Those blue Eyes - Marita Darling - E-Book
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Those blue Eyes E-Book

Marita Darling

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Beschreibung

Ludovica wächst aufgrund eines tragischen Vorfalls bei ihrem Onkel Filippo auf, der sie nur als kostenlose Haushaltshilfe sieht. Trinkt er zu viel, lässt er seinen Frust an ihr aus - ihre persönliche Hölle. Jedoch ändert sich ihr Leben eines Abends schlagartig. Drei maskierte Männer stürmen ihre Wohnung. Ihr Ziel - Filippos Schulden eintreiben. Er kann ihnen jedoch nichts bieten, außer seiner Nichte ...

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Giuliano ManciniIch warne dich. Ich werde nicht zärtlich sein. Gewalt, Drogen und mein Job als Zuhälter, gehören genauso zu meinem Leben, wie meine Anatra. Doch auch zu ihr kann ich gnadenlos werden, denn ich bin eine tickende Zeitbombe, die nur darauf wartet, hochzugehen.

Dario ManciniIch bin ein kontrollierter Mensch, doch auch ich benutze Schmerz, um Befriedigung zu erleben. Sexszenen, in denen ich die Oberhand habe, können fesselnd und erdrückend wirken. Ich wollte dich warnen, denn meinem Bruder bist du scheißegal. Mir nicht.

Ludovica GrassoIch durchlebe die Hölle, mit all ihren Fassaden. Solltest du mich durch diese begleiten wollen, dann mach dich darauf gefasst, dass Mobbing, Missbrauch und der Tod allgegenwärtig in meinem Leben sind. Nötigungen, psychische wie auch körperliche Erniedrigungen sind nur einige Begleiterscheinungen auf meinem Weg.

Eine ausführliche Auflistung der Triggerwarnungen befindet sich hinten im Buch.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Giuliano Mancini

Kapitel 1

Mit dem Blick herab auf meine Füße gerichtet, saß ich wie jeden Abend auf der Kante meines Bettes. Ich wartete ungeduldig darauf, dass mein Onkel Filippo die Wohnung verließ. Er war ein Monster und ich nicht mehr als seine kostenlose Haushaltshilfe.

Die Tatsache, dass ich weder einen Schulabschluss noch Mut dazu besaß, abzuhauen, hielt mich hier bei ihm gefangen. Das gab diesem Tyrannen mehr Macht über mich, als ich in manchen Nächten ertragen konnte. Unterkriegen ließ ich mich von ihm aber trotzdem nicht, denn das würde diesem Widerling noch mehr Kontrolle über mich und mein Leben geben.

Meine Unsicherheit ließ ich mir also nicht anmerken, ganz egal wie oft er mich demütigte oder seinen Gürtel dazu verwendete, mich zu maßregeln.

»Ludo!?«, hörte ich dann auch schon seine fordernde Stimme aus dem Wohnzimmer heraus. Bevor ich allerdings aufstand, versteckte ich noch schnell meine neue Armbanduhr unter dem Kopfkissen.

Ja, ich hatte sie in einem Laden geklaut und im Grunde keinen Besitzanspruch auf sie. Ich würde aber sicher nicht zulassen, dass mein Onkel sie finden und für sein Nachtleben ausgeben würde, das lediglich aus billigem Schnaps und Nutten bestand.

Ich band meine schwarzen Haare zu einem hohen Zopf und schlenderte genervt ins Wohnzimmer. Wie immer saß dieses Monster in seinem Sessel vor dem Fernseher. Ein dreckiges, weißes Unterhemd und eine dunkle Boxershort - mehr trug er nicht, während er sich einen Erotikfilm ansah.

Die Prostituierten, die er sich in Clubs für sein Vergnügen auswählte, hatten mein vollstes Mitgefühl. Mir überschlug sich bei diesem Anblick der Magen.

»Da bist du ja endlich! Mach mir was zu essen!«, kam es bestimmend aus seinem Mund. Ich schaute ihm zu, wie er einen großen Schluck Whisky nahm. Mehr als die Hälfte davon landete in seinem dunklen, dichten Bart. Es schüttelte mich vor Ekel.

»Si, zio.« Ich ließ mir nicht anhören, wie angewidert ich war. Vermutlich würde er mich sonst wieder anschreien und auf seinen strengen Atem in meinem Gesicht konnte ich verzichten.

Während er weiter sein Vorabendprogramm abzog, bevor er in den Nachtclub gehen würde, tapste ich zu der kleinen Küchenzeile und warf dabei einen flüchtigen Blick auf den Kühlschrank.

Beim Anblick des einzigen Bildes meiner Eltern bildete sich zwar ein Lächeln auf meinen Lippen, doch meine Augen erreichte es nicht. Diese wurden seit sechs Jahren nur noch von Trauer und Sehnsucht eingenommen. Damals war ich zwölf gewesen, als fremde Männer bei uns eingebrochen waren und die beiden vor meinen Augen hingerichtet wurden. Zumindest hatte man mir das erzählt. Ich konnte mich an jene Nacht nicht mehr erinnern. Durch den Schock hatte mein Gehirn alles verdrängt.

Zumindest vermuteten das die Ärzte.

»Wird’s bald!« Erschrocken riss ich meine Augen auf, um mich anschließend zu ihm umzudrehen. Filippo sah mir voller Hass entgegen und mal wieder kam mir die Frage auf, wieso er so herzlos mit mir umging.

Er war der Bruder meines Vaters. Diese Tatsache ließ mich oft darüber nachdenken, ob er sich deswegen so rücksichtslos gegenüber mir verhielt, da ich ihn an seinen verstorbenen Bruder erinnerte. Immerhin sah ich haargenau aus wie er.

Die gleichen vollen Lippen ...

Die gleichen glatten, schwarzen Haare ...

Die gleichen wenigen Sommersprossen ...

Nur eines hatte ich von meiner Mutter geerbt. Ihre hellgrünen Iriden, die nach außen hin in ein dunkles Braun übergingen.

Ich wandte mich von Filippo ab. Nach einem letzten Blick auf das Foto meiner Eltern holte ich eine Pfanne aus dem Schrank heraus. Ehe ich sie aber auf der einzigen Herdplatte aufstellen konnte, klopfte es laut an der Tür, welche sich auf der anderen Raumseite befand. Ich hielt in meiner Bewegung inne und drehte mich irritiert um. Wir bekamen nie Besuch und das ließ mich ahnen, dass derjenige, der hinter der Tür stand, sicherlich nichts Gutes im Sinn hatte.

»Wer ist das?« Filippo blickte mit einem fragenden Ausdruck zu mir. Ich zuckte mit den Schultern und sah anschließend zu, wie er zur Tür ging, die in dem Moment eingetreten wurde.

Mit großen Augen starrte ich die drei maskierten Männer an. Sie betraten die Wohnung und brachten mein Herz zum Rasen. Mir kam der absurde Gedanke in den Sinn, dass sie meine Uhr wollten und mich beim Diebstahl beobachtet hatten.

Natürlich war dem nicht so, sondern der Anfang von meinem Ende hatte begonnen.

Kapitel 2

»Guten Abend, Filippo«, begrüßte einer der Männer meinen Onkel, während ich das ganze Spektakel erstarrt vor Angst betrachtete. Mir wurde langsam klar, dass es nichts mit mir zu tun hatte, denn ich erkannte in den Augen meines Onkels die pure Panik. Dazu zitterten seine Hände und erste Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn.

Diese Männer waren nicht meinetwegen oder aufgrund meiner Uhr hier. Sie wollten etwas von diesem Monster und ich – ich war nur eine Zeugin.

Mir fiel auf, dass mit diesen drei Kerlen nicht zu spaßen war. Das zeigten schon die Pistolen in ihren Händen. Sie schienen keine Idioten zu sein und das hier keine spontane Aktion.

Während zwei von ihnen durchgehend meinen Onkel fixierten, starrte mich der etwas Größere durch seine Sturmmaske permanent an, als würde er sich darauf gefasst machen, dass ich irgendeine Dummheit begehen könnte. Das Schlimmste, das mir in diesem Moment durch den Kopf ging, war, dass sie Masken trugen. Die Bedeutung dahinter war relativ simpel. Gäbe es in dieser Wohnung Tote, wollten sie keine Zeugen, die sie beim Betreten des Hauses gesehen hatten.Kein Bild in der Zeitung, keine Phantomzeichnung. Nichts.

»Ich bitte euch um Vergebung«, flehte mein Onkel und riss mich damit aus meinen Gedanken. Er stand so hektisch auf, dass einer der Männer seine Pistole auf ihn richtete. Meine Atmung überschlug sich vor Panik, weswegen ich verängstigt einen Schritt zurückwich.

»Keine Sorge. Wir wollen uns nur unterhalten«, sprach mich derjenige an, der mich schon die ganze Zeit beobachtete und trat dabei näher an mich heran. Ich fühlte mich von ihm eingeengt und traute mich kaum, ihn weiterhin anzusehen. »Wo ist dein Zimmer?«

Mein Blick fiel an ihm vorbei zu den anderen. Ich wollte ihm nicht antworten und versuchte, ihm irgendwie auszuweichen. Er nahm daraufhin mein Kinn zwischen seine Finger und zwang meine Augen damit, alles außer ihn auszublenden.

»Was?« Meine Stimme zitterte.

»Dein Zimmer. Zeigst es mir.«

»Okay …«, erwiderte ich mit einem Flüstern. Als ich anschließend an ihm vorbei zeigte, drehte er sich kurz zu den anderen um. Er nickte ihnen zu und ließ mein Kinn wieder los. Das tat er aber bloß, um seinen Arm an meiner Taille zu platzieren.

»Wir warten in deinem Zimmer«, erklärte er mit sanfter Stimme, weswegen ich ihn verwirrt betrachtete. Er sah zwar aus wie ein Verbrecher – sprach jedoch nicht, wie man es von einem erwartet hätte. Das Alles kam mir suspekt vor. Mein Herz klopfte mir weiterhin bis zum Hals und ich lief mit langsamen Schritten neben ihm her zu meinem Zimmer. Ich malte mir aus, er würde es gut mit mir meinen und gemeinsam mit mir Tee trinken. In diese absurden Fantasien flüchtete ich mich auch immer, wenn Filippo nachts mein Zimmer aufsuchte. Der Realität entkommen konnte ich aber trotzdem nicht.

»Wie heißt du?« Er schloss in meinem Zimmer angekommen die Tür hinter uns.

»Ludovica Grasso.« Meine Stimme bebte. Ich ließ mich dabei auf der Kante meines Bettes nieder. Er blieb derweil stehen und betrachtete mich weiterhin durch seine Maske hindurch.

»Das ist ein absolut schrecklicher Nachname.« Fassungslos sah ich zu ihm auf.

»Wie bitte?« Ich wartete auf eine Reaktion seinerseits, doch er reagierte nicht. Er schien gedanklich abwesend und sah sich in meinem Zimmer um, als würde er nach irgendetwas Interessantem Ausschau halten. Doch hier gab es nichts zu sehen, außer den alten Klamotten auf dem Boden und den kahlen Wänden. Filippo erlaubte mir keine Bilder oder Poster. Auch ein Schreibtisch blieb mir verwehrt. Einzig ein Bett und ein kleiner Schrank, den ich von einer Nachbarin geschenkt bekommen hatte, fanden hier Platz.

»Und du?«, erkundigte ich mich nervös, da ich diese zerreißende Stille nicht länger ertrug. Sofort schenkte er mir wieder seine volle Aufmerksamkeit.

»Nunzio«, gab er mir stolz zurück und lehnte sich mit dem Rücken an die gegenüberliegende Wand. »Nunzio Mancini.«

Mein Mund öffnete sich vor Erschütterung. Ich spürte, wie mein Herz schmerzhaft gegen meine Rippen schlug. Durch diese Offenbarung seinerseits bekam ich kaum noch Luft.

»Alles okay?« Er kam einen Schritt auf mich zu, doch ich rollte mich schnell über mein Bett hinweg und stellte mich auf die andere Seite, um ihn genau im Auge zu behalten.

Mancini! Eine der schlimmsten Mafia-Familien in und um Palermo. Nicht nur, dass sie als unberechenbar galten, und das schon, seit ich denken konnte. Dazu kam, dass es das Gerücht gab, die jüngere Generation wäre die brutalste. Genau einer dieser Generation stand vor mir in meinem Zimmer.

»Was wollt ihr von meinem Onkel?«, hakte ich panisch nach und egal wie grausam Filippo sein konnte – ich würde ihm sicher mit allem, was ich hatte, aus dieser Situation heraushelfen. Ohne ihn hätte ich kein Dach über dem Kopf. Das wäre mein Untergang.

»Er schuldet uns Geld, Ludovica. Sehr viel Geld.«

»Wie viel?«, wollte ich wissen und sah flüchtig zu meinem Kopfkissen. Die Uhr war sicher mehrere tausend Euro wert. Das wäre ein Anfang.

»Zu viel, als dass du es bezahlen könntest. Zumindest nicht mit deinem Geld.«

Ich verstand nicht, was er meinte, bis er seinen Kopf etwas sinken ließ und ich förmlich spürte, wie er mir alleine mit seinen Blicken mein weißes Top und die schwarze Hose auszog. Es war so unangenehm, dass ich am liebsten im Erdboden versunken wäre. Doch nichts half mir aus dieser Situation heraus, bis ich eine Stimme hörte und erleichtert feststellte, dass dieser Kerl seinen Blick von mir nahm.

»Nunzio?!«, rief ihn einer der anderen aus dem Wohnzimmer zu. Er drehte sich daraufhin von mir weg.

»Ja?«, fragte er laut durch die Tür, welche er gerade wieder geöffnet hatte und ich erstarrte, als ich folgende Worte hörte: »Nimm das Mädchen mit! Wir gehen!«

Kurzzeitig fühlte ich mich wie gelähmt. Es kostete mich meine ganze Kraft, mir aus meinem Nachttisch mein Taschenmesser zu greifen. Mit zitternden Händen klappte ich es auf und hielt es tapfer vor mich. Nunzio drehte sich wieder zu mir herum, schien aber unbeeindruckt von meinem Mut, mich selbst zu verteidigen.

»Wow«, entkam es ihm voller Ironie und als er sich im selben Moment die Maske abriss, sah ich ihm tief in seine dunklen Augen. »Dein Onkel muss ja echt viel von dir halten, wenn er dich uns anvertraut.«

»Fass mich nur einmal an und ich werde –«

Dieser Idiot kam trotz meines Messers auf mich zu und warf mich kinderleicht über seine Schulter. Anschließend haute er mir auf den Arsch. Mein Messer glitt mir vor Schreck aus der Hand und fiel zu Boden.

»Pssst, pupetta! Du willst lieber keinen Ärger mit mir, also sei ein braves Mädchen.« Frustriert stieß ich die gesamte Luft aus meinen Lungen und wollte fluchen, da stellte er mich wieder vor sich auf, um mich mit seiner kalten Miene zu mustern. »Ich kann dein bester Freund, aber auch dein schlimmster Alptraum sein. Ach, und noch was ... Ich bin in meiner Familie der Geduldigste. Also benimm dich lieber, bevor ich dich den anderen vorstelle.«

»Ich soll mich also von dir entführen lassen und dabei auch noch freundlich lächeln? Das alles ohne jegliche Gegenwehr?«

»Du lernst schnell.« Er lächelte, ehe er mich blitzschnell wieder über seine Schulter hob.

»Das ist so frustrierend.« Als wir durchs Wohnzimmer liefen, schweifte mein Blick zu Filippo. Dieser stand neben seinem Sessel und sah mir ausdruckslos entgegen.

»Idiota!«, fluchte ich von meiner Wut auf ihn überwältigt. Ich zeigte ihm meinen Mittelfinger und wartete auf seine Reaktion. Doch ich bekam keine, da ich von einem festen Schlag gegen meine Schläfe mein Bewusstsein verlor.

Kapitel 3

Als ich meine müden Augen öffnete, brummte mein Schädel so stark, dass ich schmerzverzerrt aufstöhnte. Erst der Geruch der fremden Bettwäsche machte mir bewusst, dass ich mich gar nicht zu Hause befand. Ich wusste nicht einmal, wo ich mich aufhielt.

Das Bett fühlte sich bequemer als mein eigenes an, doch diese Erkenntnis spendete mir keinerlei Trost. Neugierig linste ich unter der Decke hervor, um mich vorsichtig in dem großen Zimmer umzusehen.

Auf den ersten Blick wirkte es wie ein nobles Hotelzimmer. Es gab zwei große Fenster, die aber zur Hälfte von roten Vorhängen bedeckt waren. Sie sahen modern aus und passten zum dunklen Schrank, der sich genau neben dem Bett befand. Als ich anschließend die mir gegenüberliegende Tür ins Visier nahm, hörte ich männliche Stimmen und hielt kurz den Atem an.

Die Tür schwang auf und aus reinem Instinkt, stellte ich mich schlafend. Mit großer Anstrengung versuchte ich, meine Atmung ruhig zu halten. Ich hörte Schritte auf mich zukommen. Ein eiskalter Schauer zog mir über den Rücken, während mein Herz vor Aufregung immer schneller schlug. Die Person blieb wohl genau vor dem Bett stehen und ich spürte förmlich, wie sie mich musterte. Dieses Gefühl, vollkommen wehrlos zu sein, brachte mich innerlich zum Verzweifeln.

»Wie alt ist sie?«, erkundigte sich eine dunkle Stimme. Ich erkannte, dass es sich nicht um Nunzio handelte, denn dessen vertraute Stimme antwortete: »Ihr Onkel meinte 18.«

Am liebsten hätte ich meine Augen aufgeschlagen, um zu sehen, was um mich herum geschah. Ich unterdrückte meine Neugier jedoch.

»Und?«, kam es von der unbekannten Stimme.

»Was und?«, erwiderte Nunzio ihm, während ich seine Schritte hörte, die ebenfalls näher kamen. Ich fühlte mich wie ein Stück Fleisch, das Wölfen zum Fraß vorgeschmissen wurde.

»Ja, was sollen wir mit ihr machen?!«

»Enzo meinte, sie soll bei dir im Club arbeiten. Zumindest bis die Schulden ihres Onkels getilgt sind.« Inständig hoffte ich, es würde sich um einen ganz normalen Tanzclub handeln. Einer, in dem ich kellnern könnte. Doch ich wusste es leider besser.

Die Familie Mancini war für ihre Bordelle und Stripclubs bekannt. Allein bei dieser widerlichen Vorstellung zog sich mein Magen zusammen. Der Hass auf Filippo ließ mich meine Hände zu Fäusten ballen und ich war froh, dass sie sich unter der Decke befanden.

»Gut, dann lass Sie ausschlafen und sag mir Bescheid, sobald sie wach ist.«

»Mach ich«, hörte ich Nunzio sagen. Dann entfernten sich beide zu meiner Erleichterung mit schweren Schritten. Die Tür fiel ins Schloss. Zögerlich öffnete ich meine Augen. Den Blick an die Decke gerichtet, atmete ich einige Male tief durch. Das durfte alles nicht wahr sein!

Ich versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Mein Verstand schien jedoch wie leer gefegt. Einzig die Vorstellung, aus einem der Fenster abzuhauen, brachte mich dazu, aus dem Bett zu steigen. Eilig tapste ich über den weißen Teppich und stellte mich nah an eines der Fenster, um den Vorhang zur Seite zu schieben.

Mir offenbarte sich ein Anblick, der mich für einen Moment fesselte. Eine riesige Einfahrt, umgeben von einer hohen Mauer. Mir kam die bittere Erkenntnis, dass niemand hier so leicht rein und rauskommen würde, wie ich es gerne gehabt hätte. Das breite Tor wurde von zwei Männern bewacht und ich entdeckte auch mehrere Hunde vor mir auf dem Gelände Patrouille laufen.

Die Mancinis schienen gründlich, wenn es um ihre Sicherheit ging. Dies war allerdings zum Nachteil für mich und meinen Fluchtplan. Davon entmutigt schob ich den Vorhang wieder zu. Ich überlegte, was es noch für Möglichkeiten geben könnte, ungesehen zu fliehen. Ehe ich eine Lösung fand, öffnete sich die Tür neben mir. Wie ertappt hob ich meinen Kopf.

»Ludovica?« Nunzio suchte meinen Blick. Im Tageslicht stach mir seine Erscheinung erst richtig ins Auge. Er war groß. Ziemlich groß. Seine braunen Augen immer noch genauso kalt wie unter der Maske. Die schwarzen Haare hatte er vorne zur Seite gestylt und das weiße Hemd lag zwar eng an seiner Brust, wirkte bei ihm aber trotzdem noch lässig. Mein unsicherer Blick schnellte zurück in sein Gesicht. Ich bekam keinen Ton mehr heraus, bis er lächelte und einen Schritt auf mich zuging.

»Hör mir zu«, flehte ich. Dabei nahm ich meine zitternden Hände hoch, um ihn zu beschwichtigen, mir nicht näher zu kommen. »Ich habe wirklich keine Ahnung, wie ihr sonst eure Schulden eintreibt, aber ich will sofort wieder nach Hause. Ich habe rein gar nichts hiermit zu tun und es –«

»Schhh«, unterbrach er mich und als er dann genau vor mir zum Stehen kam, sah er mir tief in die Augen. Mein Drang, mich gegen ihn aufzulehnen, verschwand dadurch. »Ich würde gerne sagen, dass mir das mit der Entführung leidtut und du Recht hast. Doch so ist es nicht. Dein Onkel hat kein Geld, also musst du es eintreiben. Ende der Geschichte.«

Was für ein Arschloch ...

Ich wich einen Schritt zurück und verschränkte meine Arme, weswegen er mich irritiert betrachtete. Vermutlich wartete er, ob noch eine Reaktion auf seine Worte folgen würde, doch ich presste meine Zähne aufeinander und schwieg.

»Ich werde dich gleich einem meiner Cousins vorstellen. Er wird entscheiden, ob du überhaupt nützlich für seinen Club bist.« Ich hörte ihm zu. Innerlich dachte ich jedoch nur über meinen Fluchtplan nach. Vielleicht sollte ich wirklich ohne Gegenwehr in diesen Club gehen. Er war mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von solch hohen Mauern umgeben. Mit Glück könnte ich von dort aus entkommen.

»Gut, dann zieh das an.« Er riss mich aus meinen Gedanken und ich sah ihm verwirrt dabei zu, wie er auf den hohen Schrank zulief. Er holte ein Kleid heraus. Nein, es war kein Kleid ... eher ein Hauch von nichts.

»Das ziehe ich nicht an.« Ich zeigte auf den schwarzen Stoff in seiner Hand. Ihn schien es allerdings überhaupt nicht zu interessieren, dass ich mich weigerte.

»Oh, doch. Du wirst es anziehen. Vielleicht wirst du protestieren und es dauert länger, als meine Geduld zu strapazieren ist. Doch am Ende wirst du es anhaben und mit mir nach unten gehen.«

Wütend über seine Aussage, ging ich einen Schritt auf ihn zu. Ich riss ihm das Kleid aus der Hand und funkelte ihn wütend an. Naserümpfend musterte ich das Teil. Es würde gerade so meinen Po bedecken.

»Also?«, hörte ich ihn fragen, während ich immer noch das Kleid anstarrte. Er lief zur Tür, um sich an diese mit der Schulter anzulehnen.

»Schon gut!«, gab ich überfordert zurück und legte das Kleid auf das Bett. »Ich ziehe es an und komme dann raus.« Als ich erneut zu ihm sah, bildete sich plötzlich ein Schmunzeln auf seinen Lippen. Ehe ich verstand, wieso das so war, erklärte er es mir.

»Ich bleibe, also zieh dich um und reize meine Geduld nicht aus.« Er verharrte an der Tür, während er meinen Körper mit seinem Blick gefangen hielt.

»Vergiss es!«, entkam es mir fassungslos. »Ich werde mich umziehen, aber sicher nicht, wenn du mir dabei zusiehst.«

Sein Lächeln wirkte amüsiert. Zu meiner Erleichterung nahm er aber anschließend ergeben seine Hände hoch. Er stieß sich von der Tür ab und drehte sich um.

»Dass du dich bald vor viel mehr Männern ausziehen musst, ist dir bewusst, oder?« Tief durchatmend zog ich mir mein Oberteil aus. Anschließend streifte ich noch meine Stoffhose von den Beinen. Nunzio drehte sich nicht zu mir um, was ihn trotzdem nicht sympathischer machte. Wenigstens wurde meine Lage dadurch erträglicher.

»Das werden wir noch sehen«, flüsterte ich und zog mir das schwarze Kleid über meinen Kopf. Anschließend zupfte ich es zurecht. Dadurch, dass ich recht klein war, mit meinen 1.65 Metern, fiel es mir zu meiner Beruhigung sogar ein Stück weiter über den Po.

»Wenn du das Geld für deinen Onkel nicht wieder reinholst, kann ich dir nicht garantieren, ob du noch lange einen Onkel haben wirst«, erklärte Nunzio und drehte sich dann wieder zu mir, um mich mit seinem Blick zu inspizieren. »Steht dir gut.«

Innerlich verdrehte ich meine Augen. Nunzio öffnete die Tür und deutete mir mit seiner Hand, dass ich vorgehen sollte. Ohne noch etwas zu sagen, lief ich voraus in den breiten Flur. Die Gemälde an den Wänden wirkten teuer, als würden wir uns in einem Museum befinden. Bevor ich abhauen würde, nahm ich vor, eines oder zwei mitgehen zu lassen.

»Sie gefallen dir, oder?« Nunzio lief lässig neben mir her. Er musste meine Blicke bemerkt haben.

»Nicht mein Geschmack. Allerdings lässt sich sowas bestimmt gut verkaufen.«

Er lachte über meine Aussage und ehe ich mich versah, kamen wir am Ende des Ganges an einer Treppe an. Sie führte in einem Halbkreis nach unten in den großen Eingangsbereich. Ich betrachtete den prachtvollen Kronleuchter und lehnte mich dann etwas über das Geländer, wodurch ich unten den hellen, schönen Marmorboden begutachten konnte.

Nunzio beobachtete mich, doch ich ignorierte ihn und lief die Treppe nach unten. Kaum an der untersten Stufe angekommen, hörte ich männliche Stimmen. Auch die des Unbekannten. Mir graute es davor, diesen Mann kennenzulernen.

»Hier entlang.« Nunzio führte mich durch einen breiten Türbogen, hinter welchem sich ein großer Raum befand. Dieser diente als offene Küche und Wohnzimmer. Sofort schweifte mein Blick zu den zwei Männern, die auf der Couch saßen und mich genauestens musterten.

»Das ist Gino«, erklärte Nunzio und zeigte auf den Breiteren mit den schwarzen Haaren. Er besaß eine bedrohliche Ausstrahlung. Ich lächelte gezwungen, was er aber nicht bemerkte, da sein Blick permanent auf meinem Ausschnitt lag. »Und das ist Nicolo.«

Nunzio zeigte auf den anderen, der anhand seiner jugendlichen Ausstrahlung angenehmer wirkte. Er war in meinem Alter, hatte braune, etwas lockige Haare und lächelte mir freundlich entgegen.

»Hallo«, gab ich leise von mir. Nicolo nickte mir zu, ehe er sich wieder seinem Controller widmete.

»Muss sie unsere Namen wissen?« Dieser Gino stand auf, um mit seinem intensiven Blick auf meine Augen gerichtet direkt auf mich zuzusteuern. Er war wirklich groß und muskulös. Angst stieg in mir auf, obwohl ich ihn nicht mal kannte. Einzig seine Stimme verriet mir, dass er es war, der an meinem Bett gestanden haben muss. Eine unheimliche Vorstellung.

»Dreh dich«, befahl er mir und zündete sich eine Zigarette an.

»Wie bitte?«, entkam es mir von seiner Nähe überfordert. Ich sah hilfesuchend zu Nunzio, der meinem Blick jedoch auswich und zu Nicolo zur Couch lief.

»Ist sie nicht ganz richtig?« Gino wandte sich den Männern hinter sich zu, doch die gaben ihm keine Antwort, also drehte er sich wieder zu mir. Er riss unsanft an meinem Arm, sodass ich nun mit dem Rücken zu ihm stand.

»Sie ist klein. Hat kaum Arsch und Titten. Dazu die kurzen Beine«, zählte er all meine Makel auf. Zu allem Überfluss wollte er dann auch noch mein Kleid anheben. Ich griff hektisch nach dem Saum und befreite mich aus seinem Arm.

»Geht’s noch?« Fassungslos funkelte ich ihn an, woraufhin er nach meinen Haaren schnappte. Er riss mich grob zur Seite, wodurch mir ein schmerzverzerrtes Aufstöhnen entkam.

»Wage es noch ein einziges Mal, dein verficktes Maul aufzumachen und ich –«

»Beruhige dich, Gino«, mischte Nunzio sich ein und kam auf uns zu. »Ich sagte ja, ich bin der Geduldige.«

Gino ließ meine Haare wieder los. Als er anschließend erneut mein Kleid anheben wollte, reichte er vorher Nunzio seine Zigarette und sah mir durchgehend in meine Augen. Es geilte ihn auf, mich so zu brechen.

Ohne mich erneut zu wehren, stand ich wie gelähmt da und wich seinem Blick nicht aus. Er zog das Kleid hoch, sodass ich nur noch mit Slip und Sport-BH vor den dreien stand. An meiner Taille drehte er mich zur Seite, um mich genauestens zu inspizieren. Als er endlich fertig war, ließ er das Kleid los.

»Sie hat Narben auf dem Rücken«, erklärte er, wobei mir nicht entging, wie angewidert er mich musterte. Dadurch bekam ich wieder Hoffnung, sie würden mich in ihrem Club nicht brauchen. »Bist du Jungfrau?«

Gino starrte mich eindringlich an. Ich wollte ihm nicht antworten, da ich mich unwohl fühlte, mit Fremden über so etwas Privates zu sprechen. Erst Recht, als ich spürte, wie auch Nunzio und Nicolo auf meine Antwort warteten. Gino machte einen Schritt auf mich zu, da nickte ich aus Angst vor weiteren Schmerzen. Ein Grinsen entstand auf seinem Gesicht.

»Congratulazioni! Ein paar Mal ficken und das Geld sollte wieder drinnen sein. Ich nehme sie nachher mit ins Vita notturna. Es wird sich schon ein zahlender Kunde finden.«

Ich traute meinen Ohren nicht, doch sie meinten es Ernst. Obwohl ich keinen von ihnen provozieren wollte, ergab ich mich nicht kampflos. Gino wandte sich von mir ab, da griff ich nach seinem Arm, während sich mein Herz panisch überschlug.

»Ich werde sicher nicht meine Jungfräulichkeit für meinen Onkel verkaufen«, verdeutlichte ich mit bebender Stimme meine Abneigung gegenüber seiner Aussage. Er lachte dreckig.

»Provozier mich nur weiter, dann steht deine beschissene Jungfräulichkeit nämlich gar nicht mehr zur Debatte. Glaub mir, ich würde nicht zärtlich sein.«

Kapitel 4

Gino fixierte mich mit seinem anstößigen Ausdruck. Ich fühlte mich nackt und erbärmlich, obwohl das Kleid mich vor seinen Blicken schützte. Nicolo und Nunzio machten auf seine Drohung hin einen angespannten Eindruck. Dies offenbarte mir, dass Gino hier wohl das Sagen hatte. Dieser kam einen Schritt auf mich zu, sodass ich meinen Kopf hätte anheben müssen, um weiterhin in seine dunklen Augen sehen zu können. Da mich mein Mut aber verlassen hatte, blickte ich zu Boden und hoffte, er würde mich nicht noch weiter demütigen.

»Gino!«, durchbrach plötzlich jemand hinter uns die Stille. Eingeschüchtert von seinem Befehlston, drehte ich mich um, woraufhin ich einem älteren Herren direkt in seine blauen Augen starrte. »Geht man so mit Gästen um?!«

Er warf Gino einen warnenden Blick zu, der sich daraufhin einige Schritte von mir entfernte.

»Scusa, papà«, brachte er hervor und schon setzte er sich wieder zu Nicolo auf die Couch. Nunzio tat es ihm gleich. Dieser Mann musste dann wohl der Boss sein.

»Du bist Ludovica Grasso, oder?« Er kam mit einem freundlichen Lächeln auf mich zu, das aber alles andere als echt wirkte. Trotzdem erwiderte ich es und nahm seine Hand entgegen, welche er mir fordernd reichte.

»Ja, die bin ich«, bestätigte ich seine Annahme höflich. Er löste seine Hand wieder aus meiner und begutachtete meinen Körper etwas genauer. Ich stand einfach nur da und ließ es über mich ergehen. Zu meiner Erleichterung dauerte es nicht allzu lange und seine Augen suchten wieder die meinen.

»Mein Name ist Enzo Mancini und ich hoffe, meine Söhne und Nunzio waren nett zu dir?« Ich nickte zwar, doch er schien schon zu wissen, dass in Gino kein netter Zeitgenosse steckte. Sein mahnender Blick richtete sich auf diesen, während ich nervös mit meinen Fingern spielte. »Gut. Nunzio, bring sie nach oben. Ich muss mit meinen Söhnen sprechen.«

Irgendwie erinnerte er mich an die Gangster aus alten Filmen. Diese dunklen Haare. Der perfekt sitzende Anzug. Dazu dieser leere Ausdruck in seinem Gesicht. Ich spürte bei seinem Anblick Nunzios Hand an meinem Arm, der mich in den Flur führte.

»Er scheint ganz nett zu sein«, flüsterte ich zu mir selbst und hatte dabei das gute Gefühl, dass ich vielleicht doch nicht für irgendwelche Zwecke verkauft werden würde. Seine Art war zwar bedrohlich, jedoch auch höflich. Ein Mann, mit dem man verhandeln konnte.

»Lass dich da bloß nicht täuschen.« Nunzio hatte mein Flüstern also gehört. Ich schaute flüchtig zu ihm herüber, während wir die Stufen nach oben nahmen.

»Wie meinst du das?« Er gab mir keine Antwort. Stattdessen zog er mich an meinem Arm weiter bis zu dem mir bekannten Zimmer. Trotz Nunzios Aussage hoffte ich immer noch, dass alles sich zum Guten wenden würde. Sicher war ich es bereits gewohnt, gedemütigt zu werden – doch Filippo war eine Sache. Eine Prostituierte zu werden, eine ganz andere.

Im Zimmer angekommen, trat ich immer nervöser von einem Bein aufs andere. Nunzio war keine Ablenkung, denn er spielte abwesend mit seinem Handy. Erst, als er einen Anruf bekam, wandte er sich wieder mir zu.

»Merk dir eins. Wenn du Gino schlimm findest, dann kennst du Enzo nicht. Er ist freundlich, doch seine Absichten richten sich nur nach seinen Interessen. Ich wünsche dir einen schönen Tag.« Er nahm den Anruf entgegen und verschwand aus dem Zimmer. Die Tür ließ er offen, warum auch immer.

Da ich anschließend endlich Zeit fand, mich umzusehen, lief ich auf den robusten Kleiderschrank zu. Ich öffnete ihn und entdeckte viele schwarze Hemden an Stangen hängend. Irritiert zog ich die Schubladen unter mir auf. In ihnen befanden sich Boxershorts und Socken. Es handelte sich um kein Gästezimmer. Hier wohnte jemand. Mein Blick glitt hinter mich zum Bett. Genauer gesagt zum Nachttisch. Neugierig lief ich die wenigen Schritte auf ihn zu, um auch diese Schubladen zu öffnen. Mehrere noch geschlossene Briefe befanden sich darin. Adressiert an Giuliano Mancini. Ich schloss alle Türen und Schubladen schnell wieder, da ich im nächsten Moment Schritte auf dem Flur hörte.

»Gino wird dich später abholen. Er musste noch mal weg.« Ich nickte, während Nicolo sich im Zimmer umsah.

»Es ist Ginos Zimmer, richtig?«

»Es war sein Zimmer«, erwiderte er mir. »Aber er ist so selten hier, dass er es kaum noch benutzt.«

Wieder nickte ich, woraufhin Nicolo aufmunternd lächelte und zurück in den Flur lief. Ich ließ mich auf der Bettkante nieder, um gedanklich alles zu verarbeiten. Stunden vergingen, in denen mir alles unreal vorkam. Zeit und Raum spielten keine Rolle mehr für mich. Ich fühlte mich wie in einem Alptraum gefangen, allerdings gab es kein Erwachen.

Als nach einer gefühlten Ewigkeit dann Nicolo wieder auftauchte, sah ich zur Tür, in dessen Rahmen er stehenblieb.

»Er wartet draußen.« Mit einem unguten Gefühl im Magen erhob ich mich von der Matratze. Ich lief Nicolo voraus nach unten in den Eingangsbereich. Anschließend durch die Haustür nach draußen. Ich beobachtete einige Wachmänner und sah mir die Villa genauer an.

Von außen wirkte sie um einiges größer, als das, was ich bereits innen erblickt hatte. Die Fassade strahlte weiß. Ich erkannte keinen einzigen Riss in ihr. Es ähnelte einem Traumschloss, nur dass die Menschen, die darin wohnten, einem Alptraum glichen. Mir fiel auf, dass ich von hier aus das Meer riechen konnte. Gedanklich tauchte ich in eine andere Welt. Eine Welt, in der ich frei am Meer spazieren ging. Ginos Stimme riss mich jedoch rasch wieder ins Hier und Jetzt.

»Steig ein!«, befahl er mir kühl. Er blieb derweil neben mir an dem schwarzen BMW stehen und tippte etwas in sein Handy ein. Seine dunklen Haare glänzten in der Sonne. Die Brille mit den getönten Gläsern gab mir keinen Ausblick mehr auf seine Augen. Das schwarze Hemd saß perfekt an seinem Oberkörper.

»Willst du meine Geduld wirklich weiter reizen?« Seine Stimmlage wirkte bedrohlich. Ohne überhaupt auf die Idee zu kommen, zu protestieren, setzte ich mich in Bewegung. Mit großer Abneigung ließ ich mich auf den Beifahrersitz des Wagens fallen und spürte das erhitzte Leder unter meinen Schenkeln.

Dieser männliche Geruch, den Gino nicht nur an sich, sondern auch in seinem Auto haften hatte, nahm mich voll und ganz ein. Es war eine Mischung aus Aftershave und Zigaretten. Als schließlich auch er Platz nahm, startete er, ohne mich weiter zu beachten, den Motor. Es ertönte laute Musik aus den Boxen, während die Klimaanlage kühle Luft verströmte. Ich hätte zu gerne etwas gesagt oder gefragt, denn diese Stille wirkte erdrückend. Gino verhielt sich jedoch ganz anders als Nunzio. Aggressiver. Mit ihm war Smalltalk sicher nicht einfach zu führen. Außerdem wollte ich ihn nicht erneut provozieren.

Mein Blick richtete sich aus dem Fenster, während ich weiterhin der Musik lauschte und nervös mit meinen Fingern herumspielte. Ich schaute mir die schönen Villen der Gegend an. Umso länger ich in diesem Auto saß, umso mehr verschwand auch meine innere Unruhe. Ich versuchte gedanklich, meine Lage auszublenden, bis ich plötzlich Ginos Hand an meinem Oberschenkel spürte.

Erschrocken zuckte ich zusammen. Mit großen Augen starrte ich zu ihm herüber, doch er schenkte mir keinerlei Reaktion. Lässig lenkte er den Wagen und sah aus der Windschutzscheibe, während seine Hand nun so fest meinen Oberschenkel drückte, dass ich unter ziehenden Schmerzen nach Luft schnappte.

»Gino!«, entkam es mir zitternd. Er schüttelte den Kopf.

»Ich will kein Wort von dir hören.« Seine Hand strich langsam immer weiter mein Bein hoch. Ich versuchte verzweifelt, ihn wegzudrücken, doch er griff wieder fest zu. Unter Schmerzen nahm ich meine Hände von seinen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Angespannt und den Tränen nah saß ich wie erstarrt da.

Seine Hand, die sich den Weg unter mein Kleid suchte, brachte meinen Körper zum Zittern. Ich wollte mich gegen ihn wehren, doch irgendwas in mir sagte mir, dass egal was ich tun würde, er sowieso das bekommen würde, was er wollte.

Als ich dann seine Finger an meinem Slip spürte, erschauderte ich und stieß meine gesamte angehaltene Luft aus. Ich wusste überhaupt nicht mehr, was ich empfinden sollte. Mein Verstand schien aufgelöst – durcheinander. Als stände ich unter dem Einfluss von Alkohol. Seine Finger schoben sich seitlich unter meinen Slip und durch die Hitze im Auto, die Musik aus dem Radio und dem Geruch, der hier in der Luft lag, schloss ich meine Augen. Ich fühlte mich wie benebelt. Unfähig, etwas gegen diesen Zustand zu tun.

»Du bist feucht«, kam es belustigt von Gino. Sofort schaute ich ungläubig zu ihm herüber, während er seine Hand Gott sei Dank wieder zwischen meinen Beinen entfernte und ein dreckiges Grinsen auflegte. »Wer weiß, vielleicht zahle ich heute noch deine Schulden.«

Dadurch, dass Gino mich den Rest der Fahrt in Ruhe ließ, kam ich zum Glück wieder zum Durchatmen. Das machte die Situation, neben ihm zu sitzen, trotzdem nicht angenehmer. Seine Nähe erzeugte Spannung. Im Grunde rechnete ich die ganze Zeit über damit, dass er mich erneut ohne Erlaubnis anfassen würde. Ehe dies jedoch geschehen konnte, parkte er den Wagen auf einem großen Parkplatz. Neugierig sah ich mich um, erkannte aufgrund der Dämmerung allerdings kaum etwas.

»Aussteigen!« Mit dunkler Stimme fuhr Gino mich an. Als ich meinen Kopf in seine Richtung drehte, schweifte mein Blick an ihm vorbei. Ich erkannte weiter weg den Club, von dem sie gesprochen hatten. Mein Magen zog sich bei seinem Anblick zusammen, während ich meinen Kopf nach hinten an die Lehne des Sitzes fallen ließ. Der Club stand ganz allein mitten in einem Fabrikgelände, umgeben von Parkplätzen und Büschen.

»Du sollst verfickt nochmal aussteigen!« Gino schrie mich ohne Vorwarnung an und riss dabei meine Autotür auf. Schockiert starrte ich zu ihm auf und schluckte fest.

»Entschuldige«, brachte ich mit zitternder Stimme hervor und stieg eilig aus, um von ihm auch gleich seine Hand auf meinen Rücken gelegt zu bekommen. Durch diese Geste kontrollierte er meine Schritte.

Immer schneller werdend führte er mich zur breiten, schwarzen Doppeltür, an der einige Männer standen und Zigarren rauchten.

»Wenn dich heute Nacht so ein alter Sack vögelt, wirst du dir noch wünschen, ich hätte dir deine Jungfräulichkeit genommen.« Gino flüsterte mir diese Worte ins Ohr, während ich die Männer vor mir betrachtete. In mir stieg Ekel und auch das Gefühl auf, nicht mehr atmen zu können. Ein Zustand, den ich kannte. Jedoch befand ich mich sonst immer zu Hause in meinem gewohnten Umfeld. Bei Filippo wusste ich, was mich erwartet ... hier nicht.

»Ciao, Gino.« Ein breit gebauter Mann begrüßte ihn, der nur flüchtig zu mir herabsah. Nachdem sie sich kurz unterhalten hatten, führte Gino mich an ihm vorbei nach drinnen. Augenblicklich wehte mir der abscheuliche Geruch von Zigarren und Whisky entgegen.

Genauso roch mein Onkel jedes Wochenende, wenn er spät nachts nach Hause kam. Diese Erinnerung bereitete mir heftige Magenkrämpfe. Ich krallte meine Finger um Ginos Hemd, um meinen Kopf an seinen Arm zu lehnen. Ich wollte vermeiden, den Boden unter meinen Füßen zu verlieren. Nur er blieb mir als Halt, auch wenn er derjenige war, der mich in diese Hölle führte.

»Denkst du, so bekommst du Mitleid?«, fragte Gino belustigt. Ich schüttelte den Kopf.

»Ich will kein Mitleid – nur vergessen.« Überfordert hob ich meinen Blick, wodurch seine Augen genau auf meine trafen. Er strich mir mit seinem Finger sanft über meine Stirn, was eine beruhigende Wirkung hatte. Sein kalter Ausdruck dabei ließ mich jedoch erahnen, dass es ihm scheißegal war, wie ich mich fühlte.

Er löste seinen Finger von meinem Gesicht und führte mich weiter den dunklen Gang entlang. Ich hörte Musik und wollte um die Ecke schauen, jedoch öffnete Gino eine Tür neben uns. Mehrere junge Frauen standen darin vor einem breiten Spiegel und bereiteten sich auf die bevorstehende Nacht vor.

»Gino!«, erfreute sich eine von ihnen und kam auch direkt auf ihn zu. Sie gab ihm einen sanften Kuss auf seine Wange, wonach sie ein zuckersüßes Lächeln auflegte. Wie konnte eine Frau ihn nur mögen?!

»Ciao, Giulia. Das ist Ludo. Sie muss ein paar Schulden wieder gut machen und ich erwarte, dass du sie richtig rausputzt und ihr erklärst, wie es hier läuft.« Sie nickte und lächelte mich daraufhin freundlich an, um mich an meiner Hand weiter in den kleinen Raum zu ziehen. Alles hier roch nach Parfum und Haarspray. Mir stachen die Gesichter der anderen ins Auge. Sie alle wirkten jung und unerfahren.

»Rot oder schwarz?«, fragte Giulia und forderte damit wieder meine Aufmerksamkeit. Sie hielt mir zwei Kleider vor die Nase, die sogar noch kürzer geschnitten waren als mein jetziges. »Du hast kurze Beine, also lieber das Schwarze«, gab sie nachdenklich von sich und reichte es mir, um mich anschließend hinter einen Raumteiler zu schieben. »Zieh dich in Ruhe um – und ihr Ladys, raus jetzt! Die Männer warten nicht gerne.«

Sie lief zurück an den Spiegel und scheuchte die anderen Mädchen herum. Entweder war sie eine Puffmutter, oder aber Motivationscoach. Beides hätte perfekt zu ihrer Art gepasst. Ich beachtete sie nicht weiter und zog mir widerwillig das schwarze Kleid an. Dabei verfluchte ich Filippo, wegen dem ich mich überhaupt erst in dieser Situation befand. Vor allem trug ich zuvor schon ein Kleid. Wieso musste ich mich erneut umziehen?

»Bist du fertig?« Giulias schrille Stimme ertönte und nervös trat ich hinter dem Raumteiler hervor. Trotz des Kleides fühlte ich mich splitterfasernackt. Mein halber Po blitzte hervor und obenrum verdeckte der hauchdünne Stoff auch nur gerade so meine Nippel. Was für ein billiger Laden! Wieso gingen sie nicht nackt raus?

»Also, Ludo. Im Grunde tanzen wir für die Männer und lassen uns fürs Unterhalten bezahlen. Manche möchten aber mehr. Du darfst Nachfragen nicht ablehnen. Oben gibt es Privaträume. Manche mit mehr Spielzeug, andere mit weniger. Sobald die Sache vorbei ist, bekommst du das Geld.«

»Spielzeug?«, wiederholte ich sie beinahe atemlos und spürte, wie meine Hände anfingen zu zittern. Ich wollte mich nicht mit fremden Männern allein in einem Raum befinden. Noch weniger wollte ich, dass sie Spielzeug an meinem Körper ausprobierten.

»Keine Sorge. Die Männer hier sind alle im Club bekannt und verstehen auch ein Nein, wenn man auf gewisse Dinge nicht so abfährt«, plapperte sie drauf los und kämmte dabei ordentlich durch meine schulterlangen schwarzen Haare.

»Möchtest du Make-up?« Sie trat dabei auf mich zu, um mich genauer zu mustern. »Hmm ... Du hast schöne Haut und dazu diese Sommersprossen. Eigentlich brauchst du keins. Macht sowieso nur die Haut kaputt.«

Ich bekam von ihrer guten Laune noch mehr Magenschmerzen, als ich sowieso schon hatte.

»Also dann, viel Spaß.« Ich erhob mich nur schwermütig von diesem Hocker und sah mir ein letztes Mal im Spiegel entgegen. Mein Ausdruck schrie förmlich nach Hilfe, selbst mit der Gewissheit, keine zu bekommen. Mit zitternden Händen lief ich zurück zur Tür und spähte nach draußen.

Unsicher musterte ich meine Umgebung, doch niemand außer mir befand sich in diesem finsteren Gang. Mein Blick glitt zum Ausgang und ich dachte kurz darüber nach, ob ich fliehen sollte, aber wohin sollte ich rennen? Sollte ich mich in den Büschen verstecken? Sie hätten sicher keine Schwierigkeiten mich wiederzufinden. Außerdem würden sicher Konsequenzen folgen, falls ich erwischt werden würde.

»Verdammter Mist«, fluchte ich und lief die andere Seite des Ganges entlang, um in einem großen, belebten Raum anzukommen. Bunte Lichter flackerten zum Takt der Pop-Musik. Direkt vor mir befand sich eine lange Theke, an der schon mehrere Männer saßen. Sie unterhielten sich amüsiert mit der Barfrau, welche ich eben noch in der Umkleide gesehen hatte.

Die Musik drang zwar in meine Ohren, doch nicht so laut, dass man sich nicht mehr unterhalten konnte. Als mein Blick weiter durch den Raum schweifte, erkannte ich am Rand noch Tische mit Sesseln. Gino erblickte ich nicht und da ich unsichtbar bleiben wollte, lief ich an der langen Bar vorbei in die hinterste dunkle Ecke. Ich ließ mich auf einem der Ledersessel nieder, um mich weiterhin verängstigt umzusehen. Bis meine Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt wurde.

Ein junger Mann, vielleicht Mitte 20, betrat den Raum. Begleitet wurde er von einigen Frauen und Männern, darunter auch Gino. Dieser Kerl besaß eine Ausstrahlung, die einen förmlich gefangen hielt. Ich bemerkte, dass er nicht nur meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte, sondern auch die aller anderen.

Das weiße Hemd lag perfekt an seinem Oberkörper an, während er das dunkle Jackett elegant über seinem Arm trug. Dazu diese pechschwarzen Haare, die selbst von hier hinten so weich aussahen, dass ich fast schon neidisch wurde. Er war sicher hier, um Geschäfte mit Gino abzuschließen, denn so einer hatte es auf keinen Fall nötig, sich Liebe von Frauen zu erkaufen.

Ich hörte die Musik kaum noch, starrte ihn durchgehend an und als er plötzlich genau mich ins Visier nahm, wich ich seinem Blick ertappt aus. Mein Herz raste vor Aufregung. Ich wusste nicht einmal wieso. Als ich mich nach kurzer Zeit wieder traute, zu ihm zu sehen, war er schon wieder mit seinem Anhang beschäftigt. Jetzt war es aber Gino, der mich mit einem bösartigen Ausdruck fixierte und auf mich zukam.

Kapitel 5

Hastig stand ich von dem Sessel auf und starrte Gino entschuldigend an. Er sagte kein Wort und wandte seinen Blick schnell wieder von meinem Gesicht ab. Er legte mir seine Hand auf den Rücken. Ich atmete tief durch und spielte nervös mit meinen Fingern, nichtsahnend, was er jetzt vorhatte. Unsicher setzte ich einen Fuß vor den anderen und blieb erst wieder stehen, als Gino seine Hand von meinem Rücken zu meinem Arm streifen ließ. Er umfasste diesen fester, als würde er mir wortlos drohen wollen.

»Einfach nur lächeln«, hauchte er mir zu und blieb mit mir genau vor zwei Männern stehen, welche gemeinsam an der Bar saßen. »Meine Herren. Das ist Ludovica und sie würde Ihnen nur zu gerne Gesellschaft leisten.«

Überfordert sah ich zu Gino auf. Dieser ignorierte mich aber und so schnell, wie er zu mir gekommen war, verschwand er auch wieder zwischen den anderen Menschen. Meine Atmung glitt nur noch stoßweise über meine Lippen, sodass mein Brustkorb zu schmerzen begann. Das Gefühl, diesen Männern jetzt schutzlos ausgeliefert zu sein, nahm mich vollkommen ein und brachte mich beinahe zum Weinen. Der Schock saß jedoch so tief, dass ich zu nichts weiter fähig war, als ins Leere zu blicken.

»Ciao, Ludovica! Setz dich doch«, riss der Vordere mich aus meinen Gedanken und klopfte dabei mehrere Male auf seinen Schoß. Ich starrte ihn mit offenem Mund an und war nicht im Stande, mich zu bewegen oder ihm etwas zu erwidern. Mein Blick schweifte zum Ende des Raumes, wo sich die Tische und Sessel befanden, denn obwohl Gino ein echter Arsch war, hoffte ich, dass er sich in letzter Sekunde als Retter in der Not erweisen würde.

Die Lichter erhellten immer wieder den sonst so düsteren Raum, doch von Gino war keine Spur zu sehen. Ehe ich mich weiter nach ihm umsehen konnte, schnappte der eine Typ plötzlich meine Hüften und zog mich auf seinen Schoß, sodass ich breitbeinig auf ihm Platz nehmen musste.

»Du bist wirklich eine Schönheit«, raunte er mir ins Gesicht. Mir wurde bei dem Gedanken, er hätte mein Großvater sein können, so schlecht, dass ich ihm auswich. Angewidert blickte ich zu meiner Seite, wo eine knapp bekleidete Rothaarige gerade Drinks zubereitete.

»Süße?«, sprach der Alte mich erneut an und nahm dabei taktlos mein Kinn zwischen seine Finger, um mein Gesicht wieder in seine Richtung zu drehen. »Hier spielt die Musik.«

Er grinste mich überlegen an und drehte sich flüchtig zu seinem Freund, der mich schweigend musterte. Er leckte sich über die Lippen und zog mich mit den Augen aus, was mir äußerst unbehaglich war.

»Ich müsste mal auf die Toilette«, erklärte ich mit zitternder Stimme und wollte nur noch von seinem Schoß herunter. Dieses Schwein legte seine Hände jedoch fest an meinen Po und drückte mich noch enger an sein Becken, sodass ich am liebsten vor Ekel laut aufgeschrien hätte.

»Musst du nicht!«, widersprach er mir schroff und fasste an meine Brust, um im gleichen Augenblick über mein Schlüsselbein zu lecken. Ich versuchte, ihn von mir zu stoßen, doch er keilte mich regelrecht auf seinem Schoß fest und ergötzte sich an der Panik, die er in mir auslöste.

»Lasst uns hochgehen«, flüsterte der Freund ihm zu und erschrocken sah ich zwischen den beiden hin und her. Ihre runzligen Gesichter prägten sich in meinen Verstand ein, wie Tumore, die ich nie wieder loswerden würde. Es war, als würde ich diese gesamte Lage nur noch von außen betrachten. Unfähig etwas dagegen zu tun – außerstande für mich selbst zu kämpfen.

»Zu gerne.« Der, auf dem ich saß, ließ mich endlich herunter. Das tat er aber nur, um mich an meiner Hand hinter sich her durch den Raum zu ziehen. Angst und Panik durchfuhren mich gleichermaßen. Meine Beine zitterten und es fiel mir schwer, mit ihm Schritt zu halten. Selbst als ich stolperte, blieb der Mistkerl nicht stehen.

Durch die Menge hindurch erspähte ich plötzlich Gino. Er stand an einem Tisch neben uns und sofort riss ich mich von dem Opa los, um mich hektisch zwischen einigen Leuten hindurch zu schlängeln.

Als ich ihn schließlich erreichte, umfasste ich mit zitternden Händen seinen Arm und sah flehend zu ihm auf. Seine Augen weiteten sich, als würde er versuchen, zu begreifen, was hier gerade passierte.

»Gino! Bitte ... Ich tue alles aber –«, stotterte ich vor mich hin und bemerkte erste Tränen in meinen Augen, während Gino sich bei den Leuten am Tisch entschuldigte. Mein Blick fiel ebenfalls flüchtig zum Tisch und als ich diesen Mann mit der faszinierenden Ausstrahlung erneut anstarrte, schaute auch er mir ausdruckslos tief in meine Augen.

»So etwas habe ich noch nicht erlebt!« Die erboste Stimme des Opas riss mich aus meiner Starre. Schnell wandte ich meinen Blick von dem Unbekannten ab, um Gino wieder anzusehen. Dieser war gerade dabei, die zwei älteren Herren zu beruhigen, ehe er mich mit sich aus dem großen Raum zog.

Wir kamen in dem mir schon bekannten Gang an. Vor uns erkannte ich eine schmale Treppe, die wahrscheinlich das Tor zur Hölle war. Anders konnte ich meine bevorstehende Entjungferung nicht beschreiben.

»Ludo!«, sprach er. Als ich ihn daraufhin bittend anschaute, wischte er mir beinahe schon sanft eine meiner Tränen weg. »Geschäft ist Geschäft. Ich verlange, dass du dort oben in dem Raum hinter der schwarzen Tür wartest.«

»Aber –«

»Kein aber«, unterbrach er mich und legte mir dabei seinen Finger auf den Mund, wodurch meine Stimme versagte und ich ihn schweigend musterte. »Schwarze Tür! Jetzt!«

Er schob mich an meinem Rücken grob zur Treppe, von der ich nur widerwillig Stufe für Stufe erklomm. Mittlerweile flossen meine Tränen unaufhörlich über meine Wangen. Meine Hände zitterten immer heftiger – mein Kopf dröhnte, als ich nach kurzer Zeit oben ankam. Nach Atem ringend erkannte ich mehrere Türen in verschiedenen Farben.

Lautes Stöhnen drang aus diesen Räumen, das meine Panik ins Unermessliche trieb. Damit mich keiner hier heulend vorfinden würde, eilte ich auf die schwarze Tür zu. Als mir jedoch wieder bewusst wurde, was für zwei Widerlinge da gleich, wer weiß was mit mir treiben würden, entschied ich mich kurz entschlossen, eine Tür weiter in die Rote zu verschwinden. Ich ließ die Tür hinter mir ins Schloss fallen, atmete mehrere Male tief durch und schloss meine Augen, um erstmal wieder zu Verstand zu kommen.

Erst, als ich mich einigermaßen beruhigt hatte, öffnete ich meine Augen und erschrak, als ich Handschellen, Fesseln und allen möglichen anderen Kram auf dem großen Bett vor mir liegen sah. Sonst gab es hier nicht viel. Lediglich ein rotes Bett, Spielzeug und zugezogene schwarze Vorhänge. Missmutig lief ich auf das Bett zu und hob die Handschellen hoch. Ich musterte sie, ehe ich sie ängstlich wieder fallen ließ und einige Schritte rückwärts machte.

»Hallo.« Unerwartet ertönte eine dunkle Stimme hinter mir. Panisch drehte ich mich herum, um plötzlich dem Unbekannten genau in seine blauen Augen zu starren. Sie waren schöner als das Meer hier in Italien. Gleichzeitig aber auch von einer Kälte gezeichnet, die einen erschauern ließ.

»Was machst du hier?«, wollte er wissen und lief an mir vorbei zum Bett, um sein Jackett ordentlich darauf abzulegen. Anschließend wandte er sich mir wieder zu und steckte seine Hände lässig in seine Hosentaschen.

»Ich habe mich verlaufen.« Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe und wollte eilig durch die Tür verschwinden. Er war jedoch schneller und knallte diese vor meinen Augen zu. Dadurch war er mir plötzlich so nah, dass mir der Geruch seines herben Aftershaves entgegenwehte.

»Ich glaube, du bist hier genau richtig.« Unsicher wich ich einen Schritt zurück. Er schien wie ein Raubtier Gefallen daran zu finden, dass ich ihm so ängstlich gegenüberstand. Da blitzte etwas in seinen Augen auf, das ich zuvor noch nie bei jemand anderem gesehen hatte. Eine Mischung aus Dominanz und Überlegenheit, jedoch auch Mitgefühl und Faszination. Als er anschließend auch noch ruhig und gelassen die Knöpfe seines weißen Hemdes öffnete, fühlte ich mich wirklich wie die Beute, die er gleich erlegen würde.

»Wie heißt du?« Fragend starrte er mir entgegen, doch ich war immer noch wie erstarrt. Sein Blick schweifte für einen kurzen Moment über meinen Ausschnitt, ehe ich mich räusperte und seine Augen wieder genau auf meinen lagen.

»Ludovica.« Es war nur ein leises Hauchen, was über meine Lippen kam.

»Freut mich, Ludovica.« Die Art, wie er meinen Namen aussprach, war so voller Erregung, dass meine Wangen sich erröteten. Ich versuchte, seinem intensiven Blick auszuweichen, doch wohin sollte ich schon schauen? »Setz dich auf das Bett und strecke deine Hände nach vorne.«

Es klang wie ein Befehl, dem ich mich nicht entziehen konnte, egal wie sehr ich mich sträubte. Er zog sein Hemd vor mir aus, was mir einen Ausblick auf seinen durchtrainierten Oberkörper gab. Ohne auf seine vorherige Anweisung einzugehen, sah ich mir seine vielen Tattoos genauer an, bis ich eine runde Narbe auf der Haut neben seinem Herzen entdeckte.

Diese erinnerte mich an Verletzungen, die vor einer Schusswaffe stammen musste. Zumindest sahen diese in Filmen so aus. Erschrocken darüber, was für ein Mann mir da wohl gegenüberstand, schluckte ich fest und bekam erneute Panik. Vor lauter Überforderung wagte ich einen weiteren Versuch, an ihm vorbei zur Tür zu kommen. Mit einem gekonnten Griff um meine Hüfte zog er mich aber an sich heran und drückte seinen Oberkörper fest gegen meinen Rücken.

»Es tut mir leid. Ich bin wirklich im falschen Zimmer!«, gab ich unter schnellen Atemzügen von mir, in der Hoffnung, er würde mich gehen lassen. Er ignorierte meine Worte jedoch und führte seine Hand daraufhin ganz langsam über meinen Bauch, um zwischen meinen Brüsten hindurch bis zu meinem Hals zu streichen. Dort angekommen, umfasste er meine Kehle. Dieser Umschwung brachte mich zum Erzittern.

»Ich weiß, Kleine«, raunte er mir von hinten an mein Ohr und drehte mich an meiner Schulter herum, sodass ich ihm erneut tief in seine blauen Augen sehen musste.

»Du kannst mich gerne gegen die alten Säcke eintauschen. Sie werden dich wahrscheinlich von ihrem Viagra getrieben, bis morgen früh durchnehmen. Du kannst allerdings auch bei mir bleiben und darauf vertrauen, dass ich gut mit dir umgehen werde und dein erstes Mal unvergesslich mache.«

»Woher weißt du –«

»Ich dachte es mir.« Er strich mir eine meiner schwarzen Strähnen aus dem Gesicht. Allein von dieser Berührung sprang mir mein Herz beinahe aus der Brust. Es fühlte sich warm an ... fast schon sanft. Doch so sollte es sich nicht anfühlen. Es war falsch, etwas Gutes an dieser Situation zu sehen, jedoch kamen mir seine Worte wieder in den Sinn. Die Vorstellung der beiden alten Männer bescherte mir wieder Übelkeit.

»Was meinst du mit unvergesslich?«, wollte ich mit einem Kloß im Hals wissen und schaute unsicher zu ihm auf.

»Hab einfach Vertrauen.« Er sprach, als würden wir uns schon ewig kennen und schob mich anschließend an meiner Hüfte zum Bett. Die Bettkante spürte ich kurz darauf an meinen Waden. Ich ließ mich darauf nieder, spielte unsicher mit meinen Händen und sah ihm dabei zu, wie er die Handschellen an sich nahm.

»Hände jetzt nach vorne, Kleine«, verlangte er mit einer Strenge, die perfekt zu seinem kalten Ausdruck passte. Am liebsten wäre ich aufgesprungen, doch die Gewissheit, dass ich so oder so meine Jungfräulichkeit in dieser Nacht verlieren würde, ließ mich an Ort und Stelle verharren. Flach atmend streckte ich nur zögerlich meine Arme nach vorne, die sich schwer wie Blei anfühlten. Er nahm daraufhin meine linke Hand in seine, um die Handschelle an meinem Gelenk zu befestigen. Ich musterte durchgehend nur sein Gesicht und zuckte beim klickenden Geräusch des Verschlusses zusammen.

»Jetzt leg dich hin und entspann dich.« Dieser Befehl kam ihm über die Lippen, als wäre es das Normalste der Welt. Doch das war es nicht, und mein Brustkorb begann bereits zu schmerzen, so stark klopfte mein Herz. Ich tat jedoch, was er verlangte, denn allein seine Art mich anzusehen, war so eindringlich, dass ich wusste, Widerworte würden ihm nicht gefallen.

Wer wusste schon, was er mit mir anstellen würde, wenn ich mich ihm widersetzte? Wie eine Marionette, befreit von jeglichen Emotionen, ließ ich meinen Körper nach hinten in das weiche Bett fallen. Meinen Kopf legte ich auf dem Kissen nieder und schloss für einen kurzen Moment meine Augen, um anschließend wieder zu ihm aufzusehen.

Er befestigte gerade den anderen Teil der Handschelle am Bettpfosten und stellte sich nach einem Klicken neben mich ans Bett. Mir zog ein eiskalter Schauer über den Rücken, als er einfach nur da stand und mich begutachtete.

»Was hast du da gemacht?«, platzte es plötzlich aus mir heraus, als ich aufgeregt dabei zusah, wie er den Gürtel seiner schwarzen Hose öffnete. Ich wollte dieser Situation einfach nur noch entfliehen und versuchte, ihn abzulenken.

»Was meinst du?« Ich zeigte mit meiner freien Hand auf die Narbe neben seinem Herzen. Er folgte meinem Blick, strich über seine Brust und sah mich wieder ohne Ausdruck an. »Den falschen Menschen vertraut.«

Mehr sagte er nicht, ehe er sich seine Hose auszog, sodass er nur noch in Boxershorts dastand und ich schnell mit großen Augen zur Decke hoch starrte. Erschrocken musste ich feststellen, dass diese komplett aus Spiegeln bestand. Das musste ein Scherz sein. Als er sich dann gerade über meinen Körper lehnen wollte, presste ich meine Oberschenkel beschämt zusammen und schaute ihn flehend an.

»Kannst du wenigstens das Licht ausmachen ... bitte?« Ich hoffte auf sein Verständnis, doch er starrte mich nur verwirrt an, als könnte er nicht begreifen, wieso ich das überhaupt verlangte.

»Nein«, antwortete er kühl und spreizte mit seinen Händen meine Oberschenkel. Ich spürte vor lauter Scham die Hitze in meinen Wangen und verkrampfte mich. »Entspann dich.«

Vorsichtig kniete er sich zwischen meine Beine, um sich mit seinen Händen links und rechts neben meiner Schulter abzustützen. Sein Gesicht befand sich genau über meinem und wir sahen uns tief in die Augen.

»Du musst dich einfach nur entspannen. Ich würde niemals etwas tun, was dir nicht gefällt.« Mit seinen Lippen kam er so nahe an meine heran, dass ich meinen schnellen Herzschlag bis in den Hals pochen spürte.

»Du tust es doch schon ...«, gab ich ihm so leise zurück, dass selbst ich meine gebrochene Stimme nicht hörte. Ich schaltete meine Gedanken aus und versuchte, meine Seele an einen schöneren Ort zu bringen, denn dieser Situation würde ich körperlich nicht mehr entkommen. Er sah mir noch eine kurze Zeit in die Augen und begann anschließend, seine Lippen über meinen Hals wandern zu lassen, woraufhin ich meine Augen schloss und es über mich ergehen ließ.

»Du riechst so gut, Ludovica«, hauchte er an meine Haut und saugte leicht an meinem Hals, um immer weiter mit seinen Lippen über meinen Körper zu wandern. Er küsste zärtlich mein Schlüsselbein entlang und fuhr mit seinen Fingern dabei über meine Seite. Mein Atem verlangsamte sich und ich schaffte es beinahe, mich wirklich zu entspannen.

Als er sich aber plötzlich erhob und mein Kleid ohne große Mühe aufriss, brach erneut Panik in mir aus. Mit einem entsetzten Blick sah ich zu ihm auf und schämte mich, nur noch mit einem Slip bekleidet unter ihm zu liegen. Er ging nicht auf mich ein und machte weiter. Seine Hände legten sich an meinen Slip. Er zog ihn meine Beine herunter, ohne dass ich mich dagegen wehrte. Ich fühlte mich hilflos. Das, was mir aber am meisten Angst machte, war der Umstand, dass mein Körper ganz anders reagierte als mein Verstand.

Meine Gedanken wollten flüchten.

Nur noch raus aus diesem Zimmer.

Doch meine Nippel verhärteten sich und auch die

Hitze zwischen meinen Beinen nahm zu. Es war so absurd, dass ich mich selbst nicht wiedererkannte. Als wäre ich gefangen in einem Körper, der sich diesem Fremden hingeben wollte, ohne sich darüber bewusst zu sein, welch aussichtslose Situation das hier war. Doch es war auch egal, denn ich sah im nächsten Moment nur noch Dunkelheit und rang panisch nach Luft.

Kapitel 6

»Was soll das?!«, entkam es mir aufgebracht, als ich erschrocken in mein Gesicht fassen wollte. Bevor mir dies gelang, spürte ich seine Hand an meinem Handgelenk, die meine mit einem festen Griff zurück auf die Matratze presste.

»Habe ich nicht gesagt, du sollst mir vertrauen?« Die Tatsache, dass ich mit einer Hand an den Bettpfosten gefesselt war und er mir eine Augenbinde angelegt hatte, machte es mir alles andere als leicht, ihm zu vertrauen. Trotzdem blieb mir keine Wahl, als es zu versuchen.

Ich atmete tief durch, woraufhin mir sein Geruch noch intensiver ins Bewusstsein wehte. Ohne Gegenwehr ließ ich zu, dass seine Fingerspitzen sanft zwischen meinen Brüsten entlangfuhren. Ich streckte meinen Körper durch und wollte aus Scham meine Beine zusammenpressen. Es gelang mir nicht, da sein Körper im Weg war. Als ich daraufhin spürte, wie er meinen Innenschenkel sanft küsste, entkam mir widerwillig ein leises Aufstöhnen. Ich konnte mich dagegen nicht wehren und es auch nicht verhindern. Es fühlte sich zu gut an.

»Gefällt dir das?«, fragte er mich mit rauer Stimme, jedoch gab ich ihm keine Antwort darauf. Er reagierte auf mein Schweigen, indem er mir plötzlich in meinen Oberschenkel biss. Ich erschauderte.

»Antworte mir!«, forderte er streng und ich rang erschrocken nach Luft.

»Ja!«, erwiderte ich aus Angst vor erneutem Schmerz. Ganz gelogen war es allerdings nicht, denn auf kranke, mir unerklärliche Weise, gefiel es mir wirklich.