen Vezier Asaf, den Sohn Barachjas, ihm entgegen, und wenn der Gesandte nun vor dir erscheint, so frage ihn, hat dich nicht dein König in der und der Angelegenheit hergesandt? Dann lade sie ein, den wahren Glauben anzunehmen.« Salomo, Friede sei mit ihm! befahl sogleich seinem Vezier Asaf, Sohn Barachjas, einige von seiner Umgebung, mit reichem Proviant beladen, mitzunehmen und dem Vezier aus Ägypten entgegenzueilen. Asaf macht sich reisefertig und ging dem Vezier entgegen; er grüßte ihn, nahm ihn gut auf, ließ große Mahlzeiten für ihn herrichten und sprach: »Willkommen und erfreulich sind mir solche Gäste, wie ihr! Lasset euch nur wohl sein, und wisset, daß eurem Anliegen willfahrt werden wird.« Da sagte der Vezier Fares: »Wer hat euch das gesagt?« Asaf antwortete: »Unser Prophet Salomo - Friede sei mit ihm!« - Da fragte Fares: »Und wer hat es eurem Herrn Salomo gesagt?« - »Der Herr des Himmels und der Erde!« antwortete Asaf. Da sagte der Vezier Fares: »Wahrlich, das muß ein mächtiger Gott sein!«
Asaf fragte nun: »Und was für einen Gott betet ihr denn an?« Der Vezier Fares antwortete: »Wir beten die Sonne vor allen anderen Gestirnen an; doch kann sie gewiß nicht Gott sein, denn sie geht ja unter, während Gott über alles wacht.« Sie reisten dann langsam fort, bis sie nach der Residenz kamen. Da befahl Salomo allen wilden Tieren, sich nach ihren verschiedenen Gattungen in Reihen aufzustellen; dann erschienen noch mehrere Abteilungen Geister in den verschiedensten und furchtbarsten Gestalten, und stellten sich gleichfalls in Reihen; so noch die Vögel, welche in den mannigfaltigsten Sprachen und Dialekten redeten. Als die Ägypter dahin kamen, fürchteten sie sich und wagten es nicht, weiter zu gehen. Asaf aber sprach zu ihnen: »Geht nur vorwärts und fürchtet euch nicht! denn alle diese sind Diener Salomos, des Sohnes Davids, Friede sei mit ihm! und es wird euch niemand etwas zuleide tun.« Asaf mit seinem ganzen Gefolge ging voraus und die anderen folgten dann furchtsam zwischen ihnen durch die Stadt, wo sie in ein für fremde Gäste bestimmtes Haus geführt wurden; man erwies ihnen drei Tage lang viele Ehre; Festlichkeiten und Mahlzeiten wurden ihretwegen veranstaltet. Nach drei Tagen stellte sie Asaf dem König Salomo, Friede sei mit ihm! vor. Als sie in den Saal traten, wollten sie die Erde vor ihm küssen, aber Salomo ließ das nicht zu und sagte: »Nur vor dem erhabenen Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, ziemt es sich, daß man sich verbeuge; denn«, fuhr er fort, »die Erde gehört Gott, und wir alle sind seine Sklaven. Wer von euch sich setzen will, der setze sich; wer stehen bleiben will, der bleibe stehen! aber niemand setze sich zu meiner Bedienung. « Der Vezier Fares setzte sich dann mit einigen seiner Vertrauten, und einige jüngere Diener blieben zu seiner Bedienung stehen. Kaum saßen sie, so wurde der Tisch gedeckt und jedermann aß; dann sprach Salomo, Friede sei mit ihm! zu dem Vezier von Ägypten: er möge ihm nur die Angelegenheit, wegen der er diese beschwerliche Reise unternommen habe, ohne Furcht vortragen, damit sie ins reine gebracht werde; - »doch«, fuhr er fort, »ich will sie dir selbst sagen, Vezier! Der König Assem ist schon sehr alt und Gott hat ihm kein Kind beschert, was ihn Tag und Nacht bekümmert und grämt. So saß er auch einst auf seinem Thron, da kamen die Veziere, die Fürsten und die Großen seines Reiches, und jeder hatte ein Kind oder auch mehrere bei sich, die dem König ihre Aufwartung machten. Nun dachte der König im Übermaße der Trauer: Wer wird wohl nach meinem Tod über mein Reich und meine Untertanen herrschen? gewiß nur ein Fremder, und ich werde vergessen sein, als wäre ich nie gewesen. Er blieb in solchen Gedanken versunken, bis seine Augen Ströme von Tränen vergossen; da bedeckte er sein Gesicht mit einem Tuch und weinte heftig, stieg vom Thron herab auf den Boden und schrie laut, und nur der erhabene Gott wußte, was er im Herzen hatte. Dann hießen seine Kammerherrn und die Djausch die Leute weggehen, indem sie ihnen sagten: Geht eures Weges, denn der Sultan ist krank; hierauf gingen alle fort, du allein bliebst beim König, küßtest die Erde vor ihm und fragtest ihn, warum er so weine? aber er antwortete nicht.« Und so erzählte ihm dann unser Herr Salomo, Friede sei mit ihm! alles, was zwischen dem König und ihm vorgefallen, das zu wiederholen überflüssig wäre.
Nachdem der König Salomo geendet hatte, sprach der Vezier Fares: »O Prophet Gottes! das ist alles wirklich wahr; als ich aber mit dem König von dieser Sache sprach, war niemand anwesend; wer kann dir wohl das alles berichtet haben?« Salomo antwortete: »Der Herr, der da weiß, was offenbar und verborgen ist.« Da sagte der Vezier: »O Prophet Gottes! das muß ein großer, mächtiger Herr sein;« und hierauf wurden der Vezier und alle Leute, die mit ihm waren, Muselmänner.[2] Da sagte Salomo, Sohn Davids: »Hast du nicht die und die Geschenke bei dir?« Der Vezier antwortete: »Ja!« Da sagte Salomo: »Ich nehme alles an und schenke es dir.« Dann fuhr er fort: »Geh jetzt, Vezier! ruhe dich diese Nacht recht aus, denn du bist noch müde von der Reise. Morgen, so Gott will, wird alles gut gehen und deine Angelegenheit wird bestens besorgt werden nach dem Willen des Herrn des Himmels und dessen, der das Licht nach der Dunkelheit schuf.« Der Vezier ging dann in seine Wohnung und dachte die ganze Nacht über unsern Herrn Salomo nach. Als der Morgen anbrach, stand er auf und ging zu Salomo, der so zu ihm sprach: »Wenn du zum König Assem kommst und ihr beide zusammen seid, so nehmet Bogen, Pfeil und Schwert und geht nach dem Ort so und so, dort findet ihr einen Baum, den besteiget, ihr werdet dann zwei Schlangen unter dem Baum hervorkriechen sehen, die eine wird einen Kopf haben, so groß wie eine Kuh, und die andere den Kopf eines Geistes, beide aber werden goldene Ketten um den Hals tragen; sobald ihr diese Schlangen seht, werft die Pfeile nach ihnen und tötet sie; dann schneidet Fleisch von der Länge einer Spanne aus ihren Köpfen, und ebensoviel von ihren Schwänzen; aus dem übrigen Fleisch lasset Gebackenes machen und gebt es euren Weibern zu essen: dann schlaft jene Nacht bei ihnen, und sie werden mit Erlaubnis des erhabenen Gottes mit zwei Söhnen schwanger werden.« Der Prophet Salomo, Friede sei mit ihm! ließ hierauf einen Siegelring, ein Schwert und eine Schachtel, in welcher zwei mit Gold verzierte Kleider lagen, herbeibringen und sprach: Vezier! wenn die Kinder groß sind, so gebt jedem eines davon!« Er fügte hinzu: »Nun, Vezier! Gott wird euren Wünschen willfahren, du hast nicht nötig, länger hier zu bleiben, reise mit dem Segen Gottes, denn der König Assem erwartet deine Ankunft Tag und Nacht, und seine Augen sind stets nach dem Weg gerichtet, den du kommen sollst.« Der Vezier Fares nahm jetzt von Salomo Abschied und reiste vergnügt ab, weil er seine Angelegenheiten so gut besorgt hatte. Er reiste Tag und Nacht, bis er in die Nähe der Hauptstadt seines Königs kam; da schickte er einige seiner Diener voraus, um dem König seine Ankunft zu melden. Als der König diese Nachricht empfing, freute er sich mit den Vornehmsten seines Reiches sehr darüber und zog dem Vezier entgegen. Als sie einander begegneten, stieg der Vezier vom Pferd, küßte Hand und Fuß des Königs und benachrichtigte ihn sogleich, daß sein Wunsch auf die beste Weise in Erfüllung gehen werde; dann schlug er ihm den wahren Glauben vor, den auch der König Assem mit allen Großen seines Reichs und sämtlichen Bewohnern seines Landes annahm, nebst allen Fremden, die sich darin aufhielten. Der König Assem war sehr erfreut und sagte dem Vezier: »Geh jetzt nach Hause, nehme ein Bad und ruhe dich eine Woche aus; dann komm wieder zu mir, damit ich dir meine Befehle erteilen kann.«
Der Vezier küßte die Erde, ging mit seinem Gefolge und seinen Dienern nach Hause und ruhte dort acht volle Tage von den Beschwerden der Reise aus; nach Verlauf dieser Zeit trat er wieder seinen Dienst an und erzählte dem König alles, was zwischen ihm und dem Herrn Salomo, Friede sei mit ihm! sich zugetragen. Er sagte dann zu dem König: »Komm jetzt allein mit mir und laß uns zusammen gehen!« Sie nahmen dann Bogen und Pfeil und bestiegen den Baum, den Salomo bezeichnet hatte; sie blieben da ruhig bis Mittag; da krochen zwei Schlangen unter dem Baum hervor. Als der König sie sah, gefielen sie ihm sehr und er sagte: »O Vezier! diese Schlangen haben goldene Ketten, das ist bei Gott wunderbar! Wir wollen sie fangen, in einen Käfig sperren und uns an ihnen ergötzen.« Aber der Vezier antwortete: »Gott hat sie zu einem anderen Zweck geschaffen; wirf du deinen Pfeil nach der einen, ich werde ein gleiches mit der anderen tun.« Sie stiegen jetzt vom Baume herunter und töteten die Schlangen; sie schnitten eine Spanne groß vom Kopf und ebensoviel vom Schwanz, nahmen das übrige Fleisch und gingen damit in den Palast des Königs; hier ließen sie den Koch kommen und sagten ihm: »Laß dieses Fleisch gut backen und bringe sogleich zwei Schüsseln davon her, zögere nicht!« Der Koch nahm das Fleisch und röstete es in Fett und allerlei Gewürzen und stellte es in zwei Schüsseln vor dem König auf. Der König nahm eine Schüssel davon und gab daraus seiner Frau zu essen, und der Vezier nahm die andere und gab sie der seinigen. Beide wohnten mit dem Willen und der Macht Gottes in jener Nacht ihren Frauen bei. Der König brachte nun drei Monate lang in größter Spannung und Unruhe zu und dachte bei sich: wird es wohl wahr werden oder nicht? Seine Frau aber, welche eines Tages ruhig dasaß, fühlte plötzlich, wie sich das Kind in ihrem Leibe bewegte; sie ließ einen ihrer ältesten Diener kommen und sagte ihm: »Lauf schnell zum König und sage ihm, wo er auch sein mag: Herr! meine Herrin ist wirklich gesegneten Leibes, denn schon bewegt sich das Kind darin.« Der Diener lief freudig zum König, der allein und betrübt saß, das Gesicht auf die Hand gestützt und nachsinnend, ob wohl die Speise auf seine Frau die gehoffte Wirkung haben werde oder nicht. Der Diener küßte die Erde vor ihm und sagte: »Ich bringe dir gute Nachricht, Herr! meine Gebieterin ist gesegneten Leibes, das Kind bewegt sich darin, sie hat schon Schmerzen und sieht blaß aus.« Als der König dies hörte, sprang er vor Freude auf, küßte die Hand des Dieners und seinen Kopf und machte ihm ein Geschenk. Er sagte dann zu den Großen seines Reiches, die dazukamen: »Wenn ihr mich liebt, so erweist ihm Gutes und schenkt ihm Geld, Edelsteine und Rubine, Maulesel und Pferde, Güter und Gärten.« Sie schenkten dem Diener Unzählbares. Zur nämlichen Zeit trat der Vezier herein und sagte: »O Herr! ich saß allein zu Hause und dachte über die Wirkung der Speise nach, die ich meiner Frau vorgesetzt hatte, da kam ein Diener zu mir und kündigte mir an, meine Frau spüre nun, daß sie gesegneten Leibes sei, denn das Kind habe sich schon darin bewegt, sie fühle Schmerzen und sehe blaß aus. Vor Freude schenkte ich ihm alle Kleider, die ich an mir hatte, dazu noch tausend Dinare und ernannte ihn zum ersten aller meiner Diener.«
Der König sprach dann zu dem Vezier: »Da der erhabene Gott, gepriesen sei er, uns so gnädig war, und aus der Finsternis zum Licht geführt hat, so will ich auch allen Leuten eine Freude machen.« Der Vezier sagte: »Befehle nur, was du tun willst!« Da sprach der König: »Geh und laß alle Verbrecher aus dem Gefängnis los, befreie auch die, auf denen Schulden lasten; wer aber von nun an noch ein Verbrechen begeht, dem lasse ich den Kopf abschlagen und ihn bestrafen, wie er es verdient. Auch will ich dem Volke die Abgaben auf drei Jahre erlassen. Sodann laß rings um die Stadt Herde mit Töpfen aufrichten, auf denen die Köche Tag und Nacht kochen sollen, und alle Leute aus der Stadt und Umgegend sollen essen und trinken und es sich wohl sein lassen. Sodann soll die Stadt festlich geschmückt werden und die Läden sollen bei Nacht wie bei Tag offen bleiben. Geh nun, Vezier! tue, was ich befohlen, sonst lasse ich dir den Kopf abschlagen!« Der Vezier ging und vollzog die Befehle des Königs. Alle Schlösser und Festungen des Landes wurden prachtvoll verziert. Jeder zog seine kostbarsten Kleider an, und das Volk aß und trank und spielte, und ließ es sich wohl sein. Als nun die Zeit der Niederkunft herannahte, da ließ der König Assem alle Gelehrten und Sterndeuter, die Häupter des Volks, die Schreiber usw. kommen, und sie warteten nun, bis eine Perle in eine Tasse geworfen wurde, denn das hatten die Sterndeuter als Zeichen der Niederkunft mit den Hebammen und den Dienern verabredet. Als die Zeit herannahte, wurde dasselbe gegeben; der Knabe aber, der zur Welt kam, glich dem aufgehenden Monde. Da fingen nun alle an, ihre Berechnungen zu machen über die Zeit der Schwangerschaft und die Geburt und trugen es in die Chronik ein. Dann standen sie auf, küßten die Erde und sagten dem König Assem: »Der Stern dieses Kindes ist ein glücklicher, und die Zeit seiner Geburt ist eine gesegnete, doch wird ihm in seiner Jugend manches zustoßen, das wir dem König nicht gerne mitteilen.« Der König sprach: »Redet und fürchtet euch nicht!« Sie fuhren dann fort: »O Herr! er wird dieses Land verlassen und in die Fremde reisen, wird Schiffbruch leiden und in Gefangenschaft geraten, und viele Not und Gefahr auszustehen haben; doch wird er zuletzt alles überwinden und am Ziele anlangen. Die Tage seines übrigen Lebens werden angenehm sein, er wird seinen Feinden Trotz bieten und über Länder und Völker herrschen.« Als der König die Worte der Sterndeuter hörte, sprach er: »Ihr weissagt so schlimmes nicht; denn was der erhabene Gott über den Menschen bestimmt, das muß geschehen, und der Mensch kann nichts daran ändern. Der Allmächtige sei gepriesen! denn er wird uns, bis mein Sohn seine Prüfungszeit der Leiden antritt, tausend Freuden an ihm erleben lassen.« Er dachte weiter nicht mehr an das, was sie gesagt, beschenkte sie reichlich und sie verließen den Hof. Da kam der Vezier Fares voller Freude zum König und sagte, nachdem er die Erde vor ihm geküßt: »Herr! soeben ist meine Frau mit einem Sohne, leuchtend wie der Mond, niedergekommen.« Der König erwiderte: »O Vezier! bringe deine Frau und deinen Sohn hierher, damit er mit dem meinigen im Schloß erzogen werde.«
Der Vezier brachte seine Frau und seinen Sohn ins Schloß; die Ammen trugen die Kinder sieben Tage lang herum; dann legten sie sie auf ein Polster, brachten sie vor den König und fragten ihn, welche Namen er ihnen geben wolle. Er aber sprach: »Gebt ihr einen Namen!« Sie versetzten: »Niemand anders als der König darf bestimmen, wie die Kinder heißen sollen.« Der sagte aber: »Nennt meinen Sohn Seif Almuluk (Schwert der Könige), wie mein Großvater hieß, und den Sohn des Veziers Said (der Glückliche)!« Er beschenkte dann die Ammen und sagte ihnen: »Gebt wohl auf die Kinder acht und wartet ihrer sorgfältig.« Die Ammen warteten der Kinder, bis sie fünf Jahre alt waren, dann übergaben sie sie einem Gelehrten, der sie im Schreiben und im Koran unterrichtete, bis sie zehn Jahre alt wurden; dann lehrte man sie Reiten, Schießen, Fechten, Ball spielen und alle Ritterkünste, bis sie fünfzehn Jahre alt waren und alle anderen ihres Alters an ritterlicher Gewandtheit und Geschicklichkeit übertrafen. Jeder von ihnen konnte allein gegen tausend Reiter kämpfen und ihnen widerstehen. Der König Assem sah ihnen oft zu und freute sich ihrer, bis sie fünfundzwanzig Jahre alt wurden. Da ließ der König den Vezier Fares allein zu sich kommen und sagte zu ihm: »O Vezier! mir ist etwas eingefallen, worüber ich dich zu Rate ziehen möchte.« Der Vezier antwortete: »Tue, was dir dein Herz sagt! denn der Segen kommt aus deinem Munde.« Da versetzte der König: »Da ich nun ein ganz alter Mann bin, möchte ich die Last meiner Regierung ablegen und sie meinem Sohne Seif Almuluk übergeben, denn er ist ein guter Jüngling, vollkommen in allen Rittertugenden und verständig. Ich aber werde den Rest meiner Tage in der Zurückgezogenheit mit Gebet zubringen. Was sagst du dazu?« Der Vezier erwiderte: »König, was du sprichst, ist Segen bringend. Ich werde deinem Beispiel folgen und das Vezierat meinem Sohne Said übergeben, der auch ein guter, kenntnisreicher und einsichtsvoller Jüngling ist; so werden dann zwei junge Leute beisammen sein, denen wir raten werden, um sie auf den Pfad des Guten, der Gerechtigkeit und Wohltätigkeit zu leiten.« Der König aber sprach zum Vezier: »Stelle die Briefe aus, halte die Boten bereit nach allen Ländern, Provinzen, Schlössern und Festungen, die unter uns stehen; sie (die Verwalter) sollen alle an einem Tag auf der Rennbahn der Gerechtigkeit sich versammeln.« Der Vezier ging sogleich und schrieb allen Befehlshabern, Verwaltern und Schloßhauptleuten, sich nebst allen ihren Untergebenen, groß und klein, in einem Monat daselbst zu versammeln.
Der König befahl dann seinen Kämmerlingen, den großen Gang mitten auf der Rennbahn mit Teppichen zu belegen, die Rennbahn selbst aber mit den kostbarsten Stoffen auszuschmücken; auch sollten sie den großen Thron dahin bringen lassen, auf welchem der König nur an den Festtagen zu sitzen pflegte; dies alles geschah sogleich. Es versammelten sich dann die Leute von allen Orten her und waren besorgt über das, was der König von ihnen begehren werde. Jetzt erschienen die Kammerherrn und Adjutanten und die Leibwache des Königs und die Großen des Reichs, und riefen unter die Leute: »Im Namen Gottes! nahet euch zur Audienz!« Darauf nahten sich die Richter, die Gutsbesitzer, die Fürsten und die Veziere, traten in den Gang und machten, wie gewöhnlich, jeder nach seinem Rang, dem König ihre Aufwartung. Der König setzte sich auf seinen Thron, die Mehrzahl der Leute aber blieb stehen, bis alle versammelt waren. Dann befahl der König, die Tafeln aufzustellen, und sogleich wurden Tafeln, mit den auserlesensten Leckerbissen und Getränken besetzt, herangebracht. Die Versammelten aßen und tranken und beteten für den König; sodann befahl dieser seinen Kammerherrn, sie sollten niemand sich entfernen lassen, bis jeder des Königs Worte vernommen habe. Man hob dann den Vorhang auf und der König sprach: »Wer mich liebt, der verweile und höre meine Worte!« Alle setzten sich ruhig und ihre Furcht verschwand. Derselbe stand dann auf, und beschwor alle Anwesenden, auf ihren Sitzen zu bleiben und sprach: »Veziere und Große des Reichs, Hohe und Niedere, Anwesende und Abwesende! ihr wißt, daß ich mein Reich von meinen Vätern und Ahnen ererbt habe.« Sie antworteten einstimmig: »O König! es ist wahr, wir alle wissen es!« Dann fuhr der König fort: »Wir alle beteten die Sonne und den Mond an, bis uns Gott den wahren Glauben schenkte, und uns aus unserem Irrtum erlöste und zum Islamismus führte. Nun wisset, daß ich sehr alt und schwach geworden; ich will daher alle meine Zeit zurückgezogen dem Gebet widmen, und den erhabenen Gott für vergangene Sünden um Verzeihung bitten. Ich kennt wohl meinen hier anwesenden Sohn Seif Almuluk, und wisset, daß er ein guter, kenntnisreicher, beredsamer, edler, geschickter, verständiger, gelehrter, tugendhafter und gerechter Jüngling ist; ich will ihm nun sogleich mein Reich übergeben, damit er an meiner Statt Sultan werde. Was sagt ihr dazu?« Es standen alle auf, küßten die Erde und antworteten: »Wir sind bereit, zu gehorchen, König und Beschützer! Selbst wenn du einen deiner Sklaven über uns setzen wolltest, würden wir ihm gehorchen, umso mehr, da du uns deinen Sohn Seif Almuluk zum Herrscher gibst, den wir, bei unserm Haupte und unsern Augen, gern als unsern König annehmen.« Der König stieg hierauf von seinem Thron herunter und sagte den Fürsten und allen Anwesenden, indem er seinen Sohn auf den Thron setzte: »Seht hier euern König!« Er nahm dann auch die goldene Krone von seinem Haupt, setzte sie seinem Sohne auf, umgürtete ihn mit dem Reichsgürtel und setzte sich, während sein Sohn auf dem großen Thron saß, auf einen goldenen Sessel neben ihn. Die Richter, die Veziere, die Fürsten, die Großen des Reichs und alle Anwesenden küßten die Erde vor ihm und riefen aus: »O König! du verdienst König zu sein, mehr als jeder andere.« Die Djausch riefen dann Sicherheit aus, beteten für sein Glück und seinen Ruhm, und streuten Gold, Edelsteine und Rubine über die Köpfe der Leute aus; der König machte viele Geschenke, verlieh Ehrenkleider und übte Gerechtigkeit.
Der Vezier Fares wandte sich hierauf zu den Fürsten und Großen und sprach: »O ihr alle hier Anwesenden! Ihr wißt, daß ich Vezier war schon zu der Zeit, ehe noch der König Assem regierte, und es noch in diesem Augenblick bin, in welchem er der Regierung entsagt, um sie seinem Sohne zu übergeben. Ich will nun auch das Vezierat zugunsten meines Sohnes Said niederlegen; was sagt ihr dazu?« - »Niemand verdient mehr, wie dein Sohn Said, des Königs Seif Almuluk Vezier zu werden, denn sie passen ganz zusammen.« Hierauf nahm der Vezier Fares den Vezierturban von seinem Haupt und setzte ihn auf das Haupt seines Sohnes; dann legte er das Tintenfaß des Vezierats vor seinem Sohn hin. Die Djausch riefen aus: »Gesegnet! gesegnet! Er verdient es! er verdient es!« Hierauf standen der Vezier und der König Assem auf, öffneten ihre Schätze und machten den Fürsten, Vezieren und Großen des Reichs viele Geschenke; sie schrieben ihnen neue Firmane mit dem Zeichen des Königs Seif Almuluk und des Veziers Said. Die Leute blieben eine Woche beisammen, dann reiste jeder in seine Provinz zurück. Der König Assem ging aber mit seinem Sohn und dem neuen Vezier ins Schloß; hier ließ er den Schatzmeister holen, auch den Siegelring, das Schwert, das Kästchen und den Bogen bringen und sprach: »Jeder von euch beiden nehme hiervon, wozu er Lust hat!« Seif Almuluk streckte zuerst die Hand nach dem Siegelring aus; Said nahm das Schwert; hierauf griff Seif Almuluk nach dem Kästchen und Said nach dem Bogen. Sie küßten alsdann des Königs Hand und ging nach Hause. Seif Almuluk legte das Kästchen, ohne zu sehen, was darin war, auf den Thron, der zugleich sein Ruheplatz war; Said nahm an seiner Seite Platz. Um Mitternacht erwachte Seif Almuluk, erinnerte sich des Kästchens und war neugierig, dessen Inhalt zu sehen. Er stand daher auf, ergriff eine der Kerzen, die in der Nähe brannte, und trat in einen Nebensaal, damit Said nichts merkte, steckte dann die Kerze in einen Leuchter und öffnete das Kästchen und fand darin ein Kleid von Genienarbeit. Als er es auseinanderlegte, sah er innerlich am Rücken ein Bildnis mit Gold gemalt, das ein Mädchen vorstellte. Sobald er dieses Bildnis sah, war er nicht mehr Herr seines Verstandes. Er verliebte sich in dasselbe, küßte wie ein Rasender das Kleid und fiel ohnmächtig zu Boden, dann weinte und klagte er und sprach folgende Verse:
»Hätte ich früher die Macht der Liebe gekannt, so wäre ich weniger unvorsichtig gewesen; nun habe ich mich in ihre Arme geworfen und bin ihr Gefangener.«
Seif Almuluk schlug sich ins Gesicht, weinte und jammerte so lang, bis endlich der Vezier Said davon erwachte. Als dieser Seif Almuluk nicht an seiner Seite fand und nur eine Kerze sah, dachte er bei sich: Wo mag Seif Almuluk wohl hingekommen sein? Er stand dann auf und ging im ganzen Palast umher, um ihn zu suchen, bis er ihn endlich fand. Erstaunt darüber, was ihn so außer sich bringe, fragte er ihn: »Was ist dir begegnet, mein Bruder? laß es mich wissen.« Aber der hörte ihn nicht an, hob nicht einmal seinen Kopf in die Höhe, sondern weinte immerfort und jammerte entsetzlich. Said drang immer weiter in ihn, verbeugte sich und sprach: »Mein König! ich bin dein Vezier und Freund, wir sind zusammen aufgewachsen, wenn du mir nicht dein Herz eröffnest, wer wird dann noch Anteil an deinem Schicksal nehmen?« Saids Bitten und Flehen war jedoch vergebens; Seif Almuluk hörte nicht auf zu schluchzen und sprach kein Wort; endlich ergriff Said die Kerze, eilte damit in einen anderen Saal, legte die Klinge seines Schwertes an seine Brust und sprach zu Seif Almuluk: »Freund! wenn du mir nicht erzählst, was dir widerfahren, so bringe ich mich ums Leben, denn ich ertrage es nicht länger, dich in diesem Zustand zu sehen.« Seif Almuluk hob endlich den Kopf in die Höhe und sprach: »Freund! ich schäme mich, dir die Ursache meiner Leiden zu nennen!« Said aber antwortete: Ach beschwöre dich bei Gott dem Herrn aller Herren, dem Befreier aller Unterdrückten, der Ursache aller Ursachen, bei dem Einzigen, dem Freigebigen! sage nur die Wahrheit, was dir widerfahren, und schäme dich nicht; ich bin ja dein Sklave, dein Vezier und dein Ratgeber!« Da sagte Seif Almuluk: »Komme und sieh dieses Bildnis!« Als Said es sah, betrachtete er es eine Weile und las über dessen Kopf mit vieler Kunst von Perlen gestickt: »Das ist das Bild der Badial Djamal (Wunder der Schönheit), Tochter Sahals, Sohn Schahruchs, obersten Königs der gläubigen Genien, welche die Insel Babel im Garten Irem bewohnen.«
Als Said dies gelesen hatte, sprach er: »König und Freund! weißt du, was dieses Bild hier bedeutet?« Seif Almuluk antwortete: »Bei Gott! Freund, ich weiß es nicht.« Da versetzte Said: »Komme und lese mit Aufmerksamkeit.« Da las Seif Almuluk, was auf der Krone, die dieses Bild trug, geschrieben war und schrie aus dem Innersten seines Herzens: »Wehe! wehe!« Endlich sagte er: »Mein Freund! wenn diese Gestalt wirklich vorhanden ist, und irgendwo auf der Erde gefunden werden kann, so will ich sie unaufhörlich suchen, bis ich mein Ziel erreiche.« Said erwiderte: »Weine nur nicht, mein Freund! geh, besteige deinen Thron und laß die Leute dir ihre Aufwartung machen, und wenn der Tag leuchtet, so rufe alle zusammen, die Derwische und andere, die fremde Länder gesehen haben, und frage sie, wo die Insel Babel im Garten Irem liegt; vielleicht wird einer von ihnen mit dem Segen und der Hilfe des erhabenen Gottes darüber Auskunft geben können.«
Seif Almuluk bestieg, sowie die Sonne höher stand, seinen Thron; seine Seele aber war unruhig. Hierauf nahten sich die Fürsten, Veziere und Großen des Reichs. Als die Versammlung vollzählig war, sagte Seif Almuluk zum Vezier: »Sage ihnen, ihrem König sei unwohl, sie möchten sich zurückziehen.« Als der König Assem dies hörte, war er tief betrübt, ließ Ärzte und Sterndeuter kommen, ging mit diesen zu seinem Sohn und ließ ihm Arzneien verschreiben und Amulette verordnen, auch veranstaltete er Räucherungen mit Moschus und Ambra, drei Tage hintereinander. Seif Almuluk ging es jedoch nicht besser.
Als aber die Krankheit drei Monate lang anhielt, sprach der König Assem höchst erzürnt zu den Ärzten und übrigen Anwesenden: »Wehe euch, ihr Hunde, wenn ihr nicht imstande seid, meinen Sohn zu heilen, so werde ich euch sogleich umbringen lassen.« Da sagte der oberste unter ihnen: »Großer König und Herr! Wir vernachlässigen nichts, um selbst Fremde zu heilen, wie sollten wir uns nicht alle Mühe geben, deinem Sohn, unserm König, zur Gesundheit zu helfen. Aber die Krankheit deines Sohnes sitzt tief, wenn du willst, so nennen wir sie dir.« Da sprach der König: »Sagt mir, was ihr von der Krankheit meines Sohnes wißt!« Der oberste der Ärzte antwortete: »Dein Sohn ist rasend verliebt!« Der König fragte zornig: »Woher wißt ihr, daß mein Sohn verliebt ist, und wie ist er es worden?« Der oberste antwortete: »Frage seinen Freund, den Vezier, der kennt seinen Zustand.« Der König Assem ging sogleich allein in sein Zimmer, ließ den Vezier Said kommen und sagte ihm: »Berichte mir die Wahrheit! Was für eine Krankheit hat deinen Freund befallen?« und Said antwortete: »Ich weiß es nicht.« Da sprach der König Assem zum Scharfrichter: »Ergreife Said, binde ihm die Augen zu und schlage ihm den Kopf herunter!« Said fürchtete für sein Leben und sagte: »Herr! gib mir Sicherheit!« Der antwortete: »Sprich, und sie sei dir gewährt!« Da sagte Said: »Dein Sohn liebt die Tochter des Königs der Geister.« Assem fragte: »Wo hat mein Sohn die Tochter des Königs der Geister gesehen?« Said erwiderte: »Im Kleide, welches uns Salomo, Sohn Davids, Friede sei mit ihm! geschenkt.« Der König stand sogleich auf, ging zu seinem Sohn und sprach zu ihm: »Mein Sohn! was quält dich so? und was ist das für ein Bild, das du liebst? sage es mir!« Seif Almuluk antwortete: »Ich hatte mich geschämt, dir zu sagen, was ich auf dem Herzen habe; da du es aber weißt, so sieh, was zu tun ist.« Sein Vater versetzte: »Welche Mittel gibt es gegen die Tochter des Königs der Geister? selbst Salomo, Sohn Davids, würde hier nichts vermögen. Doch steh auf und fasse Mut! reite, geh auf die Jagd, besuche die Rennbahn, spiele Ball, esse und trinke und vertreibe so den Gram aus deinem Herzen. Ich will dir an ihrer Stelle hundert Prinzessinnen verschaffen: was soll dir die Tochter eines Königs der Geister, die kein menschliches Wesen ist?« Aber der Sohn sagte: »Bei Gott! mein Vater, ich kann nicht von ihr lassen und eine andere zur Frau nehmen.« Da versetzte der Vater: »Aber wie ist das zu machen, mein Sohn?« Dieser antwortete, »Laß alle Kaufleute und Reisende kommen, wir wollen uns bei ihnen nach dem Garten Irem und der Insel Babel erkundigen.« Der König ließ alle Kaufleute, Schiffskapitäne, andere Reisende und die Derwische rufen und fragte sie nach dem Garten Irem und der Insel Babel; aber keiner von allen war jemals daselbst gewesen und konnte ebensowenig darüber Auskunft geben. Zuletzt sagte einer von ihnen: »O Herrscher! wenn du diese Insel und diesen Garten kennenlernen willst, so gehe nach China, das ist ein großes, sicheres Land, das Kostbarkeiten aller Art enthält und von Menschen aus allen möglichen Stämmen bewohnt ist; nur von ihnen kannst du vielleicht die Lage derselben erfahren und dadurch deinen Zweck erreichen.« Da sagte Seif Almuluk: »O mein Vater! rüste mir ein Schiff nach China aus!« Der König Assem antwortete: »Bleibe du auf dem königlichen Thron sitzen und herrsche über deine Untertanen; ich will statt deiner diese Reise nach China machen, und mich nach der Insel Babel und dem Garten Irem erkundigen. « Aber sein Sohn sagte: »O mein Vater! das ist meine Sache; niemand als ich kann danach fragen; was schadet es, wenn du mir erlaubst, eine Zeitlang zu reisen? Kann ich dann eine Spur auffinden, wohl; ist dies nicht der Fall, so erleichtert sich vielleicht auf der Reise und in der Fremde mein Gram, und wenn ich am Leben bleibe, so kehre ich unbeschädigt wieder zu dir zurück.« Der König Assem sah kein anderes Mittel, als dem Willen seines Sohnes nachzugeben; er erlaubte ihm daher abzureisen, ließ ihm vierzig Schiffe ausrüsten, gab ihm tausend Sklaven zur Begleitung, auch Geld und Schätze, Lebensmittel und die nötigen Kriegswerkzeuge, und sprach zu ihm: »Mein Sohn! reise in Glück und Frieden!« Beim Abschied umarmte er ihn noch aufs herzlichste und entließ ihn mit den Worten: »Gehe, ich vertraue dich dem an, der nichts ihm Übergebenes verläßt (Gott)!« Seif Almuluk nahm also von seinem Vater und seiner Mutter Abschied, nahm seinen Freund Said als Begleiter mit sich und sie ritten zusammen nach dem Schiff, das bald darauf, mit Proviant, Waffen und Truppen wohl versehen, die Anker lichtete; so reisten sie in einem fort, bis sie nach China kamen.
Als die Einwohner Chinas hörten, daß vierzig Kriegsschiffe angekommen, glaubten sie, es wären Feinde, die sie belagern und mit ihnen Krieg führen wollten, sie schlossen die Tore der Stadt und hielten, die Kriegsmaschinen bereit. Als Seif Almuluk dies vernahm, ließ er zwei seiner vertrautesten Mamelucken kommen und sagte ihnen: »Geht zum König der Stadt, bringt ihm meinen Gruß, und sagt ihm: Der König Seif Almuluk, Sohn des Königs Assem von Ägypten, ist's, der zu dir als Gast kommt, um einige Zeit dein Land zu bereisen: er wird dann wieder nach Hause zurückkehren; er kommt nicht als Feind, um Krieg zu führen. Nimmst du ihn auf, so wird er zu dir kommen, wo nicht, so kehrt er um und wird weder dich, noch die Bewohner deiner Stadt beunruhigen.
Als die Mamelucken Seif Almuluks an die Stadt kamen, sagten sie den Bewohnern derselben: »Wir sind Gesandte des Königs Seif Almuluk!« Man öffnete ihnen die Tore und führte sie zum König, der Schah Faghfur hieß und den König Assem früher gekannt hatte. Als er die Worte Seif Almuluks hörte, machte er den Gesandten Geschenke, ließ die Tore öffnen und ging selbst mit den Vornehmsten des Reichs dem König entgegen. Seif Almuluk nahe gekommen, umarmte er ihn und sprach: »Willkommen seiest du in meinem Reiche; ich bin dein Sklave und der deines Vaters! meine Stadt liegt vor dir, gebiete über alles!« Er ließ dann Geschenke und Proviant herbeibringen und führte Seif Almuluk und seinen Vezier Said mit den Ausgezeichnetsten des Reichs und vielen Truppen unter Trommel- und Paukenschall in seine Stadt, und Seif Almuluk genoß mit den seinigen vierzig Tage lang die größte Gastfreundschaft. Dann sagte der Schah Faghfur: »Nun, Sohn meines Freundes! wie geht es dir und wie gefällt dir mein Land?« Seif Almuluk antwortete: »Dank deiner Gnade, o König! es gefiel mir alles.« Da fragte der König: »Du siehst dich gewiß in unserm Lande nach etwas um, und hast irgend ein Anliegen?« Seif Almuluk sagte: »Meine Geschichte ist wunderbar; ich liebe das Bild der Badial Djamal!« Bei diesen Worten entflossen Tränen seinen Augen, und er schluchzte heftig. Dies rührte das Herz des Königs von China, und er sprach: »Was ist zu tun, Seif Almuluk?« Dieser antwortete: »Ich wünschte, du ließest alle Reisenden, deine Schiffskapitäne und alle Derwische zusammenkommen, damit ich mich bei ihnen nach dem Gegenstand dieses Bildes erkundige; vielleicht könnte einer von ihnen mir Auskunft darüber geben.« Der König ließ sogleich seine Kammerherrn und Scharfrichter kommen und ließ durch sie ausrufen, daß alle Schiffskapitäne, alle Derwische und Reisende auf die Rennbahn kommen sollten, und niemand zurückbleiben dürfe. Es stellten sich alle ein und machten einen großen Haufen aus. Seif Almuluk fragte dann nach der Insel Babel und dem Garten Irem; aber niemand antwortete, so daß Seif Almuluk sich keinen Rat mehr wußte. Dann sagte einer der Schiffskapitäne: »Glückseliger König! wenn du darüber Auskunft wünschest, so mußt du dich nach den Ländern und Inseln in der Nähe von Indien wenden, dort wird man es schon wissen.« Seif Almuluk ließ sogleich die Schiffe segelfertig machen, und süßes Wasser, Lebensmittel und was sie sonst bedurften, einnehmen. Er und sein Freund Said bestiegen ihre Pferde, nahmen vom König Abschied und gingen auf ihr Schiff. Sie reisten vier Monate lang in Ruhe und Sicherheit mit günstigem Wind. Aber eines Tages erhob sich von allen Seiten ein Sturm, es regnete und hagelte stark, und die Wellen des Meeres tobten; sie brachten zehn Tage in der größten Furcht zu. Endlich kam ein so heftiger Windstoß gegen die Schiffe, daß alle, mit allem, was darauf war, untergingen. Seif Almuluk allein rettete sich mit einigen Mamelucken auf ein kleines Schiffchen; dann legte sich der Sturm und die Wellen, und die Sonne ging glänzend auf. Seif Almuluk öffnete die Augen und sah nichts mehr von der ganzen Flotte; er erblickte nichts als Himmel und Wasser und das kleine Schiffchen, auf dem er sich befand.
Seif Almuluk fragte dann seine Leute: »Wo sind alle meine Schiffe? Wo ist mein Freund Said?« Sie antworteten ihm: »O Herrscher! es ist nichts mehr von deinen Schiffen übrig, sie sind alle untergegangen und zur Speise der Fische geworden!« Seif Almuluk sprang in seiner Wut auf, schrie, schlug sich ins Gesicht und wollte sich ins Meer stürzen. Seine Mamelucken hielten ihn aber zurück und sagten: »O Herrscher! was soll das nützen? Du hast dir das selbst zugezogen; hättest du deinem Vater gehorcht, so wäre dir das nicht widerfahren; doch war das alles längst vorher bestimmt, und gleiches Schicksal mußte dich mit den übrigen Menschen heimsuchen. Schon bei deiner Geburt haben die Sterndeuter gesagt: Du wirst in große Gefahr kommen; es bleibt dir nichts übrig, als geduldig auszuharren, bis der erhabene Gott dich aus dieser Not befreit.« Da sprach Seif Almuluk (und es geschieht zur Ehre Gottes und dessen, der das sagt): »Es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei Gott, dem Erhabenen! Niemand kann seinen Beschlüssen entgehen!« und er bereute, was er getan. Er ließ sich dann Speisen reichen und aß. Das Schiff wurde immer vom Wind hin und her getrieben, und sie wußten nicht, wohin sie steuerten. Die Lebensmittel und das Wasser fingen an, ihnen zu fehlen, als sich ihnen durch die Macht des erhabenen Gottes eine nicht zu weit davon entlegene Insel zeigte. Da sie hungrig waren, ließen sie nur einen Mann auf dem Schiff zur Bewachung zurück, und die übrigen aßen Früchte, die sie auf der Insel fanden. Dort aber saß ein Mann mit einem langen Gesicht, mit einem weißen Körper und von wunderbarem Aussehen zwischen den Fruchtbäumen; er rief einen Mamelucken bei seinem Namen und sagte zu ihm: »Iß nicht von diesen unreifen Früchten! Komm zu mir, ich will dir gute, reife Früchte geben!«
Der Mamelucke glaubte, es wäre einer der Schiffbrüchigen, und freute sich sehr. Als er aber in seine Nähe kam, da sprang der Verfluchte auf seine Schultern, schlang den einen Fuß um seinen Hals und den anderen um seinen Rücken und sagte: »Laufe jetzt nur, du wirst mich nicht mehr los, du bist nun mein Tragesel!« Der Mameluck schrie und jammerte, und sein Herr mit all den seinigen rettete sich schnell auf das Schiff. Der Fremde folgte ihnen nach dem Ufer und sagte: »Woher kommt ihr und wohin geht ihr? Kommt zu uns, wir wollen euch zu essen und zu trinken geben; ihr könnt unsere Esel werden, und wir reiten auf euren Rücken.« Als sie dies hörten, ruderten sie schnell vom Ufer weg und entfernten sich im Vertrauen auf Gott, den Erhabenen. So brachten sie einen Monat zu, bis sie wieder eine Insel entdeckten; sie gingen daselbst in einen Wald, ohne einen Weg zu wissen. Es fanden sich daselbst wieder Früchte, wovon sie aßen; da schimmerte ihnen aus der Ferne etwas entgegen, und sie gingen darauf zu. Wie sie sich näherten, war es wie eine Säule, die der Länge nach dalag; einer von ihnen trat darauf mit dem Fuß und sagte: »Was mag dies sein?« Da erwachte die Säule, richtete sich auf, und siehe da! es war ein Mann mit langen Ohren und mit gespaltenen Augen; seine Züge waren nicht sichtbar, denn als er schlief hatte er ein Ohr unter dem Kopf und deckte das Gesicht mit dem anderen zu. Er ergriff einen Mamelucken, und dieser schrie: »Mein König! fliehe von dieser Insel, sie ist von Werwölfen bewohnt, welche die Menschen fressen; mich werden sie bald zerschnitten und gefressen haben!« Als Seif Almuluk diese Worte hörte, entfloh er mit seinen übrigen Begleitern auf das Schiff, ohne einmal Früchte mitzunehmen. So brachten sie wieder mehrere Tage zu, da entdeckten sie abermals eine Insel; als sie dort landeten, fanden sie einen hohen Berg, sie bestiegen ihn und sahen einen Wald mit vielen Bäumen, worauf sich Früchte befanden, von denen sie aßen; da kamen auf einmal nackte Menschen zwischen den Bäumen hervor, deren jeder fünfzig Ellen lang war, ihre Vorderzähne waren wie die eines Elefanten, und wuchsen ihnen zum Munde heraus. Einer von ihnen saß auf einem schwarzen Stück Filz auf einem Felsen, ihn umringten viele Schwarze, welche in seinem Dienst waren; diese fingen den Seif Almuluk und seine Mamelucken ein, brachten sie zu dem Sitzenden, legten sie vor ihn hin und sprachen: »König! wir haben diese Vögel zwischen den Bäumen gefunden.« Da der König gerade hungrig war, ließ er zwei Mamelucken schlachten und aß sie. Als Seif Almuluk dies sah, fürchtete er sich, weinte, und ihm bangte für sein Leben. Als sie der König weinen hörte, sagte er: »Diese Vögel haben eine schöne Stimme; macht jedem einen Käfig, sperrt sie hinein und hängt sie über meinem Kopf auf, damit ich ihre Stimmen hören kann!« Sie taten, wie er gesagt, und so wurden Seif Almuluk und die Mamelucken in Käfige gesperrt; man gab ihnen zu essen und zu trinken; bald weinten sie, bald sangen sie, so daß der König der Schwarzen an ihrer Stimme Freude hatte. Vier Jahre brachten sie in den Käfigen zu. Der König aber hatte eine Tochter, die auf einer anderen Insel verheiratet war; als diese hörte, daß ihr Vater Vögel von lieblicher Stimme besitze, schickte sie Leute an ihn ab und ließ ihn um diese Vögel bitten. Ihr Vater schickte ihr Seif Almuluk mit drei anderen Mamelucken in vier Käfigen durch die Boten, die sie ihm gesandt hatte; als die Prinzessin sie sah, gefielen sie ihr sehr, und sie ließ sie über ihrem Bett aufhängen. Seif Almuluk konnte nicht begreifen, wie ihm geschah, er war sehr traurig über die Lage, in der er sich befand, dachte an das frühere Glück und weinte; die drei Mamelucken weinten mit ihm; die Prinzessin aber glaubte, sie sängen. Sie pflegte sonst allen denen, die aus Ägypten und anderen Ländern sie besuchten, einen hohen Rang in ihrem Reiche zu geben. Gott aber hatte bestimmt, daß, als sie Seif Almuluk näher betrachtete, ihr seine Schönheit, sein Wuchs und sein Ebenmaß gefielen; sie ließ ihn daher mit seinen Gefährten frei, erzeigte ihnen viele Ehre, ließ ihnen zu essen und zu trinken geben und erzeigte ihnen viel Gutes. Als sie eines Tages allein mit Seif Almuluk war, bat sie ihn, ihr seine Liebe zu schenken; aber Seif Almuluk weigerte sich dessen und sagte: »O meine Herrin! ich bin ein fremder Jüngling, der unglücklich liebt, und nur am geliebten Gegenstand Freude finden kann;« und alle angewandten Mittel der Prinzessin, ihn zu gewinnen, schlugen fehl. Als sie dies endlich müde war, zürnte sie ihm und den Mamelucken und zwang sie, ihr zu dienen; so ging es vier Jahre fort. Seif Almuluk war dieses Zustandes sehr überdrüssig und ließ die Prinzessin bitten, sie frei abziehen zu lassen und ihre bitteren Qualen zu erleichtern. Die Prinzessin ließ ihn zu sich kommen und wiederholte ihre Liebeserklärung; aber Seif Almuluk gab ihr kein Gehör. Endlich sagte sie zu ihm: »So geh und hole Holz!« und so blieb alles mit ihm und seinen Mamelucken wie vorher. Die Bewohner der Insel kannten sie als Vögel der Prinzessin, und niemand gab ihnen ein böses Wort; die Prinzessin aber war ruhig, denn sie wußte, daß sie keine Mittel finden würden, sich von dieser Insel zu retten.
Seif Almuluk und seine Mamelucken konnten ohne Wache frei umhergehen und blieben oft mehrere Tage vom Hause weg, um Holz auf der Insel zu sammeln; dann brachten sie es in die Küche der Prinzessin. So lebten sie zehn Jahre lang. Da saß eines Tages Seif Almuluk am Ufer des Meeres und dachte an den Zustand, in welchem er und seine Mamelucken lebten; er dachte an seinen Vater, an seine Mutter und an seine Familie, an sein Königreich, an die Herrlichkeit, in welcher er früher lebte und Tränen rollten über seine Wangen; er erinnerte sich auch seines Freundes Said, und dies vermehrte noch seine Tränen und seinen Jammer. Seine Mamelucken sagten ihm: »O Herrscher! wie lange weinst du noch, und was nützt dieses Weinen? Ist nicht alles dies auf die Stirne des Menschen geschrieben? Ist nicht alles nach der göttlichen Bestimmung eingetroffen? Schreibt nicht die himmlische Feder, was Gott beschlossen? Es bleibt uns nichts übrig, als Geduld zu haben. Vielleicht wird Gott, der dieses über uns verhängt hat, auch wieder helfen.« Seif Almuluk sagte: »O meine Brüder! was können wir tun, um uns aus der Macht der Verruchten zu befreien? Es bleibt uns nichts übrig, als die Rettung von Gott zu erwarten. Wir könnten jedoch entfliehen, um dieser Qual los zu werden. « Sie antworteten: »O Herrscher! wo wir auch von hier landen wollen, verfolgen uns Werwölfe, welche die Menschen fressen; wir können ihnen nicht entgehen, sie werden uns fressen oder zur Königin zurückbringen und sie wird dann gegen uns zürnen.« Seif Almuluk sagte: »Ich will eine Rettung versuchen und Gott, der Allmächtige, wird uns helfen.« Sie sagten: »Was willst du tun?« Er antwortete: »Wir wollen lange Bäume spalten und aus ihren Rinden Seile machen, damit die Bretter zusammenbinden und ein Floß bauen, es ins Meer werfen und mit Früchten beladen, dann Ruder schnitzen und unsere Ketten mit der Axt entzweischlagen; der erhabene Gott wird uns wohl helfen, er ist ja über alles mächtig; vielleicht treibt uns der Wind nach China, und wir kommen von dieser tyrannischen Königin los.« Die Mamelucken freuten sich über diese Worte und sagten: »Dein Rat ist gut!« Sie fingen sogleich an, Holz zu fällen und ein Floß daraus zu bauen; in einem Monat war alles fertig. Da ließen sie das Floß ins Meer gleiten und beluden es mit Früchten, ohne daß jemand etwas davon wußte. Dann nahm einer die Axt und befreite sie von ihren Ketten; jetzt bestiegen sie das Floß und brachten vier Monate auf dem Meer zu, ohne zu wissen, wohin sie das Floß trage. Nun aber ging ihnen ihr Proviant aus und sie litten bitteren Hunger. Auf einmal fing das Meer an zu schäumen und zu toben und hohe Wellen zu schlagen; ein furchtbares Krokodil stieg aus dem Grund des Meeres auf, ergriff einen Mamelucken und verschlang ihn. Seif Almuluk blieb jetzt nur noch mit zwei Mamelucken übrig, mit denen er so schnell wie möglich ruderte, um sich von dem Ungeheuer zu entfernen; so ruderten sie immer furchtsam fort, bis sie eines Tages auf einer Insel einen hohen Berg sahen; sie freuten sich sehr darüber, ruderten tapfer zu, und je näher sie kamen, desto größer wurde ihre Freude; aber auf einmal tobte das Meer wieder auf und es stieg ein Krokodil aus dessen Tiefen und verschlang die beiden Mamelucken. Seif Almuluk entkam ganz allein auf die Insel; er bestieg den Berg, setzte sich darauf und wartete, bis jemand vorübergehen würde; die Einsamkeit erinnerte ihn wieder an seine Heimat und die Trennung von seinem Lande, und er weinte. Dann ging er ins Gebüsch und aß Früchte; da kamen über zwanzig Affen, von denen jeder größer als ein Maulesel war, zwischen den Bäumen hervor, umgaben Seif Almuluk von allen Seiten und zogen ihn mit sich, bis sie an ein hohes, festes Schloß kamen, das allerlei Kostbarkeiten enthielt; es war aus Gold und Silber gebaut und eine Menge von Edelsteinen darin zu sehen, deren Pracht nie beschrieben werden kann.
In diesem Schloß war, außer einem schlanken, bartlosen Jüngling, niemand. Seif Almuluk hatte großes Gefallen an ihm; auch er gefiel diesem Jüngling, der, sobald er ihn sah, fragte: »Was willst du? wie heißt du? woher bist du? und wie bist du hierher gekommen? Erzähle mir deine Geschichte und verhehle mir nichts.« Seif Almuluk sagte ihm: »Beim allmächtigen Gott! Mein Bleiben hier ist nur kurz, ich kann nirgends lang verweilen, bis ich mein Ziel erreicht habe.« Der Jüngling fragte noch einmal: »Was ist deine Absicht? wie heißt du und woher bist du?« Seif Almuluk antwortete: »Ich bin aus Ägypten, heiße Seif Almuluk und mein Vater ist der König Assem, Sohn Safwans;« und er erzählte ihm alles von Anfang bis zu Ende, was zu wiederholen überflüssig wäre. Der Jüngling stand auf, bot Seif Almuluk seine Dienste an und sprach: »O Herrscher! ich habe doch in Ägypten gehört, du seiest nach China gereist?« Seif Almuluk antwortete: »Man hat wahr gesagt, ich war nach China gereist, von da hatten wir vier Monate lang glückliche Fahrt nach Indien, bis ein Sturm kam und alle Schiffe zertrümmerte; ich blieb allein mit den Mamelucken in einem kleinen Schiffchen übrig; wir liefen dann noch viele Gefahren, bis ich zuletzt allein noch übrig blieb und hier landete.« Der Jüngling sagte: »O Prinz! du hast nun in der Fremde genug gelitten, bleibe jetzt bei mir und unterhalte mich, und wenn ich sterbe, kannst du über diese Länder herrschen. Niemand weiß, wie lang und wie breit diese Insel ist; man braucht viele Tage, um sie zu durchwandern. Die Affen, welche du gesehen, sind sehr geschickt, und du findest hier, was du nur wünschen kannst.«