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Jonas muss verrückt geworden sein. Immerhin hat er sich gerade bei einer sündhaft teuren Datingagentur angemeldet, obwohl es in Seattle mehr als genug Frauen gibt, die mit ihm zusammen sein wollen. Aber genau deshalb braucht er »The Club«: Er möchte nicht nur eine einzige Frau glücklich machen. Im Gegenteil. Er liebt die Abwechslung und genießt seine Freiheit. Zumindest bis er am nächsten Morgen seine E-Mails öffnet und eine private Nachricht der Mitarbeiterin entdeckt, die seine Anmeldeunterlagen ausgewertet hat. Sie möchte anonym bleiben, muss nach Jonas' Lobeshymnen auf sich selbst aber einfach etwas loswerden, das sein übergroßes Ego zutiefst erschüttern dürfte … Dann verrät sie ihm ihr intimstes Geheimnis, und er weiß sofort: Sie ist perfekt. Er muss sie zu finden. Sofort. Koste es, was es wolle.
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Veröffentlichungsjahr: 2016
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www.piper.de
Übersetzung aus dem Amerikanischen von Lene Kubis
ISBN 978-3-492-97362-5
März 2016
© 2015 by Lauren Rowe
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel »The Club« bei SoCoRo Publishing.
Deutschsprachige Ausgabe:
© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2016
Übersetzungsrechte vermittelt durch The Sandra Dijkstra Literary Agency
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Covermotiv: FinePic®, München
Datenkonvertierung: Tobias Wantzen, Bremen
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Name?
Ich atme tief ein und aus. Bringe ich das wirklich? Ja. Seit Josh auf unserer Klettertour auf den Mount Rainier ganz beiläufig den Club erwähnt hat, wusste ich, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis ich mich hinter meinen Laptop klemmen und den Anmeldebogen ausfüllen würde.
Jonas Faraday, tippe ich.
Sie werden im Zuge des Anmeldevorgangs gebeten, sich auf drei unterschiedliche Arten auszuweisen. Im Club sind Nicknames bei der Anmeldung strengstens untersagt. Während Ihrer Interaktion mit anderen Clubmitgliedern dürfen Sie aber aus Diskretionsgründen ein Pseudonym benutzen, wenn Sie das möchten.
Jepp, schön, danke. Ich heiße aber trotzdem Jonas Faraday.
Alter?
Dreißig.
Beschreiben Sie Ihren Körperbau in wenigen Stichpunkten.
Sehr fit. 1,86 m. 88 kg.
Halt, Moment! Ich habe doch im vergangenen Monat wie ein Irrer trainiert. Rasch gehe ich ins Bad und springe auf die Waage. Aha! Zufrieden setze ich mich wieder an den Laptop.
86 kg.
Für die Vervollständigung der Anmeldung bitten wir Sie um drei aktuelle Fotografien: ein Porträt, eine Ganzkörperaufnahme und eine Fotografie, auf der Sie in Ihrer typischen Alltagskleidung zu sehen sind. Selbstverständlich können Sie sich in Bezug auf die Bilder auf absolute Diskretion unsererseits verlassen.
O Mann! Soll ich wirklich diese persönlichen Infos und Bilder von mir an irgendeinen x-beliebigen Aufnahmeassistenten eines Sexclubs schicken, von dem ich eigentlich kaum etwas weiß?
Ich seufze.
Natürlich mache ich es, verdammt noch mal. Auch wenn es in meinem Bauch wie wild rumort, weil ich ahne, dass ich drauf und dran bin, eine riesige Dummheit zu begehen – es gibt trotzdem kein Zurück.
»Es ist echt unglaublich, Alter«, erklärte mir mein Bruder, während er sich um festen Stand auf einem Felsen bemühte und mit der Hand nach dem nächsten Vorsprung tastete. »Hab noch nie so sinnvoll Geld investiert!«
Wow. Und das aus dem Mund eines Lamborghini-Besitzers? Dank Joshs verführerischer Beschreibung kann ich seit unserer Tour jedenfalls kaum an etwas anderes denken.
Selbst wenn ich gerade eine richtig heiße Nummer schob – ob mit einer sexy Kindergärtnerin oder einer Staatsanwältin oder einer Barista oder einer Stewardess oder einer Bankangestellten oder einer Hundezüchterin oder einer Grafikerin oder einer Gerichtsberichterstatterin oder einer Kellnerin oder einer Friseurin oder einer Kinderkrankenschwester oder einer Fotografin –, konnte ich nur darüber nachdenken, was ich womöglich verpasste, weil ich nicht Mitglied des Clubs war.
»Es ist eine Art Geheimgesellschaft«, hatte Josh erklärt. »Du kannst überall auf der Welt Mitglieder treffen. Wo du auch bist, dir werden jederzeit Personen vorgeschlagen, die … unfassbar gut zu dir passen.«
Es war der letzte Teil des Satzes, der mich einfach nicht mehr losließ. Dieser Aspekt interessierte mich viel mehr als die Tatsache, dass ich jederzeit überall auf der Welt Sex haben konnte. Denn eigentlich habe ich überhaupt keine Schwierigkeiten damit, Frauen abzuschleppen.
Ich bin nur ungern so unverblümt, aber es lässt sich kaum anders sagen: Die Frauen werfen sich mir regelrecht an den Hals. Wahrscheinlich liegt’s an meinem fantastischen Aussehen (zumindest behaupten sie das) und an meinem Geld (meine Vermutung!) und manchmal auch an dem Namen Faraday (der eigentlich nicht gerade ein Hauptgewinn ist). Ob jung oder alt, verheiratet oder alleinstehend, heiß oder unscheinbar, blond oder brünett, Bücherwurm oder Draufgängerin, kurvig oder extrem dünn – vollkommen egal. Ich kann sie alle haben, ungefähr so, als würde ich mir im Fast-Food-Restaurant meinen Lieblingsburger bestellen. Je nach Lust und Laune. Und ja, in den vergangenen Jahren hatte ich permanent Lust auf die unterschiedlichsten Burger – Frauen, meine ich. Ständig. Ich bin regelrecht besessen von ihnen. Und langsam, aber sicher hasse ich mich dafür.
Bevor sich jetzt irgendjemand angegriffen fühlt und sofort anfängt, alle Frauen aufzulisten, die ich niemals flachlegen könnte – »Na ja, also Oprah oder Mutter Theresa hättest du niemals rumgekriegt!« –, möchte ich an dieser Stelle kristallklar formulieren, worum es mir geht: Ich kann jede Frau flachlegen, die ich flachlegen möchte. Nein, natürlich nicht wortwörtlich jedes weibliche Wesen, das auf diesem Erdball umherstreunt. Mir ist vollkommen klar, dass ich bei einer achtzigjährigen Urgroßmutter oder einer Transgender-Lesbe vor ihrer OP kein leichtes Spiel hätte. Nicht, dass ich das sonderlich schade finde.
Was ich sagen will: Wenn ich, Jonas Faraday, mir wünsche, dass eine ganz bestimmte Frau splitternackt und mit gespreizten Beinen auf meinem Bett liegt; wenn eine Frau mir den Kopf verdreht und mir einen ordentlichen Ständer verschafft; wenn sie mich zum Lachen bringt oder mir eine vollkommen neue, aufregende Sicht auf die Dinge ermöglicht; wenn sie ihre Sonnenbrille nicht finden kann und irgendwann losprustet, weil sie in ihrem Haar steckt; wenn ihr Po sich ganz besonders appetitlich in einer engen Jeans wölbt – o ja, ganz besonders dann, wenn er so prall ist, dass ich meine Zähne darin vergraben möchte! –, dann wird sie, wer auch immer sie ist, irgendwann völlig freiwillig in mein Bett krabbeln und mich wenige Sekunden später anflehen, mit ihr zu schlafen.
Ich wünschte, ich könnte an diesem Punkt sagen, das sei alles, Ende der Geschichte. Leider stimmt das nicht … Denn Sex ist nie das Ende der Geschichte. Nicht in meinem Fall. Und genau deswegen brauche ich den Club! Ich kann nicht länger die immer gleiche Angel in den immer gleichen Tümpel hängen, ganz egal, wie warm und einladend das Gewässer auch vor sich hin plätschern mag. Und es hilft mir auch nicht, wenn der Buntbarsch, den ich angle, wunderbar saftig und köstlich ist – weil es nun einmal Tag für Tag derselbe Fisch ist. So kann’s einfach nicht weitergehen!
Wenn ich diesen Prozess endlos wiederhole, wieder und wieder und wieder, dann werde ich verrückt. Das ist mir tatsächlich schon mal passiert, vor Ewigkeiten und unter vollkommen anderen Umständen, und ich bin nicht bereit, Ähnliches noch einmal durchzumachen. Ich bin auf der Suche nach etwas Neuem. Etwas gnadenlos Ehrlichem. Etwas Echtem. Und wenn ich das nur bekomme, indem ich wider jegliche Vernunft handle und jede Menge Kohle verpulvere – dann ist das eben so.
Bitte unterschreiben Sie die beigefügte Einverständniserklärung bezüglich der Hintergrundrecherche, der medizinischen Untersuchung und des Bluttests, die eine Voraussetzung für die Mitgliedschaft darstellen.
Kein Problem! Gut zu wissen, dass jedes Mitglied gründlich durchgecheckt wird.
Sexuelle Orientierung? Bitte wählen Sie zwischen folgenden Optionen: heterosexuell, bisexuell, homosexuell, pansexuell, Sonstiges.
Heterosexuell. Das war leicht. Nur mal so aus Neugier: Was zum Teufel bedeutet »pansexuell«? Schnell gegoogelt:
Pansexuell: Nicht auf eine bestimmte Vorliebe bezüglich des Geschlechts oder gewisser sexueller Handlungsweisen beschränkt.
Ah, okay. Mit anderen Worten: Alles ist erlaubt. Spannendes Konzept, aber eher in philosophischer Hinsicht. Keine zutreffende Beschreibung für mich. Ich weiß ganz genau, was ich will und was nicht.
Schließen bestimmte sexuelle Fantasien von Ihnen Gewalt irgendeiner Art ein? Wenn ja, beschreiben Sie diese bitte genau.
Nein. Aus tiefstem Herzen und absolut kategorisch: Nein.
Beachten Sie bitte, dass Ihre eventuellen Neigungen oder Fantasien in Bezug auf sexuelle Gewalt in keiner Weise gegen eine Mitgliedschaft sprechen. Tatsächlich bieten wir unseren Mitgliedern mit einem breiten Spektrum an Vorlieben höchst spezialisierte Services. Damit Sie Ihre Neigungen so gut wie möglich ausleben können, beschreiben Sie bitte all Ihre Fantasien, gewalttätige Vorstellungen jeder Art mit eingeschlossen.
Hey, ihr Idioten, ich habe das doch eben schon beantwortet!
Keine derartigen Fantasien.
Vielleicht hätte ich mit der nächsten Frage weitermachen sollen, aber ich kann nicht anders, als ein wenig ins Detail zu gehen.
Es gibt nichts, was ich lieber tue, als einer Frau ein möglichst intensives Lusterlebnis zu verschaffen – das befriedigendste, das sie je hatte. Wenn mir das gelingt, wird ihre Lust – und damit auch meine – so überwältigend sein, dass man sie womöglich nur schwer von Schmerz unterscheiden kann. Aber nein, meine Fantasien beinhalten weder Schmerzen noch gewalttätige Handlungen. Ich finde allein die Vorstellung schon abstoßend, schließlich geht es doch eigentlich um das größtmögliche menschliche Vergnügen.
Was für perverse Schweine lassen die denn bitte schön in ihren Club? Beim Gedanken daran dreht sich mir der Magen um.
Praktizieren Sie derzeit BDSM und/oder sind daran interessiert? Wenn ja, beschreiben Sie Ihre Vorstellungen bitte ganz genau.
Niemals, schreibe ich und hämmere dabei extra fest auf die Tastatur ein, als müsste ich es noch zusätzlich bekräftigen. Eine verschwommene Erinnerung droht aus den Untiefen meines Gedächtnisses aufzusteigen … Nur nicht daran denken! Mein Herz rast. Keinerlei Interesse. Und in diesem Punkt gibt es für mich auch keine Diskussion.
Bezahlung und Mitgliedschaftsbedingungen. Bitte wählen Sie unter den folgenden Optionen: einjährige Mitgliedschaft: 250000 US-Dollar; einmonatige Mitgliedschaft: 30000 US-Dollar. Die Bezahlung wird in keinem Fall rückerstattet. Sobald Sie sich für eine Variante entschieden haben, werden Ihnen die Zahlungsinformationen bezüglich der Überweisung auf ein Treuhandkonto umgehend mitgeteilt. Nachdem die Mitgliedschaft bestätigt wurde, wird die Mitgliedschaftsgebühr automatisch auf das Konto des Clubs weiterüberwiesen.
Wie sagte mein Vater immer so schön? »Ganz oder gar nicht, Sohn.« Oh, wie würde er in seinem Grab vor Lachen wiehern, wenn er wüsste, dass sein Sohn, den er immer als »Weichei« bezeichnet hatte, sich im Gedenken an seinen Leitsatz in einem Sexclub anmeldet.
»Scheinst ja doch mehr nach deinem alten Herrn zu kommen, als ich gedacht hätte«, würde er kichern. Ich kann sein gespenstisches Lachen regelrecht in meinem Schädel widerhallen hören.
Es ist nicht die Höhe des Betrags, die mich innehalten lässt. Ich könnte mir beide Varianten der Mitgliedschaft mehrfach leisten, ohne einen Piep von meiner Bank zu hören – aber ich schmeiße nun einmal nicht gerne Geld zum Fenster hinaus, ganz egal, um welche Summe es geht. Wenn ich dem Club tatsächlich beitrete – was ich ja tun werde –, wäre es dann in ökonomischer Hinsicht nicht sinnvoller, sich direkt für ein Jahr zu verpflichten? Meine Hände schweben über der Tastatur, mein Knie zittert.
Alles klar, drauf gepfiffen. Ja, ich gebe es zu, es ist verrückt und ziemlich verantwortungslos, so viel Geld in einen Club oder einen Datingservice zu investieren, ohne Einblick in dessen Strukturen zu haben. Schließlich bin ich immer noch Jonas, nicht Josh. Ich bin nicht der Zwilling, der sich je nach Lust und Laune Sportwagen gönnt oder Jay-Z anheuert, damit er auf der Party zu seinem Dreißigsten auftritt (die im Übrigen unsere gemeinsame Party gewesen wäre, wäre ich denn aufgetaucht). Und trotzdem …
Einjährige Mitgliedschaft, tippe ich und atme laut aus.
Bitte erklären Sie genau, was Sie an der Mitgliedschaft im Club reizt.
Ich schließe einen Moment lang die Augen, um mich zu sammeln.
Ich liebe Frauen, schreibe ich schließlich und hole tief Luft. Ich liebe es, mit ihnen zu schlafen. Und am liebsten mag ich es, sie zum Orgasmus zu bringen. Wow, ganz schön direkt. Und ganz schön dreist. Als ich meine eigenen Worte lese, muss ich grinsen. Ich kann mir nicht vorstellen, in irgendeiner anderen Situation dermaßen ehrlich zu sein.
Vielleicht sollte ich etwas schreiben wie:Ich liebe den Duft von Frauenhaar, ihre weiche Haut, den eleganten Schwung ihres Nackens.All das trifft ja auch zu; ich bin schließlich kein Soziopath! Ja, ich bin schon mal maßlos begeistert gewesen von dem scharfen Verstand und dem Humor einer Frau – und das meine ich jetzt nicht sarkastisch. Gar nicht. Je geistreicher eine Frau ist, desto besser. Das Gleiche gilt für eine raue Stimme oder heiseres Gelächter oder sogar für ein gütiges Schimmern in ihren Augen. Ja, all das finde ich höllisch sexy. Aber meiner Meinung nach ist duftendes Haar, weiche Haut oder ein ansteckendes Lachen nichts anderes als das delikate Vorspiel einer ganz bestimmten Angelegenheit – der ehrlichsten, wildesten und großartigsten Sache, zu der unsere Körper in der Lage sind. Alles andere ist nur Vorspiel, Baby, herrliches Vorspiel.
Wieder hole ich tief Luft.
Ich verehre Frauen, seit ich denken kann. Als ich erwachsen wurde, verwandelte sich das in einen recht beeindruckenden sexuellen … Heißhunger. Aber ich hatte ihn immer im Griff. Ich konnte mit einer Frau in eine Galerie oder ins Kino gehen, mit ihr ein Konzert besuchen oder sie zum Candle-Light-Dinner ausführen. Ich konnte sie höflich über ihre Arbeit, ihre Leidenschaften oder sogar ihr geliebtes Malteserhündchen Kiki befragen, während wir ein schönes Glas Pinot noir schlürften, ohne die ganze Zeit etwas wie »Lass mich dich sofort auf der Toilette vernaschen!« von mir geben zu wollen.
Ich starre auf den Bildschirm. Wahrscheinlich klinge ich gerade wie das letzte Arschloch … Aber was soll ich machen? Was wahr ist, ist wahr.
Und dann änderte sich alles. Vor etwa einem Jahr hatte ich ein ganz klassisches Date mit einer wunderhübschen Frau. Als ich nach dem Dinner mit ihr geschlafen habe – und das keineswegs auf der Toilette! –, tat sie etwas, was ich nie zuvor erlebt hatte. Sie täuschte ihn vor. Sie hat verdammt noch mal einen Orgasmus vorgetäuscht! Es war ebenso offensichtlich wie beleidigend. Und es hat mich wahnsinnig sauer gemacht. Beim Sex geht’s doch nicht darum, jemanden bei Laune zu halten oder höflich zu sein – es ist doch kein Teekränzchen mit der Queen! Sex soll wahrhaftig sein. Schonungslos ehrlich. Und der Orgasmus bildet natürlich den Höhepunkt, den Gipfel dieser Aufrichtigkeit.
O Mann, selbst nach so langer Zeit regt mich diese Erinnerung auf. Meine Brust hebt und senkt sich, meine Wangen glühen, und ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Ich brauche sofort Musik! Wenn in meinem Kopf ein Wirbelsturm ausbricht und mein Puls zu rasen beginnt, dann hilft nur ein guter Song. Als Kind hat mir ein Therapeut die beruhigende Wirkung von Musik nahegebracht, und es funktioniert immer noch. Ich klicke mich durch die Musiksammlung meines Laptops, entscheide mich für »White Lies« von Rx Bandits und lausche ein paar Minuten lang dem Song. Sofort fällt es mir leichter, die bedrängenden Gedanken einfach ziehen zu lassen – als hätte die Musik in meinem Kopf ein Fenster geöffnet. Ich höre noch eine Weile zu, bis ich mich wieder halbwegs gesammelt habe. Dann fahre ich fort.
Ich konnte nicht begreifen, weshalb sie mich angelogen hatte. Warum sollte sie vorzeitig und künstlich eine richtig gute Nummer (oder das, was ich dafür gehalten hatte) beenden? Und sich somit selbst darum bringen, tatsächlich zu kommen? War der Sex so mies, dass sie ein verfrühtes Ende der Möglichkeit eines Höhepunkts vorzog? Ich war wegen der Angelegenheit völlig außer mir.
Ich atme tief ein und aus.
Als ich mich eines Nachts wieder einmal im Bett hin und her wälzte und mir den Kopf darüber zerbrach, ging mir plötzlich ein Licht auf. Mir wurde klar, dass sie mich angelogen hatte, weil ich tatsächlich richtig schlecht im Bett gewesen war. Wahrscheinlich ging sie davon aus, dass es mit mir sowieso nicht klappen würde. Diese Erkenntnis hätte genügt, um mich in ein richtig tiefes Loch zu stürzen, ein Loch, das ich bereits kannte (und das mir ganz und gar nicht gefallen hat), aber ich klammerte mich an diese eine Tatsache: Tief in mir drin wusste ich, dass ich nicht wirklich alles gegeben hatte, um sie zum Höhepunkt zu bringen. Ich hatte mich ganz auf mein eigenes Vergnügen konzentriert, nicht auf ihres, und war wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass sie dennoch ebenso viel Lust empfindet wie ich. Je länger ich darüber nachdachte, desto logischer fand ich es: Ich hatte genau die Art von Abreibung bekommen, die ich verdient hatte. Mann, habe ich mich geschämt!
Dies war ein Wendepunkt in meinem Leben. Plötzlich war ich besessen von der Idee, noch einmal mit dieser Frau zu schlafen – und dabei so zu brillieren, dass sie auf jeden Fall kommt. Heftiger denn je. Ich wollte ihr eine Lektion in Sachen Ehrlichkeit und Wahrheit erteilen. Aber noch mehr wollte ich erlöst werden.
Natürlich ließ sie sich auf eine weitere Verabredung ein, sie schien sogar ganz aufgeregt zu sein, als sie zusagte, und das trotz meiner jämmerlichen Performance! Als ich aber dieses Mal mit ihr schlief, war ich ein anderer. Ein besessener, ein erleuchteter Mann, könnte man sagen, dem es einzig und allein um ihre Befriedigung ging. Das Ergebnis war sen-sa-tio-nell! Ihr gesamter Körper zuckte und bebte gegen meine Zunge, toste und wütete wie ein Tornado. Und auch die Geräusche, die aus dieser Frau drangen, waren unglaublich – urzeitlich beinahe, verzweifelt … Sie hatten nichts mit dem lahmen Blöken gemein, mit dem sie mich beim ersten Mal hatte abspeisen wollen. Es war eine Sinfonie. Natürlich hatte ich auch vorher schon Orgasmen erlebt, aber keiner konnte mit ihrem mithalten. Nicht einer! Ich hatte sie vollkommen in der Hand und katapultierte sie in völlig andere Sphären. Genau, wie ich mir das ausgemalt hatte.
Mein Herz rast. Mein Schwanz ist hart.
Und das Beste daran war, dass ihr Orgasmus dafür sorgte, dass auch ich kam. Heilige Scheiße, das war mir ja noch nie passiert! Tatsächlich hatte ich den besten Sex meines Lebens, als ich diese wunderschöne Lügnerin in hemmungslose Ekstase stürzte. Ich hatte einen Höhepunkt, wie ich ihn nie zuvor erlebt hatte. Danach wollte ich diese Art von Orgasmus wieder und wieder (allerdings nicht mit ihr, das natürlich nicht!) – und seitdem bin ich vollkommen süchtig danach.
Erneut ein tiefer Atemzug.
Hat irgendetwas von diesem Gebrabbel die Frage beantwortet? Shit. Keine Ahnung. Aber besser kriege ich es nicht hin.
Und deswegen will ich Mitglied im Club werden.
Ich starre auf den Bildschirm und zucke mit den Schultern. Mehr hab ich zu diesem Thema nicht zu sagen.
Bitte beschreiben Sie jetzt Ihre sexuellen Vorlieben im Detail. Um Ihre Möglichkeiten im Club maximal ausschöpfen zu können, seien Sie bitte so explizit, präzise und ehrlich wie möglich. Bitte zensieren Sie sich in keiner Weise selbst.
Meine Hände zittern. Auf diese Frage habe ich gewartet!
Ein paar Männer behaupten ja, guter Sex bringe sie näher zu Gott. Ganz ehrlich: Ich finde, sie sollten nach Höherem streben. Wenn ich nämlich dafür sorge, dass eine Frau so heftig kommt wie nie zuvor, dann bringt mich das nicht näher zu Gott, sondern ich werde selbst zu ihm. Zu ihrem Gott – zumindest für einen allmächtigen, glorreichen Moment.
Ich starre auf den Bildschirm und spüre, wie mein Schwanz sich schmerzhaft gegen meine Jeans drückt.
Eine Frau zum Orgasmus zu bringen ist eine Kunst für sich. Zumindest, wenn es um die Art von Orgasmus geht, von der ich hier spreche. Der Höhepunkt einer Frau ist ein einzigartiges Puzzle, ein Schatz, dessen Zugang mit einem geheimen Code versperrt ist. Fast immer lässt er sich durch das Lecken und Küssen und Saugen ihres empfindlichsten Punkts knacken, aber selbst diese »sichere Nummer« ist nur von Erfolg gekrönt, wenn ich die besonderen Signale beachte, die ihr Körper aussendet. Ich kann sie nicht einfach lecken – ich muss sie begreifen. Meistens habe ich die Frauen allerdings nach ein paar Minuten durchschaut.
Ich weiß immer dann, dass ich alles richtig mache, wenn sie plötzlich vollkommen unerwartet ihren Rücken durchbiegt, ihre Hüften reflexartig gegen meinen Mund stemmt und ihre Schenkel so weit spreizt, wie es nur geht. In diesem Augenblick weiß ich, dass ihr Körper sich darauf vorbereitet, sich mir zu ergeben – und dass sie sich nichts sehnlicher wünscht, als dass ich ihren geheimen Code entschlüssle.
Mein Schwanz ist jetzt steinhart. Gott, ich liebe diesen Moment! Ich lecke mir über die Lippen.
Wenn sie sich an mich drängt und sich allmählich öffnet, werde ich richtig gierig, absolut gnadenlos und impulsiv. Ich lecke und küsse sie, sauge leidenschaftlich an ihr, nage und knabbere vielleicht sogar ein wenig, wenn ich entsprechende Signale bekomme … Währenddessen öffnet sie sich immer weiter, verschließt sich dann wieder, spreizt ihre Beine und drückt sie wieder zusammen, reißt sich los und bricht zusammen. Es ist einfach unglaublich.
Sie ist wie eine wunderschöne, erblühende Blume. Der Trick besteht darin, sie exakt in dem Moment zu erwischen, in dem die Knospe sich öffnet, und nicht in der Sekunde davor oder danach. Denn für mich besteht der Heilige Gral, wenn Sie so wollen, darin, in genau jenem Moment in sie einzudringen und sie so zu einem explosiven Höhepunkt zu bringen. Gar nicht so leicht. Zu früh, und sie kommt eventuell gar nicht. Zu spät, und sie hat ihren Orgasmus ohne mich.
Ich öffne meinen Hosenstall und lasse meinen Schwanz herausspringen. Wie gern würde ich mir jetzt sofort einen runterholen! Aber ich bin noch nicht fertig.
Sie ist fast so weit, ist verdammt nah dran, und auch ich bin vollkommen außer mir. Sie erbebt schon reflexartig an meinen Lippen – das ist ein so geiles Gefühl, dass ich oft davon träume –, und ich weiß, dass sie kurz vorm Höhepunkt ist und sich eigentlich gern fallen lassen möchte, sich aber nicht locker machen kann (meist wegen irgendwelcher Vaterkomplexe, einem Braven-Mädchen-Zwang oder mangelndem Selbstbewusstsein – glauben Sie mir, irgendwas ist immer!). Was es auch ist: Ihr Verstand hält sie von dem ab, was ihr Körper sich so sehnlich wünscht. Sie klammert sich an mich, schnappt nach Luft, während sich ihre Lust so lange steigert, bis sie echter Qual gleicht. Sie stöhnt und windet sich – und auch ich bin so verflucht erregt, dass ich mich kaum noch beherrschen kann.
»Nimm mich, bitte, nimm mich!«, sagen sie zum Beispiel oft, oder irgendetwas in der Art, aber ich tu’s nicht, zumindest nicht gleich. Denn da geht noch ein bisschen mehr.
Atemzug.
Irgendwann wird in der Frau ein Schalter umgelegt, ein bisschen so, als hätte man den Schlüssel ins Schloss gesteckt. Sie öffnet sich. Wow. Ihr Verstand steht ihr nicht länger im Wege, sie ist vollkommen losgelöst von allem … und gibt auf.
Ich atme zittrig aus.
In diesem Moment dringe ich in sie ein wie ein Messer in warme Butter und vögle sie mit nahezu religiösem Eifer. Manchmal setze ich sie dazu auf mich, manchmal drehe ich sie um, manchmal treibe ich es in der guten alten Missionarsstellung mit ihr – an diesem Punkt funktioniert sowieso jede Methode gleich gut –, und in dem Augenblick, in dem ich in sie hineinstoße, entspannt sich ihr Körper vollkommen. Er zittert, bebt und zieht sich reflexartig um meinen Schwanz zusammen, immer und immer wieder. Klar, sie hatte vorher schon Orgasmen. Aber nicht so. Nein, nie so. Es ist die reine Ekstase, genau so, wie die Griechen sie beschrieben haben: das Höchste, was der Mensch erreichen kann. Und mir geht es nicht anders.
Ich atme lang und kontrolliert aus und rutsche auf meinem Stuhl herum. Verdammt, ich bin wahnsinnig angeturnt, und dafür habe ich selbst gesorgt. Mittlerweile zittere ich richtig, und ich atme ein paarmal beruhigend ein und aus. Ich muss mich erst einmal sammeln, ehe ich weitermache.
Eine Sache muss ich der Vollständigkeit halber klarstellen. Was ich hier beschrieben habe, ist der Idealfall. Das Ziel. Manchmal klappt’s mit dem Timing perfekt, manchmal nicht. Es kann natürlich passieren, dass die Frau – besonders, wenn sie schwer zu durchschauen ist – schon ebenso heftig kommt wie eine Springflut, noch bevor ich es in sie hineingeschafft habe. Selbst in diesem Fall gibt es keinen Grund zur Klage, glauben Sie mir. Es ist auch ein Hochgenuss, mit einer schönen Frau direkt nach ihrem Orgasmus zu schlafen. Dennoch, die Krönung – der Heilige Gral – ist und bleibt der Fall, eine Frau kurz vorm Durchdrehen von innen heraus zum Höhepunkt zu bringen.
Ich rutsche wieder auf dem Stuhl herum, aber meine Erektion ist zu intensiv, um sie länger zu ignorieren. Zeit, mit dem Tippen aufzuhören … Ob es wohl irgendjemand schafft, das Anmeldeformular auszufüllen, ohne zu kommen? Ich packe meinen Schwanz und reibe ihn so lange, bis mich eine Woge der Lust packt und sich schließlich in stoßartigen Spritzern entlädt. Im Bad schlüpfe ich aus der Hose, trete in die Dusche und lasse das siedend heiße Wasser über mich strömen, bis ich wieder sauber und entspannt bin.
Das Problem ist nicht, Frauen ins Bett zu kriegen. Das Problem entsteht dann, wenn sie erst einmal den besten Sex ihres Lebens gehabt haben und ihr Körper endlich auf Hochtouren gelaufen ist. In der Regel verwechselt eine Frau dann sexuelle Erfüllung mit der lächerlichen Illusion, sie hätte ihren Seelenverwandten gefunden. Dank eines ganzen Lebens voller Disneyfilme und seichter TV-Serien auf Lifetime und Hallmarkdenkt sie jetzt, dass der kurze Blick auf Gott, den sie während des wilden Herumgevögels erhaschen konnte, sich in einen rosaroten Traum mit ihrem Märchenprinzen verwandeln wird. Und wenn sie nicht gestorben sind … Nix da! Ganz egal, was ich vorher angekündigt habe, wie deutlich ich dargelegt habe, wo bei mir Schluss ist – die Frau ist fest davon überzeugt, dass sie den Mann ihres Lebens gefunden hat. Er weiß es nur noch nicht!, denkt sie verschmitzt.
Und das ist der Punkt, an dem ich ihr zwangsläufig wehtue, wer auch immer sie ist. Ob Bibliothekarin oder Steuerberaterin, Personal Trainerin oder Kinderärztin, Visagistin oder Sängerin oder Bioingenieurin oder Therapeutin oder Anwaltsgehilfin. Egal, ob sie lustig, süß oder schüchtern ist; ernst, sexy oder richtig clever. Egal, ob sie Umweltaktivistin ist oder Bibelkurse gibt – ich werde sie verletzen. Weil ich viel zu abgefuckt bin, um der Mann ihres Lebens zu sein. Ich werde weder der Mann ihres noch sonst jemandes Leben sein, daran gibt es nichts zu rütteln. Nicht einmal ich kann was daran ändern.
Verdammt. Wie soll ich das alles in dem Anmeldeformular unterbringen? Ich trete aus der Dusche und wickle mir ein Handtuch um die Hüften, um mich dann sofort wieder hinter den Laptop zu klemmen. Einen Moment lang starre ich einfach nur auf den Bildschirm und warte darauf, dass mir die richtigen Formulierungen einfallen.
Ganz egal, wie ehrlich ich damit umgehe, dass jenseits meines Schlafzimmers Schluss mit der Romantik ist: Die Frauen sind immer verletzt, tippe ich.Entweder glauben sie mir nicht, wenn ich sage, was ich wirklich will, oder sie denken, sie könnten mich ändern. Aber das geht nicht.
Ich seufze.
Es geht mir nicht darum, auf den Gefühlen der Frauen herumzutrampeln.Das stimmt wirklich.
Ich will ihnen einfach nur eine nie da gewesene Befriedigung schenken – was mir wiederum unglaubliche Lust verschafft.
Sicher, manchmal liege ich nach dem Sex auch gern noch neben ihr im Bett, plaudere und lache mit ihr. Ob Sie es glauben oder nicht, daran habe ich durchaus Spaß. Allerdings nur, solange klar ist, dass das nicht zu herzförmigen Pralinenschachteln auf ihrem Kopfkissen und Wochenendausflügen zu IKEA führt. Vielleicht habe ich auch Lust, mit ihr zu duschen und ihren wunderschönen Körper einzuseifen, um sie hinterher mit einem flauschigen weißen Handtuch trocken zu rubbeln. Vielleicht ist mir auch nach einer weiteren Runde Sex, der dieses Mal möglicherweise so intensiv ist, dass wir gleichzeitig kommen und selig bebend nach Luft schnappen.
Und wenn dann alles vorbei ist, versichere ich ihr bestimmt, wie schön sie ist und wie sehr ich unsere gemeinsame Zeit genossen habe. Ich küsse sie zum Abschied, sanft und dankbar. Und danach will ich sie nie wiedersehen.
Einen Moment lang schweben meine Hände über der Tastatur.
Und ich will mich deswegen nicht wie das letzte Arschloch fühlen! Ich seufze. Denn davon habe ich die Nase wirklich voll.
Ich mache eine kleine Pause.
Sie haben mich darum gebeten, meine Vorlieben zu beschreiben, und eigentlich habe ich das in den vergangenen Zeilen bereits getan. Ich suche kluge, sexy Frauen, die das, was ich mache, ehrlich wollen – und die, das ist das Allerwichtigste, körperliche Lust von irgendwelchen rosaroten Kitschmärchen unterscheiden können.
Plötzlich überkommt mich eine tiefe Hoffnungslosigkeit. Mache ich mir da nicht selbst was vor? Gibt es solche Frauen überhaupt auf diesem Planeten?
Wenn ich auch nur eine Frau finde, deren »sexuelle Vorlieben« wirklich exakt zu meinen passen, dann wäre ich – tja, was wäre ich dann? Ermutigt. Ja, das werde ich schreiben – ermutigt.
Himmel! So schnell ich kann, lösche ich den letzten Satz. Was für eine unlogische Schlussfolgerung! Shit, ich bin entweder ein echter Schürzenjäger mit einem Gotteskomplex, oder ich bin Nicholas Sparks. Beides gleichzeitig geht nicht. Keine Ahnung, wie ich auf diesen Mist gekommen bin. Das passiert also, wenn ein Typ wie ich seine tiefsten, finstersten Sehnsüchte ungefiltert zu Papier bringt. Ein endloser, verzweifelter und chaotischer Schwall, in dem sich all der Kram vermischt, dem ich in nutzlosen Psychotherapien beizukommen versucht habe.
Was soll nur dieser mysteriöse Aufnahmeassistent von mir denken? Ich neige meinen Kopf zur Seite, und plötzlich legt in meinem Gehirn ein ganzes Sinfonieorchester los. Der Assistent ist eine Assistentin. Ganz bestimmt! Und höchstwahrscheinlich auch keine achtzigjährige Transgenderlesbe. Sie können ja schließlich keine Idioten wie mich – oder, noch schlimmer, irgendwelche Psychopathen mit Gewaltfantasien oder Bondagevorlieben – in diesen Club lassen, ohne sie vorher von einer Frau durchchecken zu lassen. Richtig? Na klar!
Ich grinse breit.
Jetzt möchte ich mich direkt an Sie wenden, meine bezaubernde Aufnahmeassistentin.Ich lecke genüsslich über meine Lippen.Hat Ihnen die Lektüre gefallen? Um ehrlich zu sein, ist es das erste Mal, dass ich mich jemandem in dieser Hinsicht anvertraue. Es war sehr erhellend, das alles einmal festzuhalten und Ihnen zu gestehen – und dadurch auch mir selbst. Tatsächlich hat es mich so angeturnt, dass ich zwischendurch ein Päuschen machen musste, um mir einen runterzuholen.
Ich lächle wieder. Was für ein Mistkerl ich doch sein kann …
Sagen Sie mal, sind Sie selbst überrascht davon, wie nass Ihr Höschen jetzt ist? Und das, obwohl Sie eine lebenslange Gehirnwäsche von Hallmark und Lifetime hinter sich haben, die Ihnen eingeimpft hat, Sie bräuchten lediglich Blumen und Süßigkeiten und Candle-Light-Dinner, gefolgt von stillem Sex in Missionarsstellung und einem keuschen Küsschen? Und natürlich dem obligatorischen Einkauf bei IKEA am nächsten Morgen, bei dem Sie sich auf eine hübsche neue Couch einigen? Stellen Sie sich, meine bezaubernde Aufnahmeassistentin, trotz alldem nicht gerade vor, wie meine heiße, nasse Zunge immer wieder um Ihren empfindlichsten Punkt herumwirbelt? Wünschen Sie sich nicht, ich wäre bei Ihnen und würde Sie lecken und küssen und an Ihnen saugen, bis Sie zucken und beben, als hätten Sie versehentlich an einen elektrischen Zaun gelangt? Sie sind ein einzigartiges Puzzle, meine Schöne. Und ein seltener Schatz, der sich hinter einem schweren Vorhängeschloss verbirgt. Aber wissen Sie was? Meine Worte haben schon begonnen, es langsam aufzusperren …
Was wollen Sie also gegen jenes dunkle Begehren tun, das sich jetzt in Ihnen regt? Wollen Sie es einfach ignorieren, oder lassen Sie zu, dass es an die Oberfläche steigt? Vielleicht sollten auch Sie die Gelegenheit nutzen, um sich selbst zu berühren, und mal ganz aufrichtig über Ihre geheimsten Wünsche nachdenken; darüber, was Sie wirklich anturnt, und nicht über das, was Sie anturnen sollte. Fassen Sie sich an, meine bezaubernde Aufnahmeassistentin, und erforschen Sie Ihre verborgensten, dunkelsten Fantasien. Ihnen wurde Ihr Leben lang der ganze Valentinstagsmist eingetrichtert, nicht wahr? Aber das wollen Sie alles gar nicht wirklich. Sie würden den ganzen Kitsch sofort in die Tonne kloppen, um stattdessen einmal wie ein tollwütiges Tier loszubrüllen. Habe ich recht?
Mittlerweile grinse ich übers ganze Gesicht und stelle mir irgendein graues Mäuschen in den mittleren Jahren vor, die in einem winzigen Büro in Dallas oder Des Moines oder Mumbai hockt und mit großen Augen und einer pochenden Klit meine geistigen Ergüsse liest.
Ich weiß schon, was Sie jetzt denken: Widerlicher Mistkerl! Arschloch! Absoluter Narzisst! Und all das stimmt natürlich, meine Liebe. Aber wissen Sie was? Widerlicher, dreister Mistkerl hin oder her – wenn ich jetzt bei Ihnen wäre und Sie ganz langsam und zärtlich lecken würde, genau so, wie Sie es am liebsten mögen, dann garantiere ich Ihnen, dass ich Sie innerhalb weniger Minuten in die absolute Ekstase versetzen würde und Sie mir für immer verfallen wären. Dass Sie heftiger kommen würden, als Sie es je erlebt haben.
Ja, meine Schöne, wenn ich jetzt bei Ihnen wäre und Ihnen beibringen könnte, wozu Ihr Körper in der Lage ist, dann müssten Sie es sich leider eingestehen: Mal abgesehen davon, dass ich ein widerlicher, dreister Mistkerl bin, bin ich zufällig auch der Mann Ihrer Träume.
Ich bin total baff. So richtig baff, mit offen stehendem Mund, aufgerissenen Augen und dem Gefühl, mich in einen Haufen schlabbriger Spaghetti verwandelt zu haben. Ich kann wirklich nicht fassen, dass das hier die erste Anmeldung sein soll, die ich nach drei Monaten überwachten Probetrainings ganz allein bewerten und bearbeiten soll.
Was für ein Arschloch! Was für ein beispielloses, ichbezogenes, selbstgerechtes Arschloch. Ich weiß nicht, ob ich lachen, schreien, heulen oder kotzen soll. So viel zum Thema emotional verkümmert. Jämmerlich. Desillusioniert. Narzisstisch. Und vielleicht sogar ein bisschen unheimlich. Er will meinen »empfindlichsten Punkt« lecken, bis ich wie ein »tollwütiges Tier« losbrülle? Er würde mich innerhalb weniger Minuten in absolute Ekstase versetzen? Na, na, na. Wie kann man denn nur auf solche Ideen kommen beziehungsweise solche Formulierungen finden?! Freak.
Der beste Teil ist der, in dem er ankündigt, mich heftiger denn je zum Höhepunkt zu bringen. Da muss ich wirklich lachen. Wahrscheinlich wäre er ziemlich geschockt, wenn er wüsste, dass allein ein simpler Orgasmus bei mir schon eine Sensation wäre. Diese kleine Info würde sein Kopfkino mit Sicherheit sofort in Gang setzen!
Vielleicht war die Frau, die ihren Orgasmus vorgetäuscht hat, gar keine Ausgeburt des Teufels – vielleicht wusste sie einfach, dass sie keinen Orgasmus haben kann, ganz egal, wie sehr er sich auch bemüht? Ob er daran wohl schon mal gedacht hat? Vielleicht hat sie sich in dem Moment ausgeklinkt, in dem sie gemerkt hat, dass der Sex auf dasselbe fade Nichts hinauslaufen würde wie immer. Klar, er hat behauptet, dass sie beim zweiten Mal gekommen ist. Aber woher will er das wissen? Vielleicht hat sie’s ja wieder gefaked, nur geschickter. Vielleicht ist sie ja nicht für einen Orgasmus geschaffen … Weil sie vielleicht so ist wie ich.
Trottel!
Aber … Wenn er ein Trottel ist, weshalb rutsche ich dann so unruhig auf meinem Stuhl herum, und wieso zieht es so heftig zwischen meinen Beinen? O Mann, ich wäre zwar am liebsten angeekelt von seinen Worten, aber sie haben mich eher wie einen Weihnachtsbaum entzündet. Besonders die Message, die er direkt an mich gerichtet hat. Wow, allein, hier zu sitzen und seine Schweinereien zu lesen löst in mir schon den Wunsch aus, einfach die Hand unter den Bund meiner Pyjamahose zu schieben und mich anzufassen – und diesen Wunsch verspüre ich sonst nie.
Ich muss mich zusammenreißen! Sobald ich allerdings die Augen schließe, um mich zu sammeln, kann ich nur noch an seine feuchte heiße Zunge denken, die gegen meinen Kitzler schlägt … Genau an die Stelle, die jetzt schon so heftig pocht. Ich spüre, wie mein Gesicht rot anläuft.
Was zum Teufel ist denn nur in mich gefahren? Ich bin eigentlich keine sexbesessene Nymphomanin. Na ja, eine Jungfrau allerdings auch nicht. Meine Unschuld habe ich während meines ersten Jahres am College an einen Typen verloren, den ich irgendwie heiß fand (und der sich leider als die absolute Klette entpuppte). In den fünfeinhalb Jahren danach hatte ich noch zwei weitere lange Beziehungen (mit Jungen, die süß und lieb, aber letztlich zu langweilig waren, um mich halten zu können) und einen öden One-Night-Stand (den ich meiner besten Freundin Kat zu verdanken habe – sie hat meinen Typen angelockt, indem sie mit seinem besten Freund geflirtet hat). Den krönenden Abschluss bildet ein weiterer Absturz vor einem halben Jahr, an den ich mich quasi nicht erinnern kann (was wiederum an dem vierten Cosmopolitan liegt, der aus der gut gelaunten, selbstbewussten Sarah eine unzurechnungsfähige Chaosbraut gemacht hat). Ich habe mir fest vorgenommen, dass so etwas nie wieder passieren wird!
Wenn ich also auch keine Sexfanatikerin bin, so habe ich doch meine Erfahrungen gemacht – inklusive Oralsex, aktiv und passiv. Ich bin also keineswegs eine keusche Märchenprinzessin, die sofort entsetzt aufquietscht, wenn sie einen Penis zu Gesicht bekommt. Ich werde auch sicher nicht sofort ohnmächtig, wenn jemand meine Klit als empfindlichsten Punkt bezeichnet. Und selbst wenn ich mit dem Thema mal Schwierigkeiten gehabt haben sollte, ehe ich diesen bizarren Job als Aufnahmeassistentin vor drei Monaten angenommen habe, so ist das jetzt eindeutig Geschichte.
Aber ich schweife viel zu weit ab. Ist doch keine große Sache, wenn mein Körper nicht dazu geschaffen ist, Orgasmen zu haben. Ich bin mit diesem Dilemma – oder eher Umstand, es ist kein Dilemma! – nicht allein. Ich habe ein wenig recherchiert und festgestellt, dass fünfundsiebzig Prozent aller Frauen nie durch Penetration allein einen Orgasmus haben und zehn bis fünfzehn Prozent tatsächlich nie zum Höhepunkt kommen. Ganz egal, unter welchen Umständen. Vollkommen gleich, ob die Zunge oder Spielzeuge eingesetzt werden, vollkommen gleich, welche Positionen und Gefühle mit im Spiel sind.
Okay, ich werde also nie höllische Rückenschmerzen haben, nachdem mir ein »superkrasser Orgasmus« zuteilwurde, wie Kat es ausdrücken würde. Was soll’s. Das heißt ja nicht, dass Sex mir keinen Spaß macht! Besonders, wenn der Typ mir was bedeutet (oder zumindest der Alkohol dafür sorgt, dass ich mir das einbilde).
Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr kann ich mich dem anschließen, was Jonas Faraday zu dem Thema zu sagen hat. Auch ich empfinde die größte Lust, wenn ich meinen Partner erbarmungslos zum Höhepunkt bringe, besonders dann, wenn er eigentlich versucht, »es noch hinauszuzögern«. Einem Mann einen Orgasmus zu verschaffen, während er noch etwas murmelt wie: »Nein, Moment, noch nicht, ich will damit noch warten!«, gibt mir ein Gefühl von Macht, fast so, als hätte ich Superkräfte. Ja, ich kann seine Haltung absolut nachvollziehen.
Aber dass ich diesen Kandidaten verstehe, erklärt noch lange nicht, warum ich so verflucht angeturnt bin! Warum, bitte schön, habe ich jetzt Lust, mich selbst anzufassen? Das wollte ich doch noch nie! Ich habe nämlich keine Ahnung, was das bringen soll … Natürlich habe ich es schon ausprobiert, mich hinterher aber immer nur vollkommen unfähig gefühlt.
Ähnlich geht’s mir leider, wenn ein Mann über mich herfällt. Klar ist es erst einmal angenehm, wenn jemand mich voller Leidenschaft und Tatendrang mit seiner Zunge bearbeitet, aber mehr als »angenehm« ist für mich leider nicht drin. Die ganze Übung fühlt sich zwangsläufig sinnlos an – ehrlich gesagt auch peinlich und ein wenig Furcht einflößend. Und wenn der arme Kerl sich dann weiter und weiter abmüht, ohne jemals Erfolg zu haben, dann wird’s richtig unangenehm – weil er dann entweder frustriert oder enttäuscht ist.
Und deswegen fake ich ihn. Ich täusche den Orgasmus vor. Immer dann, wenn der Mann und ich an den Punkt gelangen, an dem er etwas wie »Baby, bitte komm für mich« stöhnt. Auf diese Weise wahre ich mein Gesicht, und er wird nicht kreuzunglücklich. Ist ja nicht seine Schuld, dass ich zu jenen verhängnisvollen zehn Prozent gehöre. Und meine ist es auch nicht. Es ist einfach eine Tatsache.
Aber ich habe mich schon wieder ablenken lassen. Ich wollte nur festhalten, dass ich eigentlich nicht die Sorte Frau bin, die sofort feucht wird, wenn ein Typ ihr verspricht, ihren »empfindlichsten Punkt« zu lecken oder sie in »absolute Ekstase« zu versetzen. Warum also turnt mich diese Anmeldung so an? So richtig? Mir geht es zum ersten Mal so, und ich mache diesen Job schon seit drei Monaten. Beim Lesen der circa zwanzig Bewerbungen, die ich bearbeitet habe, hatte ich alle möglichen Reaktionen, aber nie zuvor hatte ich den Eindruck, mein Höschen würde jeden Moment in Flammen stehen. Nicht mal bei heißen oder wirklich süßen Bewerbungen.
Häufig handelt es sich bei den Bewerbern einfach um normale (reiche) Männer, die nach der großen Liebe suchen und sich davon im Alltag überfordert fühlen. Damit habe ich kein Problem. Mein Gott, wenn man eine schräge sexuelle Vorliebe hat – egal, ob man ein Fußfetischist ist, Frauenunterwäsche trägt oder sich gern im Häschenkostüm auspeitschen lässt –, findet man vermutlich nur schwer eine Frau, einen Mann oder beides, die einen so akzeptieren, wie man ist, und vielleicht sogar Spaß an dieser Marotte haben.
Meiner Meinung nach sind die meisten dieser Typen echte Romantiker, die rein zufällig ein wenig anders gepolt sind, was den Sex betrifft. Manchmal lese ich ihre von Herzen kommenden Geständnisse und Wünsche und denke: Och! Aber nie: Bitte, Mister Häschenkostüm, entscheiden Sie sich für mich! Niemals!
Neben den Romantikern besteht die zweitgrößte Gruppe aus umherreisenden Managern und Stars und Profisportlern, die offenbar passende Bettgefährtinnen auf der ganzen Welt suchen, eben überall dort, wohin es sie verschlägt. Auch dagegen habe ich nichts einzuwenden. Ein paar dieser Typen sind ziemlich heiß und auch nicht seltsam oder so – aber selbst der schärfste Globetrotter hat nie den Wunsch in mir geweckt, die Hand in meine Schlafanzughose zu schieben. Warum also jetzt?
Die dritte Gruppe, die ich »die Spinner« nenne, macht mich nicht nur nicht an, nein, sie sorgt dafür, dass ich in Desinfektionsmittel baden möchte. Das sind diejenigen, die sich ausnahmslos für eine einjährige Mitgliedschaft entscheiden und dadurch deutlich zeigen, dass sie jede noch so perverse Fantasie ohne Zeitdruck ausleben wollen. Diesen Kerlen geht’s weder darum, die große Liebe zu finden, noch darum, trotz eines hektischen Zeitplans ein paar romantische Stunden zu verbringen. Sie sind schlicht und ergreifend nicht an Liebe interessiert. Ansonsten würden sie doch nie direkt eine einjährige Mitgliedschaft beantragen, oder? Denn damit schließen sie ja von vornherein aus, dass sie möglicherweise schon nach einem Monat die große Liebe finden und bis ans Ende ihrer Tage mit ihr glücklich werden könnten. Genau das kann ich an diesen Spinnern nicht leiden. Die lassen sich einzig und allein von ihrem Hedonismus und ihren Dämonen leiten und kein bisschen von ihrem Herzen. Das sind alles knallharte Zyniker, die sich mit ihren riesigen, pochenden Penissen von anonymem Sex zu anonymem Sex treiben lassen. Durch ihre notgeilen Adern fließt kein Milliliter Hoffnung oder Romantik, da bin ich sicher.
Die Ergüsse dieser Kerle zu lesen ist in etwa so, wie an einer Unfallstelle vorbeizufahren. Ekelhaft. Furcht einflößend. Aber du kannst nicht wegsehen. Diese Männer sind diejenigen, die Frauen fesseln und Stahlkugeln in ihre Vagina schieben wollen (wie bitte?!). Oder sie wollen die Frauen in ein Goldlöckchenkostüm stecken und unvorstellbare Dinge mit Porridge mit ihr anstellen (nachdem ich diese Beschreibung lesen musste, hätte ich beinahe gekündigt).
Der schlimmste Bewerber war ein Mann, der verborgen vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder seine schwulen Neigungen ausleben wollte – gut und schön, aber er war gleichzeitig ein Politiker, der sich vehement gegen die Schwulenrechte einsetzte (ich wiederum habe mich dafür eingesetzt, ihm die Aufnahme in den Club zu verweigern, wurde aber überstimmt). Was für eine unsägliche, ekelhafte Heuchelei! Und was für eine Selbstverachtung, getarnt als moralische Instanz … Tja, auch in seinem Fall hätte ich beinahe das Handtuch geworfen, aber dann beruhigte ich mich ein wenig und beschloss, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten.
Ja, etwa zwanzig Prozent der Bewerbungen sind ziemlich abstoßend, aber die restlichen achtzig Prozent sind immerhin ansatzweise erregend, oder zumindest interessant oder süß. Außerdem ist die Bezahlung fantastisch und die Arbeitszeiten sind ziemlich entspannt. Alles in allem ist es der ideale Teilzeitjob für eine Jurastudentin im ersten Jahr, die einerseits dringend Geld, andererseits genug Zeit für die Uni braucht. Wenn ich kündigen würde, müsste ich mir schleunigst was anderes suchen – momentan ertrinke ich sowieso schon in Schulden wegen meines Studienkredits. Und der Job, den ich nach meinem Abschluss ergreifen will, wird mich auch nicht gerade reich machen.
Der Punkt ist jedenfalls, dass keine einzige Lektüre bisher in mir den Wunsch ausgelöst hat, mit dem Bewerber zu schlafen und wie ein tollwütiges Tier zu brüllen. Was zum Teufel hat das zu bedeuten?
Jonas Faraday.
Wer ist der Typ? In Wirklichkeit, meine ich. Trotz all der Warnungen und Anforderungen, die der Club an seine Mitglieder stellt, lügt jeder Bewerber an irgendeiner Stelle – und genau deswegen werden Jurastudentinnen wie ich angestellt, die alles ganz genau überprüfen sollen. Klar, manchmal machen die Bewerber sich ein paar Jährchen jünger oder behaupten, sie wären Single, obwohl zu Hause ihre Ehefrau auf sie wartet. Es passiert auch öfter, dass sie sich als »extrem fit und um die achtzig Kilo Körpergewicht« beschreiben, ihr Foto im Internet sie dann aber Lügen straft.
Also, in welcher Hinsicht flunkert unser lieber »Jonas Faraday«? Vielleicht schon an dem Punkt, an dem er sich als eine Art Frauenflüsterer inszeniert, der jedes weibliche Wesen flachlegen und spielend leicht zu einem mörderischen Orgasmus bringen kann? O bitte! Kein Mann kann jede haben, ganz egal, wie reich oder attraktiv er auch sein mag. Und dass das mit dem Orgasmus manchmal ebenfalls unmöglich ist, kann ich selbst bezeugen.
Mal sehen …
Ich klicke auf das erste Foto im Anhang. Jetzt werde ich bestimmt eine eiskalte Dusche bekommen.
Oh. Mein. Gott.
Ich starre auf das Bild des schärfsten Mannes, den ich jemals gesehen habe. Noch dazu steckt er in einem maßgeschneiderten Anzug. Ach, du liebes Lieschen! Seine Augen. Seine Lippen. Sein Kiefer. Habe ich seine Lippen schon erwähnt? Sicher ist sicher: SEINE LIPPEN! Wow, ich würde alles darum geben, sie auch nur ein Mal küssen zu dürfen. Oder auch nur mit dem Finger drüberzufahren. Ich will an ihnen lecken. Uiuiui.
Es ist auf jeden Fall eine professionelle Aufnahme, das erkenne ich sofort an der Qualität und der Beleuchtung. Wer auch immer der Typ ist, er muss definitiv ein Model sein. Ich seufze. Was für eine Erleichterung! Er hat das Foto aus dem Internet gezogen. Wäre mir viel zu krass gewesen, wenn der Mann, der beschreibt, wie er mich leckt oder mir den heftigsten Orgasmus meines Lebens beschert, wirklich so aussehen würde.
Mist. Wenn dieser angebliche Faraday auch nur ansatzweise wie dieses Model aussieht, dann würde ich ihm schon abnehmen, dass er eine Art Frauen-Rattenfänger ist. Mit so jemandem würde ich tatsächlich gern mal schlafen (wenn ich nicht wüsste, was für ein narzisstisches Arschloch er ist). Aber das spielt eigentlich keine Rolle, denn die Bilder sind auf keinen Fall echt. Never ever.
Ziemlich dreistes Täuschungsmanöver – als müsste er nicht damit rechnen, dass jemand in Windeseile herausfinden kann, dass er eher einem Hobbit als einer griechischen Gottheit gleicht. Pah!
Ich klicke aufs nächste Bild und werde beinahe ohnmächtig.
»Wow!«, sage ich laut.
Der Mistkerl hat ein Selfie angehängt, das er vorm Badezimmerspiegel von sich geschossen hat. Er trägt nichts als enge Boxershorts und ein rotzfreches Grinsen. Oje. Über seinen Hüften haben seine Muskeln verführerische Einkerbungen gebildet, und sein Bauch sieht wie gemeißelt aus. Seine Nippel sind kleine, perfekte Kreise. Und an der Innenseite seiner Unterarme kann ich eintätowierte Sprüche erkennen, auch wenn ich sie nicht entziffern kann. Trotzdem bin ich fasziniert von ihnen und berühre reflexartig den Bildschirm.
Plötzlich stelle ich mir vor, wie dieser Adonis seinen nackten Körper an meinen presst, und jeder Tropfen Blut, den ich in mir habe, rauscht in meinen Schritt. O Mann, was ist nur los mit mir? Ich fühle mich wie eine rollige Katze. Das sieht mir alles so unähnlich, dass ich mir am liebsten selbst eine Ohrfeige verpassen möchte. Ich weiß auch gar nicht, was genau mich so anturnt. Es ist kein griechischer Gott, der mit mir flirtet, sondern ein x-beliebiger Nullachtfünfzehn-Typ, der die Fotos von irgendeiner europäischen Kondomwerbung geklaut hat.
Okay, jetzt zum dritten Foto. Noch ein Selfie, dieses Mal ein Porträt, wie verlangt. Er starrt in die Kamera, ohne zu lächeln. Sein Blick ist … sachlich. Unverfroren. Intensiv. Magnetisch. Selbstbewusst. Ich kann nicht wegsehen. Er ist atemberaubend. Na ja, dieses Model ist atemberaubend. Ich bin vollkommen gebannt … Wäre schön, ein Mal im Leben Sex mit einem Mann zu haben, der so aussieht. So jemanden mal zu spüren, von ihm geküsst und berührt zu werden und mit ihm zu schlafen – und dann auch noch auf diese begnadete Art und Weise, die Jonas Faraday in seiner Anmeldung beschrieben hat. Träum weiter, Sarah.
Ich schließe meine Augen. Vielleicht hat mich das beim Lesen der Bewerbung so angemacht – mir ist klar geworden, dass ich unbedingt mal mit einem solchen Mann schlafen will. Mit jemandem, der genau weiß, was er tut.
Meine bisherigen Liebhaber waren süß und haben sich auch immer Mühe gegeben, aber dennoch war es … Ich weiß gar nicht, wie ich es ausdrücken soll. Funktional? Tollpatschig? Sinnlos? Oder ist es vielleicht einfach schon so lange her, dass ich mich gar nicht mehr richtig daran erinnern kann? Ich habe seit einem halben Jahr keinen Sex mehr gehabt, und das letzte Mal war’s auch nur dieser alkoholgetränkte One-Night-Stand, an dessen Details ich mich kaum erinnern kann. Jetzt, wo Jonas Faraday in mein virtuelles Leben getreten ist, kann ich allerdings nur an eines denken: Wie wäre es, mit einem Mann zu schlafen, der unglaublich talentiert und gleichzeitig wahnsinnig schön ist? Tja, das wäre dann mein Heiliger Gral.
Ich seufze.
So komme ich mit meinem Job allerdings auch nicht voran! Also zwinge ich mich, die Bilder von Mister Perfect zu schließen. Schluss mit diesem Quatsch. Zeit zu arbeiten. Schuften, schuften, schuften.
Ich lade die Bilder in mein Google-Bilder-Programm, um die im Internet existierenden Fotos mit ihnen abzugleichen. Normalerweise beginne ich meine Recherche nicht damit, aber dieses Mal will ich mehr denn je die wahre Quelle dieser Aufnahmen ausmachen. Nachdem ich die Suche gestartet habe, hole ich mir ein Glas Wein aus der Kochnische und mache Musik an. Einen Moment lang lehne ich am Küchentresen, trinke einen Schluck und höre dem Gute-Laune-Lied von Sarah Bareilles zu, um mich ein wenig von dem Kribbeln abzulenken, das einfach nicht nachlassen will.
Ich schüttle den Kopf und nehme einen weiteren Schluck. Und noch einen. Ich kann’s wirklich nicht fassen. Noch bevor ich die drei magischen Bilder gesehen habe, hatte ich ja schon genau so auf seine Zeilen reagiert, wie er es vorausgesagt hatte. Wenn ich jetzt an diesen Körper, an diese Augen denke, spüre ich, wie es in mir zerrt. Wie es in mir kribbelt und pocht.
Verdammt, ich kann nicht widerstehen. Ich nehme einen weiteren Schluck und … schiebe die Hand in meine Hose. Einfach so. Als meine Finger ihr Ziel erreicht haben, stöhne ich leise auf. Wow, so feucht bin ich noch nie gewesen … Mr Faradays Vergleich mit dem Messer, das sich in warmer Butter versenkt, wäre jetzt sehr zutreffend …
Mein Laptop piept, und ich reiße die Augen auf. Auf dem Bildschirm ist ein Fenster mit den Suchergebnissen aufgepoppt. Eilig ziehe ich die Hand aus meiner Hose und schwanke zum Tisch. Keine Übereinstimmungen, teilt mir das Fenster mit. Was?! Wenn der Typ die Bilder von irgendeiner Schwulenpornoseite oder einem Facebookprofil gezogen hätte, dann müsste es doch wenigstens einen verdammten Treffer geben! Wie können denn diese Fotos nicht im Internet zu finden sein? Wo hat er sie dann her? Mein Herz hämmert. Er sieht doch nicht etwa wirklich so aus? Niemals! Oder?
Okay, dann fange ich jetzt mal mit den grundlegenden Dingen an, so wie sonst auch. Ich google Jonas Faraday, obwohl ich mir beinahe sicher bin, dass er ein Pseudonym benutzt (auch wenn der Club das eigentlich strikt verbietet). Überraschenderweise habe ich sofort zahllose Treffer für einen Jonas Faraday aus Seattle. Ich klicke auf den obersten Link – die Website von Faraday & Sons, Global Investments, LLC, die ihren Hauptsitz in Seattle und mehrere Tochterfilialen in Los Angeles und New York haben. Und da ist er. Bam. Jonas Faraday. Der Adonis höchstpersönlich. Die schönste Kreatur, die ich je gesehen habe. Er steht neben einem anderen hübschen Typen, der ein wenig dunkleres Haar hat, ihm aber sehr ähnelt. Beide in schicken Anzügen. Unter dem Foto steht: Die Geschwister Joshua und Jonas Faraday haben das Erbe ihres verstorbenen Vaters, des Firmengründers Joseph Faraday, angetreten.
Alles klar … Er sieht also wirklich so aus. Um Gottes willen.
Ich mustere das Foto genauer. Sein Bruder wirkt glücklich, ich nehme ihm sein heiteres Lächeln ab. Jonas wiederum starrt so bohrend in die Kamera, dass man nur schwer sagen kann, ob er die Person am Auslöser töten oder verführen will. Ich grinse. Es war garantiert eine Fotografin – was die Frage beantworten würde. Garantiert hat er sie danach mit nach Hause genommen und ihr gezeigt, was echte Ekstase ist.
Ich bin neidisch. Richtig neidisch.
Ich muss an seinen muskulösen Oberkörper denken, sein Sixpack, seine Augen. Seine wohlgeformten Arme und die tätowierten Sprüche darauf. Seine Lippen. Und ich stelle mir vor, wie er »Sarah« in mein Ohr raunt, während er mit mir schläft oder – ha, wem mache ich hier was vor?! – während er mich fickt. Ich stelle mir vor, wie er mich anlächelt, während sein Kopf zwischen meinen Schenkeln steckt. Ich erschauere und nehme noch einen Schluck Wein. Ja, vermutlich verliere ich gerade meinen Verstand. Hab ich vielleicht letztens eine Gehirntransplantation gehabt, an die ich mich jetzt dummerweise nicht mehr erinnern kann? Was ich da denke, ist doch nicht normal! Nicht für mich zumindest. Mein Herz rast. Es rast und es hämmert.
Ich klicke noch mal auf das Porträt, das er angehängt hat, und starre in seine glühenden Augen. Im Gegensatz zu den anderen Aufnahmen meine ich hier eine leichte Traurigkeit zu erkennen. Ob Einsamkeit daran schuld sein mag? Oder einfach Erschöpfung? Was auch immer dahintersteckt, es ist unwiderstehlich. Er sieht hier ganz anders aus als auf den Fotos, auf denen er einen Anzug trägt – irgendwie nackt. Verletzlich. Je länger ich auf sein schwermütiges Gesicht sehe, desto sicherer bin ich mir: Das ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, der Tropfen, der endgültig dafür sorgt, dass ich ihn küssen und berühren will. Mehr noch als nach einem Blick auf sein Selfie mit dem nackten Oberkörper. Sein Blick ist entwaffnend. Und er trifft mich mitten ins Herz.
Plötzlich dämmert mir etwas, eine tief liegende, bislang verborgene Erkenntnis. Ich will wissen, wie es ist, sich komplett in jemandem zu verlieren.
Ich will wissen, wie es sich anfühlt, wenn mein Körper sich von meinem Verstand löst – und sei es auch nur ein einziges Mal. Ich will zucken und beben und zittern und wimmern, und ich will brüllen wie ein Tier – genau so, wie er es beschreibt. Ich will Lust erleben, die sich anfühlt wie Schmerz. Ja, das gebe ich zu. Ich gebe es zu. Und irgendetwas sagt mir, dass Mr Jonas Faraday der Richtige dafür wäre. Zumindest hoffe ich das aus tiefstem Herzen, wenn ich ehrlich sein soll.
Aber was fantasiere ich mir da zusammen, und wozu? Das hier ist ein Mann, der sich eben um die Mitgliedschaft im Club beworben hat, und ich bin seine verdammte Aufnahmeassistentin. Das kann doch nichts werden … Und ich brauche das Geld sehr viel mehr als wildes Tiergebrüll.
Verdammt.
Er hat mir gesagt, ich solle mich anfassen und darüber nachdenken, worauf ich stehe. Na, es gibt keinen Grund, das nicht zu tun. Job hin oder her! Ich stöhne leise auf, schnappe mir die Weinflasche, stürme in mein Schlafzimmer und knalle sofort die Tür hinter mir zu. Wenn ich ihn schon nicht wirklich haben kann, dann muss ich eben die Musik aufdrehen, meine Augen schließen und mir eine Welt ausmalen, in der all das möglich ist.
Der ganze Morgen ist vollgepackt mit Arbeit. Schließlich lande ich mit meinem Managerteam im Konferenzraum, wo ich mit dem einen Ohr einem Anruf meines Bruders aus L.A. und mit dem anderen einem Anruf meines Onkels aus New York lausche, ihre jeweiligen Teams mit eingeschlossen.
»Die neue Übernahme entwickelt sich leider nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben.«
»Ja, aber die Frage ist doch, ob es sich dabei um einen echten Trend oder nur um ein kurzzeitiges Phänomen handelt.«
»Kann jemand das in eine Tabelle eintragen?«
Bla, bla, bla. Nichts als blödes Bla, bla, bla.
Seit ich gestern Abend meine Anmeldung an den Club geschickt habe, kann ich mich überhaupt nicht mehr konzentrieren. Selbst als mich die Supermarktkassiererin angelächelt und gefragt hat, was ich später noch so vorhätte, habe ich nur den Einkauf vom Laufband genommen und gesagt, dass ich ziemlich busy sei. Und das, obwohl sie Piercings hatte – was bedeutet, dass sie unter einem Vaterkomplex leidet. Wann habe ich bitte zuletzt eine solche Frau abblitzen lassen? Für diese Damen habe ich normalerweise eine ganz besondere Schwäche … Aber irgendwie bin ich gerade nicht so ganz bei der Sache.
Wenige Minuten nachdem ich das ausgefüllte Formular abgeschickt hatte, bekam ich eine E-Mail ohne Absender, die mir mitteilte, dass meine Bewerbung von einer Aufnahmeassistentin empfangen und zur weiteren Bearbeitung gespeichert worden sei.
Die Bearbeitungsphase kann bis zu zwei Wochen in Anspruch nehmen. Sie dient der maximalen Sicherheit, Wahrung der Privatsphäre und Zufriedenheit unserer Kunden. Wir danken Ihnen für Ihre Geduld.
Ich war irre sauer, als ich erfuhr, wie lange der Prozess sich noch hinziehen würde. Eigentlich hatte ich gehofft, sofort willkommen geheißen zu werden – so wie in den hawaiianischen Hotels, in deren Lobby man zur Begrüßung einen Mai Tai in die Hand gedrückt bekommt. Wieso sollte sich der Bearbeitungsprozess bitte schön so sehr in die Länge ziehen? Ich hatte jede Frage nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet und mich an alle Anweisungen gehalten; ich bin auch kein Serienkiller, Schwerverbrecher oder Druffi; und den vollen Mitgliedsbeitrag haben sie auch schon bekommen. Bestimmt heimsen sie damit gerade schon ordentlich Zinsen ein. Was zum Teufel braucht dann also noch so viel Zeit?