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Die Liebe ist ein Spiel mit dem Feuer. Medienmogul Reed Rivers hat immer bekommen, was er wollte. Aber erst seitdem er mit Georgina zusammen ist, weiß er, dass echte Liebe unbezahlbar ist. Die angehende Journalistin hat es nicht nur geschafft, ein bisher ungekanntes Feuer in ihm zu entfachen, sie ist auch kurz davor, einen Blick hinter die Schutzmauern zu werfen, die er um sein Privatleben errichtet hat. Als sie herausfindet, wie viel er ihr verheimlicht, und sie ihn dann auch noch mit einer anderen Frau erwischt, verlässt sie ihn. Reed verzehrt sich nach Georgina und will sie um jeden Preis zurückgewinnen. Doch ist er wirklich bereit, sich der Vergangenheit zu stellen? Unglaublich aufregend und verführerisch heiß: das große Finale der mitreißenden Trilogie rund um Reed Rivers aus der Erfolgsreihe »The Club«! Band 1: The Game – Wild Desire Band 2: The Game – Hot Passiion Band 3: The Game – Burning Love »Lauren Rowes Talent hat mich umgehauen. Sie hat die ganze Bandbreite an Emotionen eingefangen: die Ekstase, den Biss und die Schärfe einer Geschichte, die aus Gegnern Liebende macht. Diese leidenschaftlichen Momente ... Ich bin hingerissen von diesem Buch!« PP's Bookshelf »Meisterhaftes Storytelling, tolle Charaktere, Verbindung, Emotionen, Hitze, Humor, ALLES! The Game steht ganz oben auf meiner Liste der denkwürdigen Lektüren!« Sophie, Bookalicious Babes Blog »Beeindruckend, verführerisch, süchtig machend! Ich bin verliebt in diesen Roman! Er bietet alles, was ich in einem Buch brauche.« Keeana, Bookalicious Babes Blog »Lauren hat wieder einmal pure Perfektion abgeliefert, wie nur sie es kann! Dieses Buch hat 10 Sterne verdient!« Tina, Bookalicious Babes Blog »Reed und Georgina sind einfach nur heiß!« Jessie, A Bibliophile's Desire
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Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Christina Kagerer
© Lauren Rowe 2020
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»Beloved Liar« SoCoRo Publishing 2020
© Piper Verlag GmbH, München 2022
Redaktion: Antje Steinhäuser
Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)
Covergestaltung: zero-media.net, München
Coverabbildung: Finepic®, München
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Cover & Impressum
EINS
Reed
ZWEI
Reed
DREI
Georgina
Montag, 19:16 Uhr
VIER
Georgina
FÜNF
Georgina
Dienstag, 13:04 Uhr
SECHS
Reed
Dienstag, 22:12 Uhr
SIEBEN
Georgina
Dienstag, 22:57 Uhr
ACHT
Georgina
Mittwoch, 0:37 Uhr
NEUN
Reed
Mittwoch, 2:35 Uhr
ZEHN
Georgina
Mittwoch, 11:34 Uhr
ELF
Reed
Mittwoch, 15:17 Uhr
ZWÖLF
Georgina
Mittwoch, 16:14 Uhr
DREIZEHN
Reed
Donnerstag, 20:48 Uhr
VIERZEHN
Georgina
Freitag, 21:24 Uhr
FÜNFZEHN
Georgina
Samstag, 14:46 Uhr
SECHZEHN
Reed
Samstag, 16:23 Uhr
SIEBZEHN
Georgina
ACHTZEHN
Reed
NEUNZEHN
Georgina
ZWANZIG
Reed
EINUNDZWANZIG
Georgina
ZWEIUNDZWANZIG
Reed
DREIUNDZWANZIG
Reed
VIERUNDZWANZIG
Georgina
FÜNFUNDZWANZIG
Reed
SECHSUNDZWANZIG
Reed
SIEBENUNDZWANZIG
Reed
ACHTUNDZWANZIG
Reed
NEUNUNDZWANZIG
Georgina
DREISSIG
Reed
EINUNDDREISSIG
Reed
ZWEIUNDDREISSIG
Reed
DREIUNDDREISSIG
Reed
VIERUNDDREISSIG
Georgina
FÜNFUNDDREISSIG
Georgina
SECHSUNDDREISSIG
Reed
SIEBENUNDDREISSIG
Georgina
ACHTUNDDREISSIG
Georgina
NEUNUNDDREISSIG
Reed
VIERZIG
Georgina
Ein Jahr später
EPILOG
Reed
Acht Jahre später
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Es ist ein angenehmer Sonntagnachmittag in den Hollywood Hills. Der perfekte Tag für Hazel Hennessys erste Geburtstagsparty im Garten ihrer Eltern. Das kleine Geburtstagsmädchen sitzt in einem Hochstuhl und trägt einen Body mit der Aufschrift »I’m the Birthday Girl, Bitches!«. Ihre Geburtstagsgäste – alle außer mir – stehen um sie herum und singen »Happy Birthday«, während ihre stolze Mommy mit einem weißen Cupcake mit Elmo darauf hinter ihr steht und ihr lächelnder Daddy das Ganze mit seinem Handy filmt.
Und wo ist Onkel Reed in diesem fröhlichen Moment? An keinem guten Ort. Er sitzt in einer Ecke auf einem Stuhl und schlürft seine dritte Bloody Mary, während er in einem dunklen und stürmischen Meer aus Bedauern untergeht.
Wegen … Georgina.
Es ist jetzt sechzehn Stunden her, seit sie mit ihrer Schwester in dem Taxi davongefahren ist – ohne sich umzuschauen – und mich in einem Schmerz zurückgelassen hat, von dem ich nicht einmal wusste, dass er existiert. Was ich in diesem quälenden Moment empfinde, ist der Schmerz, den Musiker in ihren herzzerreißendsten Liedern besingen. Die Art von Schmerz, über die ich andere Menschen reden und singen gehört und mir sofort gedacht habe: »Komm drüber hinweg, du Weichei. Such dir die Nächste, und es geht dir wieder gut.«
Und jetzt sitze ich hier, schwelge in Selbstmitleid, ertrinke in Bloody Marys und bin mir sicher, dass ich nie »drüber hinwegkommen und mir die Nächste suchen werde und es mir wieder gut geht«.
Mein Handy vibriert in meiner Hand, und ich blicke in der Hoffnung aufs Display, dass es Georgina ist. Aber nein. Es ist Owen, der mir irgendetwas erzählen will, was mich nicht interessiert. Verdammt noch mal! Warum antwortet Georgina nicht auf meine Nachrichten oder Voicemails? Ich meine, ja, ich weiß, warum. Weil Georgina gestern Abend innerhalb weniger Minuten mit Ereignissen befeuert wurde, die sie alles infrage stellen lassen. Kurz hintereinander hat Georgina herausgefunden, dass ich für ihre Unterstützung gezahlt habe, sie hat ihre Stiefschwester schluchzend aus einem der oberen Gästezimmer kommen sehen, nachdem ich ihr einen Vortrag über ihr Demo gehalten habe, und – das Schlimmste von allem – Georgina hat mich dabei entdeckt, wie ich mit Isabel aus der Garage gekommen bin, kurz nachdem ich sie geküsst hatte. In diesem schrecklichen Moment, der mir jetzt immer und immer wieder durch den Kopf geht, hat Georgina Isabels verschmierten Lippenstift und den schuldbewussten Ausdruck in meinem Gesicht gesehen und fälschlicherweise angenommen, dass ich mit Isabel in dieser Garage Sex gehabt und ihr nicht nur einen letzten, dämlichen Abschiedskuss gegeben habe. In Windeseile war Georginas Vertrauen in mich zerschmettert, genau wie ihr wertvolles Herz. Und jetzt zahle ich zu Recht den Preis für meine Dummheit.
Wie aus dem Nichts taucht eine Idee in meinem Kopf auf. Ein Rettungsanker. Eine geniale Idee, die Georgina beweisen wird, dass ich nichts weiter getan habe, als Isabel zu küssen. Diese Idee wird mich in Georginas Augen natürlich nicht vollkommen rehabilitieren, da es natürlich falsch war, Isabel überhaupt anzufassen. Ein Betrug, von dem ich mir wünschte, ich könnte ihn rückgängig machen. Aber zumindest würde diese Idee Georgina davon überzeugen, dass ich in der Garage nicht mit Isabel geschlafen habe. Zumindest würde Georgina nicht mehr denken, dass sie und unsere magische letzte Woche zusammen mir so wenig bedeutet hat, dass ich die erste Gelegenheit genutzt habe, mit meiner Ex zu schlafen. Und zu wissen, dass ich kein derart großes Monster bin, würde Georgina vielleicht etwas besänftigen und hoffentlich den Weg dafür bahnen, dass sie mir schließlich verzeihen kann.
Mein Verstand beginnt, diese Idee zu überdenken. Sie aus jedem Winkel zu beleuchten. Die Pros und Kontras abzuwägen. Und schon bald komme ich leider zu dem Ergebnis, dass es eine Schwachsinnsidee ist. Sie würde mehr Probleme bringen als lösen. Scheiße.
Ich nehme noch einen großen Schluck von meiner Bloody Mary und seufze aus tiefstem Herzen. Ich wünschte nur, Georgina würde mich anrufen – wenn auch nur, um mich wegen der finanziellen Unterstützung auszuquetschen. CeeCee ist immer noch in Bali, also bin ich im Moment Georginas einzige Informationsquelle, was das Geld angeht. Will sie nicht hören, was ich dazu zu sagen habe? Hasst sie mich wirklich so sehr, dass sie meine Stimme nie wieder hören will? Denn wenn das der Fall ist, dann habe ich schlechte Neuigkeiten für sie. Sie ist immer noch für die Sonderausgabe und den Artikel über mich zuständig, und ich bin fest dazu entschlossen, auf ihre beruflichen Verpflichtungen zu bestehen.
Die Partygäste sind beim letzten Ton ihres Liedes angekommen, und ich werfe einen Blick auf Joshs ehemalige Assistentin, T-Rod. Theresa »Tessa« Rodriguez. Jetzt Morgan. Die Frau, mit der ich zehn Jahre lang ins Bett wollte. Sie steht neben ihrem dämlichen Ehemann, Ryan, und hat ein dunkelhaariges Baby auf ihrer Hüfte sitzen, während Ryan die Hand ihres Kleinkindes hält. Sie ist verdammt scharf. Schärfer als je zuvor. Das Muttersein steht ihr definitiv. Aber es gibt keinen Zweifel: Ich will T-Rod nicht. Nicht einmal in meiner Fantasie. Jetzt, da ich hier sitze, weiß ich ohne Zweifel, dass die einzige Frau, die ich will, die einzige Frau, die mein Herz und mein Körper wollen können, Georgina ist.
Das zu erkennen, ist schon überwältigend, wenn man bedenkt, wie lange T-Rod mein Musterbeispiel einer Traumfrau gewesen ist. Aber es ist die nicht zu leugnende Wahrheit. Georgina besitzt mich jetzt. Georgina ist meine neue Traumfrau. Meine Königin. Schon vor dem heutigen Tag habe ich gewusst, dass Georgina mir tief unter die Haut gegangen ist und sich ihren Weg in meinen Blutkreislauf gebahnt hat. Aber jetzt, da ich hier sitze und vergeblich versuche, nach vorne zu schauen, über sie hinwegzukommen und wieder okay zu sein, wird mir etwas Schockierendes klar: Georgina hat sich tief in meinem Herzen eingenistet.
T-Rod und alle anderen um sie herum lachen, also werfe ich einen Blick auf das Geburtstagskind, um zu sehen, was los ist. Hazel hat sich gerade eine Handvoll weißen Zuckerguss ins Gesicht geschmiert. Sie wollte ihren Mund treffen, hat ihn aber offensichtlich verfehlt. Alle finden das total süß. Ich kann es ihnen nicht verübeln. Es ist ein niedlicher Moment. Objektiv gesehen, witzig. Aber mir ist es egal. Denn … Georgina. Wenn sie mich nur anrufen würde, damit ich ihr alles erklären kann!
Ich werfe wieder einen verstohlenen Blick auf T-Rod und bin erstaunt, wie sehr sie mich an Georgina erinnert. Ich wette, Georgina wird in zehn Jahren genauso aussehen. T-Rod ist eine Kristallkugel, die mir zeigt, wie Georgina als Mami aussehen wird. Georgina als Ehefrau.
Aus heiterem Himmel gibt ihr bescheuerter Mann T-Rod einen Kuss, während ich sie anstarre, und wirft mir dann einen bösen Blick zu. Schnell schaue ich weg. War das eine nicht allzu subtile Message an mich? Hat Ryan bemerkt, wie ich seine Frau anstarre, und beschlossen, mir zu zeigen, wem sie gehört? Arschloch. Komm runter, Mann. Ich will deine Frau gar nicht mehr, verdammt. Ich habe mir nur vorgestellt, sie sei jemand anderes. Jemand, der mir mal vertraut hat.
Ach verdammt. Plötzlich kommt mir ein schrecklicher Gedanke. Wenn ich Georgina nicht zurückgewinne, und zwar pronto, wenn ich dieses Schlamassel, das ich verursacht habe, nicht wieder in Ordnung bringe, dann wird Georgina darüber hinwegkommen, nach vorne schauen und wieder in Ordnung sein. Vielleicht sogar schon bald. Und dann, eines Tages, in zehn Jahren, wird sie neben ihrem blöden Ehemann auf einer Kindergeburtstagsparty stehen, ihr Baby auf der Hüfte tragen und von ihrem Mann geküsst werden, wenn er bemerkt, dass irgendein erbärmlicher Versager sie anstarrt. Und in diesem Szenario werde nicht ich Georginas blöder Ehemann sein. Ich werde der erbärmliche Versager sein, der wünschte, sie gehörte ihm.
Testosteron schießt mir durchs Blut. Glühend heiße Eifersucht. Schmerzhaftes Bedauern. Gefolgt von einer riesigen Flutwelle aus Panik. Wenn ich das nicht schnell in Ordnung bringe, wird Georgina den nächsten Mann finden. Sie wird mit einem anderen ins Bett gehen. Sich in einen anderen verlieben. Einen anderen Mann heiraten und mit ihm Babys kriegen.
Plötzlich verwandelt mein Gehirn T-Rod auf der anderen Seite der Veranda in Georgina – wahrscheinlich, um meinen Kopf davon abzuhalten, zu explodieren. Und es verwandelt Ryan in mich. Das ist jetzt mein Baby auf Georginas Hüfte. Nicht das Baby eines anderen Mannes. In meiner Fantasie ist Georgina nach mir nie wieder mit einem anderen Mann ins Bett gegangen. Und sie hat mit Sicherheit auch keinem anderen Arschloch ihre unsterbliche Liebe bekundet. Nein, verdammt. Sie hat mir ihre unsterbliche Liebe versprochen.
Ruhe überkommt mich. Ich will ja gar nicht heiraten und Babys kriegen, nicht einmal mit Georgina. Aber ich will auch nicht, dass sie diese Dinge mit einem anderen Mann erlebt, verdammt.
Ich trinke meine Bloody Mary aus und schaue wieder auf mein Handy. Aber immer noch nichts von Georgina. Nur noch mehr Bullshit von Owen, der mich nicht interessiert.
Ich weiß, ich sollte das nicht tun, aber ich kann nicht anders. Ich tippe eine weitere hilflose Nachricht an Georgina. Und dann antworte ich auch Owen, weil ich sowieso schon am Schreiben bin. Ich schreibe ihm, dass er gefeuert ist – einfach so. Aber es bringt nichts. Nicht einmal, Owen zu »feuern«, betäubt den Schmerz in mir. Das Einzige, was mir jetzt helfen würde, wäre Georginas Name auf meinem Handydisplay.
»Ich habe Nachschub geholt«, sagt eine Stimme, und als ich aufblicke, steht Henn mit zwei Drinks vor mir. Als Reaktion auf das, was er in meinem Gesicht sieht, schaut er mich mitleidig an. »Ach, Reed. Wenn es dir nur halb so schlimm geht, wie du aussiehst, dann mache ich mir ernsthaft Sorgen um dich.«
Henn lässt mir die Wahl zwischen seinen zwei angebotenen Drinks. Als ich den Gin Tonic nehme, setzt er sich mit dem Wodka Soda mir gegenüber. »Willst du denn heute überhaupt nicht an der Party teilnehmen?«
»Es ist das Beste. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand will, dass ich herumlaufe und all die kleinen Kinder erschrecke. Hast du schon Fortschritte mit dem Football-Coach gemacht?«
Henn schaut mich genervt an. »Wann hätte ich das denn bitte machen sollen seit dem letzten Mal, als du mich darum gebeten hast – was gestern Abend auf deiner Party gewesen ist, als ich voll war?«
»Ich glaube, ich werde verrückt, Henn. Ich kann die Tatsache, dass er da draußen ist und ein schönes Leben lebt, ohne für das, was er Georgie angetan hat, zur Rechenschaft gezogen zu werden, nicht ertragen. Sie war siebzehn. Er war ihr Lehrer. Sie hat ihm vertraut.« Wieder einmal stürzen Georginas Worte von letzter Nacht über mich herein: Ich habe dir vertraut, Reed! Und wieder einmal versetzt es meinem Herzen einen schmerzhaften Stich. Ich flüstere: »Ich schwöre, wenn ich diesen Kerl in die Finger kriegen würde und wüsste, dass ich dafür nicht bestraft werde, dann würde ich ihn umbringen.«
Henn verdreht die Augen. »Okay, ich bin mir zu neunundneunzig Prozent sicher, dass du nicht so dumm bist, im Darknet nach einem Auftragskiller zu suchen. Aber nur für den Fall, dass du es doch bist: Tu es nicht. Du würdest dafür bestraft werden. Und was ich so über das Gefängnis gehört habe, würde es dir dort nicht gefallen. Keine ägyptische Baumwollbettwäsche, und das Gemüse – wenn es das dort überhaupt gibt – kommt aus der Dose.« Er seufzt mitfühlend. »Ich werde mir die Sache heute ansehen, okay? Und wenn ich das tue, dann stehen die Chancen sehr gut, dass ich auch etwas finde, das wir gegen ihn verwenden können.«
»Aber ich will nicht nur, dass die Chancen sehr gut stehen, ich will eine Garantie.«
»Wenn das eine andere Umschreibung dafür ist, dass ich Beweise gegen ihn manipulieren soll, dann vergiss es. Du weißt, das würde ich nie tun. Würdest du mir bitte einfach vertrauen? Ich bin fantastisch in dem, was ich tue. Lass mich meine Sache machen, und hör auf, dich wie Tony Soprano aufzuführen.«
Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück. »Ich muss etwas mit dieser rasenden Energie tun. Wenn ich sie nicht dazu verwende, Gates niederzumachen, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als sie dafür zu verwenden, mich darauf zu konzentrieren, was für ein verdammter Idiot ich bin. Und darüber will ich nicht nachdenken. Ich kann nicht glauben, dass ich mir diese Wunden selbst zugefügt habe.«
Henn schaut mich mitleidig an. »Was genau hast du getan? Ich bin verwirrt. In einer Minute hast du Frühstück für Georgina gemacht und mir erzählt, dass sie es wert ist. Und dann erzählt Hannah mir plötzlich, dass Georgina weinend die Party verlassen hat, weil du etwas getan hast.«
Mitten in Henns Rede kommt Josh mit seinem Einjährigen Jack zu uns. »Redet ihr über Georgina?« Er schaut mich an. »Was ist passiert?« Er setzt sich auf einen Stuhl. »Ich verstehe es nicht. In einem Moment machst du eine Arschbombe in den Pool und küsst sie vor allen, und dann erzählt mir Kat, dass du etwas getan hast, das sie zum Weinen gebracht hat.«
Ich stöhne auf. »Ich will nicht darüber reden, Jungs. Es muss genügen, dass ich sage, ich habe es so richtig versaut. Und ich bereue es aus tiefster Seele.«
Da taucht Kat wie aus dem Nichts auf. »Was genau hast du versaut? Spuck’s aus, Reed. Was auch immer du meiner wundervollen Georgina angetan hast, ich könnte dich dafür erwürgen. Ich habe sie gemocht. Ich wollte sie behalten!«
»Ich habe die Jungs gerade wissen lassen, dass ich nicht daran interessiert bin, darüber zu reden.«
»So ein Pech. Erzähl mir alles.«
»Ich habe Neuigkeiten für dich, Kitty Kat. Das ist nicht mein Ring an deinem Finger.« Ich deute auf das Baby auf Joshs Schoß und dann auf Kats Babybauch. »Und das sind nicht meine Kinder. Was bedeutet, ich muss dir einen Scheißdreck erzählen.«
Kat zuckt nicht einmal mit der Wimper. Das Mädchen ist schließlich mit vier Brüdern groß geworden. Außerdem hat sie schon vor langer Zeit gelernt, wie sie mich nehmen muss, wenn ich mal wieder eine meiner schlechten Launen habe. »Es ist nur in deinem Interesse, mir alles zu erzählen. Hast du vergessen, dass Georgina in meinem Haus wohnen wird, wenn sie nach Seattle kommt, um Dax und die Goats zu interviewen? Wenn also dein Name fällt – was der Fall sein wird, weil es das ist, was Frauen tun: Wir schimpfen über die Idioten, die wir lieben –, möchtest du dann nicht, dass ich auch deine Seite der Geschichte kenne, damit ich vorsichtig versuchen kann, Georgina in Richtung Vergebung zu lenken?«
Gespielt schockiert, sagt Josh: »Moment mal, ihr Frauen schimpft über die Idioten, die ihr liebt?«
»Ach, Süßer.« Kat klopft ihrem Mann auf den Oberschenkel. »Das ist unsere Lieblingsbeschäftigung.«
Verdammt, ich glaube, Kat hat recht. Sie ist in der Position, Georginas Meinung über mich zu beeinflussen. Außerdem ähneln Kats hitziges Temperament und ihre Persönlichkeit sehr Georginas. Kat ist neben Georgina der einzige Mensch, den ich kenne, der so talentiert darin ist, Leute um den Finger zu wickeln, ganz abgesehen davon, ihnen lächelnd ein zweites Arschloch zu verpassen. Wenn ich darüber nachdenke, sollte ich Kat vielleicht als meine Stellvertreterin dafür benutzen, die beste Strategie herauszufinden, Georgina wieder zurückzugewinnen.
»Na gut. Ich werde euch alles erzählen. Aber das bleibt unter uns, Jungs.« Ich schaue Henn an. »Du kannst es natürlich Hannah erzählen.« Dann beginne ich, Kat und meinen zwei besten Freunden die ganze Geschichte zu erzählen. Alles von der Podiumsdiskussion bis zu dem Geld für die Stiftung und wie es zu meiner Unterhaltung mit Alessandra und meinem bedauerlichen Kuss mit Isabel in der Garage kam. »Die Ironie ist«, erkläre ich zum Abschluss, »dass der Kuss mit Isabel mir klargemacht hat, dass ich nur Georgina will.«
Kat schnaubt. »Viel Glück dabei, Georgina davon zu überzeugen.«
»Warum? Ist es nicht die Wahrheit?«
»Vielleicht, aber das sagen Betrüger immer, nachdem sie erwischt worden sind. ›Ja, Baby, ich habe dich betrogen. Aber es hat mir nur klargemacht, dass ich nur dich liebe.‹«
Ich lasse die Schultern hängen.
Kat fragt: »Vor der Party – habt ihr euch da gesagt, dass ihr euch liebt?«
»Nein. Ist das gut oder schlecht für mich?«
»Das ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite – wenn du die magischen Worte zu Georgina schon gesagt hättest, bevor du sie betrogen hast, würde sie denken, diese Worte haben dir nichts bedeutet.«
»Müssen wir es so nennen … dass ich Georgina betrogen habe? Ich finde das etwas übertrieben für das, was ich eigentlich getan habe. Es war nichts weiter als ein dummer Abschiedskuss.«
»Es war Betrügen, Reed.«
Ich werde immer kleiner auf dem Stuhl.
»Wie ich schon sagte«, fährt Kat fort, »es ist gut, dass du das L-Wort noch nicht zu Georgina gesagt hast, bevor du sie betrogen hast. Das erspart dir, dass Georgina denkt, die Worte seien wertlos für dich. Aber auf der anderen Seite, wenn du ihr jetzt sagst, dass du sie liebst, nachdem du sie betrogen hast, dann wird Georgina denken, du sagst es nur, um sie zurückzugewinnen.«
Ich hole tief Luft. »Das hilft mir überhaupt nicht. Worauf willst du hinaus? Dass ich Georgina jetzt nie werde sagen können, dass ich sie liebe? Dass ich es für immer versaut habe?«
Kats Gesichtsausdruck erhellt sich. »Du liebst sie also tatsächlich?«
Ich halte inne. Ich habe noch nie zu einer Frau gesagt, dass ich sie liebe. Ich habe gesagt »Du machst mich wahnsinnig« und »Ich kann nicht genug von dir kriegen« und »Ich mag dich«. Aber in diesem Moment gibt es keinen Zweifel daran, dass das Wort »Liebe« – und nichts anderes – die einzig richtige Beschreibung für meine einzigartigen Gefühle, die ich für Georgina habe, ist. »Ja, ich liebe Georgina, wie ich noch nie zuvor jemanden geliebt habe.«
Kat fasst sich ans Herz. »Ach, Süßer.« Sie schaut mich einen Moment lang mitfühlend an, bevor ihr Gesicht sich wütend verzieht. Sie haut mir auf die Schulter. »Was zum Teufel stimmt nicht mit dir, Reed? Warum bist du überhaupt mit Isabel in die Garage gegangen?«
Was zum Teufel stimmt nicht mit mir? Diese Frage stellen mir Frauen schon mein ganzes Leben lang. Und ich habe auch jetzt keine Antwort darauf. »Wie soll mir das helfen?«, flüstere ich. »Du hast gesagt, ich soll dir alles erzählen, damit du Georgina für mich überzeugen kannst, mir zu vergeben. Mich jetzt wegen meiner Dummheit fertigzumachen, ist nicht besonders hilfreich.« Ich wedle mit der Hand durch die Luft. »Weißt du, was? Vergiss es. Ich werde selbst eine Lösung finden.« Ich stehe auf. »Jemand, der nicht betrunken ist, soll mich bitte sofort zu Georgie nach Hause fahren. Sie ist bestimmt in der Wohnung ihres Vaters im Valley. Ich werde jetzt zu ihr fahren und ihr sagen, dass ich sie liebe, und sie zurückgewinnen.«
Kat steht auf und deutet auf meinen Stuhl, als würde sie einem ungezogenen Hund Befehle erteilen. »Setz dich hin, du ahnungsloser, impulsiver, betrunkener Dummkopf! Willst du, dass Georgina dahinschmilzt oder dich böse ansieht, wenn du ihr die magischen Worte zum ersten Mal sagst?«
»Ich will, dass sie dahinschmilzt«, gebe ich leise zu.
»Dann setz dich hin.«
Niedergeschlagen lasse ich mich auf den Stuhl sinken.
»Du kannst Georgina nicht sagen, dass du sie liebst, solange du bei ihr noch in Ungnade stehst, weil sie dir dann nicht glauben wird. Sie vertraut dir nicht mehr, Reed. Du musst dir ihr Vertrauen erst wieder erarbeiten, bevor du ihr diese magischen Worte sagen kannst.«
»Aber wann wird sie mir denn wieder vertrauen?«, rufe ich, und als ich mich umsehe, wird mir klar, dass ich das viel zu laut gesagt habe. Ich beuge mich nach vorn und flüstere: »Wie soll ich mich bei Georgie wieder beliebt machen, wenn sie mich nicht einmal zurückruft? Hilf mir, Kat, verdammt noch mal!«
Kat schaut Josh an. »Hast du ihn schon jemals so mitleiderregend gesehen?«
»Nicht annähernd.«
Sie legt ihre Hand auf meine. »Okay, Reed. Ich werde dir helfen. Aber du musst mir in die Augen schauen und schwören, dass du Isabel in der Garage nur geküsst hast und nichts weiter.«
Ich blicke Kat in die strahlend blauen Augen. »Ich schwöre auf mein Leben. Auf das meiner Mutter. Auf das meines Neffen.«
Jetzt glaubt mir Kat ohne jeglichen Zweifel. Denn sie weiß, dass ich trotz all meiner Fehler und Schwächen nie auf das Leben meines geliebten Neffen schwören würde, wenn es nicht die Wahrheit ist.
»Okay«, meint sie entschlossen. »Dann lass uns überlegen, wie du Georgie zurückgewinnen kannst.«
»Oh, Gott sei Dank. Danke, Kat. Gott segne dich.«
Kat tippt sich auf das kleine Grübchen in ihrem Kinn. »Okay, zuerst ist es wichtig, dass du begreifst, dass der Kuss deine größte Hürde ist. Ich bin mir sicher, du warst ein bisschen schroff zu Alessandra, so wie ich dich kenne. Aber ich denke auch, dass Georgie mit ihrer Stiefschwester reden und herausfinden wird, was du wirklich zu ihr gesagt hast, im Gegensatz zu dem, was sie glaubt, dass du gesagt hast. Und dann wird sie es dir verzeihen.«
»Ja, das denke ich auch. Mit der Geldzuwendung wird es ähnlich sein.«
»Da stimme ich dir zu. Ich bin mir sicher, gestern Abend hat sich Georgina wegen des Geldes hintergangen gefühlt – verständlicherweise –, und jetzt malt sie sich das schlimmste Szenario mit dir und CeeCee aus. Aber irgendwann wird sie mit CeeCee reden und herausfinden, was wirklich passiert ist. Dann wird sie dir auch das verzeihen. Dann wird sie dir sogar dankbar sein.«
Plötzlich schöpfe ich neuen Mut. »CeeCee ist immer noch in Bali. Aber ich werde ihr jetzt schreiben …« Ich ziehe mein Handy hervor. »Und ihr sagen, dass sie in der Sekunde, in der sie landet, Georgina anrufen und ihr sagen soll …«
»Nein, nein, du dummer Mann!«, ruft Kat und reißt mir das Handy aus der Hand. »Georgina muss CeeCee von sich aus kontaktieren. Und wenn sie das tut, muss CeeCee ehrlich sagen können, dass sie noch nicht mit dir darüber gesprochen hat. Andernfalls wird Georgina denken, du hättest die Zeugin beeinflusst. Hör zu, ich weiß, du bist ein Kontrollfreak, der gerne selbst die Fäden zieht. Aber dieses Mal musst du diesem Impuls widerstehen und darauf vertrauen, dass die Wahrheit von selbst ans Licht kommen und dich befreien wird.«
»Und was ist mit dem Kuss? Wie überzeuge ich Georgina davon, dass ich ihr in dem Fall auch die Wahrheit sage? Und wie bringe ich sie dann dazu, mir zu verzeihen?«
Kat verzieht den Mund. »Ja, das ist schon schwieriger. Selbst wenn du Georgina davon überzeugen kannst, dass es nur ein Kuss war, wird sie denken, dass du nur Blödsinn redest, wenn du ihr sagst, dass es dir klargemacht hat, dass du nur sie willst.«
»Aber nichts ist unmöglich, richtig? Komm schon, Kat. Du denkst wie Georgina. Du bist eine hitzige Psychopathin, genau wie sie. Eine Ausgeburt des Teufels.«
»Danke.«
»Also, lass uns deinen brillanten, teuflischen Verstand dazu benutzen, Georgie zu lenken. Sag mir, was bei dir in dieser Situation funktionieren würde.«
»Wenn Josh der Idiot wäre, der seine Ex-Freundin in einer Garage geküsst hätte?«
»Ja.«
Sie sieht Josh an. »Wenn Josh seine Ex während seiner Party in einer Garage geküsst hätte, als unsere Beziehung noch am Anfang stand und wir das gegenseitige Vertrauen noch aufbauen mussten, wenn ich eine Woche lang in seinem Haus gewohnt und mich Hals über Kopf in ihn verliebt hätte, und ich ihm Dinge erzählt hätte, die ich noch nie jemandem sonst erzählt habe …? Hm.« Sie tippt sich gedankenverloren an ihr Grübchen. »Das ist eine krasse Sache, Reed. Ich will ehrlich sein.«
Ich stöhne schmerzerfüllt auf und ziehe mich zusammen. »Es klingt so schlimm, wenn du es laut aussprichst.«
Kat zuckt mit den Schultern. »Ich denke, wenn die Situation exakt so wäre wie beschrieben, dann gäbe es nur eine Lösung. Es gäbe nur eins, das Josh tun könnte, um auch nur den Hauch einer Chance zu haben, mich zurückzugewinnen.« Sie macht eine dramatische Pause. »Um Gnade winseln. Reed, glaub mir, du musst so jämmerlich um Gnade winseln, wie du es noch nie zuvor getan hast. Es ist die einzige Möglichkeit.«
Ich werfe resigniert die Hände nach oben. »Das habe ich bereits getan! Wiederholt. Und es hat nicht funktioniert.«
»Wie meinst du das, das hast du bereits getan? Das ist unmöglich.«
»Ich habe letzte Nacht um Gnade gewinselt! Die ganze Zeit, als ich Georgina von der Garage in mein Haus gefolgt bin, nach oben in ihr Zimmer, runter zur Eingangstür, quer über meine Einfahrt bis zu meinem Eingangstor! Ich habe um Gnade gewinselt wie ein jämmerlicher Idiot, verdammt!«
Kat schnaubt. »Das war nicht um Gnade winseln! Das war Erklären. Entschuldigen. Vielleicht Flehen und Betteln. Aber richtig um Gnade winseln braucht seine Zeit. Es braucht große Gesten. Du musst dich so lange selbst erniedrigen, bis die Frau weiß, dass du sie wirklich zurückgewinnen willst. Sie muss sehen, dass du bereit bist, auf Händen und Füßen vor ihr zu kriechen, über einen längeren Zeitraum hinweg. Du musst so um Vergebung bitten und betteln, dass ohne Zweifel klar wird, dass du bereit bist, dein Ego komplett zu opfern, um sie zurückzugewinnen!«
Ich werfe einen Blick zu Josh, der mit den Schultern zuckt und mir bedeutet, dass er sich seiner Frau in dieser Sache fügt. Aber ich kann mich auf diesen Irrsinn nicht einlassen. Ja, ich bin bereit, alles zu tun, um Georgina zurückzugewinnen. Aber nur, solange es vernünftig ist. Ich werde mich überschwänglich bei ihr entschuldigen. Ich werde Georgina um Verzeihung anflehen. Aber ich kann nicht meine komplette Persönlichkeit ändern! Ich bin Reed Rivers. Ein Kämpfer. Ein Überlebenskünstler. Ein Draufgänger. Ich bin ein Mann, der seinen Namen aus der Schmach gezogen und ihm Ehre verliehen hat – von dem Kreuz, das er zu tragen hatte, bis hin zu einem Designer-Plattenlabel. Ich bin kein Mann, der auf die Art und Weise um Gnade winselt, wie Kat es beschreibt. Und selbst wenn ich so ein Mann wäre, warum sollte ich das tun, wo ich mir sicher bin, dass es nicht funktioniert? Georgina hat sich letzte Woche genauso in mich verliebt, wie ich mich in sie verliebt habe, da bin ich mir sicher. Was bedeutet, um sie zurückzugewinnen, kann ich mich nicht in einen Kerl verwandeln, den sie nicht wiedererkennt – in eine wimmernde Version meiner selbst ohne jegliches Selbstbewusstsein und Stolz. Das Einzige, was wochenlanges um Gnadewinseln bringen würde, wäre, dass Georgina den Respekt vor mir verliert. Und das würde mir am Ende überhaupt nicht helfen.
Wieder ploppt die gleiche Idee wie vorhin in meinem Kopf auf – die Idee, die mich rehabilitieren könnte und vielleicht meine beste Option ist. Aber sofort verwirft mein Verstand die Idee aus denselben Gründen wie zuvor. Nein. Das ist nicht die Lösung. Aber um Gnade winseln auch nicht. Was ich tun muss, ist, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und was ist das Wesentlichste, das ich über das Leben weiß? Jeder hat seinen Preis. Alles, was ich tun muss, um Georgina zurückzugewinnen, ist, ihren Preis in dieser speziellen Situation herauszufinden. Ich gebe zu, das ist eine schwierige Angelegenheit, wie Kat gesagt hat. Aber ich werde es trotzdem schaffen. Ich werde ihren Preis herausfinden, was immer der auch ist. Und wenn ich das geschafft habe, werde ich ihr den Preis zahlen. Ich werde sie damit bestechen. Und genauso wird Reed Rivers, der Mann mit der Gabe des Midas, spielen und dieses spezielle Schachspiel gewinnen.
»Georgie!«, flüstert Dad und reibt meinen Arm. Die Matratze in meinem Bett senkt sich unter seinem Gewicht. »An der Tür steht ein Bote. Er sagt, er hat einen Hometrainer für dich. Hat er die richtige Adresse?«
»Oh. Äh.« Ich reibe mir die Augen und blicke aus dem Fenster. Es dämmert schon, ist fast schon dunkel. Wann ist das denn passiert? Als ich ins Bett gegangen bin, war es kurz nach Mittag. »Ja, äh, das Fahrrad gehört mir. Es war ein Geschenk.«
Dad runzelt die Stirn – ein sicheres Zeichen dafür, dass er weiß, dass das Rad nicht billig war.
»Es ist von meiner Chefin«, füge ich schnell hinzu. »CeeCee Rafael schenkt jedem neuen Praktikanten so ein Gerät. Sie sagt, es hilft bei der Produktivität.« Ich hasse es, meinen Vater anzulügen, aber ich habe keine andere Wahl. Auf keinen Fall werde ich ihm erzählen, dass das Rad ein Geschenk vom CEO von River Records war.
Dad macht die Nachttischlampe neben meinem Bett an. »Das ist eine ziemlich große Sonderzulage, vor allem für eine Sommerpraktikantin.«
»CeeCee ist sehr großzügig.«
Dad schaut mich einen langen Augenblick an, und sein Blick verrät mir, dass er weiß, dass ich Blödsinn rede. Aber was immer er auch denkt, er sagt es nicht. Stattdessen steht er auf und kündigt an: »Dann nehme ich die Lieferung entgegen. Ich dachte wirklich, es müsse eine Verwechslung sein.«
»Nein, es gehört mir.«
Als Dad das Zimmer verlässt, nehme ich mein Handy, um die Uhrzeit zu checken. Aber es ist immer noch ausgeschaltet. Ich habe es vor zwei Tagen ausgemacht, als ich auf dem Rücksitz dieses Taxis gesessen bin – gleich nachdem ich panische Voicemails und Nachrichten von Reed bekommen habe –, und es seitdem nicht mehr eingeschaltet.
Als mein Handy zum Leben erwacht, erscheint auf dem Display eine lange Liste an Nachrichten und Voicemails, viele davon von Reed. Mit verkrampftem Magen gehe ich die Nachrichten durch und ignoriere die von Reed, bis ich zu einer von Alessandra gelange.
Bin gut in Boston gelandet. Ich hoffe, dir geht es besser. Ich liebe dich.
Ich tippe eine Antwort.
Ich bin gerade erst aufgewacht. Nachdem ich dich heute Vormittag zum Flughafen gefahren habe, bin ich direkt ins Bett gegangen. Mach dir keine Sorgen. Ich habe beschlossen, jetzt nicht mehr zu leiden. Ich liebe dich auch und ruf dich morgen an.
Als Nächstes öffne ich eine Nachricht von Zasu, meiner Co-Schreiberin für die Sonderausgabe.
Ich habe für Mittwoch, 14 Uhr ein Treffen mit CeeCee ausgemacht, damit wir die Interviews besprechen können, die wir klargemacht haben. Es war schwer, an diesem Tag einen Termin in CeeCees Kalender zu bekommen, da es ihr erster Arbeitstag nach dem Urlaub ist, also wird es ein kurzes Meeting werden. Sei auf jeden Fall supergut vorbereitet mit deinen Präsentationen!
Ich schreibe Zasu zurück, dass ich für Mittwoch bereit bin.
Dann kommt eine Nachricht von Margot, CeeCees Assistentin.
Hier sind drei Kartons aus dem Gericht für dich angekommen. Ich habe sie in den Konferenzraum D gestellt.
Ich antworte Margot, danke ihr für die Info und teile ihr mit, dass ich morgen, am Dienstag, ins Büro kommen und die Kartons durchgehen werde.
Und schließlich ist da noch eine Nachricht von Kat Faraday, die mir ein paar mögliche Daten für meinen Trip nach Seattle nennt. Eins schon am Ende dieser Woche. Ich antworte Kat, dass es mich sehr gefreut hat, sie am Samstag kennengelernt zu haben, und dass ich es kaum erwarten kann, sie wiederzusehen. Ich schreibe:
Lass uns mal den Freitag für mein Interview in Seattle im Auge behalten. Wenn ich mich am Mittwoch mit meiner Chefin getroffen habe, bestätige ich dir den Termin.
Und das ist alles in meinem Posteingang … abgesehen von dem Dutzend Nachrichten und Voicemails von Reed. Schwer seufzend bereite ich mich auf den Blödsinn vor, den ich jetzt lesen werde, und öffne seine erste Nachricht. Sie wurde, nur ein paar Minuten nachdem ich mit Alessandra ins Taxi gestiegen bin, abgeschickt.
Aber bevor ich mehr als zwei Wörter lesen kann, streckt Dad seinen Kopf ins Zimmer. »Ich habe den Kerl das Rad ins Wohnzimmer stellen lassen. Ich dachte, ich könnte es vielleicht auch mal ausprobieren, wenn es dir recht ist.«
»Natürlich. Viel Spaß.«
Dad tritt ein, stellt sich neben mich und schaut mich alarmiert an. Er verschränkt die Arme vor der Brust. »Das ist ein wirklich gutes Rad, Georgina Marie.«
Oh-oh. Es ist nie ein gutes Zeichen, wenn Dad meinen zweiten Namen benutzt. »Mm-hmm. Meine Chefin ist wirklich großzügig.«
Dad setzt sich auf die Bettkante. »Bist du dir sicher, dass es keine Entschuldigung von demjenigen ist, wegen dem du dich die letzten zwei Tage im Bett verkrochen und geweint hast?«
Verdammt. Jedes Mal, wenn ich in den letzten zwei Tagen geweint habe, habe ich mir das Kissen über den Kopf gezogen. Die verdammten dünnen Wände in dieser Wohnung.
Dad streichelt mir übers Haar. »Ich weiß, dass du versucht hast, dein Weinen zu verbergen, aber ich habe es trotzdem gehört. Willst du darüber reden?«
Ich hole tief Luft. »Tut mir leid, Dad. Ich habe dich wegen dem Rad angelogen. Es ist wirklich von einem Typen, den ich sehr gemocht habe.« Nein, von einem Typen, den ich geliebt habe, glaube ich. Aber natürlich würde ich das nie laut sagen. Ich fahre fort: »Ich dachte, dieser Typ mag mich genauso wie ich ihn. Aber wie sich herausgestellt hat, war das nicht der Fall. Er hat mich auf einer Party am Samstagabend abblitzen lassen. Deshalb bin ich nach Hause gekommen und habe mir die Augen aus dem Kopf geheult.«
»Ach, Liebes.« Dad nimmt meine Hand. »Du kannst nicht zulassen, dass du dich wegen eines Kerls, der dich abblitzen lässt, zwei Tage lang weinend im Bett verkriechst. Das ist dasselbe, was du getan hast, als dieser dämliche Basketballspieler dir das Herz gebrochen hat. Du bist für ein Wochenende nach Hause gekommen und hast dir die Augen aus dem Kopf geheult. Und davor ist dasselbe in deinem letzten Jahr auf der Highschool passiert, nur schlimmer. Da hast du dich eine ganze Woche lang im Bett verkrochen, nur weil dir irgend so ein Mistkerl das Herz gebrochen hat.«
Mir wird ganz schlecht bei dem unwissentlichen Bezug meines Vaters auf Mr Gates und die Art und Weise, wie ich mich zurückgezogen habe, nachdem er mich belästigt hat. Eine ganze Woche nachdem Mr Gates seine Zunge in meinen Hals und seine Finger in meinen Körper geschoben hatte, funktionierte ich sprichwörtlich nicht mehr. Ich konnte weder schlafen noch essen noch mich konzentrieren. Ich konnte nichts gegen die Tränen tun, die mir die Wangen hinabliefen, oder gegen den Knoten in meinem Bauch. Also habe ich mich im Bett verkrochen und meinem Vater erzählt, ich hätte die Grippe. Aber als er gesagt hat: »Das ist keine Grippe. Ist irgendetwas mit einem Typen passiert?«, habe ich einfach genickt und nichts weiter erzählt.
Dad fährt fort: »Damals in der Highschool hattest du gerade deine Zusage für die UCLA bekommen! Du hättest auf Wolke sieben sein sollen. Aber stattdessen hast du dich eine ganze Woche lang im Bett verkrochen und dir wegen eines dummen Kerls die Augen aus dem Kopf geheult.«
Ich verspüre eine Würgereiz. Mir dreht es regelrecht den Magen um. »Ich will nicht darüber reden, Dad. Bitte.«
Dads Gesichtszüge werden weicher. »Ich will dich nicht traurig machen. Ich will damit nur sagen, dass du dich nicht immer derart von den Männern runterziehen lassen darfst.«
»Das tue ich nicht immer. Du übertreibst maßlos.«
»Ich will nur sagen, dass es noch viele Fische im Meer gibt. Und wenn dieser letzte Kerl nicht klug genug ist, dich zu wollen, dann hast du Glück, ihn jetzt los zu sein. Ciao, stronzo, richtig? Zeit, nach vorne zu schauen.«
Trotz meines mulmigen Gefühls im Magen kann ich nicht anders, als zu grinsen, als mein Vater den Lieblingsausdruck meiner Mutter zitiert. Wörtlich übersetzt heißt Ciao, stronzo Auf Wiedersehen, Arschloch. Aber Mom hat es immer im weiteren Sinne gemeint, nicht nur in Bezug auf Menschen. Es war ihre Art zu sagen »Und tschüss« oder »Mit dir bin ich fertig« zu jedem Menschen, jedem Ort oder jedem Ding, auch wenn es nur ein nicht funktionierender Dosenöffner war, der ihr den Nagel abgebrochen hat.
Ich blicke auf den Ehering meiner Mutter an meiner Hand hinab und höre ihre starke Stimme, die mir sagt, dass ich Reed vergessen soll: Ciao, stronzo.Er hat dich betrogen, Liebes. Er dachte, er könnte dich mit dem Geld kaufen.
Aber es hilft nichts. Mein Kopf kann zwar die Stimme meiner Mutter, die mir helfen will, nach vorne zu schauen, verarbeiten. Aber mein Herz will immer noch Reed, trotz alledem. Ich hätte schwören können, er hat sich in der vergangenen Woche genauso in mich verliebt wie ich mich in ihn. Mein Verstand wusste, dass es eine weit hergeholte Vermutung war, wenn man bedenkt, wie viele Frauen er schon hatte und wie oft er in der Öffentlichkeit verkündet hat, für immer Junggeselle zu bleiben. Aber trotzdem, mein Herz war sich so sicher, dass er dieselben Gefühle für mich entwickelt hatte.
Dad streicht mit der Fingerkuppe über meine Wange. »Was ist mit deinem Job?«
»Was soll damit sein?«
»Hat niemand erwartet, dein hübsches Gesicht heute im Büro zu sehen? Es ist Montag.«
»Nein. Mach dir keine Sorgen, Dad. Ich werde meine Arbeit nicht vernachlässigen. Ich habe Samstagnacht und Sonntagvormittag gearbeitet, also hat Zasu mir gesagt, ich solle Sonntag und Montag freinehmen. Ich habe dem Büro gerade erst geschrieben, dass ich morgen kommen und mir einige Dokumente ansehen werde.«
Dad sieht erleichtert aus.
»Außerdem erwartet niemand beim Rock ’n’ Roll, mein Gesicht zu sehen – außer es gibt ein spezielles Meeting. Sie wissen, dass ich diesen Sommer größtenteils außer Haus arbeiten werde. Oder bei mir zu Hause oder an einem Schreibtisch, der bei River Records für mich bereitgestellt wurde.«
»Da wir gerade von zu Hause sprechen, wo ist das jetzt eigentlich? Du hast mir den Namen deines Hotels gar nicht geschrieben. Du weißt, ich weiß gerne, wo du dich aufhältst.«
»Ach ja, ich bin letzte Woche bei meiner Kollegin Zasu gewesen.«
»Dann schreib mir doch bitte mal die Adresse auf, okay?«
Mist. Ich glaube, ich bin eine Soziopathin. Über die Jahre hinweg habe ich meinen Vater ab und zu angelogen. Einfach, weil er immer ziemlich streng mit mir war und Mädchen ihren Spaß haben wollen. Aber ich habe meinen Vater nie bei wichtigen Dingen angelogen. Und ich habe ihn sicher noch nie so schnell hintereinander angelogen.
Ich drücke die Hand meines Vaters. »Mach dir keine Sorgen um mich, okay? Mein Job ist wundervoll. Und ich werde in den nächsten Wochen ziemlich viele coole Interviews mit berühmten Künstlern machen. Eins davon schon diesen Freitag in Seattle, wenn mir meine Chefin am Mittwoch grünes Licht gibt.«
Dads Gesichtsausdruck erhellt sich. »Irgendwelche Künstler, die ich kennen könnte?«
»Erinnerst du dich an diese Sendung, die ich immer geschaut habe? It’s Aloha! auf Disney-Channel?«
»Ja klar. Die hast du geliebt.«
»Aloha Carmichael ist jetzt ein Popstar bei River Records unter Vertrag, und ich werde sie interviewen.«
Dad flippt völlig aus.
»Hast du schon mal etwas von Laila Fitzgerald gehört?«
Dad schüttelt den Kopf.
»Oh. Dann wird es dich wahrscheinlich nicht interessieren, wenn ich dir sage, dass ich sie auch interviewen werde. Wie sieht es mit der Rockband 22 Goats aus?«
Dad schüttelt wieder den Kopf. »Sie heißen 22 Goats? Wie die Ziegen?«
»Ja. Und sie sind super berühmt, Dad. Wenn meine Chefin Ja sagt, werde ich am Donnerstag nach Seattle fliegen und sie am Freitag interviewen.«
»Besteht die Band aus zweiundzwanzig Menschen?«
Ich kichere. »Nein, nur aus drei. Du weißt doch, wie willkürlich Namen sein können.«
»Das stimmt. Was zum Teufel ist ein Led Zeppelin?«
Wir unterhalten uns noch ein bisschen über sinnlose Bandnamen, und mit jeder Minute wird meine Laune besser.
»Mach dir keine Sorgen, Dad. Ich weiß, dass dieser Job eine einmalige Chance in meinem Leben ist. Ich verspreche, ich werde es nicht vermasseln. Wegen niemandem. Schon gar nicht wegen eines dummen Kerls, der mich nicht so liebt, wie ich ihn liebe.«
Dad macht ein trauriges Gesicht. »Oh, mir war nicht klar, dass du diesen Kerl geliebt hast.«
Verdammt, wie hatte mir das rausrutschen können? »Ich dachte, ich hätte es.«
»Ach, Süße, es tut mir leid.«
Ich zucke mit den Schultern und erwidere nichts. Denn … was gibt es da noch zu sagen? Ich war eine Idiotin, mein Herz an Reed Rivers zu verlieren – egal, wie man es dreht und wendet.
Dad meint: »Dann ist dieser stronzo ganz offensichtlich mehr als dumm. Er ist verrückt.«
»Es ist das Beste so«, sage ich und versuche damit, mehr mich selbst als ihn zu überzeugen. »Ich sollte mich auf meine Karriere konzentrieren und nicht versuchen, irgendeinen dummen, verrückten Kerl dazu zu bringen, sich in mich zu verlieben.«
»Amen. Konzentriere all deine Energie auf dein Praktikum und die Anstellung für dieses Magazin, für das du schon immer arbeiten wolltest.«
»Genau das werde ich tun.« Ich setze mich aufrecht hin. »Ich glaube, ich werde mich sofort wieder an die Arbeit machen.« Ich deute auf den Karton in der Zimmerecke – den mit den drei Klageschriften, die ich aus dem Gericht mitgenommen habe. Ich wollte schon seit einer Weile die dritte Klageschrift lesen, die gegen Reed erhoben wurde – die von Troy Eklund wegen Vertragsbruch, Betrugs und Körperverletzung –, aber ich hatte noch keine Zeit dazu. »Könntest du mir den Karton geben? Da gibt es etwas, was ich unbedingt lesen möchte, und es gibt keine bessere Zeit als das Hier und Jetzt.«
»Nein. Du wirst jetzt etwas essen und das, was in dem Karton ist, später lesen.«
»Nein, ich werde später essen. Ich will die momentane Energie ausnutzen.«
»Was hast du heute schon gegessen, Georgina Marie?«
Schon wieder mein zweiter Name? »Ich hatte heute Morgen einen Kaffee, als ich Alessandra zum Flughafen gebracht habe. Und eine Banane.«
»Das ist alles?«
Ich nicke und verziehe das Gesicht.
»Das habe ich mir schon gedacht. Dein Appetit ist immer das Erste, was verschwindet, wenn du traurig bist. Nun ja, du hast Glück, Amorina. Ich habe heute Fleischbällchen gemacht.«
Ich recke die Faust in die Luft, und Dad schmunzelt. Er weiß nicht immer, wie er mit mir über meine Gefühle reden soll, auch wenn er es versucht. Er weiß nicht immer, wie er mich am besten trösten kann, wenn es mir schlecht geht. Aber der Mann weiß ganz bestimmt, was er mir zum Essen geben muss.
»Ich werde uns ein paar Fleischbällchen-Sandwiches zubereiten«, sagt Dad. »Während du unter die Dusche hüpfst und dir einen frischen Pyjama anziehst.«
»Abgemacht.« Ich umarme ihn. »Danke, Daddy. Du bist der Beste.«
Dad küsst mich auf die Wange. »Ich weiß, du wünschtest dir, Mami wäre hier, um mit dir über diese Sachen zu reden. Und ich kann es dir nicht verübeln. Aber ich bin hier. Jederzeit. Wenn du reden willst.«
»Danke.«
»Und jetzt geh unter die Dusche, während ich uns Abendessen mache.«
»Ich werde nach dem Abendessen duschen. Ich muss noch schnell ein paar Nachrichten und Voicemails durchgehen.«
»Na gut.« Dad erhebt sich vom Bett und deutet auf den Karton in der Ecke. »Hauptsache, du fängst noch nicht an, das zu lesen. Ich weiß, wie konzentriert du bist, wenn du arbeitest. Dann vergehen zwei Stunden, ohne dass du es überhaupt bemerkst.«
»Ich werde nur die Nachrichten lesen und die Voicemails anhören, und dann komme ich gleich runter.«
»Braves Mädchen.«
Dad küsst mich auf die Stirn und geht aus dem Zimmer. In der Sekunde, in der er die Tür hinter sich schließt, nehme ich mein Handy und bereite mich auf die bescheuerten Erklärungen und Entschuldigungen vor, die Reed mir in den letzten zwei Tagen hinterlassen hat. Ich fange mit seiner ersten Voicemail an.
Ich muss zugeben, die Verzweiflung in Reeds Stimme bringt mich zum Grinsen. Es geht ihm schlecht? Er ist verzweifelt? Er quält sich? Er bedauert und bereut? Gut so.
Nachdem ich mir all seine Sprachnachrichten angehört habe, in denen er so ziemlich die gleichen Dinge sagt, die er auch schon auf der Party zu mir gesagt hat, öffne ich Reeds erste Textnachricht. Darin steht nur, dass er mir eine Sprachnachricht geschickt hat, die »meine Aufmerksamkeit erfordert«. Pah!
Ich gehe weiter zu Reeds nächster Textnachricht, die er eine Stunde später geschrieben hat, nachdem er auf seine Voicemails hin nichts von mir gehört hat. Dieses Mal geht es um Alessandra. Aber er entschuldigt sich nicht. Ganz im Gegenteil, er sagt, dass es nichts gibt, für das er sich entschuldigen muss, in Bezug auf meine Stiefschwester. »Wenn sie meinem Rat folgt«, schreibt er, »könnte sie groß rauskommen. Wenn nicht, wird sie für den Rest ihres Lebens Demos einsingen, wenn sie Glück hat.«
»Ist das deine Vorstellung von einer Entschuldigung?«, sage ich laut. Aber in Wahrheit weiß ich, dass er recht hat. Ich bin immer noch wütend, dass er überhaupt etwas wegen des Demos gegenüber Alessandra erwähnt hat, obwohl er versprochen hat, es nicht zu tun. Aber als ich Alessandra heute Vormittag zum Flughafen gefahren habe, hat sie mir alles erzählt, was Reed zu ihr gesagt hat. Und als sie fertig war mit Reden, wusste ich tief in mir drin, dass Reed zumindest in Bezug auf Alessandra nichts Unverzeihliches getan hat. Er wollte ihr wirklich nur helfen, genau, wie er gesagt hat.
Aber was soll’s? Selbst wenn ich Reed verzeihen würde, dass er Alessandra zum Weinen gebracht hat, gibt es immer noch zwei andere Sachen, die gegen ihn sprechen. Das Geld und Isabel. In seinen Sprachnachrichten sagt er, dass er sich »weigert«, auch nur eins der Themen über Sprach- oder Textnachrichten zu erklären, und stattdessen »verlangt«, dass ich ihn anrufe, um ihn anzuhören. Aber ich bin nicht in der Stimmung, seinem »Verlangen« zu folgen. Ich bin auch nicht dazu bereit, mich von ihm um den Finger wickeln zu lassen. Das hat er schon versucht, als ich die Party verlassen habe, und es hat mich nicht beeindruckt.
Ich öffne Reeds nächste Nachricht, die er gestern Mittag (Sonntag) geschickt hat.
Ich verstehe, dass du wütend bist, und du hast jedes Recht dazu. Aber ich würde es zu schätzen wissen, wenn du den Anstand aufbringen könntest, auf meine Nachrichten zu antworten. Auch wenn du mir nur sagen willst, dass ich mich verpissen soll. Ich mache mir Sorgen um dich und will bestätigt wissen, dass es dir gut geht. Ruf mich an.
Da er auch auf diese Nachricht keine Antwort bekommen hat, hat er mir ungefähr eine Stunde später wieder eine Nachricht geschickt.
Laut unserer anfänglichen Vereinbarung habe ich dir für den Sommer ein Hotelzimmer im W in Hollywood gebucht. Ich habe mir auch überlegt, dass es praktisch wäre, wenn du ein Auto hättest, also habe ich dir ein kleines Cabrio geliehen. Es steht bereits in der Parkgarage des Hotels. Die Schlüssel liegen an der Rezeption. Nichts zu danken, ich habe das nur aus geschäftlichen Gründen getan. Alles, was ich von dir verlange, ist, dass du mich, den CEO von River Records, anrufst, damit ich weiß, dass es dir gut geht.
Als Reed auch auf die Nachricht mit dem Hotel und dem Auto keine Antwort von mir bekommen hat, hat er mir vier Stunden später wieder eine geschrieben. Diese kam am Sonntagnachmittag.
Rate, wo ich bin, Georgie-Girl? Auf Hazel Hennessys erster Geburtstagsfeier! Ich trinke wie ein Fisch, sitze in einer Ecke und wünschte, du wärst hier. Eigentlich hattest du vor, mit mir auf diese Party zu gehen, schon vergessen? Du hast dich sogar darauf gefreut. Und jetzt sitze ich hier alleine wie ein einsamer Wolf. Sieht so aus, als hätte der Mann mit der Gabe des Midas seinen goldenen Glanz verloren, oder? Es wäre wirklich schön, wenn du auf eine meiner verdammten Text- oder Sprachnachrichten antworten würdest.
Reeds nächste Nachricht kam eine Stunde später, um 17:26 Uhr am Sonntag.
Ich schwöre, ich habe mir noch nie so sehr gewünscht, die Zeit zurückdrehen zu können und eine neue Chance zu bekommen, wie jetzt. Es tut mir leid, Georgie. Bitte, ruf mich an. XO
Fünfzehn Minuten später hat er geschrieben:
Georgie, ich würde barfuß eine Million Meilen über die zersplitterte Windschutzscheibe meines Ferrari laufen, wenn du mir verzeihen würdest. Bitte, ruf mich an. Schrei mich an. Sag mir, dass du mich hasst. Aber ruf mich an, damit ich deine Stimme hören kann. Ich verliere den Verstand. Ich bin mir sicher, du freust dich darüber. Ich bin mir sicher, du musst grinsen, weil es mir so elend geht, und ich kann es dir nicht verübeln. Aber wenn ich dir je etwas bedeutet habe, dann ruf mich bitte an und lass es mich dir erklären. Mir ist richtig schlecht vor Verlangen, mit dir zu reden. XO
Als er immer noch keine Antwort von mir bekommen hat, hat Reed mir um 2:13 heute Morgen (Montag) diese nette Nachricht geschickt:
Gratuliere. Du hast mich jetzt ganze vierundzwanzig Stunden ignoriert. Lebst du noch? Geht es dir gut? Sollte ich eine Vermisstenanzeige aufgeben? Ich denke, mittlerweile überwiegt die Bestrafung die Tat hier um einiges. Ich meine, ich verstehe ja, dass du wütend auf mich bist. Aber weißt du, was? Ich bin auch wütend, weil du als Bestrafung für einen verdammten Kuss meinen Ferrari zertrümmert hast! Also sagen wir, wir sind quitt. Ein Kuss für einen Ferrari. Ruf mich an, auch wenn du mir nur sagen willst, dass ich mich verpissen und sterben soll. RUF MICH AN.
Ich muss schmunzeln. Mein Gott, er ist wirklich schlecht darin. Erkennt er nicht, dass er jetzt eigentlich um Gnade winseln sollte? Nicht austeilen. Kein Arschloch sein. Mir nicht sagen, dass er wütend auf mich ist. Er ist wirklich verärgert. Aber das bin ich auch. Denn die jämmerliche Wahrheit ist, dass mir Reeds schlimmes Verhalten irgendwie gefällt. Zu wissen, dass er motzig und wütend und streitsüchtig und austeilend ist … all das lässt mein Herz höherschlagen. Wie verrückt ist das denn, bitte?
Als Reed wieder nichts von mir gehört hat, hat er mir eine weitere Nachricht geschickt. Überraschung. Sie kam eine halbe Stunde später.
Ich habe gelogen. Ich bin nicht wütend wegen meines Ferrari. Das war ich nie. Ich habe das nur geschrieben, um dich zu verärgern, damit du mich anrufst. Bitte, Georgie. Hab Gnade mit mir. Ich habe so etwas noch nie zuvor getan. Ich habe so noch nie zuvor gefühlt. Es war gar nicht möglich, dass ich das tun und fühlen kann, ohne es zu vermasseln. Ich habe es versaut. Das weiß ich. Gib mir noch eine Chance. Bitte.
Aber ich habe nicht angerufen. Nicht weil ich eine eiserne Willenskraft habe. Nicht weil ich herzlos oder in Bezug auf Beziehungen ein Bobby Fischer bin. Sondern weil ich … mein Handy ausgeschaltet hatte. Weil ich im Bett gelegen habe und in Selbstmitleid versunken bin.
Aber meine nicht geplante Strategie hat Reed schließlich zum Aufgeben gezwungen und ihn dazu veranlasst, das eine zu tun, was er in seinen Sprachnachrichten geschworen hatte, niemals zu tun: mir schriftlich zu erklären, wie es zu der finanziellen Unterstützung kam. In vier Textnachrichten, die er mir hintereinander geschickt hat:
Ich wollte dir eigentlich nichts davon schriftlich erklären, aber du hast mir keine andere Wahl gelassen. CeeCee hätte dich so oder so eingestellt. Als ich sie am Tag nach der Podiumsdiskussion angerufen habe, hatte sie sich bereits in dich und dein Schreibtalent verliebt. Das einzige Problem war, dass sie nie Sommerpraktikanten bezahlt und auch kein Fass aufmachen wollte, indem sie bei dir eine Ausnahme macht. Auf der anderen Seite hatte sie von der Situation deines Vaters gehört und hatte kein gutes Gefühl dabei, dir ein normales, unbezahltes Praktikum anzubieten. Ich habe ihr einen Vorschlag gemacht, der uns allen dreien etwas bringen würde: Ich würde CeeCees bevorzugter Krebsstiftung etwas spenden, um dich bezahlen zu können, und im Gegenzug würde im Rock’n’Roll eine Sonderausgabe über mein Label erscheinen. CeeCee hat darauf bestanden, dass diese Vereinbarung ein tiefgründiges Interview mit mir beinhalten müsse. Ich sagte okay. Sie hat dich als Interviewerin vorgeschlagen. Ich sagte Ja, weil mir das – ohne CeeCees Wissen – die Chance geben würde, dich verführen zu können. Und das war’s. Eine Win-win-win-Situation. Verklag mich dafür.
Du hast mir einmal gesagt, dass du auch mehrere Beweggründe hattest, als wir uns kennengelernt haben. Tja, das hatte ich auch. Ja, ich wollte noch eine Chance kriegen, dich zu verführen, aber ich wollte auch CeeCee, dir und deinem Dad helfen. Ich bedauere, dass diese Unterstützung zu so einem großen Geheimnis geworden ist. Das war nicht meine Absicht. Ich habe dir nichts davon gesagt, weil ich dir deinen Enthusiasmus nicht nehmen wollte und weil ich nicht wollte, dass du auch nur eine Sekunde in Betracht ziehst, dass du diesen Job nicht verdient hättest. Außerdem wollte ich nicht, dass du dich in irgendeiner Weise dazu verpflichtet fühlen könntest, mit mir zu schlafen. Ja, ich wollte, dass du mit mir schläfst. Auf jeden Fall. Aber nur, wenn du es auch wirklich willst. Nicht weil du dich mir gegenüber aus finanziellen Gründen verpflichtet fühlst. Das ist die Wahrheit. Ich schwöre auf meinen Neffen. Und jetzt hör auf, dich wie ein trotziges Kind zu benehmen, und antworte auf diese Nachricht, damit ich weiß, dass es dir gut geht.
PS: Ich habe das Peloton zur Wohnung deines Vaters liefern lassen. Wenn ihr dort keinen Platz dafür habt, lass es mich wissen. Und sag mir auch, ob du deinen Pilates-Reformer haben willst. Er ist um einiges größer als das Rad, also dachte ich mir, ich frage erst, bevor ich ihn dir schicke.
Ich nehme an, du kommst heute zum Teammeeting, da du ja immer noch einen Artikel über mich schreiben musst. Bitte erlaube mir, dich zum Mittagessen einzuladen, bevor das Meeting beginnt. Wir werden uns aussprechen und uns verzeihen. Ich verzeihe dir, dass du mich zwei Tage lang ignoriert hast, und du verzeihst mir, dass ich so ein Idiot gewesen bin. Ich werde uns einen Tisch im Nobu reservieren. Dir wird es dort gefallen. Bitte antworte, um unser Essen zu bestätigen. Ich kann es kaum erwarten, dich zu sehen. XO
Ich blicke von meinem Handy auf. Verdammt, dieser Mann. Er ist wirklich überzeugend. Ich muss trotzdem noch mit CeeCee reden, um ihre unvoreingenommene Meinung wegen der Unterstützung zu hören. Aber ich muss sagen, Reeds Erklärung lässt mich dem leicht optimistisch entgegenblicken. Ich bin mir sicher, Reed hat ein paar Dinge so verdreht, dass er so unschuldig wie möglich dasteht. Aber trotzdem bin ich mir auch sicher, dass CeeCee sich über die Chance gefreut hat, mit ihrem vertrauten Freund eine Win-win-win-Situation zu erzeugen, die mir und ihnen gleichermaßen hilft. Aber was soll’s? Nichts davon rechtfertigt, was Reed mit Isabel in dieser Garage gemacht hat. Laut seufzend scrolle ich zur nächsten Nachricht, die ungefähr vor eineinhalb Stunden – heute Abend um 18:13 Uhr – in meiner Inbox gelandet ist:
Miss Ricci, ich schreibe diese Nachricht in meiner beruflichen Position. Ich bin zutiefst enttäuscht, dass Sie heute Nachmittag nicht zum wöchentlichen Teammeeting erschienen sind. Selbst wenn Sie mich aus persönlichen Gründen verabscheuen, haben Sie immer noch einen Job zu erledigen. Und ich erwarte von Ihnen, dass Sie das verdammt noch mal auch tun. Sie sind Reporterin für ein Top-Musikmagazin, und Sie müssen anfangen, sich auch so zu verhalten. Was immer zwischen uns persönlich vorgefallen ist, es ist an der Zeit, dass Sie Ihre Gefühle zur Seite schieben und sich endlich professionell verhalten. Ich erwarte, dass Sie nächsten Montag am Teammeeting teilnehmen. Ich erwarte auch, dass Sie auf alle geschäftlichen Nachrichten von mir, die ab jetzt kommen werden, antworten und mir in den nächsten fünfzehn Minuten bestätigen, dass es Ihnen gut geht.
Zähneknirschend blicke ich von meinem Handy auf. Reed will, dass ich mich professionell verhalte, wirklich? Na gut. Wie wäre es damit? Ich schreibe einen Artikel über ihn, der so einschlagen wird, dass CeeCee gar keine andere Möglichkeit haben wird, als ihn im Dig a Little Deeper-Magazin zu veröffentlichen.
Entschlossenheit überkommt mich, ich springe vom Bett auf und setze mich auf den Boden neben dem Karton mit den Dokumenten. Ich beginne, wie eine Verrückte darin zu wühlen. Schnell finde ich die Unterlagen zu dem Troy-Eklund-Fall. Die Klage wurde vor sechs Jahren gegen Reed und River Records erhoben und beinhaltet vier Anklagepunkte: Vertragsbruch, Bruch der implizierten Vereinbarung von gutem Glauben und ehrlicher Handlungsweise, Betrug und Körperverletzung.
Aber bevor ich mir den zweiten Paragrafen von Troys Anklage durchlesen kann, steckt Dad seinen Kopf ins Zimmer. In dem Moment, in dem er mich auf dem Boden sieht, umgeben von Gerichtsdokumenten, weiß ich, dass ich ihm vorkommen muss wie ein schokoladenverschmiertes Kind, umgeben von einem Berg an Süßigkeitenpapier an Halloween.
»Georgina Marie. Du hast mir versprochen, dass du dir nicht anschaust, was in diesem Karton ist!«
Ich schneide eine Grimasse. »Tut mir leid. Ich habe dich nicht angelogen. Ich habe es nur … vergessen.«
Dad deutet auf den Flur. »Sieh zu, dass du deinen Hintern in die Küche schwingst und das Fleischbällchen-Sandwich isst, das ich für dich gemacht habe. Das Abendessen ist serviert.«
»Sorry, Dad. Ich brauche noch fünf Minuten. Ich muss noch schnell eine Nachricht schreiben.«
»Nein.«
»Für die Arbeit. Ich schwöre. Ich muss sie schnell abschicken.«
Dad holt tief Luft. »Schwörst du auf deine Mutter, dass es für die Arbeit ist?«
Ende der Leseprobe