Tiffany Sexy Band 44 - Stephanie Bond - E-Book

Tiffany Sexy Band 44 E-Book

Stephanie Bond

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Beschreibung

WENN DIE LETZTE HÜLLE FÄLLT ... von ATKINS, DAWN Jeder Zentimeter an Autumn ist Verführung pur doch Mike Fields muss stark bleiben. Der Bürgermeister und seine Praktikantin: absolut verboten! Aber Mikes Verlangen wächst mit jedem Tag - und ein überraschender Plan könnte die Erfüllung bringen ... NUR EINE SINNLICHE FANTASIE? von O'REILLY, KATHLEEN Schon in seiner Talkshow will Sam ihr am liebsten die Kleider vom Leib reißen. Jeder Blick der rassigen Bestsellerautorin Mercedes ist wie ein Versprechen. Wird sie so feurig sein wie die Heldinnen in ihren Romanen? Sam kann es kaum erwarten, ganz allein mit ihr zu sein... ALLES - UND NOCH VIEL MEHR! von BOND, STEPHANIE Ein romantisches Dinner, heiße Tänze in einer Bar und dann in einen Stripclub! Jane genießt das Wochenende in Las Vegas - und Lust und Leidenschaft mit dem sexy Anwalt Perry Brewer. Doch als sie sich in ihn verliebt, reist Jane Hals über Kopf ab …

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Seitenzahl: 587

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Stephanie Bond, Kathleen O’Reilly, Dawn Atkins

Tiffany Sexy, Band 44

IMPRESSUM

TIFFANY SEXY erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Redaktion und Verlag: Brieffach 8500, 20350 Hamburg Telefon: 040/347-25852 Fax: 040/347-25991
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Cheflektorat:Ilse BröhlProduktion:Christel Borges, Bettina SchultGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)Vertrieb:asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-27013

© 2007 by Stephanie Bond, Inc. Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Andrea Cieslak

© 2007 by Kathleen Panov Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Dorothee Halves

© 2007 by Daphne Atkeson Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Christiane Bowien-Böll

Fotos: PICTURE PRESS / Astra Production

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY SEXYBand 44 - 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Veröffentlicht im ePub Format im 05/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86349-521-3

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

STEPHANIE BOND

Alles – und noch viel mehr!

Jetzt will sie alles und noch mehr: Jane hat im Lotto gewonnen und fliegt nach Las Vegas. Dass sie im Hotel auf ihren Nachbarn Perry Brewer aus Atlanta trifft, macht das Abenteuer perfekt. Der Anwalt mit dem athletischen Körper entführt sie in ein nie gekanntes Land voller Luxus und Leidenschaft. Doch ein Telefonat mit ihrer Freundin holt sie in die Realität zurück ...

Kathleen O’Reilly

Nur eine sinnliche Fantasie?

Sie ist so sexy wie die Heldinnen in ihren erotischen Romanen: Mercedes Brooks! Seit Sam Porter sie in seiner Talkshow interviewt – und sie dann die ganze Nacht geliebt hat, ist er ihr rettungslos verfallen. Liebe oder Macht? Sam muss sich entscheiden: Mit Mercedes an seiner Seite scheint seine Wahl zum Kongressabgeordneten ausgeschlossen zu sein ...

DAWN ATKINS

Wenn die letzte Hülle fällt ...

Ihr Strip nur für ihn ist so heiß, dass Mike Fields alles vergisst, was ihn und Autumn trennt! In seinem Büro im Rathaus werden sie von ihren leidenschaftlichen Gefühlen überwältigt. Doch während Mike davon träumt, dass Autumn die Frau an seiner Seite wird, hält sie es für ausgeschlossen: eine Ex-Stripperin und der Bürgermeister von Copper Corners?

Stephanie Bond

Alles – und noch viel mehr!

1. KAPITEL

„Hören Sie … Es tut mir leid, wie war Ihr Name noch mal?“

Jane Kurtz legte den Pinsel zur Seite, mit dem sie gerade ein perfektes Make-up auf die pickelige Haut der Möchtegernprominenten Casey Campella zauberte, die an diesem Tag zu Gast in der Talkshow „Just Between Us“ war. „Ich heiße Jane.“

„Ach ja, richtig.“ Casey rümpfte die Nase. „Also, hören Sie, ich möchte auf keinen Fall orange auf dem Bildschirm aussehen. Ich habe viele Freunde und Verwandte hier in Atlanta, und die werden sich alle die Show anschauen.“

Klar, dachte Jane. Weil es um Tipps geht, wie man sein eigenes Sexvideo dreht. So wie jenes, das von Casey und ihrem Freund derzeit im Internet kursierte. Jane biss sich auf die Zunge, um eine spitze Bemerkung zu unterdrücken. Stattdessen sagte sie beruhigend: „Ich verspreche Ihnen, dass Sie nicht orange aussehen werden, Miss Campella. Aber Sie müssen schon stillhalten, damit ich meinen Job bestmöglich machen kann.“

Casey rümpfte noch einmal die Nase und ließ die Prozedur weiter über sich ergehen.

Seufzend griff Jane nach dem Pinsel und konzentrierte sich darauf, das feine Make-up-Puder makellos auf dem Gesicht der jungen Frau zu verteilen, die zwar einen unreinen Teint, dafür aber aufregende Kurven hatte. Die vollbusige Blondine hatte sogar einen Fanklub und eine eigene Website.

Als die Grundierung fertig war, widmete sich Jane Caseys dunkelblauen Augen, die sie mit falschen Wimpern, Lidschatten und Eyeliner geschickt betonte. Auf die Wangen trug sie nur einen Hauch Puder mit Glanzpartikeln auf. Dann kam die größte Herausforderung. Jane musste aus den bleistiftdünnen Lippen die Illusion eines Schmollmundes mit klaren Konturen erschaffen. Dazu wählte sie ein blaustichiges Rot aus, das die nikotingelben Zähne der jungen Frau so weiß wie möglich wirken ließ. All dies tat sie, während Casey mit ihrem Freund telefonierte, der, wenn man aus Caseys Antworten Schlüsse ziehen konnte, genauso unreif zu sein schien wie das kichernde Starlet – und höchstwahrscheinlich am anderen Ende der Leitung gerade dabei war, sich selbst zu befriedigen.

„Ich habe letzte Nacht von dir geträumt, Baby … Nein, ich zuerst … Okay, dann erzähl … Oh, das ist so scharf, dass ich es kaum aushalte … uh! … Ich bin so verdammt heiß auf dich …“

Neben Frust und Verlegenheit empfand Jane plötzlich einen Stich von Eifersucht. Wie mochte es sich anfühlen, wenn ein Mann so verrückt nach einem war, dass er einen anrief, um schmutzige Sachen zu sagen?

„Fünf Minuten“, rief ein Produktionsassistent durch die Tür, und Casey machte ihm ein Zeichen, dass sie verstanden hatte.

„Es geht los, Baby. Nimm die Show bloß auf DVD auf. Wir schauen sie uns dann zusammen an.“

Nach kurzem Schweigen lachte Casey heiser, und es war klar, was die beiden tun würden, während auf dem Bildschirm zu sehen und zu hören war, wie sie ihr Sexleben in der heißesten Talkshow des Lokalsenders vor Publikum ausbreitete.

Jane musste sich beherrschen, nicht die Augen zu verdrehen. Sie vermutete, dass ein weiteres Sexvideo in Planung war.

Casey beendete das Gespräch, dann beugte sie sich vor, um ihr Make-up im hell beleuchteten Spiegel von jedem Winkel aus zu betrachten. Sie runzelte die Stirn.

„Gibt es ein Problem, Miss Campella?“, fragte Jane.

„Nein. Im Gegenteil, ich sehe klasse aus.“

Jane lächelte und nickte. „Ich freue mich, dass Sie zufrieden sind.“

„Ich danke Ihnen, äh … Wie war Ihr Name noch mal?“

„Jane.“

„Richtig.“ Casey stand auf und riss sich den Papierumhang vom Hals, der das rote Minikleid im Trenchcoatstil schützte, das Jane aus der Requisite ausgewählt hatte. Das kurvenreiche Starlet drehte sich vor dem großen Spiegel hin und her und zwinkerte sich zu, dann musterte es Jane von oben bis unten. „Ich frage mich nur – wenn Sie es schaffen, Leute so toll aussehen zu lassen, warum tun Sie dann nichts für sich?“

Janes Lächeln schwand, während die junge Frau auf aufregend hohen schwarzen Stilettos von Donald Pliner davonstöckelte, die sie, Jane, mühsam aufgetrieben hatte. Ein paar Sekunden später ertönte Musik, und das Publikum brach beim Erscheinen des Gastes in wilden Applaus und Jubel aus.

Talklady Eve Best, rhetorisch geschickt wie immer, behauptete in ihrer Einleitung, diese Sendung richte sich vor allem an Frauen, die ihrer Ehe etwas mehr Würze geben wollten. Wenn man ihr zuhörte, hatte man den Eindruck, dass die Ratschläge für die Erstellung privater Sexvideos keineswegs ein schlüpfriges Thema, sondern nur ein ganz normaler Service für Hausfrauen waren.

Jane schüttelte den Kopf und lachte leise, während sie die Show auf dem Overheadmonitor verfolgte. Ihre Arbeit war im Grunde getan, doch sie blieb offiziell bis zum Ende der Show, falls ein Notfall eintreten sollte.

Sorgfältig reinigte sie ihre Gerätschaften und Behälter, die sie zum Reinigen und Befeuchten der Haut, für das Peeling, die Rasur und das Auszupfen überflüssiger Härchen benötigt hatte. Dann folgten die Utensilien zum Auftragen von Make-up und die, die sie zum Ankleben falscher Wimpern benötigte. Manchmal musste sie auch zu stark ausgedünnte Augenbrauen mühsam wieder auffüllen. Während sie automatisch die Handgriffe ausführte, die seit drei Jahren für sie alltäglich waren, kam ihr Casey Campellas spitze Bemerkung wieder in den Sinn.

Jane schaute in den Spiegel und gab betrübt zu, dass das muntere Starlet nur ausgesprochen hatte, was wahrscheinlich jeder dachte, der mit ihr, Jane, zu tun hatte.

Sie fragte sich ja selber, wie eine talentierte und gefragte Visagistin und Stylistin wie sie so unattraktiv sein konnte.

Gewöhnlich vermied Jane den Blick in den Spiegel. Wenn sie sich zum Beispiel die Zähne putzte, machte sie sich schon lange keine Gedanken mehr über ihre unscheinbaren Gesichtszüge, die blassblauen Augen, die durchschnittliche Nase, den unauffälligen Mund, den gewöhnlichen Teint, alles umrahmt von mittellangem hellbraunen Haar.

Ein Gesicht, das man schnell vergaß.

Sie war eben nicht mit natürlicher Schönheit gesegnet wie ihre Freundinnen Eve Best und Liza Skinner, die sie seit Kindertagen kannte. Mit den Jahren hatte Jane sich mit ihrer Rolle abgefunden und kleidete sich entsprechend schlicht. Statt Designermode und Schuhe von Manolo Blahnik bevorzugte sie Jeans und Sneakers.

Trotzdem hatte Jane viel Spaß daran gehabt, wenn ihre Freundinnen früher Modenschau gespielt hatten. Sie hatte gern Kosmetika an ihnen ausprobiert, um sie noch schöner zu machen. Auf der Highschool hatte sie die beiden jeden Morgen in der Mädchentoilette geschminkt. Dabei hatte sie erkannt, dass sie einen Blick dafür hatte, Makel zu kaschieren und Vorzüge zu betonen – in den Gesichtern anderer. Die wenigen Male, die sie an sich selbst experimentiert hatte, hatten enttäuschende Ergebnisse gebracht. Es waren peinliche Versuche gewesen, sich hübscher zu machen als sie war. Es war ihr vorgekommen, als wollte sie mit ihren Freundinnen konkurrieren.

Daher hatte sie sich darauf beschränkt, andere Leute gut aussehen zu lassen, und in manchen Fällen war ihr unscheinbares Äußeres sogar hilfreich. Die meisten Prominenten waren so unsicher wegen eigener Schönheitsfehler, dass sie es hassten, einer Visagistin ausgeliefert zu sein, die attraktiver wirkte als sie selbst.

So war Janes Einfachheit zu ihrem Markenzeichen geworden in einer Welt, die manche vielleicht sogar glamourös finden mochten. Dabei war es damals, als Eve sie in ihr Team geholt hatte, ein berufliches Wagnis gewesen. Anfangs hatten Liza und Jane sich um alles gekümmert, was nötig war, um die Show auf Sendung zu bringen, auch wenn es den Rahmen ihrer Stellenbeschreibung sprengte. Aber mit der Zeit war die dürftige Besetzung auf ein Team von über vierzig Mitarbeitern in Technik, Verwaltung und Produktion angewachsen. Jetzt konnte sich Jane ganz auf ihren Job als Stylistin und Make-up-Artist konzentrieren, eine Tätigkeit, die herausfordernd und befriedigend zugleich war. Sie erlaubte ihr den Kontakt mit den Reichen und Berühmten und entschädigte sie für ihr dürftiges Privatleben.

Als das aufmunternde Lächeln, das Jane ihrem Spiegelbild zuwarf, nicht überzeugen wollte, wandte sie den Blick einfach ab.

Während sie jede Bürste und jeden Applikator, den sie besaß, sterilisierte, schaute sie auf den Bildschirm und stellte dabei zufrieden fest, dass sowohl Eve als auch ihr Gast in jeder Kameraeinstellung blendend aussahen, frisch und strahlend trotz der Hitze, die von den Lampen der Studioscheinwerfer ausströmte.

„Casey“, begann Eve mit einer Ernsthaftigkeit, als würde sie ein politisches Interview führen, „was sollten unsere Zuschauer beachten, wenn sie zu Hause ihr eigenes Sexvideo drehen möchten?“

Dies war die Art von schlüpfrigen Themen, die die Einschaltquote in den letzten Jahren immer wieder sprunghaft erhöht hatten. „Just Between Us“ erzielte dadurch inzwischen hohe Werbeeinnahmen. Ein Feature in einem Hochglanzmagazin hatte der Talkshow und Eve erhöhte Aufmerksamkeit bei den überregionalen Sendern verschafft. Der Erfolgsdruck war gestiegen – und damit auch die Nervosität unter den Kollegen.

Jane war so in Gedanken versunken, dass sie ein Tablett mit Make-up-Proben fallen ließ.

Auch sie war nervös.

Sie hockte sich hin, um die Tuben und Fläschchen aufzuheben, und schüttelte den Kopf über ihre Tollpatschigkeit. Es liegt an der Ungewissheit über die Zukunft der Show, redete sie sich ein. Das musste der Grund sein, weshalb sie so unruhig war. Es hatte nichts damit zu tun, dass sie dazu bestimmt zu sein schien, im Leben immer außen vor zu bleiben. Die Menschen konnten sich ja nicht einmal an ihren Namen erinnern.

Jane schaute zu, wie Eve ihren Zauber auf ihren Gast und ihr Publikum ausübte, und fragte sich beiläufig, ob ihre Freundin Liza, wo immer sie sein mochte, die Show verfolgte. Die extravagante und quirlige Liza Skinner war die erste Redaktionsleiterin der Show gewesen und hatte ein erfolgreiches Konzept entwickelt. Aber vor einem Jahr hatte ein Streit über eine Folge, die schlecht gelaufen war, dazu geführt, dass Liza alles hingeworfen hatte. Seitdem hatten sie nichts mehr von ihr gehört. Jane vermisste sie, und sie wusste, dass es Eve ebenso ging. Und tief im Innern erwarteten sie beide, dass Liza eines Morgens in ihrem Büro auftauchen würde, um weiterzumachen, als wäre nichts geschehen.

Jane dachte jedes Mal an Liza, wenn sie bei ihren Kollegen für die Lotterie „Lot O’ Bucks“ sammelte. Das Lottospiel war eine Tradition, die sie, Eve und Liza begründet hatten, wobei jede von ihnen zwei der sechs Zahlen ausgewählt hatte. Seit Liza fort war, waren drei andere Mitarbeiter der Tippgemeinschaft beigetreten, dennoch hatten sie und Eve stur zum Zeichen ihrer Freundschaft an einer von Lizas Zahlen festgehalten.

Als Jane ihre Geräte fortgeräumt hatte, war auch die Show zu Ende, und der Regisseur hielt zufrieden den Daumen hoch.

Jane schaltete den Monitor aus und machte Inventur. Sie notierte, welche Farbtöne von Make-up, Lidschatten, Rouge und Lippenstiften zur Neige gingen und bestellte telefonisch Nachschub. Danach überprüfte sie noch schnell die Garderobenständer und machte sich ein paar Notizen über neue Frühlingsaccessoires, die sie für die Requisite besorgen wollte. Sie sortierte Dutzende von Musterprodukten und Katalogen, die ihr von verschiedenen Herstellern zugeschickt worden waren. Die vielversprechenden steckte sie in eine große Leinentasche, um sie zu Hause in Ruhe durchzublättern, den Rest warf sie in den Papierkorb. Dann machte sie sich endlich auf den Weg.

Im Flur kam ihr Eve entgegen. Jane lächelte. „Tolle Show.“

Eve grinste. „Danke. Ich war ein bisschen besorgt, wie Casey beim Publikum ankommen würde, doch sie hat es gut gemacht. Und ihr Make-up und das Outfit waren perfekt, dank dir.“

„Schön.“

„Aber morgen habe ich eine echte Herausforderung für dich. Bette Valentine mit den zusammengewachsenen Augenbrauen kommt, um darüber zu sprechen, wie man sein inneres wildes Ich herauslässt.“

Bei dieser Ankündigung war Jane zusammengezuckt. „Und an den wallenden Hawaiigewändern, die sie so liebt, lässt sich kaum etwas machen.“

„Dir wird schon etwas einfallen“, meinte Eve mit einem Zwinkern. „Hast du heute Abend ein heißes Date?“

„Ja – mit meiner Fernbedienung.“ An diesem Abend wurde die letzte Folge ihrer Lieblingsserie „Dirty Secrets of Daylily Drive“ ausgestrahlt. Jane war gespannt, wer das kleine Biest aus der Nachbarschaft ermordet hatte.

Eve machte ein mitleidiges Gesicht. „Wann wirst du endlich wieder ausgehen? Es ist Monate her, seit du und James euch getrennt habt.“

Seit er mich abserviert hat, verbesserte Jane im Stillen. Und obwohl sie zugeben musste, dass James nicht die Liebe ihres Lebens war, tat ihr seine abschließende Bemerkung immer noch weh. Mein Gott, Jane, du bist so langweilig. Von dieser Beleidigung hatte sie sich noch nicht erholt.

„Ich habe keine Zeit für Verabredungen“, erwiderte sie, dann schmunzelte sie. „Vielleicht sollte ich mal mit meiner Chefin über meine Überstunden sprechen.“

„Okay, der Punkt geht an dich. Sobald wir es geschafft haben, landesweit auf Sendung zu gehen, können wir einen Gang zurückschalten“, versprach Eve, hakte sich bei Jane unter und begleitete sie zum Ausgang. Plötzlich wurde ihre Miene ernst. „Du hast nichts von Liza gehört, oder?“

„Nein, warum?“

„Kein besonderer Grund, wirklich nicht. Sie ist mir heute nur im Kopf herumgespukt.“

„Mir ging es genauso“, gestand Jane. „Hast du eine Ahnung, wo sie sein könnte?“

Eve schüttelte den Kopf. „So wie ich Liza kenne, ist sie in diesem Moment vielleicht gerade auf dem Weg zum Mond.“ Sie winkte zum Abschied. „Wir sehen uns morgen.“

Jane winkte zurück und sah ihrer Freundin nach. Sie wusste, dass Eve noch einige Stunden Arbeit vor sich hatte, bevor sie den Sender verlassen konnte.

Eve Best verdiente es, groß herauszukommen, denn sie schuftete doppelt so hart wie jeder andere im Team. Schon von Jugend auf hatte Jane das Gefühl gehabt, dass ihre beiden Freundinnen für große Dinge bestimmt waren.

Dann kam Jane ein anderer Gedanke und sie nagte sorgenvoll an ihrer Unterlippe. Seit Liza fort war, befiel sie immer öfter die düstere Ahnung, dass der Durchbruch, auf den sie alle warteten, sie nur weiter voneinander entfernen würde.

Jane verdrängte ihre Befürchtungen und verließ den Parkplatz des Senders. Es dämmerte bereits an diesem kalten Frühlingstag, und sie kämpfte gegen ihre Müdigkeit an, während sie ihren alten, aber zuverlässigen Honda Civic durch den Feierabendverkehr in Atlanta steuerte. Normalerweise kam sie um diese Zeit recht gut durch, doch heute geriet sie wegen einer Baustelle auf der Peachtree Street in einen Stau. In letzter Minute entschloss sie sich abzubiegen, um sich etwas zu essen vom Chinesen zu holen. So war es schon dunkel, als sie in die Tiefgarage des Blocks fuhr, in dem ihre Eigentumswohnung lag.

An ihrem Stellplatz angekommen, unterdrückte sie nur mühsam einen Fluch – ein kleines rotes Auto parkte dort neben dem großen schwarzen Geländewagen ihres neuen Nachbarn. Sie hatte den Mann noch nicht getroffen, dafür aber gehört, wie er am Vortag eingezogen war. Offensichtlich hatte er Besuch und verstieß schon gegen die Hausordnung. Kochend vor Wut stellte Jane ihren Wagen im engen Besucherparkbereich ab und marschierte ins Haus.

Je eher ihr Nachbar über die Regeln der Eigentümergemeinschaft belehrt wurde, desto besser.

Sie blieb vor seiner Tür stehen und musste mit ihrer Schultertasche, den Katalogen und der Tüte mit chinesischem Essen jonglieren, um die Klingel betätigen zu können. Aus der Wohnung dröhnte Musik mit dumpfen Basstönen. Jane drückte nach einer Weile noch einmal auf die Klingel, und nach etlichen Minuten schwang die Tür endlich auf.

Für Sekunden verschlug es ihr die Sprache.

Der Mann war deutlich über einen Meter achtzig groß. Sein Haar und seine Augen waren dunkel, sein Teint war gebräunt, und da er nur eine ausgeblichene Jeans trug, konnte sie viel nackte Haut sehen. Seine Schultern waren breit und muskulös, seine Brust war leicht behaart, und der Bund seiner Hose saß so tief, dass Jane sich fragte, ob er Unterwäsche trug. Seine Körperhaltung verriet natürliches Selbstbewusstsein, und er strahlte eine fast magische Anziehung aus. Der Mann wirkte wie geschaffen für Sex.

Kurz gesagt, er war umwerfend.

Er musterte sie ebenfalls, aber sie schien ihn weit weniger zu beeindrucken.

Lässig hielt er seine Bierflasche hoch. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte er gedehnt.

„Äh … Ich bin Ihre Nachbarin von nebenan. Jane.“

Er nickte und ließ ein atemberaubendes Lächeln aufblitzen. „Ich bin Perry. Nett, Sie kennenzulernen.“

„Danke gleichfalls.“ Jane verteilte ihre kostbare Ladung auf beide Arme, um ihm nicht die Hand hinstrecken zu müssen. „Fahren Sie einen schwarzen Geländewagen?“

„Ja.“

„Direkt daneben, auf meinem Parkplatz, steht ein rotes Auto. Ich dachte, Sie wissen vielleicht, wem es gehört.“

„Kayla“, rief er über die Schulter und nahm einen Schluck Bier.

Eine Brünette, zierlich wie eine Barbiepuppe und mit riesiger Oberweite, erschien im bauchfreien Pulli hinter ihm im Flur. Seltsamerweise war Jane enttäuscht über den Geschmack ihres Nachbarn, doch was hatte sie erwartet?

„Was ist, Baby?“, fragte die junge Frau säuselnd.

„Hast du deinen Wagen auf dem Besucherparkplatz abgestellt, wie ich es dir gesagt habe?“

Sie zog einen Schmollmund. „Da ist es viel zu eng, deshalb habe ich neben deinem geparkt.“

Perry schaute Jane an und zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Sorry, äh … wie heißen Sie noch gleich?“

„Jane“, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Er richtete einen Zeigefinger wie eine Pistole auf sie und schnalzte mit der Zunge. „Kommt nicht wieder vor“, meinte er lässig.

Jane öffnete den Mund, um darum zu bitten, dass sein Gast den Wagen wegfahren möge, aber die Tür ging vor ihrer Nase zu. Verärgert runzelte sie die Stirn und hoffte, dass der Mann sich bei näherem Kennenlernen als sympathischer herausstellen würde. Das Gebäude hatte nur vierzig Einheiten. Ein paar Idioten unter den Eigentümern – oder ein besonders großer – würden genügen, um die Stimmung zu vermiesen. Und da sie und Perry eine gemeinsame Wand hatten und sich einen Balkon teilten, würde sie am meisten unter ihm zu leiden haben.

Seufzend schloss sie ihre Wohnung auf und machte Licht. Die Kataloge ließ sie auf ihren Schreibtisch fallen, die Tüte mit dem chinesischen Essen nahm sie mit ins Wohnzimmer, das sie bewusst schlicht in beruhigenden Farbtönen von Taupe und Himmelblau eingerichtet hatte. Dies war ihr Refugium. Die Wände waren weiß, die Möbel schnörkellos. Kein Schnickschnack, der sie ablenkte und nach Feierabend noch mehr Arbeit verursachte.

Jane atmete tief durch und spürte, wie die Anspannung des Tages von ihr abfiel. Sie zog sich einen bequemen Freizeitanzug an und band ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. Ein Blick auf die Uhr ließ sie in die Küche eilen, um eine Flasche Wasser und ein Tablett zu holen. Zeit für ihre Serie. Würden Victoria und der Polizist Nate endlich zusammenfinden? Oder würde Nate Victoria etwa wegen Mordes an ihrer Nachbarin verhaften müssen?

Jane sank auf die Couch mit den vielen Kissen und schob die nackten Zehen in den Hochflorteppich, dann schaltete sie den Fernseher ein und griff nach der Tüte mit dem Essen. Noch bevor sie sich bequem zurücklehnen konnte, vernahm sie störend laute Musik von nebenan.

Jane warf einen finsteren Blick auf die Wand zur Nachbarwohnung. Der vorige Eigentümer war ruhig gewesen und oft verreist. Sie konnte nur hoffen, ihr neuer Nachbar würde schnell merken, dass die Wände in diesem Gebäude dünn waren.

Sie versuchte ihren Ärger zu unterdrücken und erhöhte die Lautstärke ihres Fernsehers, um die Musik zu übertönen. Dann packte sie ihr Essen aus, Wan Tan mit Krabben und Lo Mein, Nudeln mit Garnelen.

Sie wickelte die Essstäbchen aus und führte gerade ein Teigtäschchen zum Mund, als sie das Stöhnen einer Frau hörte.

„Ah … ahh, ja, Baby, genau so … ja.“

Jane hielt inne und drehte den Kopf zur Wand. Das war ja wohl nicht zu fassen. Die machten doch nicht etwa …

Ungläubig machte sie den Fernseher leiser und vernahm prompt wieder eindeutige Geräusche.

„Oh, oh, oh … ja! Ja! Mach weiter! Fester! Schneller! Jaaa! Oh mein Gott, oh mein Gott, das fühlt sich so gut an! Sag mir schmutzige Sachen, ja, genau … Du böser, böser Junge.“

Jane riss die Augen auf. Böser Junge?

Ein rhythmisches Hämmern ertönte, dazu ein unablässiges Quietschen, und Jane vermutete, dass es das Kopfende des Bettes war, das bei dem wilden Liebesspiel gegen die Wand stieß.

„Du meine Güte“, murmelte sie. Sie fühlte sich ein wenig schäbig, wie ein Voyeur, und konnte es dennoch nicht lassen, neugierig zuzuhören. Die Laute der Frau wurden immer schriller, begleitet vom tiefen Raunen eines Mannes.

„Jetzt!“, schrie sie. „Ich komme! Jetzt! Jetzt! Jaaaaa!“

Nach den Geräuschen zu urteilen, erreichten die beiden im gleichen Moment ihren Höhepunkt. Jane blieb regungslos sitzen. Sie konnte kaum fassen, was sich da gerade abgespielt hatte. Zugleich spürte sie ein verräterisches Ziehen in ihren Brüsten und ein erregendes Kribbeln in ihrem Bauch.

Beschämt griff sie wieder nach der Fernbedienung, um den Fernseher lauter zu stellen, denn immer noch drang Musik durch die Wand. Jane versuchte sich auf die Handlung auf dem Bildschirm zu konzentrieren, aber ihre Gedanken schweiften immer wieder zu der Tatsache ab, dass sie gerade Ohrenzeugin beim Sex ihres neuen Nachbarn geworden war.

Dabei wollte sie lieber gar nicht so viel über ihn wissen. Zumal sie sich seinen muskulösen Körper nur zu gut nackt und leicht verschwitzt auf zerwühlten Laken vorstellen konnte. Sie überlegte, was für schmutzige Sachen er seiner Geliebten wohl gesagt haben mochte, dass sie so geschrien hatte, als ginge es um Leben und Tod.

Mechanisch steckte Jane ein Wan Tan in den Mund. Etwas Befriedigenderes hatte sie in dieser Nacht nicht zu erwarten. Doch als ihre Aufmerksamkeit weiterhin zu wünschen übrig ließ und sie erkannte, dass sie die letzte Folge ihrer Lieblingsserie weitgehend verpasst hatte, stieg wieder Ärger in ihr hoch. Der „böse Junge“ hatte sie unfreiwillig mit seinem Sexleben belästigt und ihr damit völlig den Abend verdorben. Und während sie noch innerlich kochte vor Wut über seine Frechheit und Schamlosigkeit, begann das rhythmische Knarren des Bettes und das Stöhnen der Frau von Neuem.

„Oh Baby, das ist es … genau so … oh ja. Sag etwas Schmutziges … oh ja.“

Jane schob mit hochgezogenen Augenbrauen ihre Zunge in die Innenseite ihrer Wange. Nicht schon wieder. Sie hatte nicht einmal Zeit gehabt, zu Ende zu essen! Schlimmer, sie hatte keine Ahnung, wie es inzwischen in der Fernsehserie weitergegangen war.

Verärgert stocherte sie im Lo Mein, als das Rumoren auf der anderen Seite der Wand hektischer wurde. Der böse Junge hatte offenbar Stehvermögen – und Finesse. Er wusste genau, was er zu tun und wo er anzufassen hatte, oh Baby, er wusste genau, wie er es anstellen musste, oh ja.

Das Gestöhn der Brünetten klang wie ein schlechter Liedtext.

Was sagte er zu ihr? Jane lehnte sich näher an die Wand, konnte das leise Gemurmel aber nicht verstehen. Plötzlich wurde sie sich bewusst, dass sie sich im selben Rhythmus wie das Paar nebenan bewegte und dass sie erregt war.

Wie lange war es her, dass sie Sex gehabt hatte? Nach James hatte es noch keinen Mann wieder in ihrem Leben gegeben, und die letzten Male mit ihm waren enttäuschend verlaufen.

Wozu es beschönigen? Jedes Mal mit James war eine Enttäuschung gewesen. Bei jedem Mann – nicht dass es viele gewesen wären – war sie enttäuscht gewesen. Keine ihrer erotischen Begegnungen hatte an die Fantasien herangereicht, die ihr im Kopf herumschwirrten. Kein Mann hatte sie so fühlen lassen, wie sie sich jetzt fühlte, voller Verlangen und Sehnsucht nach Erfüllung.

Währenddessen kam die Frau nebenan immer mehr auf Touren, wobei sie in einer Lautstärke kreischte, die Jane auf die Nerven ging. Maßloser Zorn stieg in ihr auf, und sie sprang hoch. Sie war nicht gewillt, diese Art von Lärmbelästigung in ihren eigenen vier Wänden einfach hinzunehmen!

Energisch marschierte sie nach draußen in das Treppenhaus und pochte laut an Perrys Tür, und als er nicht reagierte, klopfte sie erneut, wobei sich ihre Wut weiter steigerte. Sie hob gerade den Arm, um noch einmal an seine Tür zu hämmern, da machte ihr Nachbar plötzlich auf. Er stand in seiner ganzen Herrlichkeit vor ihr, mit zerzaustem Haar und in Jeans, deren Reißverschluss nur halb hochgezogen war. Diesmal trug er garantiert keine Unterwäsche.

Perry lächelte schief. „Kann ich Ihnen helfen, äh … wie war Ihr Name noch mal?“

„Jane“, stieß Jane mit zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Richtig. Was kann ich für Sie tun, Jane?“

„Sie könnten etwas mehr Rücksicht nehmen.“

„Was meinen Sie?“

„Ich meine, Sie und ich wohnen Wand an Wand, und ich kann Ihre … Musik hören.“

„Okay, ich dreh die Stereoanlage etwas herunter.“

Er machte Anstalten, die Tür zu schließen, doch Jane hob eine Hand. Die Vorstellung, was den leichten Schimmer von Schweiß auf seiner Brust verursacht hatte, drohte ihr die Sprache zu verschlagen, aber sie erinnerte sich daran, dass sie hier das Opfer war. „Ich kann auch hören, was sich bei Ihnen sonst noch abspielt.“

Er blinzelte. „Sonst noch?“

Sie verschränkte die Arme und maß ihn mit einem bedeutungsvollen Blick. „Beide Male.“

Er zuckte mit den dunklen Augenbrauen, dann lächelte er frech. „Und auf einer Skala von eins bis zehn?“

Empört schnappte Jane nach Luft. „Ich bin nicht hier, um Ihnen Punkte zu geben, Mr. …“

„Brewer“, ergänzte er.

Jane presste einen Moment die Lippen zusammen. „Mr. Brewer“, sagte sie dann so beherrscht wie möglich. „Ich bin hergekommen, um Sie höflich zu bitten, weniger laut zu sein.“

„Ich werde es versuchen“, antwortete er munter. „Doch ich kann nichts versprechen.“ Dann trat er zurück und schloss die Tür.

Jane blieb ein paar Sekunden lang stehen. Sie fühlte sich wie ein Trottel. Schließlich kehrte sie in ihre Wohnung zurück, bemerkte ärgerlich, dass sie das Serienfinale nun endgültig verpasst hatte, und ging geladen im Wohnzimmer auf und ab. Um sich zu beruhigen, goss sie sich ein Glas Wein ein und setzte sich auf ihren kleinen Balkon mit Blick auf die funkelnden Lichter von Midtown.

Adrenalin strömte durch ihre Adern und eine Mischung aus Wut, Scham und Frustration. Sie hatte das Gefühl, die Fassung zu verlieren, und sie gestand sich ein, dass sie das nicht allein auf die Belästigung durch ihren Nachbarn schieben konnte. Vielleicht brütete sie etwas aus, oder sie litt unter Hormonschwankungen. Das würde die innere Unruhe erklären, die schon vor der Trennung von James begonnen und sich danach sogar noch verstärkt hatte. Es war nichts Konkretes, was sie quälte, nur ein unbestimmtes Gefühl der Leere.

Als sie hörte, wie auf dem Nachbarbalkon die Tür aufgeschoben wurde, verschlechterte sich ihre Laune noch. Nicht einmal hier war sie ungestört. Die Balkone waren zwar durch eine Mauer getrennt, doch falls die beiden beschließen sollten, ihre gymnastischen Übungen nach draußen zu verlegen, würde sie notgedrungen wieder alles mitbekommen. Sie wappnete sich gegen noch mehr Liebesgestöhne.

Stattdessen drang das schrille Lachen der Frau an ihr Ohr. „Unglaublich, dass deine schwachköpfige Nachbarin extra gekommen ist, um sich zu beschweren, dass sie uns beim Sex gehört hat. Wie unverschämt!“

Brewer lachte kurz. „Wohl eher prüde.“

Heiße Röte schoss Jane in die Wangen, und sie drückte sich tiefer in ihren Stuhl.

„Vielleicht solltest du dir eine andere Wohnung suchen“, schlug die Frau vor. Gleich darauf kicherte sie. „Sonst werden wir sie noch verrückt machen. Und dann wird sie dir auf die Nerven fallen.“

„Warum sollte ich wieder ausziehen?“, fragte Brewer. „Nur weil ich das Pech hatte, neben einer kleinen grauen Maus einzuziehen, die wahrscheinlich noch nie guten Sex hatte und nichts Besseres zu tun hat, als andere Leute dabei zu belauschen?“

Jane atmete tief ein. Sie spürte einen heftigen Schmerz in der Brust und fühlte sich zutiefst gedemütigt. Wurde sie etwa so von anderen Menschen gesehen? Ihre Kehle war wie zugeschnürt, und Tränen schossen ihr in die Augen. Hastig stand sie auf. Dabei entglitt ihr das Weinglas, aber sie kümmerte sich nicht darum, sondern floh geradezu in ihre Wohnung.

Perry hörte Glas auf der anderen Seite der Balkonmauer zerspringen und zuckte zusammen, als ihm bewusst wurde, dass seine Nachbarin – Jane – wahrscheinlich draußen gesessen und seine Bemerkungen gehört hatte. Verdammt.

„Was war das?“, fragte Kayla.

„Nichts“, erwiderte er und trank sein Bier aus. Er kam sich vor wie ein Schuft. „Vielleicht solltest du jetzt lieber gehen. Ich muss früh am Gericht sein, und ich habe noch ein paar Akten durchzuarbeiten.“

Kayla schmollte. „Okay. Wann sehe ich dich wieder?“

„Bald“, versprach er und führte sie durch die Wohnung zur Tür, wo er sich mit einem flüchtigen Kuss von ihr verabschiedete und ihr nachwinkte.

Als sie fort war, schaute er zur Tür nebenan und überlegte, ob er sich bei seiner Nachbarin entschuldigen sollte, und vor allem, wie er sich überhaupt dafür entschuldigen könnte, dass er sie eine … Er zuckte erneut zusammen, als er sich erinnerte, wie er sie genannt hatte.

Eine kleine graue Maus, die wahrscheinlich noch nie guten Sex hatte.

Perry war über sich selbst entsetzt, denn egal wie unscheinbar eine Frau auch sein mochte, diese Art von Demütigung hatte sie nicht verdient. Seine Mutter hatte ihn eigentlich besser erzogen.

Perry rieb sich das Kinn und schwor sich, einen Weg zu finden, um Jane – wie auch immer sie mit Nachnamen heißen mochte – zu entschädigen. Irgendwie.

2. KAPITEL

Als Jane am nächsten Morgen in den Korridor trat und ihre Mülltüte abstellte, damit sie die Wohnungstür abschließen konnte, musste sie blinzeln, um sich durch die dunkle Sonnenbrille auf das Schloss konzentrieren zu können. Die Tarnung war lächerlich, aber notwendig, um ihre verquollenen Augen zu verstecken. Ihr neuer Nachbar und seine Freundin würden sicher herzlich lachen, wenn sie wüssten, dass ihre beiläufigen Bemerkungen über sie und ihr trauriges Leben ihr eine schlaflose Nacht beschert hatten, in der sie in ihr Kissen geweint hatte. Doch vermutlich war sie so uninteressant, dass die beiden sich nicht einmal erinnerten, was sie über sie gesagt hatten.

Während sie fahrig mit dem Schlüssel hantierte, ging zu ihrem Schrecken die Tür der Nachbarwohnung auf. Jane schaute nicht hoch, sondern stach einfach weiter auf das Schlüsselloch ein. Dabei fühlte sie, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.

„Guten Morgen“, grüßte Perry.

„Morgen“, murmelte sie, ohne sich zu ihm umzudrehen.

„Probleme?“

„Nein.“ Sie biss die Zähne zusammen und versuchte, das Zittern ihrer Hand zu unterdrücken, aber es gelang ihr nicht.

Plötzlich schloss sich eine große Hand sanft um ihre. „Lassen Sie mich mal.“

Jane verkrampfte sich, überließ ihm jedoch den Schlüssel und trat einen Schritt zurück, um sich seiner Berührung zu entziehen. Unauffällig sah sie sich nach seiner Freundin um, aber Perry war allein. Heute trug er einen Anzug und hatte eine Aktentasche dabei, die er neben ihre Mülltüte auf den Fußboden gestellt hatte.

Der Bolzen des Schlosses klickte. Perry wandte sich zu ihr um und reichte ihr lächelnd den Schlüssel.

„Danke“, sagte sie.

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